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· Fachbeitrag · Ausgleichsanspruch

BGH konkretisiert Ausgleichsschätzung nach den „Grundsätzen“ und Altersversorgung

von Rechtsanwalt Bernhard Schleicher, Rechtsanwälte Dr. Heinicke, Eggebrecht, Ossenforth und Kollegen, München

| Der BGH hat entschieden, dass die „Grundsätze der Versicherungswirtschaft“ angewendet und eine unternehmerfinanzierte Altersversorgung angerechnet werden kann, wenn die Geltung der Grundätze zwischen Vertreter und Unternehmen nicht vereinbart ist. Erfahren Sie, wie sich das auf den ersten Blick negative Urteil auch zugunsten der Vertreter auswirkt. |

Streit um Höhe des Ausgleichsanspruchs

Geklagt hatte ein Versicherungs- und Bausparkassenvertreter, der in einem Strukturvertrieb tätig war. Sein Prinzipal war nicht Vertragspartner der vermittelten Verträge, sondern arbeitete wieder mit Kooperationsunternehmen zusammen, an die die Verträge letztlich vermittelt wurden.

 

Während die „Grundsätze der Versicherungswirtschaft zur Berechnung des Ausgleichsanspruches“ in der Regel in allen Agenturverträgen zwischen dem Vertreter und dem Versicherer bzw. dem Bausparunternehmen vereinbart sind, ist dies im Strukturvertrieb häufig nicht der Fall. So auch hier. Um den Ausgleichsanspruch zu berechnen, griff der Vertreter dennoch auf die Grundsätze zurück und zog sie als Schätzgrundlage heran. Das beklagte Unternehmen wandte im Prozess ein, dann müsse auch eine von ihm finanzierte Altersversorgung vom Ausgleichsanspruch abgezogen werden. Das wollte der Vertreter mit dem Hinweis, die Altersvorsorgebeträge sollten wirtschaftlich nur ihm zustehen, nicht gelten lassen.

BGH erlaubt „Grundsätze“ als Schätzgrundlage

Zunächst stellt der BGH klar, dass im Versicherungs- und Bausparvermittlungsbereich die „Grundsätze“ als Schätzgrundlage für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs herangezogen werden können, wenn diese vertraglich nicht vereinbart sind (BGH, Urteil vom 8.5.2014, Az. VII ZR 282/12; Abruf-Nr. 141718).

 

PRAXISHINWEIS | Die Bestätigung dieser Rechtsprechung stärkt den Vertreter, der andernfalls bezüglich einer Berechnung des Ausgleichsanspruchs außerhalb der Grundsätze vor große Schwierigkeiten gestellt würde. Diese bestehen darin, dass er nicht mehr über die erforderlichen Informationen verfügt, die für eine Berechnung notwendig wären. Denn der Online-Zugang zu den Agenturinformationssystemen wird mit Vertragsbeendigung abgeschaltet, und der Vertreter ist verpflichtet, sämtliche Geschäftsunterlagen bei Vertragsende an den Vertragspartner herauszugeben.

 

Anrechnung der Altersvorsorge auf Ausgleich

Allerdings, so der BGH, muss der Vertreter dann eine vom Unternehmer finanzierte Altersversorgung als Ausgleichsminderung akzeptieren.

 

Vertreter argumentiert mit Billigkeit

Der Vertreter meinte, es sei in seinem Fall vereinbart gewesen, dass die Altersversorgung wirtschaftlich ausschließlich ihm zugutekommen soll und diese letztlich Entgeltcharakter habe. Da nach ständiger Rechtsprechung im Einzelfall geprüft werden müsse, ob eine Anrechnung der Altersvorsorge der Billigkeit entspricht, würde dies in seinem Fall dazu führen, dass keine oder jedenfalls keine volle Anrechnung der Altersvorsorge gerechtfertigt sei.

 

BGH sieht für Billigkeit keinen Raum

Für eine individuelle Betrachtung sieht der BGH aber keinen Raum, und dies mit interessanter Begründung: Da die Grundsätze nicht während der Vertragslaufzeit vereinbart worden sind, sondern erst nach Vertragsende als Schätzgrundlage herangezogen wurden, ist der Fall so zu behandeln, wie wenn die Vertragspartner eine Berechnung nach den „Grundsätzen“ nach Vertragsende vereinbart hätten.

 

  • Nach Vertragsende allerdings gilt der Schutz des § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB nicht mehr, wonach der Vertreter nicht wirksam auf seinen Ausgleichsanspruch teilweise oder ganz verzichten kann. Nach Vertragsende ist also auch ein kompletter Verzicht des Vertreters auf den Ausgleichsanspruch möglich und wirksam.

 

  • Die Billigkeitsprüfung im Einzelfall sei aber gerade Folge dieses in § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB festgeschriebenen besonderen Schutzes des Ausgleichsanspruchs des Vertreters während der Vertragslaufzeit. Für diesen Schutzgedanken sei hier kein Raum, weil die Grundsätze ja erst nachvertraglich ins Spiel gebracht wurden.

 

PRAXISHINWEIS | Diese Argumentation des BGH ist gut nachvollziehbar und bedeutet im Umkehrschluss, dass bei einer Vereinbarung der „Grundsätze“ im Vertretervertrag eine Billigkeitsprüfung im Einzelfall durchzuführen ist. Vor allem dieser Aspekt des Urteils hat Bedeutung. Denn die Gerichte nehmen trotz der Verpflichtung zur Billigkeitprüfung im Einzelfall gerne stets und schematisch einen Abzug der unternehmensfinanzierten Altersvorsorge vom Ausgleichsanspruch vor. Sie befassen sich leider nicht mit der speziellen vertraglichen Ausgestaltung der Altersvorsorge, deren Werthaltigkeit und den besonderen Umständen in der Person des Vertreters.

 

Weiterführender Hinweise

  • „Grundsätze“ Sach, Leben, Kranken, Bausparen und Finanzdienstleistungen zum Download auf wvv.iww.de unter Downloads → Arbeitshilfen → Ausgleichsanspruch
Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 5 | ID 42747597