05.10.2016 · IWW-Abrufnummer 189021
Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 25.05.2016 – 11 Sa 936/15
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 29.07.2015 - 2 Ca 9797/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin Entgelt für Tätigkeiten beanspruchen kann, die sie während der Dauer seiner praktischen Tätigkeit im Rahmen der Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten (PiA) erbracht hat.
Die Klägerin, Diplompsychologin, hat mit der beklagten Universitätsklinik unter dem 20.09.2011 einen Vertrag über eine praktische Tätigkeit geschlossen, wonach sie für den Zeitraum 04.10.2011 bis 03.10.2012 zur Ableistung der praktischen Tätigkeit im Umfang von 25 Wochenstunden unentgeltlich in der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Station 1, beschäftigt wird. Am 12.04.2012 schlossen die Parteien eine weitere Vereinbarung über eine praktische Tätigkeit bis zum 30.11.2012. Nach diesem Vertrag erfolgte eine unentgeltliche Beschäftigung mit 16 Stunden die Woche in der Tagesklinik der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Wegen der weiteren Einzelheiten der Verträge über eine praktische Tätigkeit wird auf Bl. 276 ff. d. A. verwiesen. Die praktische Tätigkeit erfolgte im Rahmen Ausbildungs- und Prüfungsordnung zum Psychologischen Psychotherapeuten (PP). Die Beklagte stellt den PiAs eine Orientierungsbroschüre (Bl. 186 ff. d. A.) zur Verfügung.
Die Klägerin übernahm laut "Zeugnis über die praktische Tätigkeit Teil I nach § 2, Abs.2, Ziffer 1 und Abs.3, Psych Th-AprV" auf der Station und in der Tagesklinik unter Supervision folgende Aufgaben: Planung, Durchführung und Dokumentation von Einzelpsychotherapien unter Anwendung kognitiv-verhaltenstherapeutischer und gesprächstherapeutischer Methoden bei Patienten mit verschiedenen Störungsbildern wie Angst-, Zwangs- und depressiven Störungen, Persönlichkeitsstörungen sowie affektiven und schizophrenen Psychosen; Führen von Familien- und Paargesprächen in vier Fällen; Durchführung und Dokumentation psychologischer Anamnesen sowie Verfassen von Therapieverläufen; Konzeption, Durchführung und Leitung einer Entspannungsgruppe (PMR nach Jacobson), einer Genussgruppe, einer themenzentrierten Gruppe in der Tagesklinik (Offenes Forum) und eines sozialen Kompetenztrainings in der Gruppe (nach Hinsch und Pfingsten); Mitbetreuung von Psychologiestudenten im Praktikum. Wegen der weiteren Einzelheiten des Zeugnisses vom 09.04.2013 wird auf Bl. 18 ff. d. A. verwiesen.
Die Klägerin meint, die Beklagte sei verpflichtet, die geleistete Tätigkeit nach der Entgeltgruppe 13, Stufe 1, 75 %, des TV-L zu vergüten.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 29.07.2015 (Bl. 59 ff. d. A.) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keine deutlich höherwertigen Tätigkeiten als jene, die nach der Ausbildungsverordnung vorgeschrieben seien, hinreichend dargelegt. Jedenfalls seien etwaige Vergütungsansprüche nach § 37 TV-L verfallen. Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Gegen das ihr am 25.08.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.09.2015 Berufung eingelegt und diese am 22.10.2015 begründet.
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie habe die psychologische Diagnostik und Behandlung selbst durchgeführt. Die Anleitung sei nicht durch geeignetes Fachpersonal erfolgt, die angebotene Supervision unzureichend gewesen. Die Supervisoren hätten weder Krankengeschichte, Behandlungsplan noch Medikation der Patienten der Klägerin gekannt. Supervisionen seien keine spezifische Ausbildungsleistung. Zudem habe lediglich das Angebot der Supervision bestanden, jedoch keine Teilnahmepflicht.
Die Klägerin beantragt,
Die Beklagte beantragt,
Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt eigene Patienten behandelt oder hierfür Verantwortung getragen, vielmehr seien die psychologischen Einzelgespräche mit den Patienten in die ärztliche Therapie eingebettet gewesen. Die Klägerin habe unter Aufsicht gehandelt. Die Kontrolle im Rahmen der Oberarztvisite sowie den Einzel- und Gruppensupervisionen sei ausreichend gewesen. Da es sich bei den Tätigkeiten der Klägerin nicht um therapeutische Maßnahmen gehandelt habe, seien ihre Leistungen auch nicht mit einem Kostenträger abgerechnet worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 21.10.2015 und 21.12.2015, die Sitzungsniederschrift vom 25.05.2015 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG ordnungsgemäß eingelegt und begründet.
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend einen Vergütungsanspruch des Klägers verneint.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf angemessene Ausbildungsvergütung nach den §§ 17 Abs. 1 Satz 1, 26 BBiG, denn die Anwendung des BBiG, einschließlich der dort vorgesehenen Vergütungsregelung, ist nach § 7 PsychThG ausgeschlossen.
2 Es besteht auch kein Vergütungsanspruch der Klägerin in entsprechender Anwendung des § 612 Abs. 1 BGB. Die Praktikumstätigkeit diente und erschöpfte sich in der Ausbildung zum PP, wobei sie unter fachkundiger Anleitung und Aufsicht der Klägerin im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 PSychTh-APrV erfolgte. Die vereinbarte Unentgeltlichkeit der praktischen Tätigkeit als PiA erweist sich nicht als sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB.
a) Auch dann, wenn ein unentgeltliches Praktikum vereinbart ist, kann eine Vergütungspflicht entsprechend § 612 Abs. 1 BGB bestehen, wenn der Praktikant höherwertige Dienste verrichtet (BAG, Urteil vom 07.07.1993- 5 AZR 488/92 -; BAG, Urteil vom 10.02.2015 - 9 AZR 289/13 - m.w.N.). Unter höherwertige Dienste sind solche Dienste zu verstehen, die erheblich über das hinausgehen, was der Praktikant im Rahmen der vorgeschriebenen Ausbildungsordnung an Tätigkeiten zum Zwecke der Ausbildung zu erbringen hat.
b) Die auf Grundlage des § 8 PsychThG erlassene Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Psychologische Psychotherapeuten (PSychTh-APrV) regelt in § 2 Abs. 1 Satz 1 PSychTh-APrV, dass die praktische Tätigkeit dem Erwerb praktischer Erfahrungen in der Behandlung von Störungen mit Krankheitswert im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 PsychThG sowie von Kenntnissen anderer Störungen, bei denen Psychotherapie nicht indiziert ist, dient. Sie hat nach § 2 Abs. 1 Satz 2 PSychTh-APrV unter fachkundiger Anleitung und Aufsicht zu stehen. Die praktische Tätigkeit beträgt gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 PSychTh-APrV mindestens 1.800 Stunden, wovon auf die erste Phase PT1 1.200 Stunden, auf den zweiten Abschnitt PT2 600 Stunden entfallen. Die praktische Tätigkeit ist Bestandteil einer Ausbildung, die insgesamt 4.200 Stunden umfasst und neben der praktischen Tätigkeit eine theoretische Ausbildung, eine praktische Ausbildung mit Krankheitsbehandlungen unter Supervision sowie eine Selbsterfahrung beinhaltet. Die Ausbildung zum PP schließt mit einer staatlichen Prüfung ab (§ 1 Abs. 3 PSychTh-APrV). Während der praktischen Tätigkeit in der psychiatrischen Klinik ist der Ausbildungsteilnehmer über einen längeren Zeitraum an einer in der PSychTh-APrV näher bezeichneten Mindestzahl von Diagnostik und Behandlung von Patienten zu beteiligen und bei einem Teil dieser Patienten sind Familie oder andere Sozialpartner in das Behandlungskonzept einzubeziehen, § 2 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 PSychTh-APrV. Dabei hat der Ausbildungsteilnehmer gemäß § 2 Abs. 3 Satz 3 PSychTh-APrV Kenntnisse und Erfahrungen über akute, abklingende und chronifizierte Symptomatik unterschiedlicher psychiatrischer Erkrankungen zu erwerben sowie die Patientenbehandlungen fallbezogen unter Angabe von Umfang und Dauer zu dokumentieren. Mit der Annahme einer Praktikumstätigkeit ist es grundsätzlich nicht zu vereinbaren, wenn die Tätigkeiten ohne Aufsicht, ohne Kontrolle und ohne gemeinsame nachfolgende Analyse zu verrichten sind (vgl.: BAG, Urt. v. 10.02.2015 - 9 AZR 289/13 - m.w.N.).
c) Im Streitfall lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin höherwertige Dienste, die erheblich von der in der Ausbildungsordnung vorgeschriebenen Art und Weise abweichen, geleistet hat.
Die Planung, Durchführung und Dokumentation von Einzelgesprächen sowie die von ihr durchgeführten Gruppentherapien sind nicht nur Bestandteile therapeutischer Arbeit, sondern Tätigkeiten auf dem Feld der Ausbildung zum PP. Sie dienen (auch) dem Erwerb praktischer Erfahrung i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 PsychTh-APrV. Die PsychTh-APrV beschreibt die Ausbildungsinhalte nicht abschließend. Die selbständige Mitwirkung an der Behandlung eigener Patienten entspricht der PsychTh-AprV, das Maß an Anleitung und Aufsicht ist abhängig von dem Kenntnisstand und den praktischen Kompetenzen des PiA (LAG Hamm, Urteil vom 09.04.2015 - 17 Sa 1615/14 -). Die Durchführung von Einzelgesprächen als auch deren Dokumentation gehört ebenso wie die Einbeziehung von Familie oder Sozialpartner zu den ausdrücklich genannten Ausbildungsinhalten praktischer Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 PSychTh-APrV. Die Klägerin hat die Einzelgespräche ohne eigene Fallverantwortung, eingebettet in die ärztliche Therapie, in einem Netz diverser ausbildungsgeeigneter Begleitmaßnahmen geführt. Dabei hatte sie die Vorgaben der Ober- bzw. Assistenzärzte auf der Station bzw. Tagesklinik zu beachten. Sie hat die Einzeltherapien nicht frei von Aufsicht oder Kontrolle bzw. ohne gemeinsame nachfolgende Analyse durchgeführt. Der Klägerin stand nach Absprache und bei Bedarf die Einzelsupervision zur Verfügung, welche von der fachlich qualifizierten PP Dipl. Psych. B durchgeführt wurde. Ferner erfolgte einmal pro Woche eine Gruppensupervision durch den Ober- bzw. Stationsarzt. Zwar ist eine Supervision im Rahmen der praktischen Tätigkeit nach § 2 PSychTh-APrV - anders als im Rahmen der praktischen Ausbildung gemäß §§ 1 Abs. 3 Satz 1, 4 PSychTh-APrV - nicht zwingend vorgesehen, jedoch spricht die Einrichtung der Supervision für eine fachkundige Anleitung und Aufsicht der Klägerin. Zudem war die Klägerin bei der wöchentlichen Oberarztvisite und der Teambesprechung eingebunden, was Gelegenheit gab, Behandlungsfragen zu erörtern. Die Klägerin hatte ferner geeignete Ansprechpartner im Rahmen der Ausbildung und zwar neben der PP Dipl. Psych. B , PP Prof. Dr. Dr. Dipl. Psych. P , Prof. Dr. Dipl. Psych. D , Oberärzitin Dr. med. R sowie Prof. Dr. Ru . Soweit die Klägerin rügt, die Supervisoren seien wegen mangelnder Kenntnis der Krankengeschichte, Behandlungsplan und Medikation ungeeignet gewesen, ist bereits nicht erkennbar, welche Auswirkungen diese angeblichen Mängel auf die Supervision der Klägerin hatten. Mit der Supervision soll regelmäßig das eigene Handeln überprüft und verbessert werden. Die Kenntnis der Krankengeschichte, Behandlungsplan und Medikation der behandelten Patienten ist dafür nicht zwingend erforderlich. Selbst wenn das Supervisionsangebot der Beklagten mängelbehaftet und damit verbesserungswürdig gewesen sein sollte, folgt daraus noch nicht, dass es ein ungeeignetes Ausbildungsinstrument im Rahmen der fachlichen Anleitung und Aufsicht war. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass hinreichende Tatsachen für die Annahme höherwertiger Dienst nicht gegeben sind.
III Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.