23.06.2017 · IWW-Abrufnummer 194698
Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 12.04.2017 – 5 SaGa 4/17
Tenor:
1. Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 11.01.2017 - 12 Ga 108/16 - abgeändert.
Der Verfügungsbeklagten wird es vorläufig, längstens jedoch bis zur erstinstanzlichen Entscheidung der Hauptsache oder dem Abschluss eines unter Einbeziehung des Verfügungsklägers neu durchzuführenden Bewerbungsverfahrens untersagt, die Stelle "Leiterin/Leiter der Referatsgruppe IV B - Betrieb, zentrale Infrastruktur" - Kennziffer Z2-P1454-19/16-e zu besetzen oder kommissarisch durch den/die im angegriffenen Auswahlverfahren bestplatzierte/n Bewerber/in vorläufig zu besetzen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsbeklagte.
Tatbestand
Der Verfügungskläger begehrt die Sicherung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs.
Der am 1965 geborene Verfügungskläger schloss 1995 ein Studium der Wirtschaftswissenschaften ab und promovierte 1998 zu dem Thema "Werbung im Internet". Nach Tätigkeiten bei verschiedenen Unternehmen ist er derzeit im Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen als Referent in dem Referat I B 2 (Informationssicherheit/CISO, Rechtsfragen des ERV und der E-Akte, IT-Öffentlichkeitsarbeit) tätig. Der Verfügungskläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 80.
Die Verfügungsbeklagte hat im Geschäftsbereich des B der F das I B (I ) als zentralen IT-Dienstleister der Bundesverwaltung mit derzeit rund 2.400 Beschäftigten eingerichtet. Das I schrieb zum 01.01.2017 die mit der Besoldungsgruppe A 16 bewertete Stelle
Leiterin bzw. Leiter der Referatsgruppe IV B - "Betrieb, zentrale Infrastruktur"
aus. Die Referatsgruppe IV B ist für die zentralen Infrastrukturservices (technisches Facility Management, RZ-Infrastruktur, Speichersysteme, Datenbanken und Outputmanagement) zuständig. Mit der Stelle ist die Personalverantwortung für ca. 200 Beschäftigte verbunden. Die Anforderungen definierte die Verfügungsbeklagte in der Stellenausschreibung wie folgt:
- Sie verfügen über ein erfolgreich abgeschlossenes, einschlägiges wissenschaftliches Hochschulstudium (Master bzw. Diplom/Universität) vorzugsweise in den Fachrichtungen Informatik, Wirtschaftsinformatik, Mathematik, Physik, Elektrotechnik, Nachrichtentechnik oder in vergleichbaren Studiengängen sowie nachgewiesene mehrjährige Erfahrung im IT-Bereich der öffentlichen Verwaltung bzw. der Privatwirtschaft.
- Als Beamtin/Beamter befinden Sie sich in der Laufbahn des höheren Dienstes in der Besoldungsgruppe A 15 bzw. A 16.
Wegen des näheren Inhalts der Stellenausschreibung wird auf Bl. 7 und 8 der Akte Bezug genommen.
Der Verfügungskläger bewarb sich auf diese Stelle, indem er seine persönlichen Daten und seinen Lebenslauf in die von der Verfügungsbeklagten vorgesehene Datenmaske eintrug. In seinem Begleitschreiben wies der Verfügungskläger auf seine Schwerbehinderung hin. Zudem lud er seinen Schwerbehindertenausweis in das Bewerbungssystem hoch.
Ohne den Verfügungskläger zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu haben, lehnte die Verfügungsbeklagte seine Bewerbung mit Schreiben vom 16.12.2016 ab. Stattdessen wählte sie als Bewerber einen Beamten ihres Hauses, den Referatsleiter IV B 5 (Datenmanagement) aus, der 1985 die Laufbahnprüfung des gehobenen Dienstes bestanden hatte, 2007 in den höheren Dienst aufgestiegen war und nach der Besoldungsgruppe A 15 besoldet wird.
Mit seinem am 20.12.2016 beim Arbeitsgericht Köln eingereichten Antrag begehrt der Verfügungskläger die Unterlassung der Stellenbesetzung bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache oder dem Abschluss eines unter seiner Einbeziehung neu durchzuführenden Bewerbungsverfahrens.
Der Verfügungskläger hat die Auffassung vertreten, dass er für die ausgeschriebene Stelle geeignet sei und dass er zu einem Vorstellungsgespräch hätte eingeladen werden müssen.
Der Verfügungskläger hat beantragt,
Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,
Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Verfügungskläger für die ausgeschriebene Stelle offensichtlich nicht geeignet sei. Der Verfügungskläger verfüge weder über ein einschlägiges Hochschulstudium noch habe er langjährige Erfahrungen im Bereich der Planung und Steuerung großer IT-Einrichtungen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Urteil vom 11.01.2017 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Verfügungsbeklagte den Bewerbungsverfahrensanspruch des Verfügungsklägers nicht verletzt habe. Seine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch sei wegen offensichtlichen Fehlens seiner Eignung entbehrlich gewesen. Denn der Verfügungskläger verfüge weder über ein abgeschlossenes Hochschulstudium im technischen Bereich, noch habe eine mehrjährige praktische Erfahrung in der Personalführung auf Leitungsebene.
Das Urteil ist dem Verfügungskläger am 23.01.2017 zugestellt worden. Seine dagegen gerichtete Berufung ist nebst Begründung am 09.02.2017 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen.
Der Verfügungskläger meint, dass die zu besetzende Stelle entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kein abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium im Bereich der technischen Naturwissenschaften erfordere. Dieses Erfordernis ergebe sich nicht aus der Ausschreibung und sei unter Verstoß gegen das Willkürverbot vom Arbeitsgericht in die Ausschreibung hineininterpretiert worden. Die Verfügungsbeklagte verlange dieses Qualifikationserfordernis auch nicht bei internen Bewerbern.
Der Verfügungskläger beantragt,
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
Sie verteidigt die arbeitsrechtliche Entscheidung unter Vertiefung ihres Sachvortrags. Sie ist der Auffassung, dass ihr bei der Festlegung des Anforderungsprofils der ausgeschriebenen Stelle und bei deren Eignungsmerkmalen ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zustehe. Deswegen sei es nicht zu beanstanden, wenn sie als Anforderung entweder den Abschluss eines technisch-naturwissenschaftlichen Hochschulstudiums oder die Laufbahnbefähigung für den höheren Dienst und die Übertragung eines Amts der Besoldungsgruppe A 15 oder 16 aufgestellt habe. Ebenso sachlich nachvollziehbar habe sie die einschlägige Erfahrung als Führungskraft heterogener Personaleinheiten an ihren Standorten im IT-Bereich des öffentlichen Dienstes oder vergleichbaren Einheiten der Privatwirtschaft vorausgesetzt.
Der Verfügungskläger verfüge weder über ein abgeschlossenes einschlägiges Studium noch über eine mehrjährige Führungskrafterfahrung in IT-Bereich. Die vom Verfügungskläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Referent bringe keinerlei Personalverantwortung mit sich. Auch seine Tätigkeiten der Vergangenheit enthielten keinen Hinweis darauf, dass er über eine Führungserfahrung im Rahmen einer großen Personaleinheit verfüge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Verfügungsklägers ist begründet. Die Verfügungsbeklagte ist verpflichtet, die Stelle als "Leiterin/Leiter der der Referatsgruppe IV B - Betrieb, zentrale Infrastruktur" im ITZ vorläufig, längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren freizuhalten und auch nicht mit dem aus ihrer Sicht bestplatzierten Bewerber vorläufig zu besetzen.
I. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kann der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 62 Abs. 2 ArbGG, §§ 935, 940, 920 ZPO erforderliche Verfügungsanspruch nicht verneint werden.
1.) Denn die Verfügungsbeklagte hat den Bewerbungsverfahrensausspruch des Verfügungsklägers aus Art. 33 Abs. 2 GG dadurch verletzt, dass sie für die Besetzung der Stelle ein sachlich nicht gerechtfertigtes Anforderungsprofil zu Grunde gelegt und ihn deswegen vom Auswahlverfahren ausgeschlossen hatte.
a) Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Öffentliche Ämter sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch solche Stellen, die ein öffentlicher Arbeitgeber mit Arbeitnehmern zu besetzen beabsichtigt. Der unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistete Grundsatz der Bestenauslese dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt die Verfassungsnorm dem berechtigten Interesse der Bediensteten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass sie grundrechtsgleiche Rechte auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet. Beamten und Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst steht deshalb bei der Besetzung von Ämtern des öffentlichen Dienstes ein verfassungsrechtlicher Bewerbungsverfahrensanspruch zu. Daraus folgt angesichts der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung ein subjektives Recht jedes Bewerbers auf die chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren, auf seine rechtsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl sowie auf deren Durchführung nach den genannten Auswahlkriterien (BAG, Urteil vom 19. Mai 2015 - 9 AZR 837/13 -, Rn. 16, [...]). Der Bewerbungsverfahrensanspruch erfordert zudem eine angemessene Gestaltung des Auswahlverfahrens, um eine Durchsetzung der in Art. 33 Abs. 2 gewährleisteten Rechte sicherstellen zu können. Denn bereits durch die Gestaltung des Auswahlverfahrens wird Einfluss auf den Bewerberkreis und auf das Ergebnis der Auswahlentscheidung genommen (Burghart in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 73. Lieferung 03.2017, Art. 33 GG, Rn. 39). Dabei ist es dem öffentlichen Arbeitgeber zwar grundsätzlich unbenommen, frei über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stelleninhabers zu entscheiden. Allerdings darf er nicht willkürlich Anforderungen an Bewerber stellen, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt sind (BAG, Urteil vom 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 -, Rn. 27, [...]). Er hat das Anforderungsprofil vielmehr ausschließlich nach objektiven Kriterien anzufertigen (BAG, Urteil vom 11. August 2016 - 8 AZR 375/15 -, Rn. 35, [...]).
b) Gemessen an diesem Maßstab durfte die Verfügungsbeklagte die Bewerbung des Verfügungsklägers nicht deswegen ablehnen, weil er über kein "erfolgreich abgeschlossenes, einschlägiges wissenschaftliches Hochschulstudium (...) vorzugsweise in den Fachrichtungen Informatik, Wirtschaftsinformatik, Mathematik, Physik, Elektrotechnik, Nachrichtentechnik oder in vergleichbaren Studiengängen" verfügt.
aa) Denn die zu besetzende Stelle rechtfertigt keine Einschränkung der Studiengänge auf sog. MINT-Fächer. Abgesehen davon, dass die Stellenausschreibung selbst nur von "vorzugsweise" spricht, ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Verfügungsbeklagte mit ihrer Stellenausschreibung auch beamtete Bewerber des höheren Dienstes angesprochen hat, die ein solches Hochschulstudium oder eine einschlägige Ausbildung nicht abgeschlossen haben. Besondere Kenntnisse im IT- Bereich werden zwar unter der Überschrift "Darüber hinaus erwarten wir" gefordert. Diese Kenntnisse müssen jedoch nicht in einem einschlägigen Studium oder einer technischen Ausbildung erworben sein, sondern sind gemäß der Stellenausschreibung durch praktische Erfahrungen nachzuweisen. Insofern ist es sachlich nicht gerechtfertigt, von einem nichtbeamteten Bewerber mit vergleichbaren praktisch erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten ein erfolgreich abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium in einem MINT-Fach zu verlangen, von einem beamteten Bewerber hingegen nicht.
bb) Die Verfügungsbeklagte kann nicht mit dem Argument durchdringen, dass Beamte der Besoldungsgruppe A 15 bzw. A 16 mindestens zwei Beförderungen im Rahmen ihrer Laufbahn im höheren Dienst erreicht hätten und dementsprechend über eine erhebliche Berufserfahrung im öffentlichen Dienst und über vertiefte Kenntnisse in der öffentlichen Verwaltung verfügen würden, die ein anderer Bewerber von vornherein nicht aufweisen könne. Es trifft zwar zu, dass bei solchen Beamten von einer gesteigerten Verwendungsbreite ausgegangen werden kann. Diese ist jedoch nicht auf eine wissenschaftliche Ausbildung zurückzuführen, über die Aufstiegsbeamte gar nicht verfügen. Es mag auch zutreffen, dass bezüglich der beamteten Bewerber eine starre Beschränkung anhand der bildungsmäßigen Voraussetzungen nicht sachgerecht ist. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass diese bildungsmäßigen Voraussetzungen bei anderen Bewerber vorliegen müssen, wenn sie in ihrer beruflichen Entwicklung über vergleichbare Erfahrungen und Kenntnisse verfügen. Im Gegenteil: Der Verzicht auf die wissenschaftliche Ausbildung bei beamteten Bewerbern belegt gerade, dass die geforderten Kenntnisse und Erfahrungen nicht durch ein wissenschaftliches Hochschulstudium erworben sein müssen.
c) Der Ausschluss des Verfügungsklägers aus dem Bewerbungsverfahren durfte auch nicht deswegen erfolgen, weil er nicht über die von der Verfügungsbeklagten geforderte Führungserfahrung verfügt. Aus der Stellenausschreibung ("Darüber hinaus erwarten wir") ergibt sich nicht, dass es sich um eine Mussvoraussetzung handelt. Im Übrigen können entsprechende Erfahrungen des Verfügungsklägers nach seinen beruflichen Stationen als Geschäftsführer eines Unternehmens der Informationstechnik/Informatik, als Senior Consultant im Bereich Informationstechnik/Informatik, als Marketing Manager im Bereich Informationstechnik/Informatik, als Business Development Manager, als Vorstand Technik und Marketing, als Betreiber der Firma Opali Data Services sowie als Referent IT/Technik im Justizministerium NRW nicht von vorneherein als fehlend betrachtet werden.
2.) Zudem hat der schwerbehinderte Verfügungskläger gemäß § 82 Satz 2 SGB IX einen Anspruch darauf, dass die Verfügungsbeklagte ihn zu einem Vorstellungsgespräch einlädt.
a) Bewirbt sich ein schwerbehinderter Mensch bei einem öffentlichen Arbeitgeber um eine zu besetzende Stelle, so hat dieser ihn nach § 82 Satz 2 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Die Vorschrift beschreibt nicht nur eine öffentlich-rechtliche Pflicht des Arbeitsgebers; sie gibt zugleich dem Bewerber einen Individualanspruch auf Einladung zu einem Vorstellungsgespräch (BAG, Urteil vom 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 -, Rn. 46, [...]; Fabricius in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 2. Aufl. 2015, § 82 SGB IX, Rn. 18). Nach § 82 Satz 3 SGB IX ist die Einladung nur dann entbehrlich, wenn dem schwerbehinderten Menschen die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Unterlässt es der öffentliche Arbeitgeber entgegen § 82 Satz 2 SGB IX, einen sich bewerbenden schwerbehinderten Menschen zum Vorstellungsgespräch einzuladen und versagt er diesem damit die Chance, ihn von seiner Eignung zu überzeugen, kann darin nicht nur eine unmittelbare Benachteiligung wegen der Behinderung liegen (dazu BAG, Urteil vom 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 -, Rn. 29, [...]). Auch der Individualanspruch auf Einladung zu einem Vorstellungsgespräch bleibt unerfüllt. Ob und inwieweit die Bewerbung aufgrund der Anforderungen nach Art. 33 Abs. 2 GG aussichtsreich erscheint, spielt keine Rolle, solange die fachliche Eignung nicht offensichtlich fehlt. Auch aus § 9 BeamtenStG, wonach Ernennungen allein nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung und ohne Rücksicht u.a. auf eine Behinderung vorzunehmen sind, ergibt sich nichts anderes. Denn die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch dient nicht dazu, von dem verfassungsrechtlichen Maßstab der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung abzuweichen. Diese in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Gesichtspunkte bleiben die allein maßgeblichen Kriterien für die Bewerberauswahl (BAG, Urteil vom 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 -, Rn. 29, [...]). Dem schwerbehinderten Bewerber, dessen fachliche Eignung zwar zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist, wird nur die Möglichkeit geben, den Dienstherrn in einem Vorstellungsgespräch von seiner Eignung zu überzeugen (BAG, Urteil vom 11. August 2016 - 8 AZR 375/15 -, Rn. 36, [...]). Und nur insoweit ist der schwerbehinderte Bewerber im Bewerbungsverfahren besser gestellt als nicht schwerbehinderte Konkurrenten (BAG, Urteil vom 11. August 2016 - 8 AZR 375/15 -, Rn. 29, [...]; BAG, Urteil vom 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 -, Rn. 27, [...]).
b) Der Verfügungskläger ist nicht offensichtlich fachlich ungeeignet i.S.d. § 82 Satz 3 SGB IX.
aa) "Offensichtlich" fachlich nicht geeignet ist, wer "unzweifelhaft" nicht dem Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle entspricht. Dies ist anhand eines Vergleichs zwischen dem Anforderungsprofil und dem (fachlichen) Leistungsprofil des Bewerbers oder der Bewerberin zu ermitteln (BVerwG, Urteil vom 03. März 2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150, Rn. 20; ähnlich Schröder in Hauck/Noftz SGB IX Stand November 2015 K § 82 Rn. 6). Lassen bereits die Bewerbungsunterlagen zweifelsfrei erkennen, dass die durch das Anforderungsprofil zulässig vorgegebenen fachlichen Kriterien nicht erfüllt werden, besteht für den öffentlichen Arbeitgeber keine Verpflichtung, den schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (BAG, Urteil vom 11. August 2016 - 8 AZR 375/15 -, Rn. 37, [...]).
bb) Die vom Verfügungskläger eingereichten Bewerbungsunterlagen lassen nicht den zweifelsfreien Schluss zu, dass er die (zulässigen) Anforderungen an die ausgeschriebene Stelle nicht erfüllt. Denn die beruflichen Stationen des Verfügungsklägers mit teilweise leitenden Funktionen weisen einen starken IT-Bezug auf. Sie sprechen eher dafür, dass der Verfügungskläger sowohl über die geforderten Kenntnisse als auch über die von der Verfügungsbeklagten gewünschte Führungserfahrung verfügt.
3.) Die Schulden des Verfügungsklägers, sein Verhalten in diesem und in vorangegangenen Rechtsstreiten sowie die von der Verfügungsbeklagten angeführten "charakterlichen Defizite" können seine Herausnahme aus dem Auswahlverfahren nicht rechtfertigen und stehen weder seinem Bewerbungsverfahrensanspruch noch seinem Anspruch auf Einladung zu einem Vorstellungsgespräch entgegen. Denn diese Punkte betreffen die persönliche Lebensführung des Verfügungsklägers, nicht hingegen die Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG und des § 82 Satz 3 SGB IX. Im Übrigen: Da die Schulden des Verfügungsklägers der Verfügungsbeklagten bekannt sind, könnte sie der von ihr reklamierten abstrakten Gefahr eines erhöhten Korruptionsrisikos entsprechend der Richtlinie zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung vom 30. Juli 2004 - O 4 634 140-15/1 - mit geeigneten Maßnahmen begegnen.
II. Dem Verfügungskläger steht ein Verfügungsgrund zur Sicherung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs nach Art. 33 Abs. 2 GG zur Seite, weil dieser Anspruch nach einer Besetzung der Stelle nicht mehr durchsetzbar wäre. Ist eine mit dem Amt verbundene Stelle rechtlich verbindlich anderweitig vergeben, kann das Amt nicht mehr besetzt werden. Dann ist der subjektive Anspruch des Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG erschöpft (BAG, Urteil vom 28. Mai 2002 - 9 AZR 751/00 -, BAGE 101, 153-163, Rn. 26). Zugleich wäre der Anspruch des schwerbehinderten Verfügungsklägers auf Einladung zu einem Vorstellungsgespräch vereitelt. Denn ein Vorstellungsgespräch bezüglich einer bereits besetzten Stelle wäre sinnlos.
III. 1.) Zur Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Verfügungsklägers ist die Verfügungsbeklagte anzuhalten, die Stelle der Leiterin bzw. des Leiters der Referatsgruppe IV B bis zur erstinstanzlichen Entscheidung der Hauptsache oder dem Abschluss eines unter Einbeziehung des Verfügungsklägers neu durchzuführenden Bewerbungsverfahrens weder endgültig noch vorläufig zu besetzen. Zwar würde bei einer rein kommissarischen Besetzung der Stelle nicht die Schaffung "vollendeter" Tatsachen drohen, da sie jederzeit wieder rückgängig gemacht werden könnte (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 21. Januar 2000 - 3 ZE 99.3632 -, Rn. 21, [...]). Es bestünde jedoch die Gefahr, dass der kommissarische Stelleninhaber mit zunehmender Dauer des Auswahlverfahrens bzw. des Hauptsacherechtsstreits einen Erfahrungsvorsprung gewinnt, den der Verfügungskläger nicht mehr aufholen und der somit den Anspruch auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren beeinträchtigen könnte.
2.) Mit den vorgenannten Anordnungen wird zugleich der Einladungsanspruch aus § 82 Satz 2 SGB IX gesichert, der - isoliert betrachtet - lediglich erfordern würde, dass die Besetzung der Stelle bis zur Durchführung des Vorstellungsgesprächs unterbleibt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.