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· Fachbeitrag · Provisionsrückforderungen

So wehren Sie sich mit Hilfe der aktuellen Rechtsprechung gegen Provisionsrückforderungen

von Rechtsanwalt Dr. Michael Wurdack, Anwaltskanzlei Küstner, v. Manteuffel & Wurdack, Göttingen

| Die Rückbelastung von Provisionen im Falle von Störungen der vermittelten Versicherungsverträge ist ein „Dauerbrenner“ des Versicherungsvertriebsrechts. Immer wieder werden auch Gerichte damit befasst, vor allem, wenn das Vertragsverhältnis mit dem Vertreter beendet wurde und die andauernde Stornohaftung zu einem Minussaldo auf dem fortgeschriebenen Vertreterkonto führt. Erfahren Sie, wie Sie sich mit Hilfe der aktuellen Rechtsprechung erfolgreich gegen Provisionsrückforderungen wehren können. |

Provisionsrückbelastung nur in engen Grenzen zulässig

Die gesetzlichen Regeln für Provisionsrückbelastungen sind streng. Denn der Anspruch auf Provision besteht auch dann, wenn feststeht, dass der Versicherer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist (§ 87a Abs. 3 HGB). Der Anspruch entfällt nur, wenn und soweit dies auf Umständen beruht, die der Versicherer nicht zu vertreten hat.

 

Wann hat der Versicherer die Nichtausführung zu vertreten?

Anerkannt ist, dass der Versicherer im Regelfall nicht gehalten ist, säumige Versicherungsnehmer (VN) zu verklagen, wenn außergerichtliche Maßnahmen erfolglos geblieben sind. Die Folge ist, dass der Versicherer die Nichtausführung (Stornierung) des Vertrags schon dann nicht zu vertreten hat, wenn er notleidende Verträge im gebotenen Umfang nachbearbeitet hat (BGH, Urteil vom 1.12.2010, Az. VIII ZR 310/09; Abruf-Nr. 110310; OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.11.2011, Az. I-16 U 234/09; Abruf-Nr. 140134; OLG Brandenburg, Urteil vom 7.10.2010, Az. 12 U 96/09; Abruf-Nr. 103644).

 

Der Versicherer kann wählen

Art und Umfang der dem Versicherer obliegenden Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls. Der Versicherer kann

  • entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen
  • oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst nachzubearbeiten.

 

Wichtig | Ergreift der Versicherer eigene Maßnahmen, müssen diese nach Art und Umfang ausreichend sein. Das muss im Streitfall der Versicherer darlegen und beweisen (BGH, Urteil vom 28.6.2012, Az. VII ZR 130/11; Abruf-Nr. 122324; BGH, Urteil vom 1.12.2010, Az. VIII ZR 310/09; Abruf-Nr. 110310; OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.11.2011, Az. I-16 U 234/09; Abruf-Nr. 140134; OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 4.3.2011, Az. 14 U 86/10; Abruf-Nr. 140136; OLG Brandenburg, Urteil vom 7.10.2010, Az. 12 U 96/09; Abruf-Nr. 103644).

 

Das Wahlrecht des Versicherers zwischen eigener Nachbearbeitung und Stornogefahrmitteilung an den Vertreter gilt vor und nach Beendigung des Versicherungsvertretervertrags (OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.11.2011, Az. I-16 U 234/09; Abruf-Nr. 140134; OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 4.3.2011, Az. 14 U 86/10; Abruf-Nr. 140136).

 

Die Pflicht zur Nachbearbeitung gilt auch bei Nichtzahlung der Erstprämie durch den VN (OLG Brandenburg, Urteil vom 7.10.2010, Az. 12 U 96/09; Abruf-Nr. 103644).

 

Ausnahme von der Pflicht zur Nachbearbeitung

Nachbearbeitungsmaßnahmen sind ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine ordnungsgemäße Bearbeitung von vorneherein nicht erfolgversprechend gewesen und der in Rede stehende Vertrag auch bei einem pflichtgemäßen Tätigwerden des Versicherers nicht zu retten gewesen wäre. Dies ist der Fall, wenn der VN zahlungsunfähig ist oder wenn sein versichertes Interesse wegfällt, zum Beispiel, weil er das versicherte Gewerbe aufgegeben hat (OLG Zweibrücken, Urteil vom 24.5.2011, Az. 8 U 158/08; Abruf-Nr. 140137; OLG Brandenburg, Urteil vom 7.10.2010, Az. 12 U 96/09; Abruf-Nr. 103644).

 

Rückzahlungsanspruch ohne Nachbearbeitung

Unabhängig von vorherigen Nachbearbeitungsbemühungen und deren Erfolgsaussichten soll ein Rückzahlungsanspruch des Versicherers entstehen, wenn ein VN eine Beitragsreduzierung beantragt und der Versicherer diesem Wunsch entsprochen hat oder wenn der VN von seinem vertraglichen Widerrufsrecht Gebrauch gemacht hat (OLG Zweibrücken, Urteil vom 24.5.2011, Az. 8 U 158/08; Abruf-Nr. 140137; OLG Brandenburg, Urteil vom 7.10.2010, Az. 12 U 96/09; Abruf-Nr. 103644).

 

Die Pflicht zu Nachbearbeitungsbemühungen verneint das OLG Schleswig-Holstein auch in den Fällen, in denen die Prämienzahler durch Widerruf, Rücktritt, Kündigung und Bitte um Beitragsfreistellung bzw. Herabsetzung der Versicherungssumme sowie unter Hinweis auf ihr Unvermögen deutlich gemacht hatten, dass eine Fortsetzung der jeweiligen Verträge für sie nicht in Betracht kam (OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 4.3.2011, Az. 14 U 86/10; Abruf-Nr. 140136).

 

Nachbearbeitung bei geringen Prämien

Zwar kann bei geringwertigen Verträgen mit geringfügigen Prämienbeträgen eine Nachbearbeitung für den Versicherer unwirtschaftlich sein. Das befreit ihn aber nicht von der Pflicht zur Nachbearbeitung.

 

Auch in diesen Fällen soll der Versicherer nach Ende des Vertretervertrags den Vertreter darüber unterrichten und ihm Gelegenheit zur Nachbearbeitung geben müssen. Zudem sei der Versicherer nicht davon entbunden, zu den Umständen der Stornierung auch bei geringfügigen Provisionsbelastungen vorzutragen, wenn diese Beträge Teil der geltend gemachten Forderung sind (OLG Brandenburg, Urteil vom 7.10.2010, Az. 12 U 96/09; Abruf-Nr. 103644).

 

PRAXISHINSWEIS | Die dargestellten Grundsätze zur Nachbearbeitung gelten auch zwischen Hauptvertreter und echtem Untervertreter (OLG Brandenburg; Urteil vom 10.1.2013, Az. 5 U 54/11; Abruf-Nr. 140138; OLG Köln, Urteil vom 9.9.2005, Az. 19 U 174/04; Abruf-Nr. 053217): In den Fällen der Nichtausführung des Vertrags kommt es nach § 87a Abs. 3 HGB darauf an, ob der Hauptvertreter die Umstände, auf denen die Nichtausführung beruht, zu vertreten hat. Die Pflicht zur Nachbearbeitung besteht auch im mehrstufigen Vertretungsverhältnis.

 

Anforderungen an die Nachbearbeitung durch Versicherer

Entschließt sich der Versicherer, eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr zu ergreifen, müssen diese nach Art und Umfang ausreichend sein. Erforderlich ist, dass der Versicherer tätig wird und den VN zur Erfüllung seiner Vertragspflicht ernsthaft und nachdrücklich anhält. Welcher konkreten Maßnahmen es hierfür bedarf, kann nicht abstrakt entschieden werden, sondern bedarf stets einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls.

 

Einfaches Mahnschreiben genügt nicht

Die bloße Übersendung eines Mahnschreibens an den VN zur Stornoabwehr reicht nicht aus. Das würde der Treuepflicht des Versicherers nicht gerecht, Rücksicht auf das Provisionsinteresse des Versicherungsvertreters zu nehmen (BGH, Urteil vom 1.12.2010, Az. VIII ZR 310/09; Abruf-Nr. 110310, NJW 2011, 1590; OLG Zweibrücken, Urteil vom 24.5.2011, Az. 8 U 158/08; Abruf-Nr. 140137).

 

Ein Hinweis auf die Vorteile der (Lebens-)Versicherung in einem solchen Schreiben ist jedenfalls kein nachdrückliches Anhalten des VN zur Erfüllung seiner Vertragspflicht (BGH, Urteil vom 1.12.2010, Az. VIII ZR 310/09; Abruf-Nr. 110310).

 

Drei Mahnschreiben können ausreichen

Ausreichend können allerdings nach Einstellung der Prämienzahlung drei aufeinander folgende automatisierte Mahnschreiben sein, in denen

  • der VN auf die Folgen der Einstellung der Prämienzahlung hingewiesen wird,
  • zur Wiederaufnahme der Zahlungen aufgefordert wird und

 

Beachten Sie | Höchstrichterlich noch ungeklärt ist, ob der Versicherer nach den Gründen für die Nichtzahlung forschen und gemeinsam mit dem Prämienschuldner nach einer Lösung suchen muss und ob dafür regelmäßig eine persönliche Rücksprache mit dem Schuldner erforderlich ist. Der BGH hat die Frage offen gelassen (BGH, Urteil vom 1.12.2010, Az. VIII ZR 310/09; Abruf-Nr. 110310). Bejaht haben die Frage das OLG Schleswig-Holstein (Urteil vom 4.3.2011, Az. 14 U 86/10; Abruf-Nr. 140136) und das OLG Brandenburg, Urteil vom 7.10.2010, Az. 12 U 96/09; Abruf-Nr. 103644).

 

PRAXISHINWEIS | Das Maß der Nachbearbeitungspflicht hat sich an dem Aufwand zu orientieren, den der Versicherungsvertreter im Provisionserhaltungsinteresse betreiben würde, wenn ihm die Nachbearbeitung überlassen würde (OLG Zweibrücken, Urteil vom 24.5.2011, Az. 8 U 158/08; Abruf-Nr. 140137; OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 4.3.2011, Az. 14 U 86/10; Abruf-Nr. 140136; OLG Brandenburg, Urteil vom 7.10.2010, Az. 12 U 96/09; Abruf-Nr. 103644). Der Versicherungsvertreter würde es keinesfalls bei standardisierten Mahnschreiben belassen. Er würde persönlich oder telefonisch Kontakt mit dem VN aufnehmen, ihn nachdrücklich auf die auch für ihn negativen Folgen einer Vertragsbeendigung hinweisen und auf eine Vertragsfortsetzung hinwirken (OLG Zweibrücken, Urteil vom 24.5.2011, Az. 8 U 158/08; Abruf-Nr. 140137; ausdrücklich auch für „Kleinstornos“).

 

Ein bis zwei (Mahn-)Schreiben können ausreichen

Demgegenüber meint das OLG Brandenburg (Urteil vom 10.1.2013, Az. 5 U 54/11; Abruf-Nr. 140138), im Einzelfall könnten zwei Mahnschreiben oder ein einfaches Schreiben des Versicherers genügen. Das soll jedenfalls dann ausreichen, wenn der Betrag der Provisionsrückbelastung im Hinblick auf den stornogefährdeten Einzelvertrag gering ist.

 

Nachbearbeitung durch Bestandsnachfolger

Der Versicherer kann auch den Nachfolger des ausgeschiedenen Versicherungsvertreters mit der Nachbearbeitung beauftragen. Jedoch reicht die bloße Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Bestandsnachfolger nicht. Denn das Interesse des Bestandsnachfolgers ist in erster Linie darauf gerichtet, Neuverträge abzuschließen, und nicht, dem Provisionsinteresse seines Vorgängers zu dienen. Daher muss der Versicherer im Fall der Provisionsrückforderung vortragen, wie der Nachfolger konkret nachgearbeitet hat oder warum die Nacharbeit des Nachfolgers aussichtslos gewesen ist (BGH, Urteil vom 28.6.2012, Az. VII ZR 130/12; Abruf-Nr. 140135).

Anforderungen an Stornogefahrmitteilungen

Entschließt sich der Versicherer zur Stornogefahrmitteilung an den Versicherungsvertreter, so ist er seiner Pflicht zur Stornogefahrabwehr unter folgenden Voraussetzungen in ausreichendem Maße nachgekommen (BGH, Urteil vom 28.6.2012, Az. VII ZR 130/12; Abruf-Nr. 140135; BGH, Urteil vom 1.12.2010, Az. VIII ZR 310/09; Abruf-Nr. 110310):

 

  • Er sendet dem Versicherungsvertreter eine Stornogefahrmitteilung,
  • die diesen in die Lage versetzt, seinerseits Stornogefahrabwehrmaßnahmen zu ergreifen,
  • und zwar so rechtzeitig, dass bei normalem Verlauf mit deren rechtzeitigem Eingang (siehe unten) beim Vertreter zu rechnen ist.

 

Wichtig | Übersendet der Versicherer Stornogefahrmitteilungen durch die Post, so darf er grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Postsendung ordnungsgemäß befördert wird und, wenn sie im Bundesgebiet werktags aufgegeben wird, am folgenden Werktag ausgeliefert wird. Geht eine Stornogefahrmitteilung gleichwohl auf dem Postweg verloren, so ist dies - und damit ebenso das hierauf zurückzuführende Unterbleiben von Nachbearbeitungsmaßnahmen des Versicherungsvertreters - ein Umstand, den der Versicherer nicht im Sinne des § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB zu vertreten hat. Die Konsequenz daraus ist: Der Versicherer muss nur nachweisen, dass er die Stornogefahrmitteilung rechtzeitig versendet hat, nicht aber den Zugang der Stornogefahrmitteilung beim Vertreter (BGH, Urteil vom 1.12.2010, Az. VIII ZR 310/09; Abruf-Nr. 110310, NJW 2011, 1590).

 

Inhalt der Stornogefahrmitteilung

Der Vertreter muss diejenigen Informationen erhalten, die er aus objektiver Sicht für eine sachgerechte und erfolgreiche Nachbearbeitung benötigt. Die Kopie eines Mahnschreibens kann ausreichen (OLG Brandenburg, Urteil vom 7.10.2010, Az. 12 U 96/09; Abruf-Nr. 103644). Die bloße Mitteilung über nicht gezahlte Prämien reicht als Inhalt einer Stornogefahrmitteilung dagegen nicht.

 

Wichtig | Stornogefahrmitteilungen müssen nicht unterschrieben sein (OLG Brandenburg, Urteil vom 10.1.2013, Az. 5 U 54/11; Abruf-Nr. 140138).

 

Rechtzeitiger Zugang der Stornogefahrmitteilung

Der Versicherer muss die Mitteilung so rechtzeitig versenden, dass der Vertreter sich sinnvoll und mit Aussicht auf Erfolg um eine Rettung des Vertrags bemühen kann. Der Versicherer muss den Vertreter unverzüglich auf die Gefahr der Stornierung des betroffenen Versicherungsvertrags hinweisen. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB).

 

Der Versicherer muss sich daher so bald, wie es ihm nach den Umständen möglich und zumutbar ist, gegenüber dem Versicherungsvertreter erklären. Die Anforderungen an den Versicherer dürfen dabei nicht überspannt werden. Ergibt sich nach einem Klärungsversuch des Versicherers eine Stornogefahr - was regelmäßig anzunehmen sein dürfte, wenn eine Reaktion auf eine standardisierte Anfrage in angemessener Frist nicht erfolgt - darf der Versicherer mit der entsprechenden Mitteilung an den Vertreter in der Regel nicht mehr als zwei Wochen abwarten (BGH, Urteil vom 28.6.2012, Az. VII ZR 130/12; Abruf-Nr. 140135, NJW 2012, 3305).

 

Wichtig | Die Zusendung der Stornogefahrmitteilung an eine Führungskraft des Vertreters genügt nicht. Daraus kann nicht auf den Zugang beim Vertreter selbst geschlossen werden (OLG Brandenburg, Urteil vom 10.1.2013, Az. 5 U 54/11; Abruf-Nr. 140138).

 

FAZIT | Oft sind es Details, die darüber entscheiden, ob der Versicherer ausreichend nachgearbeitet oder dem Vertreter die Stornogefahr wirksam mitgeteilt hat. Dieser Umstand liefert Ihnen als Vertreter viele gute Argumente, mit denen Sie sich - mit Unterstützung eines auf das Handelsvertreterrecht spezialisierten Rechtsanwalts - gegen Povisionsrückforderungen wehren können.

Quelle: Ausgabe 02 / 2014 | Seite 6 | ID 42475495