Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

12.09.2013 · IWW-Abrufnummer 132905

Kammergericht Berlin: Beschluss vom 07.05.2013 – 4 Ws 51/13

Für die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung muss es konkrete tatsächliche Anhaltspunkte geben. Bloße, nicht durch konkrete Umstände belegte Vermutungen oder rein denktheoretische Möglichkeiten reichen nicht aus, denn andernfalls hätte es jeder Zeuge, der einen anderen zunächst be- oder entlastet hat, in der Hand, allein mit dem bloßen Einwand, die ursprüngliche Aussage könnte falsch gewesen sein, ohne weiteres jede weitere Auskunft zu verweigern.

Ob es für die von dem Zeugen geltend gemachte Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung solche tatsächlichen Anhaltspunkte gibt, hat nicht etwa der Zeuge selbst zu entscheiden, sondern dies unterliegt der tatsächlichen Beurteilung und rechtlichen Würdigung des Tatrichters, dem insoweit ein weiter Beurteilungsspielraum zukommt.

Das Beschwerdegericht kann daher lediglich überprüfen, ob sich der Tatrichter innerhalb des ihm eröffneten Beurteilungsspielraums gehalten, den richtigen Entscheidungsmaßstab zugrunde gelegt oder seine Entscheidung auf fehlerhafte Erwägungen gestützt hat.


KG Berlin

07.05.2013

4 Ws 51/13

In der Strafsache gegen
,
geboren am in,
wohnhaft in,
wegen Steuerhinterziehung u.a.
hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 7. Mai 2013
beschlossen:
Tenor:

Die Beschwerde des Zeugen H, wohnhaft in, , vertreten durch den Beistand Rechtsanwalt, , , gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 8. April 2013 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe

Das Landgericht Berlin verhandelt seit dem 12. März 2013 im Berufungsrechtszug gegen den zu den Tatvorwürfen schweigenden Angeklagten über den Vorwurf der Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung in acht Fällen. Das Schöffengericht Tiergarten (327-40/10) hatte den Angeklagten am 26. Mai 2011 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und seinen Feststellungen im Wesentlichen Folgendes zugrunde gelegt: Der Angeklagte habe in der Absicht, den gesondert Verfolgten O, M und H (dem hiesigen Beschwerdeführer) aufgrund jeweils getroffener gemeinsamer Absprache unberechtigt Steuervorteile zu verschaffen, durch Herstellen und Verwenden gefälschter ESt 4B-Mitteilungen, die vermeintliche Einkünfte und insbesondere Werbungskosten sowie anrechenbare Steuern der gesondert Verfolgten aus angeblichen Beteiligungen an Gesellschaften auswiesen, die unzutreffende Festsetzung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommenssteuer der gesondert Verfolgten bewirkt, was bei diesen zu unberechtigten Steuererstattungen geführt habe, deren Erträge anschließend absprachegemäß aufgeteilt worden seien. Der einschlägig vorbestrafte Angeklagte hatte im erstinstanzlichen Verfahren die Vorwürfe bestritten und sich im Wesentlichen dahin eingelassen, ein Dritter müsse die Taten unter Ausnutzung der Erkenntnisse begangen haben, die dieser aus dem ersten gegen ihn - den Angeklagten - geführten Strafverfahren erlangt habe, in dem der fragliche modus operandi zur Sprache gekommen war. Das Schöffengericht hat seine Überzeugung von der Richtigkeit der Tatvorwürfe auf die entsprechende einschlägige Verurteilung des Angeklagten (im Jahr 2007 durch das Amtsgericht Gera) sowie die Aussagen der Zeugen Be, Bo und M gestützt.

Der Beschwerdeführer wurde seinerseits wegen seiner Beteiligung an dem angeklagten Geschehen durch Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 16. März 2011 (332a Ds 24/10) wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer unbedingten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Zum Tatvorwurf hatte er geschwiegen. Das Amtsgericht hat sich ausweislich seiner Urteilsgründe aufgrund verschiedener Beweismittel davon überzeugt, dass der Beschwerdeführer die Taten gemeinschaftlich mit dem Angeklagten auf dessen Initiative und gemäß einer entsprechenden mittäterschaftlichen Absprache begangen habe. In seinen Ausführungen zur Beweiswürdigung hat das Amtsgericht u.a. auch die Auffassung der damaligen Verteidigung des Beschwerdeführers referiert, die vorgebracht habe, der hiesige Angeklagte könne die Taten allein und ohne Kenntnis des Beschwerdeführers begangen haben. Über die Berufung des Beschwerdeführers gegen dieses Urteil hatte die auch vorliegend mit der Sache befasste Berufungskammer in dem Verfahren 572-38/11 zu befinden. Nach dem Eingang der Verfahrensakten im April 2011 erörterte der Kammervorsitzende am 2. Januar 2013 die Angelegenheit mit dem Verteidiger des Beschwerdeführers telefonisch und legte diesem nahe, die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch zu beschränken. Hierzu erklärte der Vorsitzende, dass er sich "für den Fall einer 'Roß und Reiter' benennenden Einlassung zur Vorgeschichte etc. (...) für die Verhängung einer bedingten Gesamtfreiheitsstrafe einsetzen" werde. Seinen über dieses Telefonat gefertigten Aktenvermerk gab er in der auf den 22. Januar 2013 anberaumten Berufungshauptverhandlung bekannt. Unter Bezugnahme darauf "stellte die Kammer dem Angeklagten in Aussicht, für den Fall eines detaillierten und umfassenden Geständnisses sowie einer Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch, käme die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe im Rahmen von einem Jahr und sechs Monaten und einem Jahr und zehn Monaten in Betracht, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden könne". Nachdem "allseits zugestimmt" worden war und der Beschwerdeführer sich zur Sache geäußert hatte, beschränkte dieser mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft Berlin seine Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch, worauf er zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt wurde. Aus den Urteilsgründen ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer nach der Bewertung des Landgerichts "die ihm zur Last gelegten Taten rückhaltlos, vollständig und detailliert unter Offenlegung der Mitwirkung des gesondert Verfolgten Matthias Dressel eingeräumt" hat. Bei der Strafzumessung hat die Kammer mildernd berücksichtigt, "dass nicht er (der Beschwerdeführer) der Initiator der Tat war, sondern der gesondert Verfolgte Dressel, und dass dieser erst die Tatvoraussetzungen durch die Einschleusung der gefälschten ESt-4B-Mitteilungen schuf". Das Urteil ist seit dem 30. Januar 2013 rechtskräftig.

In der Berufungshauptverhandlung vom 12. März 2013 gegen den Angeklagten sollte der Beschwerdeführer als Zeuge gehört werden; er wurde u.a. gemäß § 55 StPO belehrt, worauf es zu einer Unterbrechung der Zeugenvernehmung und nach dem Wiedereintritt in die Verhandlung zunächst zu einer ursprünglich nicht vorgesehenen zeugenschaftlichen Vernehmung des Staatsanwalts Mittelbach über die Angaben des Beschwerdeführers in der Berufungshauptverhandlung vom 22. Januar 2013 kam. Bei einer Fortsetzung der Berufungshauptverhandlung am 8. April 2013 machte der Beschwerdeführer ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO geltend. Daraufhin verlas der Kammervorsitzende eine vorbereitete "Erklärung des Vorsitzenden dazu, ob dem Zeugen H ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO dergestalt zusteht, dass ihm ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, er also als Zeuge nicht auszusagen braucht". Darin referierte der Vorsitzende zunächst die Argumentation des Beschwerdeführers. Demzufolge hatte dieser vorgebracht, es sei denkbar, dass er den Angeklagten bewusst unwahr belastet habe, weshalb er sich durch wahrheitsgemäße Beantwortung jeglicher Fragen betreffend sein und des Angeklagten Handeln einer Strafverfolgung gemäß § 164 StGB aussetzen könne. Hierzu nahm der Vorsitzende dahin Stellung, dem Zeugen stehe kein umfassendes Aussageverweigerungsrecht "hinsichtlich Fragen zu, die auf den Gegenstand der Feststellungen des gegen ihn ergangen, rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin gerichtet sind". Der Zeuge solle sich nicht zu Umständen äußern, die den Strafverfolgungsbehörden bislang unbekannt seien, sondern "lediglich zu seiner Tatbeteiligung". Ein Anfangsverdacht sei nicht einmal ansatzweise erkennbar. Die bisherige Beweisaufnahme habe nichts dafür erbracht, dass der Zeuge den Angeklagten am 22. Januar 2013 wissentlich und willentlich der Wahrheit zuwider belastet habe und er derartiges durch eine Aussage nunmehr offenbaren müsse. Vielmehr habe bislang die Vernehmung der glaubwürdigen Zeugen O und M ergeben, dass sich der Angeklagte genau so verhalten habe, wie es auch der Beschwerdeführer am 22. Januar 2013 in seinem eigenen Verfahren, wie es drei hierzu gehörte Zeugen bekundet hätten, geschildert habe.

Der Beschwerdeführer machte gleichwohl weiterhin ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht geltend und verblieb auch nach Belehrung über die Folgen einer unberechtigten Zeugnisverweigerung bei seiner Haltung. Daraufhin erlegte die Strafkammer dem Zeugen die durch seine Weigerung verursachten Kosten auf, verhängte gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 Euro und ordnete ersatzweise zehn Tage Ordnungshaft an.

Gegen diesen Beschluss hat der Zeuge mit Schriftsatz seines Beistands vom 12. April 2013 Beschwerde eingelegt. Er bringt vor, ihm sei angesichts der Äußerungen des Strafkammervorsitzenden gegenüber seinem Verteidiger "keine andere Möglichkeit (geblieben), als ein Geständnis abzugeben, mit welchem er den hiesigen Angeklagten belastete und er somit nicht mehr von den Feststellungen des erstinstanzlichen Urteil abweichen konnte". Andernfalls hätte die Gefahr bestanden, "das Berufungsgericht würde ihm etwaig abweichende Angaben nicht glauben und ihn dann doch zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung (...) verurteilen". Damit liege "hier äußerst nahe, dass (er) ein taktisches Geständnis abgegeben haben könnte", wobei er "abweichend von der Wahrheit Erklärungen abgegeben haben (könnte), von denen er meinte, dass das Berufungsgericht dies so hören wolle". Gegenstand seiner Aussage sei gewesen, dass er die Taten zusammen mit dem Angeklagten begangen habe. "Ginge man aber nunmehr davon aus, dass (er) in seinem Geständnis nicht die Wahrheit gesagt und eine Tatbeteiligung des Angeklagten erfunden hätte, hätte (er) sich einer falschen Verdächtigung schuldig gemacht". "Schon mit der ersten Antwort" würde er sich der Gefahr einer entsprechenden Strafverfolgung aussetzen.

Die Kammer hat der Beschwerde mit begründetem Beschluss vom 15. April 2013, zu dem sich der Beschwerdeführer nicht mehr geäußert hat, nicht abgeholfen. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Die verhängten Maßnahmen sind, da das Landgericht beanstandungsfrei die Verweigerung des Zeugnisses ohne gesetzlichen Grund angenommen hat, durch § 70 Abs. 1 StPO gedeckt.

a) Die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung im Sinne von § 55 StPO besteht dann, wenn eine Ermittlungsbehörde aus der wahrheitsgemäßen Aussage des Zeugen Tatsachen entnehmen könnte - nicht müsste -, die einen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erforderlichen Anfangsverdacht im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO ergeben oder auch Anlass zur Aufrechterhaltung oder Verstärkung eines bereits bestehenden Tatverdachts geben. Dabei ist es bereits ausreichend, wenn nicht auszuschließen ist, dass gegen den Zeugen aufgrund seiner Aussage ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet werden könnte; auf den voraussichtlichen Ausgang des Verfahrens kommt es nicht an. Auch genügt es bereits, wenn der Zeuge bestimmte Tatsachen angeben müsste, die mittelbar den Verdacht einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit begründen. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die wahrheitsgemäße Beantwortung einer Frage zwar allein eine Strafverfolgung nicht auslösen könnte, jedoch "als Teilstück in einem mosaikartigen Beweisgebäude" zu einer Belastung des Zeugen beitragen könnte (vgl. BVerfG NJW 2002, 1411, 1412 [BVerfG 06.02.2002 - 2 BvR 1249/01]; BGH NJW 1999, 1413 [BGH 13.11.1998 - StB 12/98]; StV 1987, 328).

Für eine solche Gefahr strafrechtlicher Verfolgung muss es allerdings konkrete tatsächliche Anhaltspunkte geben; bloße, nicht durch konkrete Umstände belegte Vermutungen oder rein denktheoretische Möglichkeiten reichen nicht aus (BGH NJW 1994, 2839, 2840 [BGH 01.06.1994 - StB 10/94; 1 BJs 182/83]; BGH NStZ 1999, 415, 416 [BGH 09.09.1998 - StB 10/98]; BGHR StPO § 55 Abs. 1 Auskunftsverweigerung 4 m.w.N.; OLG Dresden, Beschluss vom 14. Januar 2003 - 1Ws 274/02 - [[...]]; OLG Koblenz StV 1996, 474, 475; KG, Beschluss vom 7. März 2011 - 3 Ws 86, 87/11 -). Denn andernfalls hätte es jeder Zeuge, der einen anderen zunächst be- oder entlastet hat, in der Hand, allein mit dem bloßen Einwand, die ursprüngliche Aussage könnte falsch gewesen sein (und eine falsche Verdächtigung des anderen enthalten oder - umgekehrt - eine strafvereitelnde Zielrichtung gehabt haben), ohne weiteres jede weitere Auskunft zu verweigern (vgl. OLG Karlsruhe OLGSt § 55 StPO Nr. 2; OLG Koblenz aaO). Ob es für die von dem Zeugen geltend gemachte Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung solche tatsächlichen Anhaltspunkte gibt und er sich deshalb auf § 55 StPO berufen kann, hat nicht etwa der Zeuge selbst zu entscheiden, sondern dies unterliegt der tatsächlichen Beurteilung und rechtlichen

Würdigung des Tatrichters (vgl. KG, Beschluss vom 7. März 2011 - 3 Ws 86, 87/11 -;

Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl., § 55 Rn. 7), dem insoweit ein weiter Beurteilungsspielraum zukommt (vgl. BVerfG wistra 2010, 299 [BVerfG 21.04.2010 - 2 BvR 504/08]; OLG Celle NStZ-RR 2011, 377 [OLG Celle 18.05.2011 - 2 Ws 131/11]; Senat NStZ-RR 2010, 16, 17 m.w.N.). Das Beschwerdegericht kann daher lediglich überprüfen, ob sich der Tatrichter innerhalb des ihm eröffneten Beurteilungsspielraums gehalten, den richtigen Entscheidungsmaßstab zugrunde gelegt oder seine Entscheidung auf fehlerhafte Erwägungen gestützt hat (vgl. OLG Celle aaO). Dabei sind immer die Umstände des Einzelfalles maßgeblich (vgl. BGHSt 10, 104, 105), weshalb für die Beurteilung freibeweislich der Akteninhalt, die anderweitigen Ergebnisse der Beweisaufnahme und sonstige bekannte Umstände auszuwerten sind (vgl. KG aaO. sowie Beschluss vom 28. Juni 2011 - 2 Ws 238/11 -; Ignor/Bertheau in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 55 Rdn. 20 m.w.N.).

Ist hiernach eine Verfolgungsgefahr anzunehmen, so ist der Zeuge gemäß § 55 Abs. 1 StPOgrundsätzlich nur berechtigt, die Auskunft auf einzelne Fragen zu verweigern. Nur ausnahmsweise ist er zu einer umfassenden Verweigerung der Auskunft befugt, wenn seine gesamte in Betracht kommende Aussage mit einem möglicherweise strafbaren oder ordnungswidrigen Verhalten in so engem Zusammenhang steht, dass im Umfang der vorgesehenen Vernehmungsgegenstände nichts übrig bleibt, wozu er ohne die Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit wahrheitsgemäß aussagen könnte, eine Trennung mithin nicht möglich ist (vgl. BGH NStZ 2002, 607 [BGH 11.06.2002 - 2 StE 7/01 - 6]; NStZ-RR 2005, 316 [BGH 07.07.2005 - StB 12/05]; Senat aaO m.w.N.).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Wertung des Landgerichts, dem Zeugen stehe kein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO zu und er habe seine Aussage ohne gesetzlichen Grund verweigert, nicht zu beanstanden. Die Kammer hat ohne ersichtlichen Ermessensfehler jedenfalls vertretbar angenommen und dies nachvollziehbar dargelegt, dass sich bei Auswertung des Akteninhalts und unter Berücksichtigung des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnahme keine konkreten Tatsachen ergeben hätten, die die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung des Zeugen im Falle einer wahrheitsgemäßen Aussage begründen könnten. Die Staatsanwaltschaft Berlin als zuständige Anklagebehörde teilt diese Auffassung. Es liegen außer den eigenen, äußerst vagen Ausführungen des Beschwerdeführers auch keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass er durch seine Angaben in der eigenen Berufungshauptverhandlung zum Nachteil des Angeklagten - objektiv und subjektiv - eine Straftat verübt haben könnte. Das Schöffengericht hatte im erstinstanzlichen Verfahren gegen den Angeklagten mit anderen Beweisgründen die Überzeugung von der schuldhaften Mitwirkung des Angeklagten an den verfahrensgegenständlichen Taten gewonnen. Auch das Amtsgericht Tiergarten in Berlin war in dem Verfahren gegen den Beschwerdeführer aufgrund einer Beweiswürdigung, die weder Äußerungen des Beschwerdeführers noch des Angeklagten zum Gegenstand hatte, hiervon überzeugt. Die derzeitige Beweisaufnahme vor dem Landgericht im Berufungsverfahren den Angeklagten betreffend hat ausweislich des angefochtenen Beschlusses und der Nichtabhilfeentscheidung keine Erkenntnisse erbracht, die zu einer anderen Betrachtung führen würden. Hiergegen hat auch der Beschwerdeführer nichts rechtlich Beachtliches vorgebracht.

Der Senat braucht sich bei dieser Sachlage nicht näher mit die Darstellung des Beschwerdeführers zu befassen, er habe "keine andere Möglichkeit" gesehen, als ein Geständnis abzulegen und damit auch den Angeklagten zu belasten. Allerdings erscheint diese Betrachtung wenig plausibel: Der Beschwerdeführer war von einem erfahrenen Rechtsanwalt verteidigt. Es stand ihm frei, sich überhaupt auf den Vorschlag des Berufungsgerichts einzulassen, oder etwa - ohne dabei eine eigene verwertbare Einlassung in der Sache abzugeben - durch eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch (und die darin liegende, mildernd zu berücksichtigende Schuldeinsicht) eine für ihn günstige Rechtsfolgenentscheidung zu erreichen. Bei einem solchen Vorgehen wäre von vornherein keine Grundlage für die Annahme gegeben, der Beschwerdeführer habe einen anderen in strafbarer Weise falsch verdächtigt. Ob die (vermeintliche) Befürchtung des Beschwerdeführers, dem Landgericht hätte ein solcher, formaler Vorgang nicht gereicht, um zu einer Bewährungsentscheidung gelangen zu können, begründet gewesen wäre, hätte er in Erfahrung bringen können. Er hätte entweder auf eine andere Verständigung hinwirken können, oder aber die Reaktion des Gerichts abwarten können, wenn er auf der Grundlage der tatsächlich getroffenen Verständigung (zunächst) nur die Beschränkungserklärung abgegeben hätte. Denn das Gericht wäre in dem vom Beschwerdeführer befürchteten Fall verpflichtet gewesen, ihn darauf hinzuweisen, dass es sich an die Verständigung nicht mehr gebunden sehe. Beides hat er indessen nicht getan. Dass der Beschwerdeführer, der von einem langjährig als Fachanwalt für Strafrecht tätigen Rechtsanwalt verteidigt war, sich stattdessen ohne weiteres auf eine bewusst wahrheitswidrige Belastung des Angeklagten eingelassen haben könnte, liegt gänzlich fern. Entgegen seiner offenbar bestehenden Annahme kann der Beschwerdeführer bei einer solchen Fallgestaltung eine Befreiung von seiner Zeugenpflicht nicht allein dadurch erreichen, dass er lediglich eine in keiner Weise verifizierbare bloße Befürchtung in den Raum stellt.

Da es hiernach schon an konkreten tatsächlichen Grundlagen für die Annahme der Gefahr einer Strafverfolgung fehlt, brauchte der Senat nicht zu prüfen, ob der Beschwerdeführer zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens verpflichtet wäre.

2. Es ist schließlich auch nicht ersichtlich, dass die angeordneten Maßnahmen ihrer Art und ihrem Umfang nach nicht erforderlich wären oder außer Verhältnis zur Bedeutung der Strafsache und der Aussage stünden.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

RechtsgebietStPOVorschriften§ 55 StPO

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr