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· Fachbeitrag · Ausgleichsanspruch

Anrechnungsklauseln auf Ausgleich: Diese Anforderungen stellt der BGH an die Wirksamkeit

von Rechtsanwalt Bernhard Schleicher, Kanzlei Dr. Heinicke, Eggebrecht, Ossenforth und Kollegen, München

| Agentur- oder Handelsvertreterverträge enthalten immer wieder Anrechnungs- oder Vorausabgeltungsklauseln. Ziel: Vorauszahlung(en) sollen auf einen etwaigen späteren Ausgleichsanspruch angerechnet werden. Doch solche Klauseln sind oft unwirksam. Denn die Gerichte - allen voran der BGH - stellen hohe Anforderungen an deren Wirksamkeit. |

Streit um Anrechnungsklausel

Aktuell hatte der BGH einen Fall zu entscheiden, in dem ein Versicherungsvertreter einen Handelsvertretervertrag mit einer Untervertreterin abgeschlossen hatte (echte Untervertretung). Der Versicherungsvertreter hatte folgende Klausel in den Vertrag eingebaut, um deren Wirksamkeit vor dem BGH gestritten wurde:

 

  • Klausel im Handelsvertretervertrag

„Zusätzlich zu den Provisionen erhält die Untervertretung eine Vorauszahlung von monatlich 200,00 Euro auf einen evtl. fällig werdenden Ausgleichsanspruch (§ 89b HGB).

 

In den Fällen des § 89b Abs. 3 HGB ist der Vorschuss von der Untervertretung zurückzuzahlen.“

 

Das AG Aachen hatte die Klausel als unwirksam angesehen, das LG Aachen als wirksam. Der BGH hat den Fall an das LG zurückverwiesen, allerdings folgende wichtige Hinweise erteilt (BGH, Urteil vom 14.07.2016, Az. VII ZR 297/15, Abruf-Nr. 187835):

Anforderungen an eine wirksame Anrechnungsklausel

Nach Ansicht des BGH verstoßen solche Anrechnungsklauseln im Zweifel gegen § 89b Abs. 4 S. 1 HGB und sind daher nach § 134 BGB nichtig. Denn sie bauen eine Verrechnungsposition der laufend zu zahlenden Vergütung mit dem Ausgleichsanspruch bereits während der Vertragslaufzeit auf (BGH, Urteil vom 13.01.1972, Az. VII ZR 81/70). Eine Klausel ist nur wirksam, wenn folgende zwei Voraussetzungen erfüllt sind.

 

1. Echte Vorausabgeltung des Ausgleichsanspruchs

Eine solche Regelung kann nur wirksam sein, wenn die Parteien auch ohne die Anrechnungsklausel keine höheren Provisionen vereinbart hätten. Denn nur dann handelt es sich um eine echte Vorausabgeltung des Ausgleichsanspruchs und nicht um eine versteckte Provisionskürzung.

 

Wichtig | Darlegen und beweisen muss dies der Unternehmer bzw. - wie im vorliegenden Fall - der Hauptvertreter/Versicherungsvertreter. Kann er dies nicht nachweisen, ist die Klausel unwirksam und der zur Anrechnung bezahlte Betrag ist als Teil der Gesamtvergütung anzusehen und darf behalten werden. Weil das Landgericht in der Vorinstanz diese Frage bislang offen gelassen hat, ist es wieder am Zug.

 

2. Anrechnungsklausel mit Rückzahlungsklausel

Die Anrechnungsklausel muss auch eine Rückzahlungsklausel für den Fall enthalten, dass kein Ausgleichsanspruch zu bezahlen ist, so der BGH.

 

Diese Anforderung mag zunächst befremden, weil es sich dabei ja um eine Klausel zulasten des Vertreters handelt. Sie ist aber nur konsequent: Denn wenn der Vertreter die Vorauszahlungen auch in dem Fall behalten darf, in dem er gar keinen Ausgleichsanspruch bekommt, so hat die Vorauszahlung erkennbar nichts mit dem Ausgleichsanspruch zu tun und wird somit auch nicht auf diesen gezahlt.

 

PRAXISHINWEIS | Der BGH äußert Bedenken, ob die vorliegende Klausel diesen Anforderungen gerecht wird. Denn die Klausel knüpft die Rückzahlungsverpflichtung daran, dass die Voraussetzungen des § 89b Abs. 3 HGB vorliegen. Zwar sind in § 89b Abs. 3 HGB gesetzlich Fälle normiert, in denen der Handelsvertreter keinen Ausgleichsanspruch erhält, jedoch handelt es sich nicht um eine abschließende Aufzählung. Verzichtet etwa der Handelsvertreter wirksam (nachvertraglich) auf den Ausgleichsanspruch, so wäre dieser Fall nicht erfasst, müsste aber zur Wirksamkeit der Rückforderungsklausel ebenfalls enthalten sein.

 

Im vorliegenden Fall gab es auch noch eine Aufhebungsvereinbarung, die kurz vor dem darin vorgesehenen Vertragsende von den Parteien unterschrieben wurde. Die dort enthaltenen Einschränkungen des Ausgleichsanspruchs sind laut BGH ohnehin unwirksam. Der Schutz des § 89b Abs. 4 Abs. 1 HGB besteht bis zum letzten Tag des Vertragsverhältnisses. Das bedeutet im Klartext, dass ein Vertreter noch einen Tag vor Vertragsende nicht wirksam auf seinen Ausgleichsanspruch ganz oder teilweise verzichten kann, am Tag des Vertragsendes oder später dagegen sehr wohl.

Konsequenzen für Sie als Vertreter

Anrechnungs- oder Vorausabgeltungsklauseln werden immer wieder vereinbart, auch zwischen dem Versicherer und dem Vertreter - und nicht nur zwischen Vertreter und Untervertreter. Mal erfolgt die Vorauszahlung ratierlich, mal auf einmal, so z. B. bei der Rückgabe eines Teilbestands und einer damit verbundenen Ausgleichszahlung. Oft heißt es dann in einer solchen Vereinbarung, dass dieser Auszahlungsbetrag auf einen etwaigen späteren Ausgleichsanspruch angerechnet werden müsse.

 

Die Praxis zeigt: Diese Klauseln entsprechen sehr oft nicht den hohen Anforderungen der Rechtsprechung und sind unwirksam. Die Unwirksamkeit hat folgende Konsequenzen:

 

Erste Konsequenz: Voller Ausgleichsanspruch

Der Vertreter kann die an ihn geleisteten Vorauszahlungen behalten und den vollen Ausgleichsanspruch verlangen.

 

Wichtig | Bei der Rückgabe des Teilbestands kommt noch die Besonderheit hinzu, dass der Versicherer die damit verbundene Ausgleichszahlung für die Rückgabe des Teilbestands für entgangene Provisionen leistet. Er zahlt also nicht für einen künftigen Ausgleichsanspruch. Das allein spricht schon gegen jegliche Anrechnung auf einen späteren Ausgleichsanspruch. Denn der spätere Ausgleichsanspruch wird ja ohne die zurückgegebenen Bestände berechnet.

 

Zweite Konsequenz: Vergütungsbestandteile ausgleichserhöhend

Bei den Vorauszahlungen handelt es sich um übliche Vergütungsbestandteile, die den Ausgleichsanspruch sogar erhöhen können. Denn der Versicherer hat sie bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs ja gerade nicht als Vergütung berücksichtigt, sondern vom Ergebnis abgezogen. Dies ist im Einzelfall zu prüfen und zu berechnen.

 

PRAXISHINWEISE |

  • Ist in Ihrem Agentur-/Vertretervertrag eine Anrechnungs- oder Vorausabgeltungsklausel enthalten, lassen Sie deren Wirksamkeit in jedem Fall prüfen, insbesondere weil es regelmäßig um erhebliche Beträge geht.
  • Lassen Sie sich nicht zu voreiligen Erklärungen gegenüber Ihrem Vertragspartner/Versicherer hinreißen. Denn diese Erklärungen fallen in der Regel in den nachvertraglichen Zeitraum, für den der Schutz des § 89b Abs. 4 S. 1 HGB nicht mehr besteht. Sie laufen dann Gefahr, durch eine Erklärung eine rechtlich eindeutig für Sie bestehende Position zunichte zu machen.
 

Weiterführende Hinweise

  • Sonderausgabe „Ausgleichsanspruch: So holen Sie beim Ausgleichsanspruch das Maximum für sich heraus“ auf wvv.iww.de → Abruf-Nr. 43325226
  • Beitrag „Grundsätze Sach: Sind Verwaltungsboni ausgleichserhöhend?“, im Archiv auf auf wvv.iww.de, WVV 9/2016, Seite 1 → Abruf-Nr. 44184647
  • Beitrag „OLG Köln: Bruttodifferenzmethode bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs unzulässig“, WVV 1/2016, Seite 3 → Abruf-Nr. 43722488
  • Beitrag „Trotz schuldhaften Verhaltens des Vertreters bleibt der Ausgleichsanspruch bestehen“, WVV 4/2011, Seite 5
  • Vertragsmuster „Untervertretervertrag mit einem echten hauptberuflichen Untervertreter“ auf wvv.iww.de → Abruf-Nr. 43946604
Quelle: Ausgabe 10 / 2016 | Seite 8 | ID 44251504