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26.04.2013

Landesarbeitsgericht: Urteil vom 12.02.2013 – 1 Sa 211/12

1.Den Arbeitnehmer trifft bei Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs gegen den Arbeitgeber die primäre Darlegungslast.

2.Spielen die eine Pflichtverletzung begründenden Umstände sich voll und ganz in der Sphäre des Arbeitgebers ab, trifft diesen die (sekundäre) Darlegungslast; er hat den Sachverhalt gemäß § 138 Abs. 2 ZPO substantiiert, soweit es ihm möglich ist, darzulegen.

3.Die Beweislast für danach noch streitigen Sachvortrag verbleibt beim Arbeitnehmer. Dieser muss sich notfalls auf die Mitarbeiter berufen, die der Arbeitgeber als die für ihn handelnden Arbeitnehmer angegeben hat.


In dem Rechtsstreit
pp.
hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 12.02.2013 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 02.05.2012 - 4 Ca 261/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Abfindungsanspruch der Klägerin.

Die am ....1967 geborene, verheiratete und 3 Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin ist seit dem 16.09.1988 auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags (Bl. 8 d. A.) als Produktionshelferin zu einem Bruttomonatsgehalt von 2.117,28 € beschäftigt. Seit dem 21.09.2009 ist sie arbeitsunfähig erkrankt. Die Klägerin ist als Schwerbehinderte mit einem GdB von 50 anerkannt. Vor Begründung des Arbeitsverhältnisses hatte die Klägerin einen Bewerbungsbogen (Bl. 68 d. A.) ausgefüllt, der als ihre Anschrift die Sch.-straße 9 in R. ausweist. Diese Anschrift wurde dann auch in den Arbeitsvertrag der Parteien übernommen. Die Beklagte richtete sämtliche Post an die Klägerin im Laufe des Arbeitsverhältnisses immer an diese Anschrift.

Die Beklagte befasst sich mit der Herstellung von Zigarettenfiltern, Faserstäben und Faserspeichern und beschäftigt ca. 160 Arbeitnehmer.

Unter dem 26.09.2011 unterzeichneten die Beklagte und der für ihren Betrieb gebildete Betriebsrat einen Interessenausgleich (Bl. 9 - 17 d. A.), der auszugsweise wie folgt lautete:

c) Aus Gründen der Sozialverträglichkeit hat der Arbeitgeber Arbeitnehmern, deren Arbeitsplatz nicht wegfällt, die Möglichkeit eingeräumt, freiwillig aus dem Betrieb auszuscheiden, um so einen Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz wegfällt, weiterbeschäftigen zu können (sog. Austauschkündigung). Von diesem Anspruch sind Arbeitnehmer ausgenommen, auf deren Weiterbeschäftigung der Arbeitgeber nicht verzichten möchte; diese Arbeitnehmer sind vom Arbeitgeber abschließend in einer Liste aufgeführt und dem Betriebsrat ausgehändigt worden.

d) Der Betriebsrat hat in Abstimmung mit dem Arbeitgeber diese Möglichkeit des freiwilligen Ausscheidens im Betrieb durch entsprechenden Aushang kommuniziert. Die Arbeitnehmer konnten ihren Wunsch nach freiwilligem Ausscheiden bis zum 16.09.2011 gegenüber dem Betriebsrat mitteilen und bis zum 26.09.2011 um 10 Uhr ihren Wunsch gegenüber dem Betriebsrat zurückziehen.

e) Der Arbeitgeber hat gegenüber einem Arbeitnehmer, der dem Betriebsrat gem. lit. d) den Wunsch, freiwillig auszuscheiden rechtzeitig angezeigt und nicht zurückgezogen hat und der nicht auf der Liste des Arbeitgebers gem. lit. c) aufgeführt ist, nach Beteiligung des Betriebsrates gem. § 102 BetrVG eine betriebsbedingte ordentliche Kündigung auszusprechen. In diesem Fall erhält der Arbeitnehmer die Leistungen aus dem gemäß Ziffer VII. dieses Interessenausgleichs abzuschließenden Sozialplan (insbesondere eine Abfindung). Sollte der Arbeitgeber trotz Äußerung dieses Wunsches keine betriebsbedingte Kündigung aussprechen, kann der Arbeitnehmer eine Eigenkündigung aussprechen. Diese gilt als betrieblich veranlasst. Der Arbeitgeber verpflichtet sich, auch in diesem Fall eine Abfindung gem. Sozialplan zu zahlen.

Ebenfalls am 26.09.2011 unterzeichneten die Betriebspartner einen Sozialplan (Bl. 18 - 22 d. A.), der für die ausscheidenden Arbeitnehmer Abfindungszahlungen und weitere Regelungen, etwa über Urlaubs- und Weihnachtsgeld 2011 enthält. In einer ergänzenden Betriebsvereinbarung vom 26.09.2011 (Bl. 23 f. d. A.) sind weitere Leistungen vorgesehen.

Neben der Klägerin waren zum Zeitpunkt der Interessenausgleichsverhandlungen zwei weitere Arbeitnehmer der Beklagten dauerhaft erkrankt. Die Beklagte informierte diese Arbeitnehmer schriftlich über den Interessenausgleich und die Möglichkeit im Rahmen eines freiwilligen Programms gegen Zahlung einer Abfindung das Arbeitsverhältnis zu beenden. Beide Arbeitnehmer machten hiervon Gebrauch.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Sie habe am 26.09.2011 vom Ersatzmitglied des Betriebsrats A. von dem Freiwilligenprogramm erfahren und diesem ihre Teilnahmebereitschaft mitgeteilt. Herr A. habe am selben Tag gegen 10:00 Uhr den Betriebsrat hierüber informiert. Ihr sei auch gesagt worden, dass die Frist zur Teilnahme am Freiwilligenprogramm bis zum 26.09.2011 verlängert worden sei. Bei einem Telefonat mit der Personalabteilung vom selben Tag sei sie vertröstet und ein Gespräch für den 05.10.2011 vereinbart worden. Ein Informationsschreiben der Beklagten über das Freiwilligenprogramm habe sie nicht erhalten. Sie wohne schon seit längerem unter der im Rubrum angegebenen Adresse in der Sch.-straße 9 a in R.. Es sei - unstreitig - für die Teilnahme am Freiwilligenprogramm unerheblich gewesen, ob der Arbeitsplatz des sich meldenden Arbeitnehmers infolge des Interessenausgleichs entfallen sollte.

Da die Beklagte sie nicht informiert habe, könne diese sich nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB nicht darauf berufen, dass das Arbeitsverhältnis nicht beendet sei oder sie, Klägerin, sich nicht rechtzeitig zur Teilnahme am Freiwilligenprogramm gemeldet habe.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin in erster Instanz die ihr nach ihrer Auffassung zustehende, der Höhe nach unstreitige Abfindung nach dem Sozialplan und der ergänzenden Betriebsvereinbarung vom 26.09.2011 geltend gemacht und beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Sozialplanab-

findung in Höhe von 55.600,-- € brutto sowie weiterer 905,75 €

brutto zuzüglich jeweils 5 %-Punkte Zinsen über dem jeweils

gültigen Basiszinssatz seit 01.05.2012 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen:

Sie habe am 22.08.2011 alle aufgrund von Krankheit oder Urlaub abwesenden Arbeitnehmer, darunter die Klägerin, schriftlich per Brief über das Freiwilligenprogramm informiert. Der Brief sei an die ihr bekannte Anschrift der Klägerin in der Sch.-straße 9 in R. adressiert gewesen und nicht als unzustellbar zurückgekommen. Sie bestreite, dass er die Klägerin nicht erreicht habe. Eine Verlängerung der Frist zur Teilnahme am Freiwilligenprogramm habe es nicht gegeben. Entscheidend sei, dass die Klägerin sich nicht bis zum 16.09.2011 als Freiwillige gemeldet habe. Im Gespräch am 05.10.2011 habe die Klägerin mitgeteilt, sie habe den Informationsbrief vom 22.08.2011 nicht erhalten. Die Klägerin habe in diesem Gespräch als Wohnanschrift die B. Straße 4 in R. angegeben. Nachmittags habe sie angerufen und diese Adresse korrigiert auf die B. Straße 49. Am nächsten Tag habe sich dann der Ehemann der Klägerin gemeldet und mitgeteilt, dass die richtige Adresse die Sch.-straße 9 a sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, da das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet sei, stehe der Klägerin weder ein Anspruch aus dem Sozialplan, noch aufgrund einer individuell getroffenen Vereinbarung, noch nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu. Soweit die Klägerin einen Schadensersatzanspruch angedeutet habe, sei nicht ersichtlich, worin sie die Pflichtverletzung der Beklagten sehe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 01.06.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.06.2012 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 03.09.2012 am 31.08.2012 begründet.

Sie trägt vor:

Die Auslegung des Sozialplans durch das Arbeitsgericht werde dessen Inhalt nicht gerecht. Das Arbeitsgericht gehe zu formal vor und habe nicht berücksichtigt, dass sie erst am 26.09.2011 von dem Freiwilligenprogramm erfahren habe. An diesem Tag sei auch erst der Interessenausgleich vereinbart worden, so dass sie noch in die Namensliste habe aufgenommen werden können und müssen. Wegen der wirksamen Teilnahme am Freiwilligenprogramm sei die Beklagte auch verpflichtet gewesen das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Diesen Anspruch mache sie mit der Klageerweiterung geltend. Nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB sei es der Beklagten verwehrt, sich auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu berufen. Auch die Ausführungen des Arbeitsgerichts zum Vorliegen einer Individualvereinbarung und zum Anspruch aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes seien rein formal und berücksichtigten wesentlichen Sachvortrag nicht. Das Arbeitsgericht verkenne den Ungleichbehandlungssachverhalt.

Der Vortrag der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 27.04.2012 sei verspätet und nach § 61 a Abs. 5 zurückzuweisen gewesen.

Sie habe stets unter der Anschrift in der Sch.-straße 9 a gewohnt. Die Häuser 9 und 9 a befänden sich auf demselben Grundstück. Alle sonstigen Schreiben, die die Beklagte an die Sch.-straße 9 adressiert habe, hätten sie stets erreicht.

Die Klägerin beantragt,

1.

das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck - Az. 4 Ca 261/12 -vom 02.05.2012 abzuändern und die Beklagte zu verur-teilen, an die Klägerin eine Sozialplanabfindung in Höhevon 55.600,-- € brutto sowie weitere 905,75 € brutto zu-züglich jeweils 5 %-Punkte Zinsen über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 01.05.2012 zu zahlen,

2.

für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1.,

die Beklagte zu verpflichten folgende Willenserklärung ab-zugeben:Die Beklagte kündigt gemäß des zwischen ihr und dem Be-triebsrat am 26.09.2011 abgeschlossenen Interessenaus-gleichs - III 3 e - das mit der Klägerin bestehende Arbeits-verhältnis fristgemäß aus betriebsbedingten Gründen.

Die Beklagte beantragt,

1.

die Berufung zurückzuweisen,

2.

die Klageerweiterung abzuweisen.

Sie tritt den Ausführungen der Berufung entgegen und verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Dass eine Sozialplanabfindung nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werde, ergebe sich aus der Natur der Sache, da durch diese Nachteile wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes ausgeglichen werden sollten. Die Voraussetzungen für eine Abfindungszahlung seien danach nicht erfüllt; am Freiwilligenprogramm habe die Klägerin nicht wirksam teilgenommen. Insoweit nimmt die Beklagte Bezug auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Der Schriftsatz vom 27.04.2012 sei fristgemäß beim Arbeitsgericht eingereicht. Die Klageerweiterung sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, im Übrigen auch unbegründet.

Sollte ihr Informationsschreiben vom 22.08.2011 nicht zugestellt worden sein, was sie weiter bestreite, könne dies auch daran liegen, dass der regelmäßige Postzusteller abwesend gewesen sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Akte und insbesondere auch das Sitzungsprotokoll vom 12.02.2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthafte, form- und fristgemäß eingelegte und begründete und damit zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch unter keinem erkennbaren rechtlichen Gesichtspunkt zu.

I.

Die Klägerin kann keine Zahlung von 56.505,75 € verlangen. Es besteht weder ein Erfüllungsanspruch aus dem Sozialplan noch aufgrund anderer Vereinbarungen der Parteien. Auch die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs stehen nicht fest.

1. Der Klägerin steht kein Erfüllungsanspruch nach II, III Nr. 1 und 2 des Sozialplans vom 26.09.2011 zu.

a) Nach II des Sozialplans zahlt der Arbeitgeber Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse endet eine Abfindung.

Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, liegen die Voraussetzungen eines derartigen Abfindungsanspruchs schon deswegen nicht vor, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien tatsächlich nicht geendet hat.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es der Beklagten auch nicht analog § 162 Abs. 1 BGB verwehrt, sich auf die fehlende Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu berufen.

Die Klägerin will den Rechtsgedanken des § 162 Abs. 1 BGB vorliegend mit der Begründung anwenden, dass die Beklagte sie nicht über die mögliche Teilnahme am Freiwilligenprogramm informiert habe. Ferner hat sie sich darauf berufen, dass die Beklagte sie habe in das Freiwilligenprogramm noch aufnehmen können, obwohl sie die hierfür erforderlichen Fristen versäumt habe.

Richtig ist, dass die Regelung in § 162 Abs. 1 BGB Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens ist, dass niemand aus einem von ihm treuwidrig herbeigeführten Ereignis Vorteile herleiten darf. Dabei liegt ein treuwidriges Handeln im Sinne des § 162 BGB vor, wenn das Verhalten bei Würdigung von Anlass, Zweck und Beweggrund gegen Treu und Glauben verstößt. Dabei ist streitig, ob allein ein objektiver Verstoß gegen Treu und Glauben ausreicht oder auch ein schuldhaftes Verhalten erforderlich ist (vgl. BAG, Urteil vom 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 - [...], Rn 40, 41, wobei das BAG ersichtlich dazu neigt, schuldhaftes Verhalten zu verlangen).

Vorliegend kommt eine analoge Anwendung des § 162 Abs. 1 BGB nicht in Betracht. Wie in dem vom BAG (a. a. O.) entschiedenen Fall spricht gegen die analoge Heranziehung des § 162 Abs. 1 BGB entscheidend, dass es am Vorliegen einer Regelungslücke fehlt. Sollte die Beklagte die Klägerin tatsächlich nicht über das Freiwilligenprogramm informiert haben, liegt hierin eine Pflichtverletzung, die einen Schadensersatzanspruch der Klägerin auslösen kann (vgl. BAG, a. a. O., Rn 42). Gleiches gilt für den Fall, dass die Beklagte entgegen ihrer Verpflichtung der Klägerin die nachträgliche Aufnahme in das Freiwilligenprogramm nicht ermöglicht haben sollte. Es fehlt damit an einer Regelungslücke.

2. Ein Anspruch aufgrund einer individualvertraglichen Vereinbarung, den das Arbeitsgericht geprüft hat, besteht nicht. Die Klägerin hat zum Zustandekommen einer solchen vertraglichen Vereinbarung mit der Beklagten weder in erster noch in zweiter Instanz konkrete Tatsachen vorgetragen und diesen Vortrag im Berufungstermin auch ersichtlich nicht aufrechterhalten.

3. Ein Erfüllungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Die Klägerin hat nicht allein aufgrund des Umstandes, dass die beiden anderen dauererkrankten Arbeitnehmerinnen der Beklagten eine Abfindung nach Teilnahme am Freiwilligenprogramm erhalten haben, ebenfalls einen Abfindungsanspruch. Der sachliche Grund, der die Zahlung an die beiden Arbeitskolleginnen der Klägerin

rechtfertigt und einen Zahlungsanspruch der Klägerin ausschließt ist, dass jene Mitarbeiter sich rechtzeitig zur Teilnahme am Freiwilligenprogramm gemeldet haben und damit einen vertraglichen Anspruch gegen die Beklagte erworben haben. Die Klägerin hat sich unstreitig nicht rechtzeitig gemeldet.

4. Der Klägerin steht auch kein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu, weil sie von der Beklagten über das Freiwilligenprogramm nicht rechtzeitig informiert worden ist. Die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat für das Vorliegen einer entsprechenden Pflichtverletzung der Beklagten trotz ausdrücklichen Hinweises auf die Beweislast im Berufungstermin keinen Beweis angeboten.

a) Nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz war die Beklagte verpflichtet, im Hinblick auf die Information über den Interessenausgleich und das darin enthaltene Freiwilligenprogramm die Klägerin genauso zu behandeln, wie sie auch ihre weiteren arbeitsunfähigen Arbeitnehmer behandelt hat. Das heißt, dass die Beklagte verpflichtet war an die Klägerin ein Schreiben abzusenden, mit dem sie auf den Interessenausgleich und die Möglichkeit der Teilnahme am Freiwilligenprogramm hingewiesen hat.

Dabei erstreckte sich die Pflicht der Beklagten auch darauf, dieses Schreiben an die ihr bekannte Adresse ihrer Arbeitnehmer zu versenden, nicht aber darauf, dafür einzustehen, dass das Schreiben auch tatsächlich den Empfänger erreicht. Denn auch gegenüber den weiteren Arbeitnehmern hatte die Beklagte nicht mehr getan, als ein entsprechendes Schreiben abzusenden, so dass aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz auch keine weitergehende Pflicht der Beklagten abzuleiten ist, insbesondere eben auch nicht die Pflicht, für die tatsächliche Kenntnisnahme dieses Schreibens durch die Klägerin zu sorgen. Aus diesem Grund kommt es auf die Frage, warum ein etwaig abgeschicktes Schreiben von der Beklagten der Klägerin nicht zur Kenntnis gelangt ist nicht an, solange die Beklagte dieses Schreiben nur zutreffend adressiert hat.

b) Für das Vorliegen einer Pflichtverletzung der Beklagten ist nach allgemeinen Grundsätzen die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe erstmals am 26.09.2011 vom Freiwilligenprogramm Kenntnis erlangt und das Absenden des Schreibens durch die Beklagte am 22.08.2011 mit Nichtwissen bestritten. Dieser Vortrag ist dahin auslegbar, dass die Klägerin vorträgt, das Schreiben sei tatsächlich nicht abgesandt worden. Bei diesem Vortrag handelt es sich auch nicht um eine Behauptung ins Blaue hinein. Nach dem Vortrag der Klägerin ist das Schreiben vom 22.08.2011 bei ihr nicht angekommen. Danach liegt es nahe, dass eine Möglichkeit für diesen Umstand ist, dass es von der Beklagten tatsächlich nicht abgeschickt worden ist.

Die danach dem Vortrag der Klägerin zu entnehmende Behauptung, das Schreiben sei nicht abgeschickt worden, hat die Beklagte im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden sekundäre Darlegungslast substantiiert bestritten (vgl. Zöller, Komm. zur ZPO, 28. Aufl., § 138, Rn 8 b und vor § 284, Rn 34 ff.). Die Beklagte hat nämlich bereits in erster Instanz ausgeführt sie habe die Klägerin am 22.08.2011 schriftlich per Brief über das Freiwilligenprogramm unterrichtet. Sie hat diesen Vortrag mit Schriftsatz vom 04.02.2013 wiederholt und hat im Berufungstermin auch eine schriftliche Erklärung der Personalleiterin der Beklagten vorgelegt, wonach diese das Schreiben selbst vorbereitet, unterschrieben und am 22.08.2011 in die Post gegeben hat. Weiterer Vortrag hierzu oblag der Beklagten nicht mehr.

c) Nunmehr wäre es Aufgabe der Klägerin für ihre Behauptung das Schreiben sei tatsächlich nicht abgesandt worden, Beweis anzubieten. Die Beweislast bleibt auch bei Auferlegung einer sekundären Darlegungslast für den Gegner beim primär Darlegungsverpflichteten (Zöller, vor § 284, Rn 34 c). Auf diesen Umstand ist die Klägerin im Berufungstermin ausdrücklich hingewiesen worden. Sie hätte also zu jenem Zeitpunkt die Personalleiterin der Beklagten als Zeugin für ihre Behauptung benennen können. Das hat sie, obwohl ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist, nicht getan. Damit ist sie für das Vorliegen einer Pflichtverletzung der Beklagten in Form des Nichtabschickens des Informationsschreibens beweisfällig geblieben.

5. Der Klägerin steht auch nicht deswegen gemäß § 280 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch zu, weil sie von der Beklagten auf ihre Meldung am 26.09.2011 nicht mehr in das Freiwilligenprogramm aufgenommen worden ist.

Die Beklagte war zur Aufnahme der Klägerin in das Freiwilligenprogramm rechtlich nicht verpflichtet.

a) Nach III 3 d) konnten Arbeitnehmer ihren Wunsch nach freiwilligem Ausscheiden bis zum 16.09.2011 gegenüber dem Betriebsrat mitteilen. Ein Anspruch auf Teilnahme am Freiwilligenprogramm begründet III 3 e) des Interessenausgleichs nur dann, wenn ein Arbeitnehmer seinen Wunsch, freiwillig auszuscheiden, rechtzeitig angezeigt und nicht zurückgezogen hat. Dass in diesen Fällen ein Anspruch auf Teilnahme am Freiwilligenprogramm besteht, zeigt III 3 c), S. 2 des Interessenausgleichs, der ausdrücklich von einem "Anspruch" des Arbeitnehmers spricht, mit hinreichender Deutlichkeit.

Die in III 3 d) genannten Fristen hat die Klägerin unstreitig nicht eingehalten.

b) Ihren Vortrag aus erster Instanz, die Meldefrist für die Teilnahme am Freiwilligenprogramm sei bis zum 26.09.2011 verlängert worden, hat die Klägerin trotz ausdrücklichen Bestreitens der Beklagten nicht weiter substantiiert und im Berufungsverfahren auch nicht wiederholt.

c) Die Beklagte war auch nicht rechtlich verpflichtet, die Klägerin nachträglich in das Freiwilligenprogramm aufzunehmen.

Richtig ist, dass auch am 26.09.2011 eine Aufnahme der Klägerin in das Freiwilligenprogramm noch möglich war. Da der Sozialplan und Interessenausgleich erst an diesem Tag unterschrieben worden sind, stand es den Betriebspartnern frei, im Wege der Vereinbarung der Klägerin auch nach Fristablauf noch die nachträgliche Teilnahme am Freiwilligenprogramm zu ermöglichen.

Eine Rechtspflicht zur Aufnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) gegenüber der Klägerin bestand indes nicht.

Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte wegen der insoweit anders lautenden Vereinbarung mit dem Betriebsrat überhaupt berechtigt gewesen wäre, der Klägerin die Teilnahme am Freiwilligenprogramm zu ermöglichen. Verpflichtet war sie hierzu jedenfalls nicht. Insbesondere der Grundsatz der Gleichbehandlung gegenüber den weiteren bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmern verbietet es, einseitig zugunsten Einzelner von einem einmal vereinbarten Interessenausgleich abzuweichen. So ist nicht einzusehen, warum der Klägerin eine nachträgliche Teilnahme am Freiwilligenprogramm ermöglicht werden sollte, diese aber anderen Teilnehmern, die sich erst nach dem 16.09.2011 zur Teilnahme entschlossen hatten, aber wegen der abgelaufenen Frist ihren Wunsch nicht mehr gemeldet haben, eine entsprechende Teilnahme verwehrt wäre. Ihrer Rechtspflicht gegenüber der Klägerin hat die Beklagte durch Absendung des Informationsschreibens genügt.

II.

Der im Berufungstermin nur noch für den Fall des Obsiegens gestellte Antrag zu 2. ist nach Vorstehendem nicht zur Entscheidung angefallen.

III.

Auf den von der Klägerin erhobenen Verspätungseinwand wegen des Schriftsatzes der Beklagten vom 27.04.2012 kommt es nicht an. Jener Schriftsatz enthält keine streitigen Tatsachen, die der Entscheidung zugrunde zu legen sind.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Verkündet am 12.02.2013

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