27.09.2013 · IWW-Abrufnummer 133051
Landgericht Ulm: Urteil vom 24.04.2013 – 1 S 161/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LG Ulm
24.04.2013
1 S 161/12
Im Rechtsstreit
G. Club e. V.
- Kläger / Berufungsbeklagter -
gegen
1. H. H.
2. A. H.
3. C. H.
4. K. H.
- Beklagte / Berufungskläger -
wegen Forderung
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Ulm auf die mündliche Verhandlung vom 10. April 2013 unter Mitwirkung von
Präsident des Landgerichts von Au
Richter am Landgericht Schmitt
Richterin am Landgericht Fetzer
für Recht erkannt:
Tenor:
1.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Geislingen vom 25.09.2012, Aktenzeichen 3 C 424/12, abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Berufungsstreitwert: EUR 2.891,-
Gründe
I.
Anstelle eines Tatbestandes wird auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Mit der Berufung machen die Beklagten geltend, das Amtsgericht Göppingen habe sich nur mit einer von zwei ausgesprochenen Kündigungen beschäftigt. Der fristlose Kündigungsgrund habe für die Beklagten darin bestanden, dass der Kläger, vertreten durch seinen Vorstand, sich in keiner Weise um berechtigte Anliegen der Beklagten gekümmert, die satzungsmäßigen Rechte der Beklagten nicht beachtet habe und die Beklagten vor einem willkürlichen Eingriff des Spielausschusses des Vereins nicht geschützt worden seien. Darüber hinaus habe der Vorstand des Klägers diese satzungswidrige Institution als Vereinsorgan mit erheblicher Befugnis, nämlich Vereinsstrafen zu verhängen, geduldet. Auch nach dem rechtsanwaltlichem Schreiben vom 07.10.2011 habe sich der Kläger nicht veranlasst gesehen, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen. Unter diesen Voraussetzungen sei ein Verbleib für die Beklagten im Verein nicht möglich und eine fristlose Kündigung gerechtfertigt gewesen. Das Amtsgericht übersehe desweiteren, dass in der vorliegenden Auseinandersetzung eine Zuständigkeit des Ehrenrates im Verein nicht einmal in beratender Weise vorgesehen sei und dass es kein "satzungsmäßig vorgesehenes Beschwerdeverfahren" gebe.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er macht in der Berufung erneut geltend, dass die Beklagten in keiner Art und Weise in irgendeiner Rechtsposition beeinträchtigt worden seien. Es sei lediglich ein Vorschlag zur Regelung eines Fehlverhaltens der Beklagten Ziffer 3 und 4 unterbreitet worden, welcher sich durch Zeitablauf erledigt habe, so dass der Vorstand des klagenden Vereines sich mit den gegebenen Umständen im Übrigen nicht mehr zu befassen gehabt habe. Weder ein Spielverbot, noch die Auferlegung einer gemeinnützigen Arbeit seien verhängt worden, weswegen sich der Vorstand darum habe auch nicht kümmern können. Es sei vielmehr um den Vorschlag des Spielausschusses gegangen, ein Fehlverhalten der Beklagten zu sanktionieren, wobei dieser Vorschlag offensichtlich von den Beklagten Ziffer 1 und 2 nicht angenommen worden sei, so dass es auch nicht zu irgendeiner Sanktion gekommen sei. Der Vorstand des klagenden Vereines billige daher auch nichts, was den Beklagten irgendwie zum Nachteil hätte gereichen können. Dass die Beklagten nicht mehr Mitglied im klagenden Verein sein wollten, liege auch nicht an dem hier in Rede stehenden Bagatellverstoß der Beklagten Ziffer 3 und 4, respektive dem späteren Schriftverkehr, sondern daran, dass das Bier, welches die Firma des Beklagten Ziffer 1 produziere, im Verein nicht veräußert werde. Die Satzung des klagenden Vereins sehe die Befassung des Ehrenrates vor, wenn es unter den Mitgliedern respektive Mitgliedern und Vorstand oder zwischen Mitgliedern und von der Gegenseite sog. "Organen" zu Dissonanzen komme. Wenn die Beklagten als Vereinsmitglieder irgendeine organisatorische Maßnahme des klagenden Vereins nicht für gut und richtig oder tolerabel halten, sei für jedes Mitglied die direkte Möglichkeit gegeben, Anträge an den Vorstand zu stellen, Anregungen an den Präsidenten zu geben, Anträge in den alljährlichen Mitgliederversammlungen zu stellen und außerordentliche Mitgliederversammlungen einzuberufen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
Die Mitgliedsbeiträge für das Jahr 2012 stehen dem Kläger gegen die Beklagten nicht zu, da diese Mitgliedschaft durch die Kündigungen vom 29.08.2011/19.10.2011 wirksam fristlos beendet wurde.
1.
Auch bei einem Verein ist ein Austritt aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung möglich. Die Vereinsmitgliedschaft ist ein Dauerschuldverhältnis. Aus § 242 BGB ist insoweit der Grundsatz zu entwickeln, dass Dauerrechtsverhältnisse aus wichtigem Grund stets vorzeitig beendet werden können. Dieser Grundsatz ist auch im Vereinsrecht anzuwenden (OLG Hamm, NJW-RR 2001, 1480, [OLG Hamm 25.04.2001 - 8 U 139/00] bei [...] Randziffer 61; OLG Frankfurt, NJW-RR 1991, 1271, Palandt-Ellenberger, 72. Auflage, § 39 BGB, Randziffer 3). Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn der Fortbestand der Mitgliedschaft unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zumutbar ist (OLG Hamm, a.a.O., Randziffer 65). Jedes Vereinsmitglied hat bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ein Recht zum sofortigen Austritt aus dem Verein, und zwar auch dann, wenn die Satzung dies ausdrücklich nicht vorsieht oder ausdrücklich nur ein Austrittsrecht unter Einhaltung einer Kündigungsfrist zulässt (BGH, LM Nr. 2 zu § 39 BGB, bei [...] Randziffer 14).
.
Ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung der Beklagten ist vorliegend gegeben durch die zur Ahndung eines - wie der Kläger selbst vorträgt - Bagatellvorfalls verhängte Sanktion. Die vom Spielausschuss getroffene Maßnahme war unzulässig und hat die Beklagten Ziffer 3 und 4, darüber hinaus aber auch die Beklagten Ziffer 1 und 2 als deren Eltern in ihren Mitgliedsrechten erheblich verletzt.
a)
Anders als der Kläger darstellt, handelte es sich dabei nämlich nicht lediglich um einen Vorschlag für eine erzieherische Maßnahme der Beklagten Ziffer 3 und 4. Der am 25.07.2011 tagende Spielausschuss machte den Beklagten Ziffern 1 und 2 in seinem Schreiben vom 08.08.2011 zwar zunächst als erzieherische Maßnahme für ihre Kinder den Vorschlag einer 14-tägigen Platzsperre vom 15.08. bis 29.08.2011, abzulösen durch einen Arbeitsdienst von zwei Stunden, und verlangte außerdem eine persönliche Entschuldigung beider Kinder bei dem Clubmanager D. K. für ihr Verhalten. Die Beklagten Ziffer 1 und 2 wurden sodann um Mitteilung bis zum 12.08.2011 gebeten, was für ihre Kinder in Frage komme. Sollte der Spielausschuss bis zu diesem Zeitpunkt nichts von den Beklagten Ziffer 1 und 2 hören, sollte jedoch automatisch die Platzsperre in Kraft treten (K3, Blatt 10). Lediglich die Auswahl zwischen den beiden Sanktionen wurde damit in die Auswahl der Beklagten Ziffer 1 und 2 gestellt. Eine Möglichkeit, sowohl die zweiwöchige Platzsperre als auch den alternativ vorgeschlagenen Arbeitsdienst von zwei Stunden abzuwenden, sah das Schreiben des Spielausschusses nicht vor, so dass nicht nur ohne dass eine Äußerung erfolgt, sondern auch bei einer insgesamt ablehnenden Äußerung der Beklagten Ziffer 1 und 2 automatisch die Platzsperre von zwei Wochen in Kraft treten sollte. Diese Sperre, die im Schreiben vom 08.08.2011 verhängt wurde, trat somit tatsächlich in Kraft. Dass diese Platzsperre zurückgenommen worden wäre, etwa im Rahmen eines mit dem Beklagten Ziffer 1 geführten Telefongesprächs, trägt der Kläger nicht vor. Ob die Beklagten Ziffer 3 und 4 am Spiel gehindert worden wären, wenn sie trotz des ausgesprochenen Spielverbots den Versuch unternommen hätten, das Spiel auszuführen, oder ob niemals eine Hinderung hätte erfolgen können oder dürfen, weil kein Spielverbot in wirksamer -satzungsgerechter - Art und Weise verhängt worden sei, wie der Kläger im Schriftsatz vom 15.04.2013 ausführt, ist dafür ohne Belang.
b)
Diese Platzsperre widerspricht der Satzung des Klägers gemäß Beschlussfassung vom 19.01.2006, die unstreitig auf den vorliegenden Fall Anwendung finden soll (Protokoll der Sitzung des Amtsgerichts vom 05.09.2012, Blatt 108 d.A.). Gemäß § 6 dieser Satzung (Blatt 71 d.A.) kann ein Mitglied durch Beschluss des Vorstandes eine mündliche Verwarnung oder einen schriftlichen Verweis erhalten, wenn nachweislich unsportliches und/oder unkameradschaftliches Verhalten vorliegt. Ein Mitglied kann ferner durch Beschluss des Vorstands mit sofortiger Wirkung ausgeschlossen werden, u.a. nach lit. c, wenn es trotz Verweis durch den Vorstand oder den Ehrenrat sich erneut unsportlich oder unkameradschaftlich verhält. Statt eines Ausschlusses kann der Vorstand in begründeten Fällen auch ein befristetes Verbot aussprechen, Einrichtungen des Clubs (z.B. Clubhaus oder Platz) zu benutzen oder an Veranstaltungen des Clubs (z.B. Turnieren) teilzunehmen. Gegen dieses Verbot hat der Betroffene die Möglichkeit der Beschwerde zum Ehrenrat nach § 16.
Gegen § 6 der Satzung und die sich daraus ergebenden Rechte der Beklagten hat der Kläger zweifach in erheblicher Weise verstoßen.
Zum einen ist ein Benutzungsverbot für Anlagen des Vereins, damit auch eine Platzsperre, danach allein durch den Vorstand auszusprechen. Das ist unstreitig nicht erfolgt. Es handelte insoweit der in der Satzung nicht vorgesehene Spielausschuss.
Darüber hinaus liegen auch die inhaltlichen Voraussetzungen für die Aussprache eines solch befristeten Verbots, Einrichtungen des Clubs zu benützen, nicht vor. Selbst wenn mit dem vom Kläger selbst sogenannten Bagatellverstoß (vgl. Berufungserwiderung vom 22.10.2012, S. 3, 1. Absatz) der Beklagten Ziffer 3 und 4 ein unsportliches oder unkameradschaftliches Verhalten im Sinne der Satzung vorliegen sollte, hätte allenfalls durch Beschluss des Vorstands eine mündliche Verwarnung oder ein schriftlicher Verweis ausgesprochen werden dürfen und nur, wenn sich die Beklagten Ziffer 3 und 4 trotz Verweises durch den Vorstand oder den Ehrenrat erneut unsportlich oder unkameradschaftlich verhalten hätten. Ein Ausschluss oder statt des Ausschlusses das ausgesprochene Verbot war demgegenüber nach der Satzung des Klägers nicht gerechtfertigt.
Darin liegt eine ganz erhebliche Verletzung der Mitgliedschaftsrechte aller Beklagten, die ihnen das Verbleiben im Verein unzumutbar gemacht hat.
c)
Sie mussten dagegen auch nicht den Ehrenrat anrufen. Dieser entscheidet gemäß § 16 über Beschwerden der Mitglieder gemäß § 6 der Satzung. Um eine solche Maßnahme handelt es sich aber vorliegend nicht, da nicht der Vorstand, sondern der in der Satzung nicht genannte Spielausschuss tätig geworden ist. Darüber hinaus erschiene es als treuwidrig, wenn sich der Kläger, der sich hinsichtlich des vom Spielausschuss als unzuständigem und von der Satzung nicht vorgesehenen Organ ausgesprochenen Platzverbotes selbst nicht an seine Satzung hält, gleichwohl den Beklagten gegenüber auf deren formale Einhaltung berufen würde.
d)
Daher gibt auch das weitere Verhalten des Vorstands des Vereins, der diesen eindeutigen Verstoß gegen die Satzung nicht anerkennt und in einer die Mitgliedschaftsrechte der Beklagten schützenden Weise behandelt, Anlass zur fristlosen Kündigung, da den Beklagten auch deshalb die Mitgliedschaft beim Kläger nicht mehr zumutbar war. Daher ist auch die zweite Kündigung vom 19.10.2011 berechtigt.
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10 S. 1, 713 ZPO.
3.
Der Schriftsatz des Klägers vom 15.04.2013 bot keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
4.
Ein Grund, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht.