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27.01.2004 · IWW-Abrufnummer 000248

Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 30.04.1999 – 7 U 201/98

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


OLG Düsseldorf

Urteil Az: 7 U 201/98
5 O 323/97
LG Düsseldorf
verkündet am 30. April 1999

In dem Rechtsstreit

pp

Frau XXX - Beklagte und Berufungsbeklagte -

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. XXX sowie der Richter am Oberlandesgericht XXX und XXX auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 1999 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 1.7.1998 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 34.423,15 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15. August 1997 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.

Die Beklagte ist verpflichtet, aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung an die Klägerin einen Schadenersatzbetrag von 34.423,15 DM zu zahlen (§§ 280, 286 BGB analog).

Die Beklagte ist Versicherungsmaklerin der Klägerin. Nach der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil in VersR 1996, 1104), die der des Bundesgerichtshofs entspricht (BGH VersR 1985, 930), ist ein Versicherungsmakler seinen Kunden gegenüber durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag verbunden, der ihn - anders als den Zivilmakler - zu umfassender Tätigkeit verpflichtet. Er hat den objektiv notwendigen Versicherungsbedarf durch eingehende Risikoanalyse zu ermitteln, einen geeigneten Versicherer auszuwählen und alsbald die notwendige - gegebenenfalls vorläufige - Deckung zu möglichst günstigen Konditionen herbeizuführen (vgl. Senatsurteil a.a.O.; Werber, VersR 1992, 921; Prölss/Martin/Kollhosser, VVG, 26. Aufl. 1998, Anh. zu §§ 43-48, Rdn. 5). Im Rahmen der sodann laufenden Betreuung des Versicherungsverhältnisses hat der Versicherungsmakler das versicherte Risiko zu überwachen, im Falle von Risikoveränderungen den Versicherungsnehmer hierauf ungefragt hinzuweisen und auf eine Anpassung hinzuwirken. Insgesamt ist der Versicherungsmakler zur fortlaufenden und ständigen Betreuung des Versicherungsnehmers verpflichtet. Er muss umgehend und unaufgefordert prüfen, ob der bestehende Vertrag den Bedürfnissen des Kunden noch entspricht. Etwaigen Veränderungen des versicherten Risikos muss er durch entsprechende Beratung Rechnung tragen (Benkel/Reusch, VersR 92, 1311 m.w.N.). Im Sinne einer Zusammenfassung dieser Pflichten hat der BGH den Versicherungsmakler zu Recht als "treuhänderischen Sachwalter" des Versicherungsnehmers bezeichnet (vgl. BGH a.a.O.). Unter Anwendung dieser Grundsätze gilt im Streitfall folgendes:

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann der Beklagten nicht vorgeworfen werden, dass sie eine positive Anweisung der Klägerin missachtet habe, ab April 1997 für ihr Porsche-Cabriolet einen Vollkasko-Versicherungsschutz herbeizuführen.
Zwar hat der vor dem Senat vernommene Zeuge XXX erklärt, er habe gehört, wie die Klägerin in seinem Beisein mit der Beklagten ein Telefongespräch geführt und dabei erklärt habe, der Porsche-Pkw solle ab April 1997 wieder vollkaskoversichert werden. Auch hat die in erster Instanz vernommene Zeugin XXX ausgesagt, sie habe im Februar 1997 am Telefonapparat der Klägerin einen Anruf der Beklagten entgegengenommen, bei dem diese erklärt habe, sie - die Zeugin - solle der Klägerin ausrichten, das mit der Vollkaskoversicherung für den Porsche gehe in Ordnung. Beiden Aussagen kann aber nicht mit der nötigen Sicherheit entnommen werden, dass die Klägerin insoweit der Beklagten eine konkrete und verbindliche Anweisung erteilt hat. Abgesehen davon hat die als Partei vernommene Beklagte in Abrede gestellt, von der Klägerin jemals eine derartige Anweisung bekommen zu haben; vielmehr habe die Klägerin erklärt, sie wolle sich dies noch überlegen. Welchen der einander widersprechenden Aussagen der Vorzug zu geben ist und was die Klägerin dementsprechend der Beklagten genau gesagt hat, vermag der Senat nicht aufzuklären. Auf die Missachtung einer positiven Weisung der Klägerin kann die Haftung der Beklagten demgemäß nicht gestützt werden. Denn die Unklarheit in diesem Punkt geht zu Lasten der Klägerin.

Andererseits war die Beklagte aber auch ohne eine derartige positive Anweisung der Klägerin verpflichtet, gemäß den oben dargelegten Grundsätzen das laufende Versicherungsverhältnis auf eine Veränderung des Risikos zu überprüfen und gegebenenfalls selbst dann die Klägerin daraufhin noch einmal anzusprechen, wenn sie tatsächlich geäußert haben sollte, sie werde sich den Abschluss einer
Vollkaskoversicherung noch einmal überlegen. Wie oben dargelegt, hat der Versicherungsmakler die Pflicht, seine Kunden und deren Versicherungsverhältnisse ständig zu betreuen und auch ungefragt auf eine Anpassung hinzuweisen, wenn sich das Risiko zu verändern droht. Dies war hier mit Beginn der Sommersaison der Fall. Unstreitig hatte die Klägerin bislang ihr Porsche-Cabriolet im Sommer immer vollkaskoversichern lassen. Sie hatte nach Beratungsgesprächen Ende 1996/Anfang 1997 nur deshalb gezögert, weil die Beklagte ihr die Möglichkeit eines sogenannten Saison-Kennzeichens aufgezeigt hatte. Selbst wenn die Klägerin im Februar 1997 gesagt haben sollte, sie wolle sich die Sache noch einmal überlegen, durfte die Beklagte die Zeit bis April 1997 nicht untätig verstreichen lassen. Sie hätte vielmehr kurz vor Beginn der Zeit, in der die Klägerin nach früherer Übung das Cabriolet zu benutzten pflegte, die Klägerin noch einmal ansprechen und auf den Abschluss einer
Vollkaskoversicherung hinwirken müssen. Die Beklagte hat selbst ausgesagt, dass sie sich monatlich Versicherungsstände bei der XXX hat durchgeben lassen. Dann musste sie aber im März 1997 bemerken, dass die Klägerin bisher noch nichts unternommen hatte, um - wie früher - einen Vollkaskoversicherungsschutz herbeizuführen. Dies hätte der Beklagten Anlass sein müssen, die Klägerin noch einmal anzusprechen. Der Ansicht des Beklagtenvertreters, der im Senatstermin
darauf hingewiesen hat, bei einem Bestand von etwa 100 Kunden würde dies die Pflichten der Beklagten überdehnen, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Anforderungen an die Pflichten eines Versicherungsmaklers werden mit dem Ansteigen seiner Kundenzahl nicht geringer, ggf. muss er sich personell verstärken.

Gemäß § 249 S. 1 BGB hat die Beklagte die Klägerin so zu stellen, wie sie bei einer ordnungsgemäßen Betreuung durch die Beklagte stünde. Dann hätte die Klägerin - entsprechend der Vermutung beratungsgemäßen Verhaltens und mit Blick auf ihre frühere Übung - im Laufe des Monats April 1997 eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen. Dann hätte die Versicherung für den von der Klägerin am 5. Mai 1997 selbst verschuldeten Unfallschaden in Höhe von 68.846,31 DM eintreten müssen.
Die Versicherung wäre auch nicht nach § 62 Abs. 2 VVG wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Unfalls durch die Klägerin von der Verpflichtung zur Leistung frei gewesen. Aus der beigezogenen Bußgeldakte (6273/000605/97/5 Polizeiverwaltungsamt Viechtach) geht zwar hervor, dass die Klägerin mit ihrem Pkw auf regennasser Fahrbahn "aufgrund überhöhter Geschwindigkeit" ins Schleudern
geriet und gegen eine Außenschutzplanke stieß. Die Klägerin hat jedoch unwiderlegt vorgetragen, sie habe trotz angepasster Geschwindigkeit deshalb die Kontrolle über ihren Wagen verloren, weil sich in Spurrillen an der Unfallstelle, auf welche nicht durch ein entsprechendes Verkehrsschild hingewiesen worden sei, Wasseransammlungen gebildet hätten. Ein Anscheinsbeweis für grobes Verschulden besteht bei dieser Lage nicht. Demgemäß hat die Beklagte den ihr obliegenden
Beweis groben Verschuldens (vgl. die Formulierung des § 62 Abs. 2 S. 1 VVG) nicht führen können.

Allerdings mindert sich nach § 254 BGB die Schadensersatzpflicht der Beklagten durch ein mitverursachendes Eigenverschulden der Klägerin. Das Landgericht hat zutreffend ausgesprochen, dass auch die Klägerin selbst darauf hätte achten müssen, ob vor Beginn der "Freiluft-Saison" ihr Pkw Porsche - wie früher - vollkaskoversichert war. Das Landgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Klägerin, da sie keine entsprechenden Versicherungsunterlagen bekam, nicht ohne weiteres darauf vertrauen konnte, die Beklagte habe schon das Notwendige für sie veranlasst. Allerdings hat der Senat in seinem oben angeführten Urteil (VersR 96, 1105) ausgesprochen, dass in derartigen Fällen grundsätzlich ein schadensminderndes Mitverschulden des Geschädigten nicht angenommen werden kann. Ist nämlich - wie hier - die fachgerechte Beratung und Betreuung Inhalt einer Vertragspflicht, so kann sich der pflichtwidrig handelnde Vertragspartner in der Regel nicht darauf berufen, der ihm vertrauende Geschädigte habe seine Interessen selbst schützen und insbesondere mit einer Pflichtverletzung rechnen müssen. Denn um sich von derartigen Obliegenheiten zu befreien, nimmt der Kunde ja gerade die Dienste eines Fachmanns in Anspruch. Von diesem Grundsatz sind jedoch Ausnahmen dann angebracht, wenn es sich - wie hier - um Vorgänge handelt, die zwar in den Pflichtenbereich der Beklagten als Versicherungsmaklerin gehören, die aber keine besondere Fachkenntnis erfordern und daher auch vom Kunden selbst wahrgenommen werden könnten, ohne dass dies ihm besondere Schwierigkeiten bereiten würde. Je weniger eine Geschäftsordnung im Rahmen eines Vertrages besondere Fachkenntnis erfordert, desto mehr ist Raum für die Möglichkeit der Annahme eines mitverursachenden Eigenverschuldens des Geschädigten. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hält der Senat die Annahme eines hälftigen Mitverschuldens der Klägerin für angemessen. Demgemäß schuldet die Beklagte der Klägerin nur Schadensersatz in Höhe der Hälfte der Klageforderung, nämlich 34.423,15 DM.

Zinsen schuldet die Beklagte der Klägerin in gesetzlicher Höhe von 4 % gemäß den §§ 288, 291 BGB nach Rechtshängigkeit.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 92 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.

Die Beschwer beider Parteien beträgt 34.423,15 DM.

Zur Zulassung der Revision besteht ein begründeter Anlass.

Streitwert: 68.846,31 DM.

RechtsgebietMaklerrechtVorschriften§§ 280, 286 BGB analog

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