28.05.2013 · IWW-Abrufnummer 131680
Oberlandesgericht München: Beschluss vom 26.09.2012 – 9 W 1754/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OLG München
26.09.2012
9 W 1754/12
In Sachen
xxx
- Kläger und Beschwerdeführer -
Prozessbevollmächtigte:
xxx
gegen
1) xxx
- Beklagter und Beschwerdegegner -
2) xxx
- Beklagte und Beschwerdegegnerin -
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
xxx
wegen Forderung
hier: Ablehnung des zuständigen Richters aufgrund Befangenheit
erlässt das Oberlandesgericht M ünchen - 9. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxx, den Richter am Oberlandesgericht xxx und den Richter am Oberlandesgericht xxx am 26.09.2012 folgenden
Beschluss
Tenor:
1.
Auf die sofortige Beschwerde der Klagepartei wird der Beschluss des Landgerichts München I, 24. Zivilkammer, vom 3.7.2012 aufgehoben.
2.
Das Ablehnungsgesuch der Klagepartei gegen Frau Richterin am Landgericht xxx ist begründet.
Gründe
I.
Die Klagepartei macht gegenüber den Beklagten Restwerklohn für die Errichtung eines Einfamilienhauses geltend.
Mit Beschluss vom 7.5.2010 wurde der Sachverständige xxx der abgelehnten Richterin mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens beauftragt. Die Einholung des Gutachtens wurde von Einzahlung eines Auslagenvorschusses in Höhe von Euro 2.000..- durch die Klagepartei abhängig gemacht. Der Betrag wurde von der Klagepartei einbezahlt.
Am 22.9.2011 legte der Sachverständige das Gutachten und seine Honorarrechnung über Euro 496,94 vor. Mit Verfügung vom 23.9.2011 bestimmte die abgelehnte Richterin einen Termin zur mündlichen Verhandlung und machte die Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens von der Einzahlung eines Auslagenvorschusses in Höhe von Euro 500.- abhängig.
Beide Parteien stellten keine Ergänzungsfragen. Die Klagepartei teilte aber mit Schriftsatz vom 31.10.2011 mit, dass sie das Gutachten für ungenügend erachte und eine neue Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen beantrage.
Nach der mündlichen Verhandlung zahlte die Klagepartei einen Vorschuss von Euro 500.- ein, wies aber im Schriftsatz vom 8.12.2011 darauf hin, dass vom ursprünglich eingeforderten Vorschuss von Euro 2.000.- noch ein Betrag von Euro 1.503,06 zur Verfügung gestanden hätte.
Der Sachverständige xxx wurde von der abgelehnten Richterin am 13.12.2011 mit einer ergänzenden Begutachtung beauftragt.
Am 26.1.2012 legte der Sachverständige eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme und eine weitere Honorarrechnung über Euro 418,88 vor.
Mit Verfügung vom 27.1.2012 gab die abgelehnte Richterin Gelegenheit, zum Ergänzungsgutachten Stellung zu nehmen und machte die Erholung eines weiteren Ergänzungsgutachtens oder die Ladung des Sachverständigen von der Einzahlung eines Auslagenvorschusses in Höhe von Euro 1.000.-abhängig.
Mit Schriftsatz vom 15.2.2012 lehnte die Klagepartei die Richterin wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Dieses Antrag wurde in erster Linie darauf gestützt, dass die Richterin mit Verfügung vom 27.1.2012 einen weiteren Auslagenvorschuss angefordert habe, obwohl der eingezahlte Vorschuss noch nicht verbraucht war.
Das Ablehnungsgesuch wurde vom Landgericht als unbegründet zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Der Senat wies das Rechtsmittel mit Beschluss vom 8.5.2012 u.a. mit der Begründung zurück, die Richterin habe offensichtlich routinemäßig einen Auslagenvorschuss angefordert, ohne den nicht verbrauchten Vorschuss der Klagepartei zu bedenken. Auf diesen Umstand hätte die Klagepartei die Richterin hinweisen können.
Der Beschluss vom 8.5.2012 wurde von der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts am 9.5.2012 an die Parteien versandt und die Akten an das Landgericht zurückgegeben.
Mit Beschluss vom 10.5.2012 bestimmte die abgelehnte Richterin Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und wies den Sachverständigen xxx an, Fragen der Klagepartei in einem Schriftsatz, vom 15.2.2012 zu beantworten. Die Einholung dieser ergänzenden Stellungnahme wurde davon abhängig gemacht, dass "die Klagepartei binnen 2 Wochen spätestens den bereits mit Verfügung vom 27.1.2012 angeordneten Auslagenvorschuss einbezahlt hat, der in Anbetracht des überschaubaren Fragenumfanges auf 500.- festgesetzt wird".
Mit Schriftsatz vom 15.5.2012 wies die Klagepartei nochmals vorsorglich darauf hin, dass sie bereits erhebliche Vorschüsse eingezahlt habe, die großenteils noch nicht verbraucht seien. Es wurde um Mitteilung gebeten, ob das Gericht darauf bestehe, dass der Kläger entsprechend der Verfügung vom 27.1.2012 einen weiteren Vorschuss einzubezahlen habe.
Die Richterin verfügte daraufhin am 21.5.2012, dass es bei der Vorschussanforderung gemäß dem Beschluss vom 10.5.2012 sein Bewenden hat.
Mit Schriftsatz vom 18.5.2012, eingegangen am 21.5.2012, teilte die Klagepartei die Vermutung mit, dass sich die Anfrage vom 15.5.2012 möglicherweise mit dem Beschluss vom 10.5.2012 überschnitten habe. Die Klägerin bat nochmals um Klarstellung, ob das Gericht auf der Einzahlung eines weiteren Auslagenvorschusses von 500.- Euro durch die Klagepartei bestehe.
Die abgelehnte Richterin nahm am 22.5.2012 von diesem Schriftsatz Kenntnis, verfügte aber lediglich, dass der Wiedervorlagetermin unverändert bleibt.
Mit Schriftsatz vom 29.5.2012, eingangen am selben Tag, lehnte die Klagepartei Frau Richterin am Landgericht xxx erneut wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
In der dienstlichen Stellungnahme vom 11.6.2012 erklärte die Richterin, sie habe übersehen, dass ein noch unverbrauchter Auslagenvorschuss vorhanden sei.
Die 24. Zivilkammer des Landgerichts wies mit Beschluss vom 3.7.2012, zugestellt am 16.7.2012, den Befangenheitsantrag als unbegründet zurück. Dagegen legte die Klagepartei mit Schriftsatz vom 26.7.2012, eingegangen am 27.7.2012, sofortige Beschwerde ein.
Das Landgericht half der Beschwerde nicht ab und legte die Akten mit Beschluss vom 7.8.2012 dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 46 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO statthaft, zulässig und begründet. Aus der Sicht der Klagepartei ist die Besorgnis gerechtfertigt, Frau Richterin am Landgericht xxx würde der Klägerin nicht unvoreingenommen gegenüber stehen.
Gem. § 46 Abs. 2 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Die Besorgnis der Befangenheit ist anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Richters aufkommen lassen. Dabei können nur Gründe berücksichtigt werden, die vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit parteiisch gegenüber (BGH NJW-RR 2007, 776 [BGH 21.12.2006 - IX ZB 60/06]; 2003, 1220).
Das Ablehnungsgesuch wird von der Klagepartei damit begründet, dass in Anbetracht des vorangegangenen Ablehnungsverfahrens das erneute Anfordern eines Auslagenvorschusses eine willkürliche Entscheidung sei.
Auch wenn das erneute Anfordern eines Auslagenvorschusses am 10.5.2012 darauf zurückzuführen ist, dass die abgelehnte Richterin - abermals - übersehen hatte, dass ein ausreichender, nicht verbrauchter Vorschuss vorhanden ist, so ist es auch bei vernünftiger Betrachtung nachvollziehbar, dass die Klägerin befürchtet, die Richterin wolle sie durch die getroffene Entscheidung prozessökonomisch unter Druck setzen und daran hindern, weitere Ergänzungsfragen an den Gutachter zu stellen.
Diese Befürchtung ergibt sich insbesondere daraus, dass im vorausgegangenen Ablehnungs- und Beschwerdeverfahren das Anfordern des Auslagenvorschusses von zentraler Bedeutung war und die erneute Anforderung des Auslagenvorschusses am 10.5.2012 zwei Tage nach der Senatsentscheidung erfolgt ist. Das in der dienstlichen Stellungnahme erwähnte "Übersehen" des nicht verbrauchten Vorschusses kann auch bei objektiver Betrachtung nur darauf beruhen, dass die Richterin die Senatsentscheidung vom 8.5.2012 nicht zur Kenntnis genommen hat.
Darüber hinaus hat die Klagepartei mit den Schriftsätzen vom 15.5.2012 und 18.5.2012 die Richterin ausdrücklich auf den nicht verbrauchten Vorschuss hingewiesen, ohne dass diese darauf reagiert hätte. Aus der Verfügung vom 21.5.2012 ergibt sich, dass spätestens zu diesem Zeitpunkt Veranlassung bestanden hätte, nachzuprüfen, ob ein ausreichender Vorschuss noch vorhanden ist, nachdem die Richterin auf ihr "Übersehen" hingewiesen worden war.
Unter Abwägung dieser Gesichtspunkte ist das Ablehnungsgesuch der Klagepartei begründet.