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01.02.2003 | Zwei Agenturen unter einem Dach

Die Gründung einer Bürogemeinschaft

von Rechtsanwältin Astrid Hein, München

Etliche selbstständige Versicherungskaufleute denken darüber nach, sich mit einem Kollegen zu einer Bürogemeinschaft zusammenzuschließen, um Raum- und Personalkosten zu sparen. Im Folgenden stellen wir Ihnen dazu einen Mustervertrag vor und erläutern Ihnen diesen.

Musterformulierung

Nicht jede Formulierung ist geeignet, das gewünschte Ziel zu erreichen. Damit Sie die "Fallstricke" bei der Formulierung eines Vertrags über eine Bürogemeinschaft sicher umgehen, unterbreiten wir Ihnen einen Formulierungsvorschlag, der Ihren Bedürfnissen Rechnung trägt.

Unser Service: Den Bürogemeinschaftsvertrag finden Sie im Online-Service unter der Rubrik "Musterverträge und Musterschreiben" .

 Vertrag über eine Bürogemeinschaft 

Vertrag über eine Bürogemeinschaft

Zwischen dem Versicherungskaufmann ... (Name, Straße, Ort) - nachfolgend Partner A -

und dem Versicherungskaufmann ... (Name, Straße, Ort) - nachfolgend Partner B -

wird folgende Vereinbarung über die Gründung einer Bürogemeinschaft geschlossen:

§  1 Gegenstand des Vertrags

1. Die Vertragspartner (im folgenden VP) ... sind unabhängige Versicherungskaufleute im Sinne von §  84 Handelsgesetzbuch. Sie sind sich über die Gründung einer Bürogemeinschaft einig. Der Zweck dieser Bürogemeinschaft besteht in dem gemeinsamen Halten, Nutzen und Beschaffen von sachlichen Betriebsmitteln und in dem gemeinsamen Beschäftigen von Personal. Ein darüber hinausgehender Zweck wird nicht verfolgt.
2. Die Bürogemeinschaft führt die Bezeichnung ...
3. Die VP werden die Bürogemeinschaft in ... betreiben und zu diesem Zweck einen Mietvertrag gemeinsam abschließen, aus dem alle VP berechtigt und verpflichtet werden.
4. Die VP richten ein gemeinsames Bankkonto ein. Der gesamte die Bürogemeinschaft betreffende Zahlungsverkehr wird ausschließlich über dieses Konto abgewickelt. Zeichnungs- und verfügungsberechtigt sind ausschließlich die VP.

§  2 Berufsausübung

1. Die beiden VP üben ihre Berufstätigkeit nach außen getrennt und unabhängig voneinander aus. Sie vermeiden es, gegenüber Dritten den Eindruck hervorzurufen, die Berufstätigkeit werde gemeinsam in Form einer Gesellschaft ausgeübt. Die VP unterhalten getrennte Geschäftskonten. Sie tragen dafür Sorge, dass sie jeweils unter unterschiedlichen Telefon- und Faxnummern sowie E-Mail- und Internet-Adressen erreichbar sind. Sie verwenden jeweils eigene Briefbögen, Logos und sonstige Kennzeichen. Jeder unterhält seinen eigenen Kundenstamm.
2. Im Falle von urlaubs- oder krankheitsbedingter Abwesenheit sind die VP zur gegenseitigen Vertretung berechtigt.

§  3 Geschäftsführung und Vertretung

1. Die Geschäftsführung und die Vertretung der Bürogemeinschaft üben die VP gemeinschaftlich aus.
2. Einfache Geschäfte der laufenden Verwaltung kann jeder VP auch mit Wirkung für den/die anderen VP erledigen, sofern das Gemeinschaftsvermögen nicht mit einem höheren Betrag als ... Euro verpflichtet wird. Diese Grenze kann durch einverständliche schriftliche Regelung an die Anforderungen der Praxis angepasst werden.
3. Kann bei einem Rechtsgeschäft oder der Vornahme einer sonstigen Handlung die Zustimmung des anderen VP nicht rechtzeitig eingeholt werden und das Rechtsgeschäft oder die Vornahme der sonstigen Handlung auch nicht aufgeschoben werden, weil sonst erhebliche Nachteile oder Gefahren für die Bürogemeinschaft entstehen können, darf ein VP allein entscheiden. Hat die Bürogemeinschaft mehr als zwei VP, so darf die Mehrheit der Gemeinschaftsmitglieder entscheiden. Eine Allein-Entscheidungsbefugnis eines VP besteht nur, wenn eine sofortige Entscheidung aus den oben genannten Gründen zwingend geboten ist. Eine Genehmigung des/der nicht beteiligten VP ist unverzüglich herbeizuführen. Die VP sind verpflichtet, bei jedem Rechtsgeschäft, das sie in Ausübung ihrer Allein-Geschäftsführungs- und -Vertretungsbefugnis tätigen, darauf hinzuweisen, dass sich Allein-Geschäftsführungs- und -Vertretungsbefugnis nur auf das Gemeinschaftsvermögen beziehen, und dabei Rechtsgeschäfte nur unter Beschränkung der Haftung auf das Gemeinschaftsvermögen abzuschließen.

§  4 Raumbeschreibung, Inventar

1. Die Aufteilung der Räume bestimmt sich nach der beiliegenden Skizze (Anlage 1). Die Anlage 1 ist Bestandteil dieses Vertrags. Die Räume werden wie folgt durch die VP genutzt:
  • Gemeinschaftliche Nutzung: Sekretariat/Empfang, Flur, Toiletten, Küche, Abstellraum, Besprechungsraum, Personalaufenthaltsraum, ... (farblich ... gekennzeichnet)
  • Nutzung allein durch Partner A: ... (farblich ... gekennzeichnet)
  • Nutzung allein durch Partner B: ... (farblich ... gekennzeichnet)
    2. Die VP tragen dafür Sorge, dass sich die jeweils allein und die gemeinschaftlich genutzten Räume in einem Zustand befinden, dass die Berufsausübung des jeweils anderen VP nicht beeinträchtigt wird.
    3. Der Umfang der Betriebsmittel ergibt sich aus der Anlage 2. Die Anlage 2 ist Bestandteil dieses Vertrags. Sie wird jeweils zum 30.6. und zum 31.12. eines jeden Jahres aktualisiert und von den Mitgliedern der Bürogemeinschaft abgezeichnet. Die Bürogemeinschaft wird vor allem die folgenden gemeinsamen technischen Geräte erwerben/mieten:
  • Telefonanlage
  • EDV-Anlage
  • Telefax
  • Kopiergerät
  • ...
    4. Alle technischen Geräte, Einrichtungs- oder sonstigen Gegenstände, die nach Abschluss des Vertrags mit Mitteln der Bürogemeinschaft angeschafft werden, werden gemeinschaftliches Eigentum der VP. Dies gilt nicht für Kraftfahrzeuge und Fachliteratur; diese werden von jedem VP in eigener Entscheidung mit eigenen Mitteln angeschafft und unterhalten.

    §  5 Personal

    1. Die Einstellung und Entlassung von Personal sowie die Änderung und Beendigung von Arbeitsverträgen regeln die VP einvernehmlich. Entsprechendes gilt für den Einsatz des Personals.
    2. Die Namen des derzeit beschäftigten Personals ergeben sich aus der Anlage 3. Sie wird jeweils zum 30.6. und zum 31.12. eines jeden Jahres aktualisiert und von den Mitgliedern der Bürogemeinschaft abgezeichnet.

    §  6 Einlagen; Ausgaben; Kostenumlagen

    1. Die VP leisten eine Bar-Einlage in Höhe von ... Euro. Die Einlage wird sofort fällig und ist auf das gemeinsam eingerichtete Konto einzuzahlen. Die Bar-Einlagen können nicht durch Sach-Einlagen ersetzt werden. Ebensowenig ist es möglich, gegenüber dieser Verpflichtung mit einer Gegenforderung aufzurechnen.
    2. Der von der Bürogemeinschaft zu tragende Mietzins, die Heiz-und Betriebskosten sowie die Wartungs- und Reparaturkosten der gemeinschaftlichen Einrichtungen sind von jedem VP anteilig zu tragen. Dabei bestimmt sich der Anteil nach den von dem jeweiligen VP genutzten Raum/Räumen (in Quadratmeter) gemäß anliegendem Verteilerschlüssel. Die Miete für die gemeinschaftlich genutzten Räume tragen alle Vertragspartner zu gleichen Teilen. Die verbrauchsabhängigen Nebenkosten der gemeinschaftlich genutzten Räume (Wasser, Abwasser, Müllabfuhr) werden ebenfalls von allen VP zu gleichen Teilen getragen. Für die Stromkosten gilt dies aus Vereinfachungsgründen entsprechend.
    3. Die übrigen verbrauchsabhängigen Kosten für Telefon, Telefax usw. werden entsprechend dem Verhältnis des Jahresnetto-Umsatzes jedes einzelnen VP zu dem Jahresnetto-Gesamtumsatz verteilt. Diesbezüglich verpflichten sich die VP, sich gegenseitig auf Verlangen spätestens einen Monat nach Schluss des Kalenderjahrs Einsicht in die maßgeblichen Unterlagen zu gewähren.
    4. Auf die anfallenden Nebenkosten zahlen die VP jeweils eine monatliche Pauschale in Höhe von ... Euro. Am Ende des Kalenderjahrs wird die Gesamtumlage der Nebenkosten gemäß dem oben angeführten Verteilerschlüssel aufgeteilt und mit den monatlichen Vorauszahlungen verrechnet. Nachzahlungen sind innerhalb von zwei Wochen zu leisten. Gutschriften sind von der Bürogemeinschaft zu erstatten oder können auf künftige monatliche Vorauszahlungen angerechnet werden.
    5. Als Betriebskosten gelten alle Kosten der Anlage 3 des §  27 der II. Berechnungsverordnung.

    §  7 Jahresabschluss, Buchführung

    1. Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr.
    2. Es werden Geschäftsbücher und Aufzeichnungen nach steuerlichen Vorschriften geführt, soweit diese im Rahmen einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach §  4 Absatz 3 EStG vorgeschrieben sind. Diese Pflicht wird im ersten Geschäftjahr durch den VP ... wahrgenommen und erfolgt danach im jährlichen Wechsel der VP.
    3. Die Einnahmen-Überschuss-Rechnung ist spätestens drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs zu erstellen und innerhalb eines weiteren Monats von allen VP zustimmend festzustellen. Kann eine einheitliche Zustimmung nicht erzielt werden, so ist die Abrechnung von einem durch die zuständige Industrie- und Handelskammer zu benennenden Wirtschaftsprüfer festzustellen. Diese Feststellung ist für die Bürogemeinschaft bindend.

    §  8 Dauer, Kündigung, Ausscheiden

    1. Der Bürogemeinschaftsvertrag beginnt am ... und gilt auf unbestimmte Zeit geschlossen.
    2. Jeder VP kann schriftlich unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalenderjahrs kündigen. Darüber hinaus kann der Vertrag jederzeit aus wichtigem Grund gekündigt werden. Wichtige Gründe sind insbesondere, wenn
  • ein VP Kunden eines anderen VP abwirbt,
  • ein VP mit der Erfüllung der ihm nach diesem Vertrag obliegenden Zahlungspflichten länger als zwei Monate in Verzug ist,
  • ein VP den Status eines Versicherungskaufmanns aufgibt,
  • durch das Verhalten eines VP das Ansehen oder die wirtschaftlichen Interessen eines anderen VP ernstlich gefährdet werden oder
  • über das Vermögen eines VP das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung eines solchen Insolvenzverfahrens beantragt wird.
    3. Scheidet ein Mitglied der Bürogemeinschaft durch Kündigung, Tod oder sonstigen Grund aus der Bürogemeinschaft aus, wird die Bürogemeinschaft unter den verbliebenen Gemeinschaftsmitgliedern fortgesetzt. Verbleibt nach dem Ausscheiden eines VP nur noch ein einziger VP, hat dieser das Recht, die Gemeinschaft mit einem neuen Gemeinschaftsmitglied fortzusetzen. Übt er dieses Recht nicht aus, wird die Bürogemeinschaft liquidiert.
    4. Scheidet ein VP aus, so wird das Gemeinschaftsverhältnis zu ihm abgewickelt. Dazu wird ermittelt, ob der Ausscheidende einen Abschlussbetrag an die Gemeinschaft zahlen muss oder einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung hat. Dessen Höhe bemisst sich nach der Höhe des Anteils, den der Ausscheidende am Gemeinschaftsvermögen nach Abzug aller Verbindlichkeiten und nach Abzug des auf den Ausscheidenden noch entfallenden Teils der Betriebskosten inne hat. Der Abfindungsbetrag wird spätestens einen Monat nach dem Ausscheiden aus der Gemeinschaft errechnet. Das Abrechnungsergebnis ist dem Ausscheidenden und allen VP schriftlich mitzuteilen. Der sich aus der Abrechnung ergebende Betrag ist spätestens eine Woche, nachdem die Abrechnung dem Ausscheidenden zugegangen ist, fällig, wenn keine der beiden Seiten Einwände gegen die Höhe des Abfindungsbetrags schriftlich geltend gemacht hat.
    5. Die Bürogemeinschaft kann durch einen einstimmigen Beschluss aller Gemeinschaftsmitglieder erweitert werden, sofern sich der Eintretende bereit erklärt, diesem Vertrag beizutreten. Die diesbezügliche Erklärung muss schriftlich abgegeben werden.

    §  9 Schlussbestimmungen

    1. Weitere Nebenabreden bestehen nicht. Änderungen und/oder Ergänzungen dieses Vertrags bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für den Verzicht auf dieses Schriftformerfordernis
    2. Sollte eine Bestimmung dieses Vertrags unwirksam sein oder werden, so bleiben die restlichen Bestimmungen wirksam. Dies gilt auch für den Fall, dass dieser Vertrag bezüglich eines Vertragsgegenstands keine Regelung enthält. Anstelle der unwirksamen oder fehlenden Regelung gilt das, was dem wirtschaftlichen Willen der VP am nächsten kommt.

    Ort, Datum ... Unterschriften der VP ...

    Anlagen zum Bürogemeinschaftsvertrag: Raumbeschreibung/Lageplan (Anlage 1), Betriebsmittel (Anlage 2), Personal (Anlage 3)

    Erläuterungen

    Der Abschluss eines Bürogemeinschaftsvertrags empfiehlt sich, wenn Sie lediglich Kosten, die mit der Ausübung des Berufs anfallen, minimieren wollen (Kostenumlagegesellschaft). Der vorstehende Mustervertrag zur Bürogemeinschaft stellt einen Vorschlag dar, der auf den tatsächlichen Regelungsbedarf anzupassen ist. Achten Sie dabei auf klare, eindeutige Formulierungen, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

    Wichtig: Auch wenn jede Agentur rechtlich selbstständig bleibt und der Versicherer eigentlich nicht informiert noch einverstanden sein müsste, kann Ihr Agenturvertrag entgegenstehende Regelungen enthalten. Überprüfen Sie daher vorab Ihren Agenturvertrag!

    Zu §  1: Im Rahmen des Absatzes 1 muss unmissverständlich klargestellt werden, dass keine Gewinnerzielung beabsichtigt ist und die Vertragspartner unabhängige Versicherungskaufleute bleiben.