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28.10.2003 · IWW-Abrufnummer 032388

Oberlandesgericht Naumburg: Urteil vom 17.06.2003 – 9 U 82/01

Ein die Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung rechtfertigender Mangel ist dann gegeben, wenn die Innentemperatur in einem Standardsommer langandauernd 26 Grad übersteigt. Beim Betrieb einer Drogerie sind diese Voraussetzungen erfüllt, wenn bei einem langjährigen Mittelwert die Temperaturgrenze von 26 Grad an 45 Tagen überschritten wird.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

9 U 82/01 OLG Naumburg

verkündet am: 17.06.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Klier, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Tiemann und des Richters am Oberlandesgericht Dr. Otparlik auf die mündliche Verhandlung vom 17.6.2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 7.3.2001 verkündete Urteil des Landgerichts Stendal (21 O 45/00) wird zurückgewiesen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte - über den vom Landgericht zuerkannten Betrag hinaus - weitere 3.939,08 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 956,24 Euro seit dem 6.6.2000 und aus 2.982,84 Euro seit dem 5.7.2000 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt zu 95 % die Klägerin und zu 5 % die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 15.000,-- Euro abwenden, wenn die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 7.500,-- Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf insgesamt 82.603,88 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der von den Rechtsvorgängern der Parteien mit Datum vom 6.2.1991 abgeschlossene Mietvertrag über Geschäftsräume durch Kündigung zum 31.5.2000 beendet worden ist. Der Mietvertrag kann ordentlich erstmals am Ende des 12. Mietjahres gekündigt werden. Das Mietobjekt umfasst insgesamt eine Fläche von rund 240 qm, wovon sich 140 qm im Obergeschoss und 100 qm im Erdgeschoss befinden. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt des Mietvertrages (Bl. 5 - 9 I). Die Klägerin betrieb im Obergeschoss seit dem 1.7.1994 eine Drogerie und Parfümerie. Das Untergeschoss wurde von der Klägerin untervermietet. Zwischen den Parteien ist in der Berufungsinstanz unstreitig, dass die Klägerin das Objekt zum 31.7.2000 an die Beklagte zurückgegeben hat. Mit Schreiben vom 18.9.1998 (Bl. 12 I) rügte die Klägerin gegenüber der Beklagten, dass in der Hitzeperiode vom 10.8.1998 bis 21.8.1998 im Verkaufsraum eine durchschnittliche Höchsttemperatur von 32° C geherrscht habe. Da nach den Arbeitschutzrichtlinien eine Höchsttemperatur von 26° C nicht überschritten werden dürfe, verlange die Klägerin Abhilfe. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 4.12.1998 (Bl. 13 I) jede Abhilfemaßnahme ab. Mit Schreiben vom 29.12.1999 (Bl. 27 I) kündigte die Klägerin gestützt auf § 544 BGB (a.F.) das Mietverhältnis zum 31.5.2000. Die Klägerin bezog sich dabei auf ein von ihr eingeholtes Privatgutachten. Das Privatgutachten kommt zu dem Ergebnis (Bl. 20 I), dass an mehr als 30 Tagen im Jahr im Verkaufsraum Temperaturen zwischen 30 bis 40° C herrschen. Auch bei Durchschnittsaußentemperaturen von 17 - 18° C würden im Verkaufsraum noch Temperaturen von 27 - 28° C erreicht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Privatgutachtens Bezug genommen (Bl. 14 - 26 I). Die Beklagte ist der Kündigung entgegen getreten. Sie ist der Ansicht, dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung nicht vorliege. Soweit es zu hohen Temperaturen gekommen sei, hätten diese ihre Ursache in der von der Klägerin installierten Beleuchtungsanlage. Das Landgericht hat zu der Frage, ob im Verkaufsraum des Obergeschosses des Mietobjekts an mehr als 30 Tagen im Jahr Temperaturen zwischen 30 bis 40° C herrschen (Bl. 45 I), die (beiden) Privatgutachter als sachverständige Zeugen gehört. Wegen des Ergebnisses der Vernehmung wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 21.6.2000 (Bl. 70 - 73 I). Das Landgericht hat weiter zu der Frage, ob bei den festgestellten Temperaturen von einer Gesundheitsbeeinträchtigung der dort beschäftigten Personen auszugehen sei, ein arbeitsmedizinisches Sachverständigengutachten eingeholt (Bl. 79 I). Auf den Inhalt des Gutachtens wird Bezug genommen (Bl. 105 - 110 I). Die Beklagte hat Widerklage erhoben, mit der sie in erster Instanz restlichen Mietzins für die Zeit von Dezember 1999 bis Mai 2000 geltend macht, nachdem die Klägerin in diesem Zeitraum nur eine geminderte Miete gezahlt hatte. Mit Schriftsatz vom 4.7.2001 (Bl. 29/30 II) hat die Beklagte die Widerklage auf den Zeitraum von Juni 2000 bis Juni 2001 erweitert. Der vertraglich vereinbarte Bruttomietzins beträgt 5.833,93 DM (incl. Betriebskostenvorauszahlung - brutto - 7.347,36 DM). Im streitgegenständlichen Zeitraum hat die Klägerin für Dezember 1999 5.317,15 DM gezahlt. In den Monaten von Januar 2000 bis Juni 2000 zahlte die Klägerin jeweils 3.963,69 DM. Ab Juli 2000 erfolgten keine Zahlungen mehr.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird gemäß § 543 Abs. 2 ZPO (in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung: § 26 Nr. 5 EGZPO) Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 131 - 135 I).

Das Landgericht hat der Klage und der Widerklage stattgegeben. Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin mit den Aussagen der (sachverständigen) Zeugen bewiesen habe, dass in den Sommermonaten länger andauernd Innentemperaturen von mehr als 30° C erreicht würden. Nach den durchgeführten Messungen müsse davon ausgegangen werden, dass bei einer Tagesmitteltemperatur von rund 20° C in den Sommermonaten eine Innentemperatur im Verkaufsraum von 30° C herrsche. Tagesmitteltemperaturen von 20° C würden in den Sommermonaten regelmäßig an 30 Tagen erreicht. Nach den Bekundungen der Zeugen ließen sich die von einer Mitarbeiterin der Klägerin aufgezeichneten Innentemperaturen mit den eigenen Feststellungen der Sachverständigen in Einklang bringen. Die Widerklage sei begründet, weil die Klägerin im Hinblick auf die jahrelange Zahlung des ungeminderten Mietzinses ihr Minderungsrecht gemäß § 539 BGB analog verloren habe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung.

Die Beklagte rügt, dass das Privatgutachten schon deshalb keine Urteilsgrundlage bilden könne, weil es teilweise auf Temperaturmessungen beruhe, die eine Mitarbeiterin der Klägerin vorgenommen habe. Zudem habe das Landgericht teilweise Tagesmitteltemperaturen mit den im Innenraum gemessenen Höchsttemperaturen verglichen. Aus dem eingeholten arbeitsmedizinischen Gutachten ergäbe sich auch keine erhebliche Gesundheitsgefährdung bezogen auf den konkreten Mieter.

Die Klägerin trage zudem selbst vor, dass sich die behauptete Beeinträchtigung nur auf das Obergeschoss und nicht auf das untervermietete Erdgeschoss beziehe. Schon deshalb rechtfertigten die behaupteten Mängel nicht die Kündigung des gesamten Mietverhältnisses.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 14.5.2001 (Bl. 7 - 14 II) sowie die Schriftsätze vom 2.7.2001 (Bl. 25 - 27 II), 4.7.2001 (Bl. 29 - 31 II), 25.7.2002 (Bl. 93 - 95 II) und 5.6.2003 (Bl. 114/115 II).

Die Beklagte beantragt,

das am 17.3.2001 verkündete Urteil des Landgerichts Stendal (21 O 45/00) abzuändern und die Klage abzuweisen;

und widerklagend,

die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 91.551,99 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 3.383,67 DM seit dem 6.6.2000 und aus jeweils 7.347,36 DM seit dem 5.7.2000, 4.8.2000, 5.9.2000, 6.10.2000, 4.11.2000, 5.12.2000, 5.1.2001, 5.2.2001, 5.3.2001, 5.4.2001, 5.5.2001 und 6.6.2001 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Widerklage abzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus erster Instanz.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 5.6.2001 (Bl. 21 - 24 II) und die Schriftsätze vom 16.7.2001 (Bl. 38 - 40 II) und 11.7.2002 (Bl. 81/82 II).

Der Senat hat gemäß dem Beweisbeschluss vom 4.9.2001 (Bl. 49/50 II) Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Auf den Inhalt des Gutachtens des Sachverständigen B. vom 25.4.2003 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung hat keinen Erfolg (1). Die Widerklage ist lediglich insoweit erfolgreich, als die Klägerin für die Monate Juni und Juli 2000 noch restliche Nutzungsentschädigung schuldet (2).:

1) Die Feststellungsklage ist begründet. Die Klägerin hat das Mietverhältnis mit der außerordentlichen Kündigung vom 29.12.1999 (Bl. 27 I) wirksam zum 31.5.2000 beendet. Die Klägerin konnte den Mietvertrag auf Grund des § 544 BGB (a.F.) kündigen. Nach dieser Vorschrift kann der Mieter kündigen, wenn ein zum Aufenthalt von Menschen bestimmter Raum so beschaffen ist, dass die Benutzung mit einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit verbunden ist. Ein die Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung rechtfertigender Mangel der Mietsache kann in einer lang andauernden Überhitzung von Räumen liegen (OLG Köln MDR 1993, 973, 974; OLG Hamm NJW-RR 1995, 143; OLG Düsseldorf OLGR 1998, 277; Senat, Urteil vom 19.9.2000 - 9 U 72/00 -; OLG Rostock NJW-RR 2001, 802). Für den Betrieb einer Drogerie bzw. einer Parfümerie ist es erforderlich, dass die Räume so beschaffen sind, dass in ihnen auch Mitarbeiter beschäftigt werden können. Die Räumlichkeiten müssen daher auch den Anforderungen der Arbeitstättenverordnung genügen. Nach § 6 der Arbeitsstättenverordnung muss in Arbeitsräumen während der Arbeitszeit eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur vorhanden sein. Nach der diese Bestimmung konkretisierenden Arbeitsstättenrichtlinie ASR 6/1.3. muss gewährleistet sein, dass in Arbeitsräumen bei Außentemperaturen bis zu 32° C die Innentemperatur 26° C nicht übersteigt. Raumtemperaturen oberhalb dieser Gradzahl stellen jedenfalls dann einen Mangel der Mietsache dar, wenn die Überhitzung in einem "Standardsommer" lang andauernd ist (OLG Düsseldorf a.a.O.; Senat a.a.O.). Nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen wurde der Grenzwert von 26° C in dem Zeitraum vom 7.8.2002 bis 24.9.2002, (in dem der Sachverständige Temperaturmessungen vorgenommen hat) an 31 Tagen bezogen auf die Tagesdurchschnittstemperatur und an 34 Tagen bezogen auf die Zeit von 9 - 20 Uhr überschritten. Der Sachverständige führt weiter aus, dass eine durchschnittliche tägliche Raumlufttemperatur von mehr als 26° C immer dann zu erwarten ist, wenn die maximale Außenlufttemperatur mindestens 22° C erreicht. Vor diesem Hintergrund hat der Sachverständige ermittelt, an wie vielen Tagen eines Jahres eine maximale Außentemperatur von mehr als 22° C erreicht wurden. Er hat - u.a. - die Messdaten der Wetterstationen Magdeburg und Gardelegen zugrunde gelegt. Für den Zeitraum von 1997 bis 2002 hat er auf dieser Basis einen Mittelwert von 44,7 Tagen ermittelt, an denen der Wert von 22° C überschritten wurde. Schon im Hinblick auf die Länge des Zeitraums von 6 Jahren bestehen keine Bedenken dagegen, dies als Basiswert auch für den Standort der streitgegenständlichen Räumlichkeiten anzunehmen. Aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. R. (insbesondere Bl. 110 I) ist im einzelnen zu entnehmen, welche körperlichen Auswirkungen der länger andauernde Aufenthalt in Räumen haben kann, in denen der Grenzwert von 26° C überschritten wird. Die Zeitspanne, bei der von einer lang andauernden Überhitzung im Eingangs genannten Sinne gesprochen werden kann, darf vor diesem Hintergrund nicht übermäßig lang angesetzt werden. Der Senat geht für den vorliegenden Fall des Betriebs einer Drogerie bzw. Parfümerie davon aus, dass bei einem langjährigen Mittelwert von rund 45 Tagen, an denen der Wert von 26° C überschritten wird, die Grenze zur Gesundheitsgefährdung erreicht ist und die Überhitzung deshalb die außerordentliche Kündigung rechtfertigt.

Soweit die Beklagte vorgetragen hat, dass eine Überhitzung ihre Ursache in der von der Klägerin eingebauten Beleuchtungsanlage habe, hat sich dieser Einwand im Laufe des Verfahrens dadurch erledigt, dass die Klägerin das Objekt aufgegeben hat und der Sachverständige in seinem Gutachten dazu ausdrücklich festgehalten hat, dass im Zeitraum der Messungen keine "inneren Wärmelasten" vorhanden waren.

Soweit die Beklagte in erster Instanz Einwände gegen das Gutachten der Sachverständigen Dr. R. insoweit erhoben hat, dass darin keine Feststellungen hinsichtlich der konkret betroffenen Personen enthalten seien, kann dies dahinstehen. Bei der Beurteilung der Gesundheitsgefahr ist von einem objektiven Maßstab auszugehen. Abzustellen ist dabei nicht auf eine etwaige besondere Empfindlichkeit des einzelnen Mieters, maßgebend sind vielmehr nach dem Zweck von § 544 BGB a.F. die allgemeinen gesundheitlichen Anforderungen. Dies gilt selbst dann, wenn sich der Mieter längere Zeit mit dem gesundheitsgefährdenden Zustand des Mietobjekts abgefunden hatte (Staudinger/Emmerich BGB, 13. Bearbeitung, § 544, Rn. 13).

Es kann deshalb dahinstehen, ob - wie die Beklagte im Schriftsatz vom 5.6.2003 erneut vorträgt (Bl. 114 II) - die Überhitzung der Räume in den Sommermonaten schon Jahre vor der Kündigung bestanden hat.

Ob einer Kündigung auch wegen Gesundheitsgefährdung jedenfalls dann eine Abmahnung vorausgehen muss, wenn die Kündigung bei Überhitzung von Räumen außerhalb der Sommermonate erfolgt (Senat, Urteil vom 24.9.2002 - 9 U 44/02 - [W&M 2003, 144]), kann für den vorliegenden Fall dahinstehen. Zum einen hat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 18.9.1998 (Bl. 12 I) zur Abhilfe aufgefordert, zum anderen hat die Beklagte im Schreiben vom 4.12.1998 (Bl. 13 I) jede Mängelbeseitigung abgelehnt. Eine weitere Abmahnung vor der Kündigung hätte vor diesem Hintergrund eine reine Förmelei dargestellt.

Der Wirksamkeit der Kündigung steht letztlich nicht entgegen, dass sich der Mangel der Überhitzung nur auf einen Teil der Gesamtmietfläche bezieht, auf die Räume im Obergeschoss. Nach § 1 Nr. 1 Abs. 2 des Mietvertrages (Bl. 5 I) bilden Erd- und Obergeschoss einheitlich den Mietgegenstand. Bezieht sich die Gesundheitsgefährdung nur auf einen Teil des Mietgegenstandes, greift das Kündigungsrecht aus § 544 BGB a.F. nur dann ein, wenn dadurch die Nutzbarkeit des Mietobjekts im ganzen erheblich beeinträchtigt ist (Schmidt-Futterer/Eisenschmidt, Mietrecht, 7. Aufl., § 544, Rn. 15; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 7. Aufl., § 544, Rn. 6; Staudinger/Sonnenschein a.a.O., § 544, Rn. 16). Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin das Gewerbe nur im Obergeschoss betrieben hat; das Erdgeschoss war untervermietet. Soweit auf die Nutzbarkeit des Gesamtobjekts abgestellt wird, hat dies seinen Grund in der Überlegung, ob der Mieter innerhalb des Objekts der Gesundheitsgefährdung "aus dem Weg gehen kann" (vgl. dazu das Beispiel bei Staudinger a.a.O.). Wenn die Klägerin das Gewerbe ausschließlich in den vom Mangel betroffenen Räumen ausübt, ist ihr ein solches Ausweichen nicht möglich. Der Gesundheitsgefährdung kann sie nur dadurch entgehen, dass sie das Obergeschoss aufgibt. Ein Abstellen auf den gesamten Mietgegenstand ist im konkreten Fall nicht geeignet, der Gesundheitsgefährdung zu begegnen. Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, das gesamte Mietverhältnis zu kündigen, auch wenn eine nicht unerhebliche Fläche (rd. 48 %) von dem Mangel nicht betroffen ist.

Da die außerordentliche Kündigung vom 29.12.1999 wirksam ist, ist die Berufung hinsichtlich des Feststellungsantrages zurückzuweisen.

2) Die in zweiter Instanz erweiterte Widerklage ist zwar zulässig, sie ist aber nur zu einem geringen Teil begründet. Das Mietverhältnis wurde zum 31.5.2000 beendet. In zweiter Instanz unstreitig hat die Klägerin dass Objekt aber erst zum 31.7.2000 zurückgegeben. Die Klägerin ist dem Vortrag der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 1.8.2001 (Bl. 43 II) - unter Hinweis auf das Schreiben der Klägerin vom 25.7.2000 (Bl. 44 II) - nicht mehr entgegen getreten. Die Beklagte hat keinen Anspruch aus § 557 Abs. 1 BGB (a.F.). Ein Anspruch scheitert daran, dass die Klägerin der Beklagten das Mietobjekt nicht vorenthalten hat. Die unterlassene Rückgabe widersprach nicht dem Willen der Beklagten, weil diese die Fortsetzung des Mietverhältnisses forderte (Emmerich/Sonnenschein a.a.O., § 557, Rn. 11 m.w.N.). Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung folgt indes aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung. Ein solcher Anspruch wird nicht von § 557 BGB a.F. verdrängt (Emmerich/ Sonnenschein a.a.O., § 557, Rn. 41 m.w.N.). Der Senat geht mangels entgegenstehenden Vortrages davon aus, dass der Umfang der Bereicherung dem vertraglich vereinbarten Mietzins entspricht. Die Beklagte kann aber nur noch eine Nutzungsentschädigung in Höhe des reinen Bruttomietzinses i.H.v. monatlich 5.833,93 DM fordern. Hinsichtlich der Nebenkostenvorauszahlungen für das Jahr 2000 ist nach Ablauf von mehr als 1 Jahr Abrechnungsreife eingetreten. Vorauszahlungen kann die Beklagte nach Eintritt der Abrechnungsreife nicht mehr fordern.

Für den Monat Juni hat die Klägerin unstreitig 3.963,69 DM gezahlt, sodass noch eine Differenz von 1.870,24 DM verbleibt. Für den Monat Juli 2000 schuldet die Klägerin den vollen Betrag i.H.v. 5.833,93 DM, sodass sich eine Gesamtsumme von 7.704,17 DM (: 1,95583 = 3.939,08 Euro) errechnet. In diesem Umfang ist die Widerklage begründet. Die Klägerin kann die Nutzungsentschädigung wegen des Mangels der Mietsache aus den vom Landgericht dargelegten Gründen nicht mindern. Sie hat im Hinblick auf die Zahlung des ungeminderten Mietzinses über einen Zeitraum von mehreren Jahren ein Minderungsrecht verwirkt.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Quote orientiert sich am Verhältnis von Gesamtstreitwert zum obsiegenden Teil der Widerklage.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO (in der ab dem 1.1.2002 geltenden Fassung: § 26 Nr. 7 ZPO) nicht vorliegen.

Zum Streitwert:

a) Feststellungsantrag (§ 16 GKG) 12 x 5.833,93 DM = 70.007,16 DM

b) Widerklage (§ 19 Abs. 1 S. 1 GKG; eine Nämlichkeit der
Streitgegenstände besteht jedenfalls ab 1.6.2000 nicht) 91.551,99 DM
Gesamt 161.559,15 DM
: 1,95583 82.603,88 Euro

RechtsgebieteBGB, ZPOVorschriftenBGB § 539 BGB § 544 a.F. BGB § 557 a.F. BGB § 557 Abs. 1 a.F. ZPO § 543 Abs. 2

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