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04.02.2013 · IWW-Abrufnummer 130382

Oberlandesgericht Bamberg: Urteil vom 13.12.2012 – 1 U 85/12

Hat die Kfz-Leasinggeberin in ihren AGB im Entwendungs- oder Totalschadensfall auf die Erstattung des sog. Differenzschadens (= Differenz zwischen Ablöse-und Wiederbeschaffungswert) verzichtet, kann sie auch nicht im Hinblick auf die vom Leasingnehmer (freiwillig) abgeschlossene GAP-Versicherung und abweichend von ihren Rechten aus dem Leasingvertrag nunmehr vom Kasko-Versicherer der Leasingnehmerseite den Differenzschaden ersetzt verlangen.


OLG Bamberg, 13.12.2012

1 U 85/12

In dem Rechtsstreit
gegen
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts xxx sowie der Richter am Oberlandesgericht xxx und xxx aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2012
für Recht erkannt:
Tenor:

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Coburg

vom 09.05.2012 - Az.: 13 O 656/11 - wird zurückgewiesen.
II.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Coburg vom 09.05.2012 - Az.: 13 O 656/11 - abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
III.

Die Klägerin hat die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen.
IV.

Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der vollstreckbaren Beträge abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% der zu vollstreckenden Beträge leistet.
V.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin, Rechtsnachfolgerin der A. Leasing GmbH, begehrt von der Beklagten aus abgetretenem Recht Leistungen aus 13 Kaskoversicherungsverträgen.

Jene 13 von der Klägerin im Einzelnen bezeichneten Versicherungsnehmer hatten ihre Fahrzeuge bei der A. Leasing GmbH geleast und bei der Beklagten kaskoversichert. Die Fahrzeuge wurden entwendet oder erlitten einen Totalschaden. Die Beklagte regulierte sämtliche Schadensfälle innerhalb von drei Monaten nach dem jeweiligen Schadenstag bis zur Höhe des jeweiligen Wiederbeschaffungswertes.

Die Leasingverträge enthalten unter "Leasing-Extra bei Totalschaden oder Diebstahl" folgenden Passus:

"Der Leasinggeber verzichtet im Falle eines Diebstahls oder einer von ihm ausgesprochenen Kündigung wegen Totalschadens auf die Differenz zwischen Ablösewert und Wiederbeschaffungswert, wenn die Versicherungsleistung binnen 3 Monaten ab Schadenstag bei ihm eingeht.

Anderenfalls verbleibt es bei der Fälligkeit des Ablösewertes gem. Abs. X Ziff. 6 i.V.m. Abs. XV der AGB. Erfolgt die Auszahlung der Versicherungsleistung noch zu einem späteren Zeitpunkt, erstattet der Leasinggeber die Differenz zwischen Ablösewert und Wiederbeschaffungswert an den Leasingnehmer zurück. Das gilt nicht, wenn für das Fahrzeug Kasko-Versicherungsschutz mit einer Neupreisregelung besteht."

Die Differenz zwischen Ablösewert und Wiederbeschaffungswert beträgt in den 13 Fällen insgesamt 43.434,66 Euro.

Sämtliche mit der Beklagten abgeschlossene Kaskoversicherungsverträge beinhalteten unter A.2.6.1 der AKB der Beklagten eine sog. GAP-Deckung (Differenzkasko bei geleastem Pkw). Die Klausel lautet:

"Bei Totalschaden, Zerstörung oder Verlust eines geleasten Pkw erhöht sich in der Vollkasko die nach .... berechnete Leistung auf den Ablösewert des Fahrzeugs, der sich aus der Abrechnung des Leasinggebers ergibt (Differenzkasko)."

Nach Abtretung durch die Leasingnehmer forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 15.04.2011 auf, die GAP-Differenz zu zahlen, was von der Beklagten abgelehnt wurde.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Beklagte könne sich nicht auf die in den Leasingverträgen enthaltene Verzichtsregelung berufen. Es sei klar, dass dieser Passus die Leasingnehmer, nicht aber die Kaskoversicherung begünstigen solle.

Nach einer Teilklagerücknahme (zunächst betrug die Klageforderung 44.407,32 Euro) beantragte die Klägerin zuletzt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 43.434,76 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12.05.2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat zunächst die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten. Außerdem hat sie die Auffassung vertreten, dass auch sie sich auf den in den Leasingverträgen vereinbarten Verzicht berufen könne. Es handele sich nämlich insoweit um einen Vertrag zugunsten Dritter, auf den § 334 BGB Anwendung finde.

Das Landgericht Coburg hat mit Zustimmung der Parteien im schriftlichen Verfahren entschieden und mit Endurteil vom 09.05.2012 der Klage i.H.v. 40.649,22 Euro stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch gemäß § 1 Satz 1 VVG, § 398 BGB i.V.m. A.2.6.1 AKB begründet sei. Die Beklagte könne keine Rechte aus der in den Leasingverträgen enthaltenen Verzichtsregelung herleiten. Erfolglos müsse die Klage allerdings bezüglich des Versicherungs- / Leasingnehmers B. bleiben. Insoweit habe die Klägerin ihre Aktivlegitimation mangels Vorlage einer Abtretungsvereinbarung nicht nachgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der Entscheidungsgründe erster Instanz wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 40 - 55 d.A.) Bezug genommen.

Gegen das dem Klägervertreter am 24.05.2012, dem Beklagtenvertreter am 23.05.2012 zugestellte Endurteil haben beide Parteien Berufung eingelegt, mit der sie ihre erstinstanzlich gestellten Anträge weiterverfolgen.

Das Rechtsmittel der Klägerin ist mit Schriftsatz vom 19.06.2012, eingegangen am 20.06.2012, eingelegt und begründet worden. Die Berufung der Beklagten ist mit Schriftsatz vom 04.06.2012, eingegangen am 05.06.2012, eingelegt und innerhalb verlängerter Frist mit weiterem Schriftsatz vom 07.08.2012, eingegangen am selben Tag, begründet worden.

Die Klägerin rügt eine Verletzung der erstgerichtlichen Hinweispflichten. Sie habe mit Schriftsatz vom 24.02.2012 (Bl. 26 d.A.) alle Abtretungserklärungen vorlegen wollen und glaublich auch vorgelegt. Dass die Abtretungserklärung des Versicherungs- / Leasingnehmers B. tatsächlich nicht vorgelegt wurde, sei ein offensichtliches Versehen gewesen. Die Klägerin hat die Abtretungserklärung im Berufungsverfahren (als Anlage K 21) nachgereicht.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Endurteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 2.785,54 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12.05.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen sowie

das Endurteil des Landgerichts Coburg aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Beklagte hält an ihrer erstinstanzlichen Argumentation fest und rügt, das Erstgericht habe übersehen, dass in der Kaskoversicherung immer nur auf das Interesse des Versicherungsnehmers abzustellen sei. Daraus folge zwingend, dass keine Leistungspflicht des Versicherers bestehe, wenn der Versicherungs- / Leasingnehmer gar nicht vom Leasinggeber in Anspruch genommen werde. Schon aus dem Wortlaut der Leasing-Extra-Regelung ergebe sich, dass die Klägerin keine weitergehenden Ansprüche habe, wenn - wie hier - innerhalb von drei Monaten reguliert werde. Der Leasingvertrag verpflichte den Leasingnehmer nur zum Abschluss einer Vollkaskoversicherung, nicht aber zur Vereinbarung einer GAPRegelung. Soweit das Erstgericht ausführe, die Beklagte hätte in ihre Verträge aufnehmen müssen, dass die Differenzkasko nicht ausbezahlt werde, wenn ein entsprechender Verzicht mit dem Leasinggeber vereinbart sei, kehre es die rechtlichen Verhältnisse um. Schließlich könne der Versicherer in seine Bedingungen nicht alles aufnehmen, was Gegenstand eines Leasingvertrages sein könnte.

Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Berufung der Beklagten und wiederholt -insoweit unter Verteidigung des Ersturteils - ihre erstinstanzliche Rechtsauffassung. Außerdem regt sie die Zulassung der Revision an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 22.11.2012 Bezug genommen.

II.

Beide Berufungen gegen das Endurteil des Landgerichts Coburg vom 09.05.2012 sind zulässig. In der Sache erweist sich jedoch allein das Rechtsmittel der Beklagten als begründet, sodass auf ihren Antrag hin das angefochtene Endurteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen war.

1.

Zwar rügt die Klägerin zu Recht eine Verletzung der erstgerichtlichen Hinweispflichten (§ 139 ZPO), da offensichtlich war, dass die Vorlage der Abtretungserklärung des Versicherungs- / Leasingnehmers B. nur versehentlich unterblieben war. Der Nachweis der auch insoweit bestehenden Aktivlegitimation der Klägerin war daher auch noch im Berufungsverfahren zuzulassen (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Die Berufung der Klägerin hat im Ergebnis gleichwohl keinen Erfolg, da der von ihr geltend gemachte Anspruch schon dem Grunde nach nicht besteht.

2.

Gegenstand der Fahrzeugversicherung (Kaskoversicherung) ist das Eigentümerinteresse an der Erhaltung des versicherten Fahrzeugs (vgl. BGHZ 30, 40; BGH VersR 1988, 949 [BGH 06.07.1988 - IVa ZR 241/87]; BGH VersR 1994, 85 [BGH 27.10.1993 - IV ZR 33/93]). Daneben kann bei einer entsprechenden Vereinbarung, die durch Auslegung unter Berücksichtigung der erkennbaren Interessen des Versicherungsnehmers ermittelt werden muss, auch das Sachersatzinteresse Dritter versichert sein (BGH VersR 2008, 634 [BGH 05.03.2008 - IV ZR 89/07]). Gedeckt ist - falls nicht anders vereinbart - der unmittelbar am Fahrzeug entstehende Schaden, also nicht ein eventueller Sachfolgeschaden.

a.

Die Klägerin war als Leasinggeberin Eigentümerin der streitgegenständlichen Fahrzeuge. Bei den von ihren Leasingnehmern verpflichtend abzuschließenden Kaskoversicherungen handelt es sich deshalb um sog. Fremdversicherungen i.S.v. §§ 43 ff. VVG (§§ 74 ff VVG a.F.). Damit sollte das Risiko der Klägerin als Eigentümerin der

Fahrzeuge abgedeckt werden, wenn auch das eigene Sacherhaltungsinteresse aller 13 Leasingnehmer mitversichert ist. Gleichwohl ist der auszugleichende Sachschaden in sämtlichen 13 Fällen der Leasinggeberin als Eigentümerin der entwendeten oder total beschädigten Fahrzeuge entstanden (vgl. BGH VersR 1993, 1223 [BGH 14.07.1993 - IV ZR 181/92]; OLG Köln RuS 2005, 459; OLG Hamm RuS 2012, 382; LG Köln Schaden-Praxis 2009, 26). Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass das Sacherhaltungsinteresse der Leasing- / Versicherungsnehmer jeweils mitversichert ist, das darin besteht, dass sie nach dem Leasingvertrag für Untergang, Verlust und Beschädigung des Fahrzeuges haften, also der Leasinggeberin gegebenenfalls Schadensersatz schuldet. Wegen der Abdeckung des Risikos der Eigentümerin ist in der Kaskoversicherung deshalb auch für die Berechnung der Entschädigung auf die Leasinggeberin und nicht auf die Leasing- / Versicherungsnehmer abzustellen. Dem dient schließlich auch die regelmäßig - so auch vorliegend - vorgenommene Abtretung der Rechte aus den nicht von der Leasinggeberin als Eigentümerin, sondern geschäftsbedingungsgemäß von den Leasingnehmern abgeschlossenen Vollkaskoversicherungen (vgl. BGHZ 116, 278).

b.

Das Interesse der Klägerin als (Rechtsnachfolgerin der) Leasinggeberin lässt sich vorliegend anhand der Leasingverträge bestimmen, die sie mit ihren (13) Leasingnehmern abgeschlossen hat. Danach hat sie, wie sich Abschnitt X Ziff. 6, Abschnitt XV ihrer vertragsgegenständlichen AGB entnehmen lässt, im Falle des Totalschadens oder der Entwendung grundsätzlich Anspruch auf Ersatz des Ablösewertes. Allerdings hat die Klägerin in den Leasingverträgen auf die sich in allen streitgegenständlichen Fällen ergebende Differenz zwischen Ablösewert und Wiederbeschaffungswert unter der Bedingung der Zahlung des Wiederbeschaffungswertes innerhalb von drei Monaten ausdrücklich verzichtet. Diese Bedingung ist auch in allen Fällen tatsächlich eingetreten. Die "Verhältnisse der Leasinggeberin" sind also eindeutig: Der ihr auszugleichende Sachschaden beschränkt sich auf den Wiederbeschaffungswert.

c.

Die Klägerin kann auch nicht unter Berufung auf die von ihren Leasingnehmern (freiwillig) abgeschlossene GAP-Versicherung und abweichend von ihren sich aus dem Leasingvertrag ergebenden Rechten den Differenzschaden ersetzt verlangen.

Mit dem Angebot der sog. GAP-Versicherungen hat die Versicherungswirtschaft auf die sich durch die genannte Rechtsprechung ergebende Rechtslage reagiert, in deren Anwendung mögliche Rechte der Leasingnehmer unberücksichtigt bleiben (müssen). Aufgrund des Kasko-Versicherungsvertrages haben die Versicherungsnehmer nämlich nur Anspruch auf Erstattung des Wiederbeschaffungswertes (vgl. A.2.6.1. der hier gegenständlichen AKB). Gegen einen in der Regel geringfügigen Aufpreis können sie sich gegen das ausschließlich sie belastende Risiko absichern, vom Leasinggeber nicht nur in Höhe des (versicherten) Wiederbeschaffungswertes, sondern mit der Erstattung des (in der Regel höheren) Ablösewertes in Anspruch genommen zu werden (vgl. hierzu auch OLG Hamm a.a.O.).

Schon unter bloßer Zugrundelegung der Intention der sog. GAPVersicherung wird deutlich, dass Gegenstand dieser Zusatzversicherung nicht - wie bei der verpflichtend abzuschließenden Kaskoversicherung - das Eigentümerinteresse der Leasinggeberin, sondern das Versicherungslücken - ("GAP") - Risiko der Leasingnehmer ist.

Im Übrigen konnte von der seitens der Leasingnehmer erfolgten Abtretung ihrer gegen die Beklagte bestehenden Ansprüche der sich aus einem Vergleich von Wiederbeschaffungs- und Ablösewert ergebende Differenzbetrag schon deshalb nicht umfasst sein, weil eine diesbezügliche, sich aus A.2.6.1 der AKB ergebende Leistungsverpflichtung der Beklagten gegenüber ihren Versicherungsnehmern in keinem Fall bestand / besteht. Weil die Leasingnehmer aufgrund der Leasingverträge - nach Bedingungseintritt - von der Klägerin nur in Höhe des allein abzurechnenden

Wiederbeschaffungswertes in Anspruch genommen werden können, haben sie keinen Differenzschaden zu tragen, mithin auch keinen der Abtretung zugänglichen Anspruch auf die Auszahlung einer "GAP"-Versicherungsleistung.

Da mithin der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch bereits dem Grunde nach nicht besteht, war auf die Berufung der Beklagten das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Der Anregung der Klägerin, die Revision zuzulassen, ist zu entsprechen. Die hier streitgegenständliche Rechtsfrage ist bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden. Angesichts der von beiden Parteien dargelegten Vielzahl gleichgelagerter, noch zur Entscheidung anstehender Fälle ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu bejahen, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO.

xxx

xxx

xxx

verkündet am 13.12.2012