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16.09.2005 · IWW-Abrufnummer 052601

Oberlandesgericht Thüringen: Urteil vom 05.07.2005 – 8 U 1045/04

1. Die Zusage über eine Höchstgrenze bei den Erschließungskosten verstößt gegen die Abgabengerechtigkeit und ist unwirksam.


2. Die Gemeinde haftet für fehlerhafte Zusagen ihres Bürgermeisters hinsichtlich der Erschließungskosten.

OLG Jena, Urteil vom 05.07.2005 - 8 U 1045/04


In dem Rechtsstreit

....

hat der 8. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####, Richterin am Oberlandesgericht #### und Richter am Oberlandesgericht #### aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.06.2005 für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 22.10.2004 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren von der Beklagten Schadensersatz wegen nicht eingehaltener Zusagen aus einem 1992 abgeschlossenen notariellen Vertrag über den Verkauf eines Betriebsgrundstückes, und zwar im Hinblick auf die Vereinbarung einer Obergrenze für Erschließungskosten. Die Kläger wurden durch das Verwaltungsgerichts Gera - mittlerweile rechtskräftig - verurteilt, über die Vereinbarung im Grundstückskaufvertrag hinaus Erschließungskosten in Höhe von 29.425,10 ? an den in der Folge gegründeten Zweckverband Wasser/Abwasser O#### für den Anschluss an eine neu errichtete Kläranlage zu zahlen (Urteil vom 05.05.2003; Az: 5 K 832/00 GE; Bl. 169 ff. d.A.). Diesen Betrag beanspruchen die Kläger mit ihrer Klage nunmehr von der Beklagten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die beklagte Stadt hinsichtlich der Hauptforderung vollumfänglich verurteilt und dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Den Klägern stehe gegen die Beklagte ein Anspruch in Höhe des gezahlten Erschließungsbeitrages nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo (c.i.c.) zu. Die Beklagte müsse sich einen dreifachen Verstoß gegen die vorvertragliche Verhaltensordnung zum Nachteil der Kläger zurechnen lassen, aus welchem der den Klägern zu ersetzende Vertrauensschaden resultiere. Die Beklagte treffe die Verpflichtung, einen Vertragspartner über Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck gefährden und für die Entschließung zum Vertragsabschluss von wesentlicher Bedeutung sein könnten. Die Beweisaufnahme habe die klägerische Behauptung, der damalige Bürgermeister der Beklagten (Zeuge M####) habe den Klägern versprochen, es kämen keine über 9,00 DM/m2 hinausgehenden Erschließungskosten auf sie zu, vollumfänglich bestätigt. Es hätte dem Zeugen M#### erkennbar sein müssen, dass dies für die Kläger überragend wichtig gewesen sei, da der Bau der Niederlassung überwiegend durch Bankkredite finanziert worden sei. Im Übrigen sei auch die Behauptung der Kläger nachgewiesen, sie hätten den Kaufvertrag ohne die begehrte definitive Planungssicherheit nicht abgeschlossen. Dies folge bereits daraus, dass zwei Jahre nach der Wiedervereinigung zwischen den Kommunen geradezu ein Rennen um die dringend benötigten Investoren erfolgt sei. Auch hätten die Kläger nachvollziehbar bekundet, dass sie grundsätzlich ohnehin mehr für ein näher an der Autobahn gelegenes Gewerbegrundstück optiert hätten.

Die vertragliche Zusage des damaligen Bürgermeisters sei unwirksam, weil eine Zusage über die Höchstgrenze von Erschließungskosten unabhängig von geltenden Rechtsvorschriften gegen den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit (Artikel 20 Abs. 3 GG) verstoße. Darüber hinaus sei ein Verstoß gegen § 45 Abs. 2 der kurz nach Vertragsabschluss geltenden vorläufigen Thüringer Kommunalordnung gegeben, wonach die Genehmigung der Aufsichtsbehörde erforderlich war. Die am 04.05.1993 von der Aufsichtsbehörde dann erteilte Genehmigung habe sich dem Wortlaut nach aber nur auf die Veräußerung des Grundstücks zu dem entsprechenden Kaufpreis, nicht aber auch auf die abgegebene Zusage eines Höchstpreises für noch anfallende Erschließungskosten bezogen.

Im Übrigen sei nach der durchgeführten Beweisaufnahme bewiesen, dass der Zeuge M#### anlässlich der Vertragsverhandlungen den Klägern wissentlich verschwiegen habe, dass die von ihm favorisierte dezentrale Kläranlage im Gewerbegebiet selbst schon bald einer geplanten zentralen Kläranlage des noch zu gründenden Abwasserzweckverbandes würde weichen müssen. Soweit der Zeuge M#### ausgesagt habe, er sei gutgläubig davon ausgegangen, die Herstellungskosten würden insoweit allein aus Bundesmitteln aufgebracht und nicht den jeweiligen Grundstückseigentümern auferlegt, handele es sich um eine Schutzbehauptung; der Zeuge habe nämlich eingeräumt, dass ihm zumindest während des Abschlusses des notariellen Kaufvertrages das Thüringer Kommunalabgabengesetz bekannt gewesen sei, welches eine Beitragserhöhung zu Lasten der angeschlossenen Grundstücksbesitzer ausdrücklich vorsah. Im Übrigen habe der Zeuge M#### ja auch hinsichtlich der provisorischen Kläranlage die Erhebung der Erschließungskosten von 9,00 DM/m2 vertraglich festgeschrieben, so dass von seiner entsprechenden Kenntnis auszugehen sei.

Als Rechtsfolge dessen stehe den Klägern der Ersatz des sogenannten negativen Interesses (Vertrauensschaden) zu. Wäre die Zusage eines Höchstbetrages für Erschließungskosten seitens des Zeugen M#### wirksam gewesen, hätten die Kläger den Zahlungsverpflichtungen aus dem Beitragsbescheid nicht nachkommen müssen, weshalb die Beklagte insoweit diesen Vertrauensschaden erstatten müsse. Die Begleichung des vom Abwasserzweckverband auferlegten Beitragsbescheides sei nicht mehr streitig. Schließlich sei ein Mitverschulden der Kläger nicht gegeben, da diese weder vom Notar auf rechtliche Bedenken hingewiesen worden seien noch die Genehmigungsbehörde dem Grundstücksverkauf entgegengetreten sei. Auch die Tatsache, dass die Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Gera kein Rechtsmittel eingelegt hätten, sei kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB, da die Kläger diesbezüglich auf die Richtigkeit von zwei gerichtlichen Entscheidungen hätten vertrauen dürfen. Ein Mitverschulden sei schließlich auch nicht darin zu sehen, dass die Kläger es etwa unterlassen hätten, die an den Zweckverband Wasser und Abwasser O#### erfolgten Zahlungen steuerlich als Betriebsausgaben geltend zu machen. Dies hätte eine entsprechend Gewinnerzielung vorausgesetzt. Im Übrigen hätte der betreffende Betrag als Ertrag in die Steuererklärung des Jahres der Rückzahlung aufgenommen und wieder versteuert werden müssen, so dass faktisch eine Reduzierung des Vermögensschadens nicht eingetreten wäre.

Gegen dieses der Beklagten am 01.11.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 01.12.2004 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie wie folgt begründet:

Das Landgericht beachte nicht, dass sämtliche Erschließungsleistungen von der Beklagten zunächst selbst erbracht worden seien, zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses sei der Zweckverband aber noch gar nicht gegründet gewesen. Der Bau der zentralen Kläranlage sei erst Jahre später erfolgt. Hierüber treffe die Regelung in III. des Kaufvertrages gar keine Aussage. Gemäß IV. des Kaufvertrages hätten sich vielmehr die Kläger verpflichtet, die öffentlichen Lasten und Abgaben mit Besitzübergang für die Zukunft zu tragen. Darüber hinaus sei die Erhebung von Beiträgen nach dem Thüringer Kommunalabgabengesetz in das Ermessen der Kommunen gestellt. Das Landgericht habe fehlerhaft einen Anspruch aus c.i.c. angenommen, weil der Vertrag schwebend unwirksam sei (die kommunalaufsichtliche Genehmigung nach § 123 der Thüringer Kommunalordnung sei noch nicht erteilt). Eine endgültige Nichtigkeit des Vertrages führe letztlich dazu, dass die Kläger das Eigentum nicht rechtswirksam erworben hätten, so dass sie auch nicht zu Beiträgen hätten herangezogen werden können. Ein Schaden sei von daher nicht gegeben. Schließlich sei die dezentrale Kläranlage ausdrücklich als Provisorium bezeichnet worden. Die 9,00 DM/m2 hätten nicht einmal dieses Provisorium kostenmäßig abgedeckt. Auch angesichts dessen hätte der Zeuge M#### allein hinsichtlich dieser Kläranlage eine Garantiezusage für die Höchstgrenze der Erschließungskosten abgeben wollen und können. Im Übrigen liege ein unzulässiger Abgabenverzicht auch nicht vor, da die Beklagte die Gebühren für die dezentrale Kläranlage ja erhoben habe.

Die Entscheidung des Landgerichts stelle im Übrigen überzogene Anforderungen an die Pflichten des Zeugen M#### als Bürgermeister im Jahre 1992. Dieser habe damals keine hinreichende Verwaltungserfahrung und auch keine juristische Vorbildung gehabt. Der Zeuge M#### habe berechtigterweise annehmen dürfen, für alle Erschließungskosten alleine verantwortlich zu sein und hätte nicht damit rechnen müssen, dass andere Erschließungskosten infolge Leistungen Dritter auf die Kläger hätten zukommen können. Im Übrigen habe die Beklagte keinen Einfluss darauf, ob die Kläger die ggf. in diesem Rechtsstreit erstrittenen Beträge dem Finanzamt melden würden oder nicht, Steuervorteile müssten daher grundsätzlich auf den Schaden anzurechnen sein.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Gera abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen, als die Beklagte verurteilt wird, an die Kläger 29.425,10 ? nebst 4 % Zinsen seit 16.04.2000 zu zahlen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil mit folgender Begründung:

Der damalige Bürgermeister und als Zeuge vernommene Herr M#### habe in der Beweisaufnahme eingeräumt, dass ihm bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages das geltende Thüringer Kommunalabgabengesetz bekannt gewesen sei, welches eine Beitragserhebung ausdrücklich vorsah. Er habe die Kläger bei den Verhandlungen im Weiteren nicht darauf hingewiesen, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Planung einer neuen zentralen Kläranlage bereits im Gespräch war. Auch habe das Landgericht zu Recht festgestellt, dass die Kläger sich nicht im Gewerbegebiet M#### niedergelassen hätten, wenn eine feste Kostenkalkulation nicht planbar gewesen wäre.

Hieran ändere auch nichts die Tatsache, dass der Zeuge M#### Maschinenbauingenieur und noch nicht sehr lange Bürgermeister der Beklagten gewesen sei. Die Aufklärungspflicht, die jeden Gebrauchtwagenhändler treffe, müsse erst recht für die die Beklagte vertretenden Organe gelten. Die Klausel in III. des notariellen Kaufvertrages gehe als spezielle Regelung derjenigen in IV. vor.

Ob die Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde vom 03.05.1993 sich auch auf die Zusage eines Höchstpreises für anfallende Erschließungskosten beziehe, könne dahingestellt bleiben, da das Landgericht zu Recht darauf hingewiesen habe, dass der Vertrag durch die Beklagte abgewickelt worden sei, obgleich ihr die Unwirksamkeit der Zusage hätte bekannt sein müssen. Die Beklagte hätte als Körperschaft des öffentlichen Rechts (durch ihren Vertreter, den Zeugen M####) die sie treffenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen und Genehmigungsvorbehalte besser als die Kläger kennen müssen.

Nicht haltbar sei der Vorwurf eines Mitverschuldens der Kläger in Bezug auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren. Die Beklagte selber gehöre dem Abwasserzweckverband an und hätte sich in Kenntnis des betreffenden Verfahrens ohne weiteres beiladen lassen können. Die Kläger hätten sich insbesondere durch einen auf Verwaltungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt vertreten lassen; von daher sei das Verfahren nicht nur pro forma geführt worden. Von einer Berufungseinlegung habe man mangels Aussicht auf Erfolg berechtigterweise absehen können. Im Übrigen ergebe sich aus S. 14 f. des verwaltungsgerichtlichen Urteils, dass eine Pflichtwidrigkeit der Kläger nicht vorgelegen habe.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgemäß eingelegt sowie begründet worden (§§ 511 Abs. 1, 2 Nr. 1, 517, 519, 520 ZPO).

In der Sache selbst hat die Berufung indes keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat die erhobenen Beweise zutreffend und vollständig gewürdigt und dementsprechend den Anspruch der Kläger rechtlich zutreffend bejaht.

Den Klägern steht ein Anspruch auf Schadensersatz aus culpa in contrahendo (im Folgenden: c.i.c.) zu. Auf den vorliegenden Fall ist die c.i.c. in der Fassung vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26.11.2001 gemäß Art. 229 § 5 EGBGB anwendbar.

Das aus den Rechtsgedanken der §§ 122, 179, 307, 309 BGB abgeleitete Rechtsinstitut der c.i.c. gewährt Schadensersatz aufgrund der Tatsache, dass bereits durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder einem ähnlichen geschäftlichen Kontakt ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis entsteht, welches die jeweiligen Partner zu gegenseitiger Rücksichtnahme, Fürsorge und Loyalität verpflichtet, wenn das Verhalten auf Abschluss eines Vertrages oder die Anbahnung geschäftlicher Kontakte abzielt (vgl. hierzu Palandt-Heinrichs, Rn. 65 f. m.w.N.).

Insbesondere kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der angebahnte oder abzuschließende Vertrag wirksam ist oder nicht. Auch zustande gekommene, inhaltlich - wie hier - aber nachteilige Verträge können die Rechtsfolgen der c.i.c. auslösen (vgl. z.B. BGH NJW-RR 1997, S. 144). Die Grundsätze der c.i.c. gelten insbesondere auch, wenn öffentlich-rechtliche Körperschaften Verträge abschließen (vgl. z.B. BGHZ, Bd. 92, S. 175). Im Rahmen einer Vertragsverhandlung bzw. -anbahnung wird der Ersatz des sog. Vertrauensschadens oder negativen Interesses geschuldet, sofern durch eine zumindest fahrlässige Pflichtverletzung auf Seiten eines Verhandlungspartners ein solcher Schaden ursächlich hervorgerufen wird.

Zu den insoweit von der Rechtsprechung aufgestellten Fallgruppen zählt insbesondere die Verletzung von Informations- und Aufklärungspflichten (z.B. auch bei einer sich wirtschaftlich betätigenden Gemeinde die Verpflichtung, den anderen Teil über alle Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck gefährden und für die Entschließung des Vertragspartners von wesentlicher Bedeutung sein können (vgl. BGHZ, Bd. 71, S. 387, 396).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Beklagten eine solche schuldhafte Pflichtverletzung zur Last zu legen; das nach Auffassung des Senates jedenfalls fahrlässige Verhalten des damaligen Bürgermeisters der Beklagten (Zeuge M####) ist ihr gemäß §§ 31, 89 BGB zuzurechnen.

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme stehen nämlich folgende Umstände zur hinreichend gesicherten Überzeugung des Senates nach § 286 ZPO fest: Die Erschließungskosten für die dezentrale Kläranlage betrugen 9,00 DM/m2 gemäß der damaligen Kalkulation der Beklagten. Sie waren dergestalt ausgelegt, dass die Containerkläranlage zumindest 20 Jahre funktionstüchtig hätte bleiben sollen. Mit den Quadratmeterpreisen für die Erschließungskosten (9,00 DM/m2) sollten alle möglichen weiteren Kosten abgedeckt sein. Dies war den Klägern für ihr Unternehmen erkennbar wichtig. Es war beklagtenseits weiterhin dringend erforderlich, dass neue Betriebe angesiedelt werden. Die Gründung des Zweckverbandes Wasser/Abwasser O#### wurde zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses schon vorbereitet, was dem Zeugen M#### nach seiner Aussage auch bekannt war. Das Thüringer Landesverwaltungsamt bestand auf einer zentralen Kläranlage für den gesamten ehemaligen Kreis P####. Deswegen hat der Zeuge M#### den Antrag zur Bewilligung der dezentralen Containeranlage für das Gewerbegebiet als ?provisorische Kläranlage? eingereicht. Im Weiteren hat der Zeuge M#### bekundet, seinem festen Eindruck entsprechend hätten die Kläger den Vertrag so nicht abgeschlossen, wenn weitere Erschließungsbeiträge für eine neue Klägeranlage auferlegt worden wären. Deswegen hätten sie auch auf der Vereinbarung der Obergrenze im notariellen Vertrag bestanden. Im Weiteren war das Thüringer Kommunalabgabengesetz dem Zeugen M#### ebenfalls bekannt. Zum damaligen Zeitpunkt ging der Zeuge M#### davon aus, dass möglicherweise entstehende Kosten für die zentrale Klägeranlage durch Umschichtung von bundesdeutschen Mitteln hätten aufgefangen werden können (vgl. zu allem die Aussage des Zeugen in der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2000, Bl. 98 ff. d.A. sowie vom 22.06.2004, Bl. 268 ff. d.A.).

Danach ergibt sich hinreichend, dass der Tatbestand einer schuldhaften Aufklärungspflichtverletzung i.S. der c.i.c. gegeben ist: Der Zeuge M#### musste die Kläger über sämtliche vertraglich relevanten Umstände aufklären, die für deren Willensbildung bei Abschluss eines Vertrages erkennbar bedeutsam sein konnten. Dies musste insbesondere angesichts der Tatsache gelten, da ihm die 100-%ige Finanzierung des Objektes durch die Banken und die deshalb klägerseits benötigte Planungssicherheit bekannt war. Von der Aufklärungspflicht umfasst war danach jeglicher Hinweis, der im Zusammenhang mit den Erschließungskosten in absehbarer Zukunft ggf. relevant werden konnte. Insoweit kann die spezielle Kenntnis des Zeugen M#### vom Thüringer Kommunalabgabengesetz dahingestellt bleiben. Gleiches gilt auch für den Umstand, ob er möglicherweise der Auffassung war, die zentrale Kläranlage des Abwasserverbandes würde durch Umschichtung von Bundesmitteln finanziert. Denn jedenfalls steht nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme zur hinreichenden Überzeugung des Senats fest, dass der Zeuge M#### insoweit einen Wissensvorsprung hatte, den er den Klägern gegenüber nicht vollumfänglich offenbart hat. Es kann in diesem Zusammenhang auch dahingestellt bleiben, ob der Würdigung des Landgerichts zu folgen ist, wonach die Aussage des Zeugen M#### über die Finanzierung der zentralen Kläranlage aus Bundesmitteln eine Schutzbehauptung darstellt; aus seiner Aussage ergibt sich jedenfalls, dass die Kläger auf die Einhaltung der Obergrenze für Erschließungsbeiträge höchsten Wert gelegt hatten, so dass der Zeuge M#### den Umstand der bereits im Hintergrund stehenden und noch zu errichtenden zentralen Kläranlage unabhängig von der damals noch völlig unklaren Finanzierung hätte erwähnen müssen. Ihm musste nach seiner eigenen Aussage zwangsläufig erkennbar sein, dass ein solcher Umstand für die Kläger bei der Willensbildung hinsichtlich des Vertragsschlusses erkennbar wichtig war. Nach Auffassung des Senates hat der Zeuge jedoch vielmehr gerade wegen der dringend benötigten Gewerbeinvestitionen seinen - für die Kläger im Ergebnis letztlich negativen - Wissensvorsprung unter Missachtung der vorvertraglichen Loyalitäts- und Aufklärungspflichten zurückgehalten.

Insbesondere ist insoweit auch nicht entscheidend, dass die Beklagte auf die Errichtung der zentralen Kläranlage und die damit verbundene Erhebung der Erschließungsbeiträge gar keinen Einfluss nehmen konnte; für die Verletzung einer Aufklärungspflicht im Sinne des Vorgenannten ist einzig entscheidend die Tatsache, dass der Zeuge M#### damals (eben wegen der dringend benötigten Investition) die ihm bekannten Informationen pflichtwidrig zurückhielt, obwohl ihm nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme deutlich war, dass solche willensbildenden Umstände für die Kläger von erkennbarer Wichtigkeit waren.

Danach hätte der Zeuge M####, um die beklagtenseits aus dem Vertragsanbahnungsverhältnis folgenden Pflichten zu erfüllen, zusammengefasst darüber aufklären müssen, dass es Planungen gibt, einen Zweckverband zu gründen, der die Aufgabe der Wasserver- und Abwasserentsorgung wahrnimmt. Darüber hinaus hätte er mitteilen müssen, dass der noch zu gründende Zweckverband Beitragssatzungen erlässt und auch den Anschluss der Grundstücke im Gewerbegebiet an die zentrale Kläranlage vorsieht sowie darüber hinaus die notwendigen Investitionen ggf. über Beiträge finanzieren wird.

Deshalb kommt es auf die weitergehende Argumentation der Beklagten, die Klausel in Ziff. III. des notariellen Kaufvertrags könne - insbesondere angesichts der noch bevorstehenden Gründung des Abwasserzweckverbands - nur die gemeindlichen Erschließungskosten erfassen, nicht an. Gleiches gilt aus den genannten Gründen für die Frage, wie weit die Genehmigung der kommunalen Aufsichtsbehörde ging und ob ein Verstoß gegen die Abgabengerechtigkeit ggf. die Unwirksamkeit einer solchen Zusage nach sich ziehen konnte.

Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass bindende Zusagen einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft grundsätzlich nur für die von ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben und ihr Hoheitsgebiet betreffend erteilt werden können. Der Senat weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die vorliegende Konstellation eine hiervon abweichende Einzelfallentscheidung rechtfertigt: Aus den bereits o.g. Gründen beruht die Haftung der Beklagten nicht darauf, dass die Beklagte eine über den ihr zugewiesenen Aufgabenbereich hinausgehende Zusage abgegeben hat, sondern vielmehr allein darauf, dass der Zeuge M#### damals für die Beklagte den vorhandenen und für die Kläger erkennbar wichtigen Informationsvorsprung für sich behalten hat, anstatt hinsichtlich des Investitionsvorhabens alle für die Erschließungskosten bedeutsamen Umstände zu offenbaren.

Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass die Regelung in Ziff. III. des notariellen Kaufvertrages als speziellere Regelung derjenigen in Ziff. IV. vorgeht: Die sonstigen öffentlichen Lasten und Abgaben im Sinne von Ziff. IV. des notariellen Kaufvertrages betreffen nur laufende Abgaben, also solche außerhalb der einmaligen Erschließungskostenbeiträge. Auch eine solche Auslegung hat sich letztendlich durch das Ergebnis der Beweisaufnahme bestätigt.

Nach allem hat der Zeuge M#### verhindert, dass die Kläger sich infolge der Zurückbehaltung investitionsrelevanter Umstände ein objektives und umfassendes Bild der Sachlage machen konnten.

Das Verhalten des Zeugen M#### stellt sich zumindest als fahrlässig i.S. von § 276 Abs. 1 S. 2 BGB dar, denn dem damaligen Bürgermeister war nach seinen eigenen Aussagen erkennbar, dass die Kläger absolute Planungssicherheit benötigten, andernfalls sie sich in dem von der Beklagten ausgewiesenen Gewerbegebiet nicht angesiedelt hätten. Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte dem Zeugen M#### deutlich werden müssen, dass die Kläger über alle bereits genannten Umstände hätten aufgeklärt werden müssen.

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Beklagten sind ebenfalls nicht erfolgreich; der vorgenannte Sorgfaltsmaßstab ist nicht überzogen. Insbesondere verfängt der Hinweis wegen fehlender juristischer Vorbildung und Verwaltungserfahrung nicht. Es kommt nach dem o.G. eben nicht in erster Linie auf die Kenntnis der einschlägigen Vorschriften an, sondern allein darauf, dass der Zeuge M#### als damaliger Bürgermeister verpflichtet war, alle für den Vertragsschluss ggf. bedeutsamen Umstände mitzuteilen. Dies kann auch ohne juristische Vorbildung und Verwaltungserfahrung von jedem durchschnittlich Gebildeten erwartet werden. Nur vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass von einem Bürgermeister, der sich nach seiner Wahl dem Amt mit entsprechendem Diensteid stellt, in besonderer Weise erwartet werden darf, dass er sich mit den einschlägigen Vorschriften und Verwaltungsrichtlinien vertraut macht.

Zum beklagtenseits erfolgten Einwand des Mitverschuldens wegen Nichteinlegung von Rechtsmitteln ist auf die zutreffende Argumentation im erstinstanzlichen Urteil Bezug. zu nehmen: Angesichts der Abweisung der klägerischen Anträge durch zwei verschiedene Kammern des Verwaltungsgerichts Gera haben die Kläger das ihrerseits Erforderliche unternommen, um die ihnen obliegenden Pflichten zu erfüllen. Anders wäre dies nur bei evidenter Unrichtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Urteile; hierfür ist vorliegend aber kein hinreichender Anhaltspunkt ersichtlich.

Schließlich ist den Klägern ein Mitverschulden i.S.v. § 254 BGB auch nicht deswegen anzulasten, weil - wie von der Beklagten eingewandt - die Kläger den an den Abwasserzweckverband gezahlten Beitrag hätten steuerlich geltend machen können: Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass Steuervorteile
rechnen sind; dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Die Vorteilsausgleichung entfällt nämlich dann, wenn die Ersatzleistung gleichfalls wiederum der Steuerpflicht unterliegt (vgl. z.B. BGHZ Bd. 74, S. 114; NJW-RR 1988, S. 788).

Als Rechtsfolge dessen steht den Klägern der Ersatz des bereits genannten Vertrauensschadens, nämlich hier in Höhe des an den Zweckverband Wasser/Abwasser O#### aufgrund rechtskräftiger Verurteilung gezahlten Betrages zu.

Insoweit hat die Beweisaufnahme hinsichtlich der (sog. haftungsausfüllenden) Kausalität des der Beklagten zurechenbaren pflichtwidrigen Verhaltens hinreichend eindeutige Anknüpfungstatsachen ergeben, die geeignet sind, den Vortrag der Kläger zu untermauern: Zunächst hat der Zeuge M#### selber durch seine Aussage bestätigt, dass seiner Einschätzung nach die Kläger den notariellen Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätten, wenn sie den Umstand bedacht hätten, dass weitere Erschließungskosten zum damaligen Zeitpunkt in nicht absehbarer Höhe - wenn auch nur ggf. - auf sie zugekommen wären.

Aber auch die im Wege der Parteieinvernahme vernommenen Kläger haben - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat - solche Anknüpfungstatsachen nachvollziehbar dargelegt: Es gab ihrer Aussage nach zahlreiche Angebote von verschiedenen Gemeinden. Die Kläger benötigten Investitionssicherheit, da das Vorhaben zu 100 % bankfinanziert war. Sie waren ursprünglich eigentlich eher an einem Gewerbegebiet in der Nähe des Hermsdorfer Kreuzes wegen der verkehrstechnisch günstigeren Anbindung interessiert. Ihrer Aussage zufolge war im Weiteren die Tatsache ausschlaggebend, dass der Kläger zu 1) aus dem Gemeindegebiet der Beklagten stammt. Nach den übereinstimmenden Aussagen der Kläger stand die finanzielle Planungssicherheit bei allen an den Vertragsverhandlungen Beteiligten erkennbar im Vordergrund. Zwar war der von der Beklagten insgesamt verlangte Preis von 23,-- DM/m2 damals üblich und kein Schnäppchen, im Vergleich zu Gewerbeansiedlungen in den alten Bundesländern jedoch recht günstig. Schließlich wurde nochmals ausdrücklich gegenüber dem Zeugen M#### geäußert, dass man die Kosten eindeutig fixieren und sicher sein müsse, dass da nichts weiter komme (vgl. zu allem das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.06.2004, Bl. 257 bis 268 d.A.). Unter Zugrundelegung dieses Beweisergebnisses hat das Landgericht zutreffend in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht angenommen, dass der an den Abwasserzweckverband gezahlte Beitrag ursächliche (Vertrauens-)Schadensfolge der Pflichtverletzung durch den Zeugen M#### - und damit durch die Beklagte - war. Die Kläger waren nach allem so zu stellen, wie sie stünden, wenn die Beklagte sich durch ihren damaligen Bürgermeister pflichtgemäß verhalten hätte. Nachdem der Vertrag jedoch entsprechend zustande gekommen war, hatte die Beklagte Ersatz für die zusätzlich entstandenen Kosten aus c.i.c. zu leisten.

Die geltend gemachten Zinsen hat das Landgericht zutreffend lediglich teilweise - nämlich als Prozesszinsen - in der gesetzlich geschuldeten Höhe zugesprochen (§§ 288, 291 BGB).

Die prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Grundlage in § 97 Abs. 1 ZPO (Kosten des Berufungsverfahrens) und §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit).

Die Revision war nicht zuzulassen, da diese Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, und des Weiteren eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO).

RechtsgebieteGG, BGBVorschriftenGG Art. 20 Abs. 3; BGB §§ 31, 89, 839

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