Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

01.09.2006 | Offene Steuerfragen vor den Finanzgerichten

So profitieren Sie optimal von den Verfahren anderer

Das Steuerrecht wird zunehmend komplizierter. Immer mehr Streitpunkte landen vor den Finanzgerichten (FG). Steuerzahler können von diesen Verfahren profitieren, wenn sie ihre Fälle mittels Einspruch offen halten, bis der Bundesfinanzhof (BFH) ein Urteil gefällt hat. Bei positivem Ausgang profitieren sie dann vom Erfolg anderer.

Was fehlt, ist häufig ein Überblick über die bei den verschiedensten Gerichten anhängigen Verfahren. Wir listen daher die für Versicherungskaufleute und ihre Kunden wichtigsten Verfahren auf, zeigen Ihnen, um welche Streitpunkte es hierbei geht, und geben Tipps für die Praxis.

Checkliste "Anhängige Verfahren"
Der strittige Sachverhalt Die aktuelle Verfahrenslage
Umsatzsteuerfreiheit von Vermittlungsleistungen
Die Betreuung und Schulung von unterstellten Vermittlern, die Anteile an einer Gesellschaft vermitteln, ist laut FG Niedersachsen umsatzsteuerpflichtig (Beschluss vom 9.1.2006, Az: 16 V 436/05; Abruf-Nr.  061699 ). Denn die Betreuung und Schulung von unterstellten Vertretern ist nicht mit der üblichen Vermittlung vergleichbar und daher nicht von der Umsatzsteuer befreit. Es handelt sich nur um einen vorläufigen Beschluss. Ob es sich bei diesen Tätigkeiten um umsatzsteuerpflichtige Betreuungsleistungen handelt, wird daher erst später entschieden.
Unser Tipp: Betroffene sollten ihre Fälle offen halten, bis es zu einem Hauptverfahren in diesem Streitpunkt kommt. Zudem sollten Sie versuchen, ihre Verträge zu überarbeiten und die Vermittlungsleistungen in den Vordergrund zu rücken.
Provisionen, die ein Werbeagent für das Anbahnen von Versicherungsverträgen erhält, sind nicht nach §  4 Nummer 11 Umsatzsteuergesetz von der Umsatzsteuer befreit, so das FG Niedersachsen (Urteil vom 30.6.2005, Az: 5 K 450/00; Abruf-Nr.  061437 ). Der BFH muss die Umsatzsteuerfreiheit prüfen, auch in Verbindung mit geltendem EU-Recht (Az: V R 50/05).
Unser Tipp: Werbeagenten halten ihre Bescheide im Hinblick auf solche kritischen Umsätze offen. Das gilt auch für Versicherungskaufleute, die die Werbeagenten-Tätigkeiten nur als Nebenerwerb ausüben.
Steuer-Ermäßigung auf Ausgleichsansprüche von Handelsvertretern
Seit 1999 wird der Ausgleichsanspruch mit der "Fünftel-Regelung" besteuert - statt mit dem bis 1998 maßgeblichen günstigeren halben Steuersatz. Das betrifft auch Vertreter, die jahrzehntelang auf den halben Steuersatz gesetzt haben. Auch deren Zahlungen werden nach der "Fünftel-Regelung" besteuert. Es gibt keinen Vertrauensschutz (FG Düsseldorf, Urteil vom 8.10.2003, Az: 13 K 2684/02 E; Abruf-Nr.  050235 ; FG Münster, Urteil vom 26.1.2006, Az: 8 K 2472/03 E; Abruf-Nr.  061917 ). Der BFH muss die Frage beantworten, ob die stärkere Steuer-Belastung als nach dem vorher geltenden halben Steuersatz gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes verstößt und damit verfassungswidrig wäre (Az: XI R 86/03 und X R 22/06).
Unser Tipp: Betroffene mit einer Vertretertätigkeit vor 1999 sollten ihren Bescheid mit dem nach der "Fünftel-Regelung" besteuerten Ausgleichsanspruch offen halten.
Steuerpflicht von Provisionen
Bekommt ein Innendienstmitarbeiter einer Versicherungsgesellschaft eine Eigenprovision für den Abschluss einer Kapitallebensversicherung seines Ehepartners, liegt nach Ansicht des FG Niedersachsen eine steuerpflichtige sonstige Leistung vor (Urteil vom 6.8.2004, Az: 11 K 10/99): Diese Einschätzung gelte, obwohl der BFH entschieden habe, dass eine Rückerstattung von Provisionen durch den Vertreter an seinen Kunden nicht zu steuerpflichtigen Einnahmen führe (BFH, Urteil vom 2.3.2004, Az: IX R 68/02; Abruf-Nr.  041012 ). Der BFH muss in der Revision klären, ob beide Vorgänge vergleichbar sind und die Vermittlung an Partner oder Bekannte ohne Einkommensteuerlast gelingt (Az: IX R 1/06). Allerdings geht es bei der Erstattung um die eigene Police und somit rein rechtlich gesehen nicht um eine aktive Vermittlungstätigkeit.
Unser Tipp: Angestellte Versicherungskaufleute mit gelegentlicher Vermittlung halten ihre Fälle dennoch bis zur Entscheidung offen.
Eine kreuzweise Vermittlung von Lebensversicherungen unter nahen Angehörigen oder Bekannten hat den Vorteil, dass hierfür Provisionen gezahlt werden, die beim Direktabschluss nicht angefallen wären. Auch wenn diese Vermittlungsgebühren anschließend an den Versicherten übergehen und es sich um eine Einmalaktion handelt, sieht das FG Niedersachsen hierin steuerpflichtige sonstige Einnahmen (Urteil vom 25.1.2005, Az: 13 K 555/00; Abruf-Nr.  052758 ). Es könnte sich bei dieser Gestaltung allerdings auch lediglich um eine Minderung der Anschaffungskosten für die jeweilige eigene Lebensversicherung handeln. Dies wäre dann nicht steuerbar.
Unser Tipp: Weisen Sie Versicherte auf das anhängige Verfahren beim BFH (Az: IX R 25/05) hin. Diese sollten die Provision zwar in ihrer Steuer-Erklärung angeben, gegen die Erfassung dann aber Einspruch einlegen.
Aufteilung von Reisekosten
Der BFH hat in mehreren Urteilen entschieden, dass beruflich und privat veranlasste Reisen bei Arbeitnehmern nicht mehr zu vollem lohnsteuerpflichtigem Arbeitslohn führen müssen. Solche gemischten Veranstaltungen dürften nun aufgeteilt werden.
Vertreter können diese günstige Sichtweise (noch) nicht nutzen, weil ein Abzugsverbot für Betriebsausgaben gilt, wenn die Reisen auch private Aspekte beinhalten. Mehrere Finanzgerichte wenden die arbeitnehmerfreundliche Rechtsprechung auf Selbstständige an (FG Berlin, Urteil vom 15.10.2003, Az: 2 K 2134/01, FG Köln, Urteil vom 21.6.2001, Az: 10 K 6288/96, FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.6.2005, Az: 5 K 1575/01 E; Urteil vom 7.3.2006, Az: 6 K 1786/03).
Unser Tipp: Selbstständige und Arbeitnehmer sollten entsprechende Fälle wegen anhängiger Revisionen (Az: IV R 52/05, IX R 24/06, VI R 65/04 und VI R 94/01) offen halten, wenn sie beispielsweise eine Fortbildungsreise bezahlt haben, die auch Freizeitaktivitäten umfasste. Versicherungskaufleute sollten die bereits akzeptierten Aufteilungsgrundsätze bei Reisen zum Arbeitslohn verwenden. Die Kosten werden zeitanteilig berücksichtigt, rein beruflicher Aufwand wie etwa eine Seminargebühr wird voll den Betriebsausgaben zugeschlagen.
Ansatz der Internet-Adresse als Betriebsausgabe
Die laufenden Kosten seines Internet-Auftritts kann der Vertreter grundsätzlich als sofort abzugsfähigen Aufwand Gewinn mindernd verbuchen. Dies soll nach dem Urteil des FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16.11.2004, Az: 2 K 1431/03) aber nicht für Kosten einer Domain-Adresse gelten. Diese sind weder als Betriebsausgabe noch im Wege der AfA absetzbar. Eine aussagekräftige Web-Adresse ist als Eingangstor zum Internet ein Garant für Umsätze. Ohne laufende Anpassungen treten aber Abnutzungserscheinungen ein.
Unser Tipp: Selbstständige sollten wegen begrenzter zeitlicher Verwertbarkeit und technischer Weiterentwicklung eine wirtschaftliche Abnutzung beantragen. Sie verweisen dabei auf die anhängige Revision (Az: III R 6/05).
Schätzung von Einnahmen auf Privatkonten
Wickeln Versicherungsvertreter über ein Privatkonto auch gelegentlich geschäftliche Transaktionen ab, müssen sie bei der Betriebsprüfung anschließend sämtliche Bankbelege sowie Ein- und Ausgangsrechnungen vorlegen. Sind diese nicht vollständig oder wird die Vorlage verweigert, darf das Finanzamt Betriebseinnahmen hinzuschätzen, so das FG Münster (Urteil vom 19.5.2004, Az: 14 K 767/00). Wer keine strikte Trennung zwischen privat und beruflich vorgenommen hat, muss bei einer Hinzuschätzung möglicherweise zu viel Steuern zahlen. Ob die Beamten aber hier grundsätzlich hinzuschätzen dürfen, muss der BFH noch klären (Az: X R 20/05).
Unser Tipp: Mit diesem Problem belastete Vertreter sollten ihre Schätzungsbescheide nicht bestandskräftig werden lassen.
Vermittlungsgebühr bei einer Kombi-Rente
Immer wieder Streit mit dem Finanzamt haben Steuerzahler, die eine fremdfinanzierte Sofortrente abschließen. Hier will die Finanzverwaltung lediglich zwei Prozent der Kreditvermittlungsgebühr den abzugsfähigen Finanzierungskosten zuordnen, so dass der Restbetrag als Aufwand auf der Vermögensebene keine Rolle spielt. Für Verkaufsgespräche ist dies keine steuergünstige Ausgangslage. Dem BFH liegen mehrere Revisionen vor (Az: R 34/04, VIII R 108/03 oder VIII R 15/05). Allerdings hat der BFH bereits in anderen Entscheidungen angedeutet, dass dieser pauschale Abzug durchaus praxisgerecht ist.
Unser Tipp: Dennoch sollten Sie Versicherten empfehlen, die endgültige Entscheidung über ein ruhendes Verfahren abzuwarten.
Steuerpflicht von vor 2005 abgeschlossenen Lebensversicherungen
Bei vor 2005 abgeschlossenen Policen kommt es trotz zwölfjähriger Laufzeit zur Steuerpflicht, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nicht erfüllt sind. Das trifft auf Fälle zu, in denen Ansprüche aus dem Vertrag der Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienen. Das FG Köln hält sogar den Erwerb von Aktienfonds unter Einsatz einer Lebensversicherung (LV) für steuerschädlich, weil Investmentfonds nicht zu den privilegierten Wirtschaftsgütern gehören (Urteil vom 24.11.2005, Az: 10 K 1364/02; Abruf-Nr.  061253 ). Versicherungsbeiträge sind unter anderem nicht absetzbar, wenn die Ansprüche aus dem Vertrag der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes dienen, das keine Forderung ist. Ob dies auch für ein aus Aktien zusammengestelltes Vermögen gilt, muss der BFH (Az: VIII R 1/06) klären. Allerdings sind klare Regeln zu beachten. Wird ein abgesichertes Darlehen auch nur teilweise steuerschädlich verwendet, ist die LV insgesamt steuerpflichtig. Ob dies auch auf die Investition bei Fonds zutrifft, ist noch offen.
Rabatt-Freibetrag auf Provisionen
Überlässt eine fremde Policen vermittelnde Bank ihren Mitarbeitern die Provision, sofern sie Verträge für sich oder ihre Verwandten abschließen, gilt der Rabatt-Freibetrag von 1.080 Euro. Nach Ansicht des FG Köln macht es keinen Unterschied, ob
der Versicherer den Angestellten ein günstigeres Angebot unterbreitet oder
die Bank ihre Provision weiterleitet (Urteil vom 21.4.2005, Az: 10 K 7434/01; Abruf-Nr.  052029 ).
Die Voraussetzungen für den Freibetrag sind erfüllt, weil die Bank solche Vermittlungsleistungen allen Kunden anbietet.
Die Finanzverwaltung hat Revision eingelegt (Az: VI R 44/05). Argument hierbei ist ein früheres Urteil des BFH, wonach der Arbeitgeber für den Ansatz des Freibetrags im Voraus auf die ihm zustehende Provision verzichten und die Versicherung den Arbeitnehmern im Gegenzug günstigere Konditionen gewähren muss. Doch ob es wirklich einen Unterschied macht, ob von vornherein ein günstigeres Angebot unterbreitet oder über die Bank eine Provision kassiert wird, muss der BFH erneut entscheiden.
Quelle: Ausgabe 09 / 2006 | Seite 18 | ID 97605