30.09.2014 · IWW-Abrufnummer 152012
Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 16.06.2014 – 4 Sa 145/14
Ein Betrieb, der für einen Automobilhersteller die Montage und Komplettierung der Motor-Getriebe-Einheit durchführt, gehört zum Wirtschaftszweig "Automobilindustrie und Fahrzeugbau" im Sinne des Tarifvertrages über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassung in der Metall- und Elektroindustrie.
Entscheidungsgründe
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hatte in der Sache keinen Erfolg.
Die Beklagte greift in der Berufungsinstanz weder die Zulässigkeit des Feststellungsantrags noch die Berechnung der Höhe der Zuschläge als solche noch die Feststellungen des Arbeitsgerichts zur Einhaltung der Ausschlussfristen an. Insoweit wird daher auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.
Die Beklagte wendet sich allein und grundsätzlich gegen die Anwendbarkeit des TV BZ ME und die dafür vom Arbeitsgericht angeführten Argumente.
Die Kammer teilt indes im Wesentlichen die Begründung des Arbeitsgerichts für die fachliche Anwendbarkeit des TV BZ ME. Die Argumente der Berufung führen nicht zu einer Abänderung des erstinstanzlichen Urteils:
A. Für die nachfolgend zu behandelnde Auslegung des § 1 Nr. 2. TV BZ ME ist mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von folgenden Grundsätzen auszugehen:
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. z. B. BAG 18.02.2014 - 3 AZR 833/12).
I. Es kommt entscheidend darauf an, ob der Kundenbetrieb, d. h. hier die L K , ein Betrieb der "Metall- und Elektroindustrie" ist. Dieses ergibt sich aus Satz 1 des § 1 Nr. 2 des Tarifvertrages. Dabei ist zunächst - das dürfte unstrittig sein - davon auszugehen, dass das "und" in diesem Wortlaut als "oder" zu verstehen ist. Das ergibt sich schon eindeutig aus den in § 1 Nr. 2S. 2 TV BZ ME genannten einzelnen Industriezweigen und Branchen.
Nach Satz 2 des § 1 Nr. 2 TV BZ ME "gelten" die Betriebe der nachfolgend aufgezählten Wirtschaftszweige, soweit sie nicht dem Handwerk zuzuordnen sind, als Kundenbetriebe der Metall- und Elektroindustrie. Es handelt sich also nicht um eine abschlie ßende Aufzählung, sondern um eine Fiktion. Wenn ein Betrieb den aufgeführten Wirtschaftszweigen zugehört, ist er ein Kundenbetrieb im Sinne des § 1 Nr. 2 S. 1 TV BZ ME.
Die L führt in K in diesem Sinne einen Betrieb im Wirtschaftszweig "Automobilindustrie und Fahrzeugbau".
1. Das Arbeitsgericht hat - was den Wortlaut der Norm anbetrifft - schon zu Recht darauf hingewiesen, dass der Begriff "Industrie" im Allgemeinen und aufgrund des § 1 Nr. 2 S. 2 letzter Halbsatz TV BZ ME im Besonderen zunächst vom "Handwerk" zu unterscheiden ist. Das Arbeitsgericht hat dabei die Definition aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.01.2009(10 AZR 325/08 - Rn. 16 m.w.N.) zugrunde gelegt: Ein Industriebetrieb unterscheidet sich von einem Handwerksbetrieb aufgrund seiner Betriebsgröße, der Anzahl seiner Beschäftigten sowie eines größeren Kapitalbedarfs infolge der Anlagenintensität. Die Industrie ist dabei durch Produktionsanlagen und Produktionsstufen gekennzeichnet. Bei einem Handwerksbetrieb handelt es sich dagegen um einen kleineren, weniger technisierten Betrieb, in dem die Arbeiten überwiegend mit der Hand nach den Methoden des einschlägigen Handwerks und nicht auf Vorrat, sondern für einen bestimmten Kundenkreis ausgeführt werden.
Aufgrund der Anzahl der Beschäftigten (rund 240), der Fließbandfertigung und des Fehlens der Anwendung typischer Methoden des Handwerks ist der Betrieb der L kein Handwerksbetrieb, auch wenn dort nicht auf Vorrat, sondern für einen bestimmten Kundenkreis gearbeitet wird.
2. Damit erschöpft sich aber nicht die Definition der Industrie.
a) Laut Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Industrie) wird "Industrie" wie folgt definiert:
"Die Industrie (lat. industria: Betriebsamkeit, Fleiß) bezeichnet den Teil der Wirtschaft, der gekennzeichnet ist durch die Produktion und Weiterverarbeitung von materiellen Gütern oder Waren in Fabriken und Anlagen, verbunden mit einem hohen Grad an Mechanisierung und Automatisierung - im Gegensatz zur handwerklichen Produktionsform."
Nach Duden (http://www.duden.de/rechtschreibung/Industrie) bedeutet "Industrie":
"Wirtschaftszweig, der die Gesamtheit aller mit der Massenherstellung von Konsum- und Produktionsgütern beschäftigten Fabrikationsbetriebe eines Gebietes umfasst und Gesamtheit aller Fabrikationsbetriebe einer bestimmten Branche in einem Gebiet."
Außer der Massenherstellung lässt sich aus solchen Definitionen ein Verständnis dahingehend ableiten, dass in der Industrie Güter oder Waren in Fabriken oder Anlagen produziert oder weiterverarbeitet werden.
Der Begriff beinhaltet damit nicht notwendig die Verformung eingesetzter Werkstoffe, wie es die Beklagte in der Berufungsbegründung offenbar meint, wenn sie darauf hinweist, dass "keine Bearbeitung/Veränderung der Einzelteile" stattfinde, sondern nur eine Komplettierung und ein Montieren.
b) Dass der Begriff der Industrie auch für den vorliegenden Tarifvertrag in diesem weiten Sinne zu verstehen ist, ergibt unter systematischen Gesichtspunkten ein Blick auf die zahlreichen in § 1 Nr. 2 S. 2 aufgeführten Beispiele: Zwar sind in den ersten beiden Beispielen ganz deutlich Betriebe angesprochen, in denen Metall wenn nicht als Werkstoff gewonnen oder aufbereitet, so doch verformt wird (NE Metallgewinnung und -verarbeitung, Scheideanstalten, Gießereien, Ziehereien, Walzwerke und Stahlverformung, Schweißereien, Schleifereien, Schmieden). Sodann sind aber z. B. auch "Metallkonstruktionen" angesprochen. In solchen Betrieben findet nicht notwendig eine Verformung oder sonstige Veränderung des eingesetzten Metalls statt.
c) Gerade die Automobilfertigung besteht zu großen Teilen oder insbesondere dort, wo viel menschliche Arbeitskraft eingesetzt wird, in dem Zusammenbau von einzelnen als solchen nicht weiter veränderten Teilen, in dem Montieren. So beinhaltete schon die frühe industrielle Automobilproduktion Henry Ford's als prägendes Kernstück eine "assembly line" (vgl. z. B http://en.wikipedia.org/wiki/Henry_Ford).
Aber auch in der heutigen Automobilindustrie ist die Montage und Komplettierung gerade auch der Teile, die von der L komplementiert werden, integraler und wesentlicher Bestandteil der Fertigung.
Illustrativ ist dazu wiederum der deutschsprachige Wikipedia-Artikel zu dem Stichwort "Automobilfertigung" (http://de.wikipedia.org/wiki/Automobilfertigung). Bereits einleitend (3. Absatz) heißt es dort:
"Meistens werden Autos heute in Linienfertigung hergestellt. Dabei durchläuft das unfertige Fahrzeug zahlreiche Stationen, in denen automatisch oder durch Werker jeweils einige wenige Arbeitsschritte ausgeführt werden, die das Auto weiter komplementieren (siehe auch Fließbandfertigung)."
Sodann heißt es unter der Haupt überschrift "Produktionsschritte und Produktionsstruktur" u. a.:
"Bei der Fertigung des Automobils werden in der Regel die nachfolgend beschriebenen Produktionsbereiche durchlaufen... Die hintereinanderliegenden Fertigungsbereiche bilden eine sequenzielle Materialflussstrecke... In der Hauptfertigungslinie (Endmontagelinie) wird das Fahrzeug weiter komplettiert. Die Endmontagelinie wird dabei entweder aus der darunter liegenden Etage mit Teilen oder aus den Vormontagen, die auf die Endmontagelinie zulaufen und mit dieser steuerungstechnisch gekoppelt sind, mit Baugruppen und Modulen versorgt..."
Die Endmontage, überhaupt das Montieren und Komplettieren ist mithin integraler und wesentlicher Bestandteil der "Automobilfertigung", die wiederum die "industrielle Herstellung von Automobilen" bezeichnet (Wikipedia a.a.O. einleitend).
II. Dabei montiert und komplettiert L einen Teil des Automobils, nämlich das sogenannte "Pony-Pack", die Motor-Getriebe-Einheit, die das Arbeitsgericht treffend mit dem "Herzstück des Automobils" bezeichnet hat.
Vor 2002 hat die F W GmbH diesen Schritt der Automobilfertigung noch selbst vorgenommen. Sie hat ihn 2002 auf die L ausgegliedert. Die Fertigung der L ist aber örtlich, technisch und zeitlich in die Fertigungssequenz des produzierten Automobils integriert.
Durch ein solches Zerlegen und Herausschneiden wesentlicher Teile des Fertigungsprozesses wird die dabei verrichtete Arbeit nicht von produzierender Arbeit zu reiner Dienstleistung. Die Arbeit der L bleibt Teil der industriellen Fertigung des Endproduktes Automobil.
Dass dem so ist, kann durch ein argumentum ad absurdum untermauert werden: Es könnten sonst nämlich sämtliche Einzelschritte der Automobilfertigung, wie im vorliegenden Fall geschehen, in Einzelgewerke zerlegt werden, für die die Verantwortung einzelnen "Industriedienstleistern" übergeben würde. Würde man deren Tätigkeit nicht mehr als industrielle Tätigkeit ansehen, als Teil des Produktionsprozesses des Automobils und damit auch als Teil der Automobilindustrie, dann stünde schließlich ein fertiges Auto da, ohne dass dieses in der Automobilindustrie entstanden wäre.
III. Die von der Beklagten, die davon ausgeht, dass die Tätigkeit der L nur "Dienstleistung" sei und nicht zur Automobilindustrie gehöre, gegen das so gefundene Ergebnis aufgeführten Argumente überzeugen letztlich nicht:
1. Erstinstanzlich hat die Beklagte sich darauf berufen, industrielle Betriebe stellten per definitionem Produkte "aus eigenen Mitteln" her.
Es ist nicht ersichtlich, wo eine solche Definition vertreten würde. Auch die von der Beklagten zitierte Fundstelle von Terporten (Automobilindustrie 1999, 86), wonach Automobilindustrie als "Hersteller von Kraftwagen und deren Motoren, von Straßenzugmaschinen, Aufbauten, Anhängern, Kraftfahrzeugteilen und Zubehör" definiert wird, enthält keinen Hinweis darauf, dass Herstellung "aus eigenen Mitteln", womit die Beklagte offenbar meint aus Materialien, die im Eigentum des Herstellers stehen, erfolgen müsste.
Unerheblich ist daher, dass die zusammengebauten Teile nicht im Eigentum der L stehen. Ebenso unerheblich ist es aber nach Auffassung der Kammer für die Auslegung des Tarifvertrages, ob die L durch Verarbeitung Eigentum gem. § 950 BGB erwirbt.
2. Wenn die Beklagte weiter damit argumentiert, dass das von L montierte und komplettierte Teil von dieser nicht frei am Markt veräußert werde, sondern ihr nur von F ein Stückpreis bezahlt werde, die den Wert des Montierens und Komplettierens reflektiere, so ist nicht ersichtlich, warum deshalb die Tätigkeit der L nicht zur Automobilindustrie gehören sollte. Keine der auffindbaren Definitionen enthält ein entsprechendes Merkmal.
3. Ebenso wenig ist die "Bearbeitung/Veränderung" der Einzelteile unverzichtbarer Teil einer Definition der Automobilindustrie. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man - wie es die Beklagte offenbar will - die "Bearbeitung/Veränderung" als einen Eingriff in die Struktur der aus Metall vorgefertigten Teile und nicht als bloße Verarbeitung bzw. "Weiterverarbeitung" (siehe oben die Definition bei Wikipedia) verstehen will.
4. Soweit die Beklagte darauf abhebt, der Betriebszweck der L bestehe "nicht in der Produktion von Kfz", sondern nur im Komplettieren bzw. der Montage, so ist zwar richtig, dass die L kein komplettes Kraftfahrzeug herstellt, sondern nur einen Teil davon. Dass aber eine solche Zerlegung des Fertigungsprozesses in einzelne Bestandteile nicht dazu führen kann, dass es sich nicht mehr um Automobilindustrie handelt, wurde oben bereits ausgeführt.
5. Wenn die Beklagte sich darüber hinaus auf die Definition der "Produktion" wiederum bei Wikipedia beruft ("Der vom Menschen (Produzent) bewirkte Prozess der Transformation, der aus natürlichen wie bereits produzierten Ausgangsstoffen (Material) unter Einsatz von Energie, Arbeitskraft und bestimmten Produktionsmitteln, lagerbare Wirtschafts- und Gebrauchsgüter (ökonomisches Gut) erzeugt."), so spricht doch dieses nicht gegen das oben gefundene Ergebnis. Zum einen handelt es sich nämlich auch bei der Tätigkeit der L um eine "Transformation" der "bereits produzierten Ausgangsstoffe". Denn aus den vorproduzierten Einzelteilen stellt die L durch Montage und Komplettieren ein neues lagerbares Wirtschaftsgut, nämlich das "Pony-Pack" her. Auch dabei handele es sich um eine Transformation, eine Umwandlung. In diesem weiten Sinne ist auch die bei Wikipedia auffindbare Begriffserklärung zu verstehen. Dieses ergibt sich deutlich, wenn man die Einzelheiten des Artikels (http://de.wikipedia.org/wiki/Produktion) liest, auf den die Beklagte sich bezieht. Danach bezeichnet der Begriff "Produktion" "die Herstellung von Gütern im Allgemeinen". Produzierbar seien, so heißt es dort, in eingeschränkter Weise im Übrigen auch Dienstleistungen, solange ein zumindest in Maßen als Gegenstand zu begreifendes Produkt erzeugt werde, wie z. B. eine Fernsehsendung. Was insbesondere aber die Tätigkeit der L anbelangt, findet sich im Weiteren dort der deutliche Satz: "Unter Fertigung versteht man die Herstellung und Montage von festen Teilen mit geometrisch bestimmter Gestalt."
6. Desweiteren führt die Beklagte aus: "Der Produzent stellt ein Produkt nach eigener Planung zur kommerziellen Nutzung, also zur Veräußerung her. Der Kompletteur oder Monteur fügt das Produkt lediglich im Auftrag eines Anderen zusammen."
Dazu ist zunächst festzuhalten, dass es hier nicht um die Abgrenzung zwischen "Produzent" und "Kompletteur/Monteur" geht. Es geht um den tarifvertraglichen Begriff der "Industrie", der Metallindustrie, der Automobilindustrie. Wie oben gezeigt ist die Komplettierung und Montage ein integraler und wichtiger Teil der Automobilfertigung, der Automobilindustrie. Komplettierung und Montage sind kein Gegensatz zur Fertigung, zur Produktion.
Im Übrigen stellt auch die L in einer ganzen Reihe von Arbeitsschritten, die sie als solche selbst plant, ein Produkt zur kommerziellen Nutzung her, nämlich das Pony-Pack, für dessen Endmontage/Komplettierung sie bezahlt wird.
Wenn dem auch die Haftung der L entspricht, so ändert das ebenso wenig daran, dass ihre Tätigkeit Teil der Automobilfertigung, der Automobilindustrie ist.
7. Auch das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart (22.01.2014- 11 Ca 5441/13 -), auf das sich die Beklagte beruft, enthält nichts Erhebliches, das gegen das hier gefundene Ergebnis spricht. Dort ging es um einen Betrieb, der Fahrzeugkomponenten aus Kunststoff herstellt. Die L stellt nicht Kunststoffprodukte her, sondern übernimmt einen wesentlichen Fertigungsschritt der Automobilfertigung selbst.
IV. Schließlich argumentiert die Beklagte aus dem letzten Satzteil des § 1 Nr. 2 S. 2 TV BZ ME. Dieser schließt an den Beispielskatalog von Wirtschaftszweigen an, in denen ein Kundenbetrieb als ein solcher der Metall- und Elektroindustrie "gilt" und lautet wie folgt:
"... sowie die zu den erwähnten Wirtschaftszweigen gehörenden Reparatur-, Zubehör-, Montage-, Dienstleistungs- und sonstigen Hilfs- und Nebenbetrieben und Zweigniederlassungen sowie die Betriebe artverwandter Industrien."
Die Beklagte meint, dieser Satzteil bestimme "eine Ausnahme vom Anwendungsbereich des TV BZ ME für Montage- und Dienstleistungsbetriebe." Die Beklagte vertritt damit ersichtlich die Ansicht, dieser Satzteil schränke die übrigen Vorschriften des § 1 Nr. 2 TZ BZ ME für den fachlichen Anwendungsbereich des Tarifvertrages ein. Offenbar will die Beklagte mit diesem in der Berufungsinstanz aufgeführten Argument an ihre erstinstanzlichen Darlegungen anknüpfen, nach denen "Hilfs- und Nebenbetriebe" voraussetzten, dass sie von demselben Inhaber wie der Hauptbetrieb geführt würden. Da "Reparatur-, Zubehör-, Montage- und sonstige Dienstleistungsbetriebe" wegen des Wortes "sonstige" unter den Begriff "Hilfs- und Nebenbetriebe" zu subsumieren seien, schließt die Beklagte offenbar, dass dann, wenn ein "Montage- und Dienstleistungsbetrieb" ein selbständiger Betrieb (ein Betrieb eines anderen Inhabers) sei, er nicht dem Anwendungsbereich des TV BZ ME unterfalle.
Dieses Verständnis des letzten Halbsatzes des § 1 Nr. 2 S. 2 teilt die Kammer nicht.
Der letzte Halbsatz soll ersichtlich die davorstehenden Regelungen nicht einschränken sondern erweitern. Das wird deutlich durch die additive Anknüpfung "sowie" und die letzten Wörter "sowie die Betriebe artverwandter Industrien".
In der Vorschrift ist auch nichts darüber gesagt, dass "Hilfs- und Nebenbetriebe" im Sinne des Tarifvertrages demselben Inhaber wie ein Hauptbetrieb gehören müssten. Wenn die Beklagte sich erstinstanzlich auf verschiedene Urteile des Bundesarbeitsgerichts zu "Hilfs- und Nebenbetrieben" berufen hat, so beziehen sich diese teils auf das Betriebsverfassungsgesetz, teils auf ganz andere, nicht vergleichbare Tarifverträge. Hätten die Tarifparteien in dem letzten Satzteil des § 1 Nr. 2 S. 2 des Tarifvertrages eine Einschränkung der zuvor getroffenen Regelungen dahingehend gewollt, dass "Reparatur-, Zubehör-, Montage-" oder ähnliche Betriebe nicht dem Tarifvertrag unterfallen sollten, wenn sie einem anderen Inhaber als der Hauptbetrieb gehörten, dann hätte es sich aufgedrängt, dieses ausdrücklich zu formulieren und nicht allein in dem Begriff "sonstigen" zu verstecken. Nichts spricht mithin dafür, dass die Tarifparteien des vorliegenden Tarifvertrages insbesondere Zubehör- und Montagebetriebe, die zu den zuvor genannten Wirtschaftszweigen gehören, nur dann dem Tarifvertrag unterwerfen wollten, wenn diese von demselben Inhaber eines Hauptbetriebes geführt würden.
Dahinstehen kann, ob der Betrieb der L überhaupt als ein reiner "Montagebetrieb" bezeichnet werden kann. Die Beklagte selbst spricht von Montage und Komplettierung. Es werden auch einzelne Arbeiten verrichtet, die der allgemeinen Begrifflichkeit nach jedenfalls nicht unter Montage fallen, z. B. das Befüllen mit Öl.
V. Dahinstehen kann mithin, zu welchem Ergebnis die Zweifelsfall-Regelung § 1 Nr. 2 Abs. 2 führte ("Bei Zweifelsfällen hinsichtlich der Einordnung eines Kundenbetriebes gilt als maßgebliches Entscheidungskriterium der im Kundenbetrieb angewandte Tarifvertrag.").
Mithin kann auch dahinstehen, ob der zwischen der IG Metall und der L abgeschlossene Tarifvertrag, weil er von der Industriegewerkschaft Metall abgeschlossen ist und/oder weil er metallindustrietypische Regelungen enthält, zur Geltung des TV BZ ME im Sinne der zitierten Vorschrift führt.
Dahinstehen kann damit auch, ob es eine Bedeutung hat, dass bis zur Vereinbarung des Haustarifvertrages mit der IG Metall auf die Beschäftigten im Betrieb der L ein von HBV und DAG mit der Tarifgemeinschaft des Groß- und Außenhandels in Nordrhein-Westfalen abgeschlossenes Lohnrahmenabkommen (Anl. cc 11 zum Schriftsatz der Beklagten vom 30. Mai 2014) Anwendung fand, was die Beklagte zweitinstanzlich ebenso unbestritten vorträgt wie die Tatsache, dass der Tarifabschluss mit der IG Metall "nur auf massiven Druck der IG Metall, die für den Fall des Nichtabschlusses mit Bestreiken des Betriebes der L drohte", zustande kam.
Ebenso kann schließlich dahinstehen, ob es dabei eine Rolle spielt, dass die L - ebenso unstreitig - nicht Mitglied eines Metallarbeitgeberverbandes ist, sondern Mitglied des Unternehmerverbandes Industrieservice + Dienstleistungen e.V. ist.
B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
C. Die Kammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der hier behandelten Auslegung des Tarifvertrages die Revision zugelassen. Dabei sei darauf hingewiesen, dass erstinstanzlich insgesamt 28 einschlägige Verfahren anhängig waren, von denen bis auf die vier von der erkennenden Kammer entschiedenen Verfahren alle anderen durch Unterwerfungsvergleich erledigt wurden. Es sei ferner darauf hingewiesen, dass der hier strittige Tarifvertrag bundesweit gilt und - wie z. B. das oben genannte Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart zeigt - die hier behandelte Auslegungsfrage bundesweit strittig ist.