01.10.2003 · IWW-Abrufnummer 032142
GWP 06/2003 Seite 24-26
"1. Hand", "Fahrzeug aus 2. Hand" - wie sehen es die Gerichte?
Bezeichnungen wie "Ersthandwagen“, "1. Hand“ oder einfach "1. Hd.“, – im Folgenden "Ersthandwagen“ – tauchen im GW-Geschäft häufig auf. Doch Vorsicht ist geboten, wie Ihnen folgender Beitrag zeigt.
Halter contra Besitzer oder Eigentümer
In den vorgedruckten GW-Bestellscheinen findet man nicht "Ersthandwagen“. Dort heißt es: "Zahl der Halter lt. Fz.-Brief“ und/oder "Zahl der Halter lt. Vorbesitzer“. Es sind also die Halter, die hier aufgezählt werden. Dabei verweist der Händler zu seinem Schutz auf den Brief und/oder auf den Vorbesitzer als Quelle. Mitunter findet man in GW-Bestellscheinen die missverständliche Rubrik "Zahl der Vorbesitzer lt. Fz.-Brief“. Gemeint ist "Zahl der Halter lt. Fz.-Brief“.
Unser Tipp: Sorgen Sie in Ihren Vordrucken für Klarheit und verwenden Sie "Zahl der Halter lt. Fz.-Brief“ oder "Zahl der Halter lt. Vorbesitzer“
Die Bezeichnung "Zahl der Halter lt. Fz.-Brief“ hat ihren guten Grund: Im nationalen Fahrzeugbrief stehen die Halter, auf deren Namen das Fahrzeug von einer deutschen Behörde zum Verkehr zugelassen worden ist. Der Fahrzeugbrief dokumentiert keineswegs die Besitzer und schon gar nicht die Eigentümer. Die Besitz- und Eigentumsverhältnisse können ganz anders sein.
Verfänglich kann es sein, wenn Sie beim Verkauf von "Ersthandwagen“ sprechen, weil Sie dabei nicht eindeutig die Anzahl der Halter auf Basis des Eintrags im Fahrzeugbrief nennen. Folgende Probleme können in der Praxis auftauchen:
- Kann ein Fahrzeug, das auf eine GmbH & Co. KG zugelassen war, nach einer Umfirmierung des Unternehmens in eine GmbH noch als "Ersthandwagen“ angeboten werden?
- Ist ein Leasing-Rückläufer noch ein "Ersthandfahrzeug“?
- Darf ein Händler ein Fahrzeug mit einer einzigen Haltereintragung im Brief als "Fahrzeug aus erster Hand“ verkaufen, wenn er es von einem Zwischenhändler angekauft hat, der im Brief nicht registriert ist?
- Was ist mit einer früheren Zulassung im Ausland?
- Was heißt eigentlich "Fahrzeug aus zweiter Hand“? Darf es mehr als zwei frühere Halter haben?
Aktueller Fall
Einige dieser Fragen sind Gegenstand einer aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf (Urteil vom 12.3.2003, Az: 3 U 45/02; Abruf-Nr. 031032). Was war passiert?
Der später verklagte GW-Händler hatte einen Audi A4 Avant TDI zum Preis von 29.700 DM verkauft. Im Vertrag vom 23. September 1999 war notiert: "1. Hd., EZ: 10.02.1997“. Bei der Übergabe des Fahrzeugs erhielt der Käufer nicht den Originalbrief, sondern nur einen Brief in Kopie. Daraus ging hervor, dass das Fahrzeug am 10. Februar 1997 auf die Firma S. GmbH & Co. KG, am 5. August 1997 auf die Firma S. GmbH zugelassen und am 13. April 1999 stillgelegt worden war. Bevor der Audi zum Händler kam, war er im Besitz von mindestens zwei "Zwischenhändlern“. In der Briefkopie konnte der Käufer zu den Zwischenstationen nichts finden. Der Händler hatte ihn auch nicht aufgeklärt.
Im April 2001 wurde dem Käufer ein Originalbrief übergeben, nicht von seinem Händler, sondern von einer Bank. Dieser Brief war auf Antrag an den Händler ausgegeben, der bisherige Brief eingezogen worden. Im neuen Brief war die Anzahl der Vorhalter mit "zwei“ angegeben.
Der Käufer, der sich in erster Linie über eine angebliche Tachomanipulation beschwerte, führte in seinem Streit mit dem Händler auch ins Feld, über die Anzahl der Vorbesitzer getäuscht worden zu sein. Als "Ersthandfahrzeug“ habe der Wagen nie und nimmer verkauft werden dürfen. Gegen diesen Vorwurf verteidigte sich der Händler folgendermaßen: Die Ersthalterin, also die GmbH & Co. KG, sei lediglich in eine GmbH umgewandelt worden. Von einem Halterwechsel könne nicht die Rede sein. Der im Brief nicht eingetragene Verkäufer, von dem er den Audi erworben habe, sei lediglich ein "Zwischenhändler“ gewesen. Von wem dieser das Fahrzeug gekauft habe, wisse er nicht.
Misserfolg für den Händler vor dem OLG Düsseldorf
In erster Instanz vor dem Landgericht (LG) Duisburg hatte der Händler mit dieser Verteidigung Erfolg. Die Klage wurde abgewiesen. Auf die Berufung des Käufers wurde das Urteil aber umgedreht. Das OLG Düsseldorf verurteilte den Händler zur Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Vergütung für die vom Käufer gefahrenen Kilometer. Außerdem hatte der Händler den Hauptteil der Gerichts- und Anwaltskosten zu tragen. Und das alles wegen der Kurzinfo "1. Hd.“.
Das OLG ließ keinen Zweifel daran, dass die "Ersthand“-Erklärung im schriftlichen Kaufvertrag falsch war. Es komme gar nicht darauf an, ob der Händler den Käufer arglistig getäuscht habe. Entscheidend sei, dass dem Fahrzeug die zugesicherte Eigenschaft tatsächlich gefehlt habe, aus erster Hand zu stammen.
Umschreibung von der GmbH & Co. KG auf die GmbH unerheblich?
Das OLG ließ offen, ob bereits die Umschreibung des Fahrzeugs von der GmbH & Co. KG auf die GmbH der Bezeichnung "Ersthandfahrzeug“ entgegenstehe. Denn faktisch sind es zwei Halterinnen. Die beiden Firmeneintragungen sind dem Käufer bekannt gewesen, sie sind aus dem Fahrzeugbrief (Kopie) hervorgegangen. Interessant ist der ergänzende Hinweis des OLG, wonach in der bloß "firmenrechtlichen“ Änderung nicht unbedingt ein Wert bildender Faktor gesehen werden könne. Wenn es darauf angekommen wäre, hätten das OLG in dieser Änderung der Haltereigenschaft wohl keinen Grund gegen einen Verkauf als "Ersthandfahrzeug“ gesehen.
Unser Tipp: Verlassen Sie sich nicht auf eine solche Einschätzung. Sie können damit schief liegen, zumal dann, wenn Ersthalter ein Einzelunternehmer war, der später eine GmbH gegründet hat. Ist die GmbH als weitere Halterin im Brief eingetragen, sollten Sie die Bezeichnung "Ersthandfahrzeug“ vermeiden, auch wenn der "Chef“ weiterhin ausschließlich den Wagen gefahren hat. Gehen Sie auf Nummer sicher und verwenden Sie nicht den Ausdruck "Ersthandwagen“ etc., wenn mehrere Halter im Fahrzeugbrief eingetragen sind.
Nicht eingetragene Zwischenbesitzer offenbaren?
Und was ist mit nicht eingetragenen Zwischenbesitzern/Zwischeneigentümern? Auf diese spannende Frage gibt das OLG Düsseldorf eine überraschende Antwort: Allein auf die Haltereigenschaft abzustellen, werde der Bedeutung der Angabe "1. Hand“ für den Erwerber eines gebrauchten Fahrzeugs nicht gerecht. Er verbinde mit der Erklärung aus "1. Hand“ nämlich die verlässliche Zusicherung des Verkäufers, dass das Fahrzeug gerade nicht durch mehrere Hände gegangen sei. "Hände“ in diesem Sinn könnten auch zu Personen gehören, die im Brief nicht eingetragen seien, zum Beispiel auch Zwischenhändler. Für den potenziellen Käufer sei es wichtig zu wissen, ob der Händler das Fahrzeug von dem im Brief zuletzt eingetragenen Halter/Vorbesitzer oder von einem Dritten erworben habe. Ein mehrfacher Zwischenverkauf wirke sich auf den Kaufpreis negativ aus (wertbildender Faktor). Zudem sei die Gefahr von Manipulationen am Fahrzeug, zum Beispiel am Tacho, bei solchen Zwischenstationen größer als bei einem direkten Weiterverkauf.
Wichtig: Und noch etwas unterstreicht das OLG: "Unterlässt es der gewerbsmäßig mit gebrauchten Kraftfahrzeugen handelnde Automobilfachbetrieb sich zu erkundigen bzw. zu vergewissern, ob derjenige, von dem er das Auto erworben hat, das Fahrzeug seinerseits von dem zuletzt im Brief eingetragenen oder von einem weiteren Zwischenhändler gekauft hat, so verbietet es die Redlichkeit, beim Weiterverkauf dieses Fahrzeugs anzugeben, das Fahrzeug stamme aus erster Hand.“
Diese Aussage verdient höchste Aufmerksamkeit, gerade heutzutage, wo schnelle Wechsel zumal bei Unfallfahrzeugen gang und gäbe sind. Bei gezielten Nachforschungen ist es immer wieder überraschend, durch wie viele Hände ein Fahrzeug innerhalb relativ kurzer Zeit gegangen ist. Einem Verbraucher diese Besitzkette zu verschweigen, geht nach der OLG-Aussage in Richtung arglistige Täuschung.
Unser Tipp: Vermeiden Sie als Händler beim Verkauf derartiger "Vieldreher“ die Zusage "aus 1. Hand“.
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