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StEA 07/1999 Seite 12 - 14
Die "Münchner Formel" zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs
Die Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Kfz-Vertragshändlers stößt in der Praxis von jeher auf erhebliche Schwierigkeiten. Vor allem die mangelnde Präzision des § 89b Handelsgesetzbuch (HGB) hat zu einer regelrechten Prozessflut geführt. Der Umstand, dass Autohersteller zunehmend ihre Händlernetze ausgedünnt haben, hat diese Entwicklung noch verstärkt. Die ?Münchner Formel? soll zu einer Vereinheitlichung der Berechnung des Ausgleichsanspruchs führen und den Gang vors Gericht nach Möglichkeit vermeiden.
Was berechnet die ?Münchner Formel??
Das Modell berechnet zuerst den sogenannten ?Rohausgleich?. Dieser wird mit dem Höchstsatz nach § 89b Absatz 2 HGB verglichen, der die betragsmäßige Obergrenze des Ausgleichsanspruchs darstellt.
I. Der Rohausgleich
Der Rohausgleich wird folgendermaßen berechnet:
- Zunächst wird der individuelle Rohertrag des Händlers ermittelt. Das ist die Differenz zwischen den Nettoverkaufspreisen aller vom Händler verkauften Fahrzeuge und den entsprechenden Werksabgabepreisen des Herstellers im letzten Vertragsjahr. Vom Hersteller gewährte Boni und Sonderzuwendungen sind dieser Differenz hinzuzurechnen. Von dieser Summe wird ein Abschlag von etwa 30 Prozent (im Einzelfall auch mehr oder weniger) für Verwaltungskosten vorgenommen, da diese händlertypische Vergütungsbestandteile sind und somit keinen Ausgleichsanspruch rechtfertigen.
- Anschließend wird der Stammkundenanteil des Vertragshändlers ermittelt, da nur für diesen ein Ausgleichsanspruch besteht. Nach Auffassung der Richter liegt dieser zwischen 30 und 60 Prozent. Den genauen Anteil muss der Händler nachweisen. Für den Nachweis des Stammkundenanteils sind die Kaufverträge zwischen Vertragshändler und Endabnehmer entscheidend. Als relevanter Zeitraum für die Berechnung des Stammkundenanteils werden fünf Jahre angesehen. Der so ermittelte Stammkundenanteil wird mit der Gesamtvergütung multipliziert.
- Das Ergebnis dieser Multiplikation ist die Ausgangszahl für die Verluste, die dem Händler durch die Vertragskündigung entstehen.
- wegen der ?Sogwirkung? der Automarke wird ? je nach Reputation der Marke ? ein Abschlag von 25 bis 33 Prozent vorgenommen.
- Der so ermittelte Betrag wird abgezinst (üblicherweise nach der Methode ?Gillardon?; die Verzinsung erfolgt ab Fälligkeit, das heißt ab Vertragsende). Die Umsatzsteuer (16 Prozent) wird hinzuaddiert.
- Dieser Betrag wird mit dem Höchstbetrag nach § 89b HGB verglichen, der gleichzeitig die betragsmäßige Obergrenze für den Ausgleichsanspruch des Händlers darstellt.
Auf der nächsten Seite finden Sie ein Berechnungsbeispiel. Für die variablen Größen der ?Münchner Formel? (Stammkundenanteil, Sogwirkung der Marke usw.) haben wir Mittelwerte angesetzt.
Berechnung
Händlerverkaufspreis (netto) | 2.000.000DM |
./. Werksabgabepreis (netto) | 1.800.000DM |
+ Boni, Rabatte | 20.000DM |
./. Abschlag für Verwaltungskosten (hier 30 %) | 66.000DM |
= Zwischensumme I | 154.000DM |
x Stammkundenanteil (hier 45 %) | 69.300DM |
x 5 Jahre | 346.500DM |
./. Sogwirkung der Marke (hier 33 %) | 114.345DM |
= Zwischensumme II | 232.150DM |
abgezinst (x 52,9907/60) | 205.034DM |
+ Umsatzsteuer (16 %) | 32.849DM |
= Ausgleichsanspruch | 237.883DM |
Vom so berechneten Ausgleichsanspruch wird häufig ein allgemeiner Billigkeitsabschlag in Höhe von 20 Prozent abgezogen. Im Beispielsfall würde das zu einem Betrag von 190.306 DM führen.
Beachten Sie: Der Billigkeitsabschlag ist zwar üblich, aber nicht zwingend vorgeschrieben. Je genauer und unstrittiger die von Ihnen vorgelegten Unterlagen sind, desto geringer wird die Notwendigkeit eines solchen Abschlags. Allerdings gilt auch hier der Höchstbetrag nach § 89b HGB (siehe unten). Ein Streit lohnt sich also nur, wenn der nach der Formel berechnete Ausgleichsanspruch durch den Abschlag niedriger wird als nach der Höchstbetragsberechnung.
Vereinfachte Berechnung
Ist Ihnen dieses Schema zu umständlich, können Sie auch eine vereinfachte Berechnung wählen. Erfahrungswerte haben gezeigt, dass beide Methoden ungefähr zum gleichen Ergebnis führen. Die vereinfachte Berechnung funktioniert folgendermaßen:
Berechnung
Händlerverkaufspreis (netto) | 2.000.000DM |
./. Werksabgabepreis (netto) | 1.800.000DM |
+ Boni, Rabatte | 20.000DM |
./. allgemeiner Abschlag | 44.000DM |
Ausgleichsanspruch | 176.000DM |
II. Die Höchstbetragsberechnung
Das Maß aller Dinge bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist die sogenannte ?Höchstbetragsberechnung? nach § 89b Absatz 2 HGB. Mehr als bei diesem Berechnungsverfahren herauskommt, können Sie in keinem Fall bekommen. Die Eckdaten dieser Formel sind ähnlich wie bei den anderen Berechnungsmethoden. Auch hier werden der Nettoverkaufspreis und Werksabgabepreis der letzten fünf Jahre gegenübergestellt und ein allgemeiner Verwaltungskostenabschlag vorgenommen.
Die Höhe dieses Abschlags ist strittig. So hat das Landgericht (LG) Heilbronn (Urteil vom 30.10.1998, Az: 1 KfH O 167/98) nur einen Abschlag in Höhe von 20 Prozent angesetzt. In der Praxis werden aber häufig 30 Prozent abgezogen. Da der Höchstbetrag das ist, was Ihnen maximal zusteht, lohnt es sich in diesem Fall trotzdem zu verhandeln.
Unser Tipp: Wenn der Hersteller einen Abschlag von beispielsweise 30 Prozent vornehmen möchte, sollten Sie auf das Urteil des LG Heilbronn verweisen. Dieser Hinweis kann Ihnen einen finanziellen Vorteil von mehreren Tausend Mark bringen.
So berechnen Sie Ihren Anspruch nach der Höchstbetragsberechnung:
Berechnung
Händlerverkaufspreis der letzten fünf Jahre | 10.000.000DM |
./. Werksabgabepreis der letzten fünf Jahre | 9.000.000DM |
./. Abschlag für Verwaltungskosten (30%) | 300.000DM |
: 5 ergibt die Zwischensumme | 140.000DM |
+ Umsatzsteuer (16%) | 22.400DM |
= Ausgleichsanspruch | 162.400DM |
Vereinfachungsregelung bei konstanten Umsätzen
Weichen die Verkaufszahlen des letzten Jahres nur unwesentlich von denen der Vorjahre ab, so genügt als Berechnungsgrundlage das Ergebnis des letzten Vertragsjahres. Ausgangsbasis dieser Berechnung ist der Rohgewinn. Dieser liegt nach den Erfahrungen der letzten Jahre zwischen 8 und 14 Prozent des Netto-Werksabgabepreises. Im allgemeinen wird von einem Mittelwert von zehn Prozent ausgegangen. Jetzt wird wiederum ein Abschlag für Verwaltungskosten von 30 Prozent vorgenommen und die Umsatzsteuer hinzugerechnet. So berechnet sich der Ausgleichsanspruch bei konstanten Umsätzen:
Berechnung
Rohgewinn des letzten Jahres (= 10% des Netto-Werksabgabepreises) | 180.000DM |
./. 30% Abschlag für Verwaltungskosten | 54.000DM |
= Zwischensumme | 126.000DM |
+ 16% Umsatzsteuer | 20.160DM |
=Ausgleichsanspruch | 146.160DM |
Fazit: Die ?Münchner Formel? ist als Vereinfachungsregelung sicherlich ein Fortschritt gegenüber der bisherigen Praxis. Allerdings ist ihre Anwendung für keine der beiden Seiten verbindlich und ein Teil der Berechnungsgrundlagen schwer objektivierbar und somit Auslegungssache. Strittig ist vor allem die Höhe der ?Sogwirkung?. Sie dürfte bei preisgünstigen Auslandsfabrikaten deutlich geringer sein, als bei deutschen Nobelmarken. Mit Vorsicht zu genießen ist auch das Pauschalberechnungsmodell, führt es doch oftmals zu für den Händler ungünstigen Ergebnissen. Trotzdem ist die ?Münchener Formel? ein brauchbares Hilfsmittel, das in der Zukunft breite Anwendung finden dürfte.