Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

21.05.2013 · IWW-Abrufnummer 131606

Amtsgericht Reutlingen: Urteil vom 26.10.2012 – 9 C 1190/12

1.

Die tatsächliche Behauptung von Lärm und Vibrationen kann für den Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 BGB, 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auch und gerade durch eine Versicherung an Eides statt glaubhaft gemacht werden.
2.

Im Grundsatz unbeachtlich ist, dass diese subjektiven Eindrücke im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht technisch gemessen und überprüft wurden. Würde man den Unterlassungsanspruch nur dann bejahen, wenn die Beeinträchtigung im technischen Sinne messbar war und hierbei Richtwerte - etwa der der TA Lärm - überschritten wurden, würde verkannt werden, dass technischen Richtwerten allenfalls eine Indizwirkung zukommt.
3.

Tabellen aus der TA Lärm u. Ä. haben für das Zivilgericht keine Bindungswirkung. Es handelt sich bloß um normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften. Allein daraus, dass deren Werte unter- oder überschritten werden, lässt sich noch nicht sagen, dass es sich um eine unwesentliche oder wesentliche Beeinträchtigung handelt ("limitierte Verwaltungsakzessorietät"). Stattdessen ist zu fragen, ob die festgestellte Beeinträchtigung für einen verständigen Durchschnittsmenschen zu einer Lästigkeit führt.


AG Reutlingen
26.10.2012

9 C 1190/12 WEG

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
..................
- Antragstellerin/Verfügungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
........................
Verwalterin der Wohnungseigentumsgemeinschaft:
.............
gegen
..................
- Antragsgegner/Verfügungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigter:
......................
wegen Unterlassung
hat das Amtsgericht Reutlingen
durch
den Richter Dr. Skauradszun
auf die letzte mündliche Verhandlung vom 18.10.2012
für Recht erkannt:
Tenor:

1.

Die am 17.08.2012 angeordnete einstweilige Verfügung wird bestätigt.
2.

Der Verfügungsbeklagte hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.
Tatbestand

Die Parteien streiten vorliegend um die Benutzung eines Whirlpools auf der Terrasse der Wohnung des Beklagten.

Die Klägerin ist die Wohnungseigentümergemeinschaft ... als Verband. Der Beklagte ist Eigentümer der Wohnung Nr. ... und Mitglied dieser WEG. Mitte 2010 stellte der Beklagte einen Whirlpool auf die Terrasse seiner Wohnung. Dieser bietet Platz für 4 - 5 erwachsene Personen und fasst befüllt 1.211 Liter Wasser (Anlage B 1 der beigezogenen Akte des Hauptsacheverfahrens 9 C 845/12 WEG). Direkt unter der Wohnung des Beklagten haben die Eheleute ... ihre Wohnung (Nr. ...), wiederum darunter hat ... ihre Wohnung. Da sich verschiedene Wohnungseigentümer in der Folge über Lärm und Vibrationen des Whirlpools beschwerten, versuchte der Beklagte darauf mittels einer Dämmmatte, einer Zeitschaltuhr sowie der Entkopplung von Pumpe und Motor am Whirlpool Einfluss zu nehmen. Da all diese Versuche erfolglos waren, beschloss die Wohnungseigentümerversammlung am 03.05.2012 unter TOP 12 (Anlage K 6 der beigezogenen Akte des Hauptsacheverfahrens 9 C 845/12 WEG):

"Die Gemeinschaft möchte, dass der Whirlpool beseitigt wird; sollte sich das nicht durchsetzen lassen, sollen zumindest die von ihm ausgehenden

Störungen abgestellt werden. Die entsprechenden Beseitigungs- und/oder

Unterlassungsansprüche der einzelnen Miteigentümer werden von der

Gemeinschaft geltend gemacht. Die Verwaltung soll nach Rücksprache mit dem Verwaltungsbeirat einen Rechtsanwalt

damit beauftragen, namens der Gemeinschaft für die Durchsetzung dieses Beschlusses zu sorgen. Gerichtlichen Schritten wird vorsorglich schon jetzt zu gestimmt."

Dieser Beschluss kam mit 23 Ja-Stimmen bei 4 Enthaltungen und einer Nein-Stimme zustande und wurde sodann verkündet. Er blieb unangefochten. Auf der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 24.07.2012 beschlossen die Wohnungseigentümer zudem, dass nunmehr einstweiliger Rechtsschutz beantragt werden solle. Vorausgegangen waren mehrere anwaltliche Schreiben zwischen den Parteien, namentlich das Schreiben des Rechtsanwalts der Verfügungsklägerin vom 11.05.2012 (Anlage K7 des Hauptsacheverfahrens 9 C 845/12 WEG), die Erwiderung des Rechtsanwalts des Verfügungsbeklagten vom 30.05.2012, mit dem die Prüfung bis zum 15.06.2012 zugesagt wird (Anlage K8 des Hauptsacheverfahrens 9 C 845/12 WEG). Das Hauptsacheverfahren selbst wurde beim Amtsgericht Reutlingen am 18.06.2012 eingeleitet.

Die Verfügungsklägerin beantragte am 06.08.2012, den Verfügungsbeklagten einstweilen bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren AG Reutlingen 9 C 845/12 WEG zu verpflichten, es zu unterlassen, den Motor bzw. die Umwälzpumpe des auf der Terrasse seiner Wohnung Nr. ... im Haus der Antragstellerin aufgestellten Whirlpools zwischen 20 Uhr und 8 Uhr und je Tag länger als eine Stunde laufen zu lassen.

Das Gericht hat über den Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der dem Gericht am 17.08.2012 vorgelegt wurde, durch Beschluss vom gleichen Tag wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung entschieden (Bl. 7 d. A.) und beschlossen, dass der Antragsgegner einstweilen bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache verpflichtet wird, es zu unterlassen, den Motor bzw. die Umwälzpumpe des auf der Terrasse seiner Wohnung Nr. ... im Haus der Antragstellerin aufgestellten Whirlpools zwischen 20 Uhr und 6 Uhr laufen zu lassen.

Die Verfügungsklägerin behauptet, dass die Wohnungseigentümer Herr und Frau ... mit ihrem dreijährigem Sohn sowie Frau ... durch Lärm und Vibrationen des Whirlpools so erheblich gestört werden, dass deren Nachtruhe beeinträchtigt und deren Gesundheit gefährdet sei. Durch den Whirlpool entstehender Lärm sei im Schlafzimmer von der Wohnung der Eheleute ... deutlich zu hören, ferner das Wasserrauschen, wenn der Whirlpool in Betrieb ist. In der Wohnung von Frau ... sei der Whirlpool sowohl im Badezimmer als auch im Kinderzimmer zu hören. Die Wohnungseigentümer hätten sich ferner auch schon vor dem einstweiligen Verfügungsverfahren beim Beklagten beschwert. Man sei dann zunächst aber nicht tätig geworden, da der Whirlpool zwischen Dezember 2011 und Mai 2012 nicht in Betrieb gewesen sei.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die am 17.08.2012 angeordnete einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 17.08.2012 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Verfügungsbeklagte macht geltend, dass die Verfügungsklägerin Beschwerden gegen den Whirlpool erst nach über einem Jahr Laufzeit vorgebracht habe. Einstweiliger Rechtsschutz sei daher nicht mehr dringlich. Die Verfügungsklägerin sei ferner schon nicht aktivlegitimiert. Es handele sich um Individualrechte, bezüglich derer die Verfügungsklägerin jedenfalls nicht glaubhaft gemacht habe, zur Geltendmachung berechtigt zu sein. Es handele sich bei dem Whirlpool auch nicht um eine bauliche Veränderung, da in die Bausubstanz nicht eingegriffen worden sei. Im Übrigen würden die eidesstattlichen Versicherungen der betroffenen Wohnungseigentümer Herr und Frau ... sowie Frau ... nur subjektive Eindrücke bezeugen, was für das einstweilige Verfügungsverfahren untauglich sei. Schließlich gingen etwaige Beeinträchtigungen der betroffenen Wohnungseigentümer nicht über das gewöhnliche Maß hinaus. Etwaige Beeinträchtigungen seien nicht einmal technisch gemessen worden.

Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze mitsamt Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat ferner in der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2012 (Bl. 107 ff. d. A.) die präsenten Zeugen Herr und Frau ... zu der Frage vernommen, inwieweit es in ihrer Wohnung zu Beeinträchtigungen kommt.
Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war am Schluss der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2012 zulässig und begründet. Die einstweilige Verfügung vom 17.08.2012 war dementsprechend gem. §§ 936, 925 Abs. 2 Alt. 1 ZPO zu bestätigen.

I.

Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung war zulässig.

1. Der Antrag war statthaft. Es handelt sich um eine Streitigkeit zwischen dem Verband und einem einzelnen Wohnungseigentümer im Sinne von § 43 Nr. 2 WEG.

2. Für das vorliegende Begehren der Verfügungsklägerin ist eine Regelungsverfügung nach § 940 ZPO statthaft. Die Verfügungsklägerin begehrt nicht die Sicherung eines gegenwärtigen Zustandes, sondern eine einstweilige Regelung in Bezug auf die Benutzung des streitgegenständlichen Whirlpools.

3. Das erkennende Gericht ist nach § 937 ZPO zuständig. Es ist zugleich Gericht der Hauptsache, § 943 ZPO i. V. mit § 43 Nr. 2 WEG.

II.

Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist auch begründet.

1. Der Verfügungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 1004 BGB, 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG. Er zielt auf die Unterlassung einer Störung durch Lärm bzw. Vibration sowie auf die Unterlassung, eine baulichen Veränderung einstweilen zu nutzen.

2. Die Verfügungsklägerin war für diese Anspruchsgrundlage aktiv legitimiert.

a) Zutreffend geht der Verfügungsbeklagte davon aus, dass die Gebrauchsregelung des § 15 Abs. 3 WEG im Grundsatz ein Individualrecht enthält. Allerdings kann auch dieses Individualrecht von einer Prozessstandschafterin geltend gemacht werden (Skauradszun, ZMR 2010, 657, 658).

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 15.01.2010, V ZR 72/09 - [...]) kann der Gemeinschaft als Verband nach § 10 Abs. 6 S. 3 WEG durch Mehrheitsbeschluss die Ausübung auch von Rechten der Wohnungseigentümer übertragen werden, die keinen Gemeinschaftsbezug haben und deren Ausübung dem Verband deshalb nicht schon kraft Gesetzes zusteht. Dieser Auffassung folgen die Instanzengerichte. Beispielsweise führt das LG München I aus (Urteil vom 31.03.2011, 36 S 1580/11 - [...]), dass anerkannt sei, dass Ansprüche gegen einen Eigentümer gemäß § 1004 BGB auf Beseitigung und Unterlassung einer Störung des gemeinschaftlichen Eigentums wegen unzulässiger baulicher Veränderungen etc. zu den klassischen Individualansprüchen zählen, die jedoch durch Mehrheitsbeschluss zur Angelegenheit der Gesamtheit der Wohnungseigentümer gemacht werden können und nach Vergemeinschaftung durch den Verband auszuüben sind.

Das erkennende Gericht schließt sich dieser Auffassung an. Ausweislich § 10 Abs. 6 S. 3 WEG kann der Verband Rechte der Wohnungseigentümer geltend machen, soweit sie nur gemeinschaftlich geltend gemacht werden können. Das ist für die hier zu beurteilenden Ansprüche der Fall.

b) Die Aktivlegitimation ist ausreichend glaubhaft gemacht worden. Die Verfügungsklägerin kann sich auf das Protokoll der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 03.05.2012 stützen, welches als Anlage K 6 im beigezogenen Hauptsacheverfahren 9 C 845/12 WEG vorgelegt wurde und in dem es heißt: "Die entsprechenden Beseitigungs- und/oder Unterlassungsansprüche der einzelnen Miteigentümer werden von der Gemeinschaft geltend gemacht. Die Verwaltung soll ... einen Rechtsanwalt damit beauftragen, für die Durchsetzung dieses Beschlusses zu sorgen. Gerichtlichen Schritten wird vorsorglich schon jetzt zugestimmt." Dieser Beschluss beinhaltet, dass der Verband als Prozessstandschafterin ermächtigt werden soll. Die Individualansprüche wurden dem Verband damit zur prozessualen Geltendmachung anbefohlen. Ausweislich des letzten Satzes, mit dem auch gerichtliche Schritte gestattet werden, ist damit offensichtlich die Situation der gewillkürten Prozessstandschaft gemeint.

3. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage lagen vor.

Der Verfügungskläger muss im einstweiligen Verfügungsverfahren grundsätzlich alle Tatsachen schlüssig vortragen und glaubhaft machen, aus denen sich das Rechtsverhältnis und der mögliche Anspruch ergibt (§§ 936, 920 Abs. 2 ZPO). Das ist der Verfügungsklägerin gelungen:

a) Nach § 15 Abs. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch des Sondereigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Nach § 14 Nr. 1 WEG ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von seinem Sondereigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst (vgl. Skauradszun, ZMR 2010, 657, 658).

aa) Der konkrete Inhalt des Abwehranspruchs ist abhängig von der Art des unzulässigen Gebrauchs. Störender Gebrauch kann im Grundsatz durch Lärmimmissionen oder bauliche Veränderungen entstehen (Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl. 2012, § 15 Rn. 19). Nach herrschender Auffassung genügt dafür jede Einwirkung, die für den Eigentümer nachteilig ist, sodass dieser nicht mehr mit seiner Sache nach Belieben verfahren kann. Kann also der Wohnungseigentümer sein Eigentum etwa zur Ruhe und Entspannung zeitweilig aufgrund einer Lärmimmission nicht nutzen, liegt eine Beeinträchtigung vor (Skauradszun, ZMR 2010, 657, 659).

bb) Die Störung durch Lärm bzw. Vibrationen wurde durch Vorlage zweier eidesstattlicher Versicherungen hinreichend glaubhaft gemacht. In der ersten eidesstattlichen Versicherung vom 05.08.2012 von den Eheleuten ... (Anlage A 1) heißt es von "einer permanenten Geräuschbelästigung". "Der brummende Motor war Tag und Nacht zu hören und stellte vor allem nachts eine empfindliche Ruhestörung dar, die unseren Schlaf erheblich beeinträchtigte"."Seit dem 17. Mai (2012) läuft die Whirlpool-Pumpe wieder ununterbrochen Tag und Nacht. Der vom Motor bzw. der Umwälzpumpe ausgehende "Brummton" ist vor allem in unserem Schlafzimmer permanent deutlich zu hören; das befindet sich direkt unter dem Whirlpool. Etwas weniger stark hört man den Brummton im angrenzenden Kinderzimmer. Wenn der Whirlpool benutzt wird, wird anscheinend noch ein weiterer Motor oder eine Art Gebläse dazugeschaltet; dann hören wir noch ein weiteres Geräusch, nach Art von "Wasserrauschen", und zwar noch lauter als den Brummton, und zwar in der ganzen Wohnung." In der eidesstattlichen Versicherung vom 05.08.2012 von Frau ... (Anlage A 2) heißt es: "Daher befinden sich keine unserer Zimmer direkt unter der Wohnung des Herrn ..., trotzdem können wir das Whirlpool-Geräusch bei Betrieb in unserem Badezimmer, wie auch im Kinderzimmer (Terrassenseite) hören. Ich war schon öfters in der Wohnung der Familie ... und kann bestätigen, dass dort ein unangenehmer Brummton deutlich zu hören ist. Ich empfinde ihn als unerträglich und könnte dort so nicht leben." Damit hat die Verfügungsklägerin hinreichend glaubhaft gemacht, dass es zu Störungen kommt.

cc) Zutreffend weist der Verfügungsbeklagte darauf hin, dass es sich hierbei um subjektive Eindrücke handelt. Rechtlich ist dies jedoch unproblematisch. Im Gegenteil ist es vielmehr so, dass einer eidesstattlichen Versicherung im Allgemeinen ein Beweiswert nur zukommt, wenn sie sich auf eigene unmittelbare Wahrnehmungen bezieht und präzise Tatsachen angibt (ausdrücklich so Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2008, § 294 Rn. 19).

Unbeachtlich ist auch, dass diese subjektiven Eindrücke nicht technisch gemessen und überprüft wurden. Würde man den Unterlassungsanspruch nur dann bejahen, wenn die Beeinträchtigung im technischen Sinne messbar war und hierbei Richtwerte - etwa der der TA Lärm - überschritten wurden, würde verkannt werden, dass technischen Richtwerten allenfalls eine Indizwirkung zukommt (Skauradszun, JA 2009, 497, 501). Tabellen aus der TA Lärm haben keine Bindungswirkung für das Zivilgericht. Es handelt sich bloß um normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften. Allein daraus, dass deren Werte unter- oder überschritten werden, lässt sich noch nicht sagen, dass es sich um eine unwesentliche oder wesentliche Beeinträchtigung handelt (Skauradszun, ZMR 2010, 657, 660, sog. "limitierte Verwaltungsakzessorietät").

Nach zutreffender Auffassung ist stattdessen zu fragen, ob die festgestellte Beeinträchtigung für einen verständigen Durchschnittsmenschen zu einer Lästigkeit führt (OLG Köln ZMR 2004, 462 [OLG Köln 20.02.2004 - 16 Wx 240/03]). Dabei ist nicht ausschlaggebend, dass der Beeinträchtigte besonders störanfällig ist (Skauradszun, ZMR 2010, 657, 660).

Nach diesen Grundsätzen hat die mündliche Verhandlung ergeben, dass ein verständiger Durchschnittsmensch die durch den Whirlpool ausgelöste Beeinträchtigung als lästig und damit nicht hinnehmbar empfinden würde. So sagte die in der mündlichen Verhandlung präsente Zeugin ... aus, dass sie durch dieses Geräusche Schwierigkeiten habe, einzuschlafen (Protokoll S. 3). Der bloße Kontakt des Kopfes auf dem Bett führe schon dazu, dass die Vibrationen durch den Whirlpool auf den Kopf der Zeugin ... übertragen würden. Auch andere Personen, die nicht in der betroffenen Wohnung wohnen, würden zum Ausdruck bringen, hier "brummt" bzw. hier "surrt" es. Der Zeuge ... sprach ferner von einem dröhnenden Geräusch, wenn der Whirlpool in Betrieb ist und dadurch das typische Blubbern des Wasser entstehe (Protokoll S. 6). Der Zeuge ... beschrieb das Geräusch wie einen monotonen Brummton, vergleichbar einem permanent laufendem Motor. Zudem äußerte der Zeuge ..., dass er selbst Hilfsmittel wie Ohropax heranziehen müsse, um einschlafen zu können. Er müsse manchmal sogar in das Wohnzimmer ausweichen, um einschlafen zu können.

Das Gericht hatte keinen Anlass, an den Aussagen der Zeugen ... zu zweifeln. Auffallend war etwa, dass beide Zeugen die Beeinträchtigung nicht künstlich schlimmer darstellten als sie ohnehin schon ist. So sagten beide Zeugen, dass man den Lärm dann schon nicht mehr höre, wenn man sich im Schlafzimmer bei normaler Gesprächslautstärke unterhalte oder eine Kassette laufen lasse (Protokoll S. 3, 5). Im Übrigen führte der Zeuge ... aus, dass er trotz alledem auf ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis aus sei. Wenn beispielsweise - so der Zeuge ... - der Verfügungsbeklagte vergessen habe, seine Garage zu schließen und die Wegnahme von Gegenständen drohe, habe er auch schon zum Schutz des Verfügungsbeklagten dessen Gegenstände gesichert, etwa dessen Garage abgeschlossen (Protokoll S. 5). Bei aller persönlicher Betroffenheit ging das Gericht somit davon aus, dass die Störungen von den Zeugen ohne jede Übertreibung dargelegt wurden. Sie sind im oben genannte Sinne als "lästig" einzustufen. Daran ändert sich auch nichts, dass auch der Verfügungsbeklagte eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt hat und in dieser versicherte, dass es auf seiner Terrasse "vollständig still" sei und der Motor allenfalls ein Geräusch verursache, welches "vergleichbar mit dem eines nach Beendigung des Druckauftrages nachlaufenden Druckers" sei (Bl. 53 f. d. A.). Es kann dahinstehend, ob der Whirlpool auf der Terrasse des Verfügungsbeklagten Immissionen verursacht, die einen Unterlassungsanspruch begründen. Streitgegenständlich ist allein, ob die Immissionen auf die Wohnungen der Eheleute ... und der Frau ... einwirken.

b) Darüber hinaus handelt es sich bei dem hier installierten Whirlpool um eine bauliche Veränderung, deren Benutzung einstweilen untersagt werden kann. Eine bauliche Veränderung ist jede über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehende Umgestaltung des Gemeinschafts- oder Sondereigentums in Abweichung vom Zustand bei der Entstehung (Hügel/Scheel, Rechtshandbuch Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., Teil 13 Rn. 12).

Lästige Immissionen wie Lärm und Vibrationen durch eine bauliche Veränderung machen grundsätzlich die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich, deren Rechte durch die Maßnahme über das in § 14 Nr.1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden (§ 22 Abs. 1 S. 1 WEG). Das gilt gerade auch für den "nachträglichen Einbau eines störend lauten Whirlpools" (ausdrücklich so Hügel/Scheel, a. a. O., Teil 13 Rn. 10).

In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass lästige Immissionen bauliche Veränderungen darstellen können (OLG Hamm, Urteil vom 14.11.1989, 15 W 347/89).

Entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten ist nicht nur dann von einer baulichen Veränderung auszugehen, wenn auch in die bauliche Substanz eingegriffen wird. Insoweit vertritt der Bundesgerichtshof die Auffassung (Beschluss vom 22.01.2004, V ZB 51/03), der sich das erkennende Gericht anschließt, dass es unerheblich sei, ob die ohne Eingriff in die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums vorgenommene Aufstellung eines Objekts eine bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 WEG darstellte. Entscheidend sei allein, ob der Gebrauch des Sondereigentums oder des gemeinschaftlichen Eigentums zu einem Nachteil führt, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht (§ 14 Nr. 1 WEG).

c) Im Übrigen wurde der Verfügungsbeklagte zutreffend sowohl als Handlungs- als auch als Zustandsstörer in Anspruch genommen. Störer ist der Emittent selbst soweit ihm die Beeinträchtigung zugerechnet werden kann (Eckert, in: Hk-BGB, 5. Aufl. 2006, § 1004 Rn. 5). Der Verfügungsbeklagte ist sowohl Eigentümer des Whirlpools als auch Benutzer desselbigen, was beklagtenseits auch so eingeräumt wurde.

4. Der notwendige Verfügungsgrund lag vor und wurde hinreichend glaubhaft gemacht. Eine Regelungsverfügung nach § 940 ZPO ist nur dann dringlich, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Wesentliche Nachteile können grundsätzlich die hier gestörte Nachtruhe und die gefährdete Gesundheit sein. Diesbezüglich wurde die Dringlichkeit im Sinne §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO durch zwei eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht.

5. Das Gericht hat nicht verkannt, dass bei einer Regelungsverfügung ein strenger Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren ist. Grundsätzlich darf der Vorteil des Gläubigers nicht außer Verhältnis zum Nachteil des Schuldners stehen. "Nötig" im Sinne von § 940 ZPO ist daher eine einstweilige Verfügung nur, wenn sie nicht ihrerseits gewichtige Interessen des Schuldners verletzt.

a) Vorliegend war das Interesse der Verfügungsklägerin am Schutz der Gesundheit einzelner Wohnungseigentümer durch den Schutz der Nachtruhe mit dem Interesse des Verfügungsbeklagten an Luxus durch einen beheizten Whirlpool außerhalb seiner eigenen Wohnung abzuwägen. Nach Auffassung des Gerichts überwog hier das Gesundheitsinteresse der betroffenen Wohnungseigentümer das Interesse des Verfügungsbeklagten an der Benutzung seines Whirlpools auch nach 20 Uhr bis einschließlich 6 Uhr. Mit dieser zeitlichen Begrenzung hat das Gericht auch die Interessen des Verfügungsbeklagten berücksichtigt, der seinen Whirlpool durchaus von 6 Uhr bis 20 Uhr nutzen kann. Das Gericht hat dabei zum Schutz des Verfügungsbeklagten davon abgesehen, die zeitliche Nutzung zwischen 6 Uhr und 20 Uhr weiter zu begrenzen, etwa auf eine Stunde täglich. Insoweit bestand kein Interesse der Verfügungsklägerin am Schutz der Nachtruhe, da diese typischerweise um etwa 6 Uhr endet.

b) Die Verfügungsklägerin hat die Dringlichkeit auch nicht durch eine längere Zeit des Zuwartens selbst widerlegt. Eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Verfügungskläger längere Zeit mit der Antragstellung zuwartet (Vollkommer, in: Zöller, a.a.O., § 940 Rn. 4; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 940, 33. Aufl. 2012, Rn. 5). Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall gewesen. Der Verfügungsbeklagte hat durch seinen Rechtsanwalt die Prüfung der Rechtslage bis zum 15.06.2012 angekündigt (Anlage K 8 des Hauptsacheverfahrens 9 C 845/12 WEG). Die außerordentliche Eigentümerversammlung fand vorliegend am 24.07.2012 statt. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung selbst datiert vom 06.08.2012. Dies erscheint noch hinreichend zeitnah. Eine Verwirkung war daher nicht eingetreten.

6. Nach § 938 Abs. 1 ZPO hat das Gericht den Inhalt der einstweiligen Verfügung grundsätzlich nach freiem Ermessen zu bestimmen. Dieses Ermessen wird begrenzt durch den gestellten Antrag. Insoweit findet § 308 Abs. 1 ZPO auch im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes Anwendung (Vollkommer, in: Zöller, a.a.O., § 938 Rn. 2). Die am 17.08.2012 erlassene einstweilige Verfügung blieb unterhalb des Antrags vom 06.08.2012, da sowohl der zeitliche Umfang unterschritten als auch die Begrenzung auf eine Stunde nicht erlassen wurde. Eine Vorwegnahme der Hauptsache war im Übrigen nicht zu befürchten.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Ein Anspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit war nicht angezeigt, da es im Falle der Bestätigung einer einstweiligen Verfügung beim vormaligen Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit verbleibt (vgl. Herget, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 708 Rn. 8). Da die einstweilige Verfügung schon kraft Gesetzes vollstreckbar ist, bedurfte es im Beschluss vom 17.08.2012 keines ausdrücklichen Ausspruchs dazu.

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 49a GKG.
Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Das Urteil wurde mit der Berufung zum Landgericht Stuttgart angegriffen (10 S 46/12). Die Berufungskammer beabsichtigt jedoch, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Verkündet am 26.10.2012

RechtsgebieteBGB, WEGVorschriften§§ 1004 BGB § 14 Nr. 1 WEG § 15 Abs. 3 WEG § 1004 BGB

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr