30.06.2004 · IWW-Abrufnummer 041320
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 19.01.2004 – 5 K 2882/02
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Verkündet am: 19.01.2004
FINANZGERICHT RHEINLAND-PFALZ
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Finanzrechtsstreit XXX
wegen Einkommensteuer 1997
5 K 2882/02
Hat der 5. Senat durch XXX
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 19. Januar 2004 für Recht erkannt:
I. Der Einkommensteuerbescheid in der Fassung vom 23. Juni 2000 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 22. November 2002 werden geändert. Der Beklagte hat die Einkommensteuer 1997 nach Maßgabe der Entscheidungsgründe in der Höhe festzusetzen, die sich ergibt, wenn ein Betrag von 421.907,-- DM nach §§ 24 Nr. 1 Buchst. c i. V. m. § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes ermäßigt besteuert wird.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist in Streit, ob ein steuerbegünstigter Handelsvertreterausgleichsanspurch nach § 89 b des Handelsgesetzbuch ?HGB- vorliegt.
Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr 1997 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war seit dem 1. Januar 1979 als selbständiger Handelsvertreter für die P? Versicherung tätig. Er unterhielt eine Geschäftsstelle in E? die er im Mai 1997 nach N? verlegte. Zum 31. Dezember 2001 wurde der Geschäftsstellenleiter-Vertrag mit der P? gekündigt (Bl. 70 der Einkommensteuerakte). Zu diesem Zeitpunkt stellte der Kläger seine Geschäftsfähigkeit als Handelsvertreter für die P? ein.
Der Kläger erzielte als Handelsvertreter folgende Einkünfte aus Gewerbebetrieb:
1995 94.391,-- DM
1996 114.240,-- DM
1997 433.492,-- DM (einschließlich eines Betrages von 421.907,-- DM aus
der Abgabe eines Teiles des Versicherungsbestandes per 01. Mai 1997)
1998 61.286,-- DM
1999 94.464,-- DM
2000 77.861,-- DM
Dem lagen folgende Provisionseinnahmen durch die P? Versicherung zu Grunde:
1994 468.016,-- DM
1995 430.356,-- DM
1996 404.885,-- DM
1997 228.707,-- DM
1998 160.894,-- DM
1999 152.236,-- DM
2000 110.547,-- DM
Im Sommer 2001 fand im Betrieb des Klägers für die Kalenderjahre 1996 bis 1998 eine Außenprüfung statt. Der Betriebsprüfer traf hierbei u. a. folgende Feststellungen:
Die P? hatte dem Kläger im Mai 1997 einen Betrag von 421.907,-- DM gezahlt. Diese Zahlung war mit Schreiben vom 03. Februar 1997 (Bl. 85 ff. der Einkommensteuerakten) als Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB für die Abgabe eines Versicherungsteilbestandes bezeichnet worden. In diesem Schreiben war u. a. ausgeführt: ?Sie (der Kläger) haben sich bereit erklärt, zum 01. Mai 1997 einen Teil des bisher von Ihnen verwalteten Versicherungsbestandes für eine Neuorganisation zur Verfügung zu stellen. Der von Ihnen zum 01. Mai 1997 zur Verfügung gestellte Teilbestand beträgt 2.570.498,-- DM?. Zur Berechnung des als Ausgleichsanspruch bezeichneten Betrages wird im Einzelnen auf das Schreiben der P? vom 03. Februar 1997 und der dazu gehörenden Anlage ?Berechnung? Bezug genommen.
Der Kläger wandte dem Betriebsprüfer gegenüber ein, die P? habe ihren Vertrieb neu strukturieren wollen. Dies h ätte für ihn, den Kläger, Mehrkosten zu Folge gehabt, weil er hierfür Personal hätte einstellen müssen. Daraufhin habe er sich für eine Bestandsabgabe entschieden. Er habe alle Privatkunden abgegeben und nur die mit Unternehmen geschlossenen Vertr äge zurückbehalten. Der bei der P? zuständige Sachbearbeiter, Herr G.. teilte dem Betriebsprüfer am 11. September 2001 fernmündlich mit, dass die Bestandsabgabe einvernehmlich geregelt worden sei. Dem Kläger seien auch keine Vorgaben hinsichtlich der Einstellung von Personal gemacht worden. Der Kläger habe im Jahr 1997 keinen Anspruch auch eine Ausgleichszahlung nach § 89 b HGB berechnet worden. Im Übrigen wird auf den Aktenvermerk des Betriebsprüfers vom 11. September 2001 (Bl. 84 der Einkommensteuerakten) Bezug genommen.
Der Prüfer behandelte daraufhin die Zahlung der ? in Höhe von 421.907,-- DM als laufenden Gewinn des Klägers aus Gewerbebetrieb und versagte insoweit die Tarifbegünstigung. Der Beklagte schloss sich den Feststellungen des Betriebsprüfers an und setzte mich nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung ?AO- geändertem Einkommensteuerbescheid vom 21. November 2001 die Einkommensteuer 1997 neu fest.
Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch wandten sich die Kläger gegen die Versagung der Tarifermäßigung der Zahlung der ?. Er, der Kläger, habe im Jahr 1997 zwei Drittel seines Versicherungsbestandes abgeben müssen, was seine Versicherungstätigkeit wesentlich eingeschränkt habe. Ein Anspruch nach § 89 b HGB hinsichtlich des Restbestandes habe nicht bestanden, nachdem er seinen Handelsvertretervertrag mit der P? am 05. November 2001 gekündigt habe. Die im Jahr 1997 geleistete Ausgleichszahlung sei somit die einzige gewesen, die er für seine Tätigkeit für die P? erhalten habe. Damit rechtfertigte sich die Tarifermäßigung schon aus Billigkeitsgründen.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 22. November 2002 als unbegründet zurück. Er sah die von der P? geleistete Zahlung weiterhin nicht als Ausgleichsanspruch i. S. d. § 89 b HGB an. Der Ausgleichsanspruch setze die Beendigung des Vertragsverhältnisses voraus. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Denn der Kläger habe der P? im Kalenderjahr 1997 lediglich einen Teilbestand seiner Kunden zur Verfügung gestellt. Er habe aber das bestehende Vertragsverhältnis mit der P? nicht beendet, sondern auch noch im Jahr 1997 weiterhin einen Gewinn aus Gewerbebetrieb aus seiner Handelsvertretertätigkeit mit der P? erwirtschaftet. Die Gewinne seien mit 61.286,-- im Jahr 1998 und 94.646,-- DM im Jahr 1999 auch nicht nur von untergeordnetem Gewicht gewesen. Der Gewinn des Klägers aus Gewerbebetrieb habe im Jahr 1999 sogar noch über dem Gewinn des Kalenderjahres 1995 gelegen, als der Kl äger zusätzlich noch Privatkunden betreut habe. Damit habe der Kläger im Kalenderjahr 1997 keinen Rechtsanspruch auf einen Ausgleichsanspruch gezahlt, was die Auskunft der P? gegenüber dem Betriebsprüfer bestätigte. Die P? habe die Zahlung lediglich wie einen Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB berechnet.
Die Zahlung der P? stelle auch keine Abschlagszahlung auf einen künftigen Ausgleichsanspruch dar. Dieser entstehe nämlich notwendig und unabdingbar erst nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses (Hinweis auf BFH-Urteil vom 26. März 1969 I R 141/66, BStBl II 1969, 485). Eine Abschlagszahlung habe schon deshalb nicht geleistet werden können, weil ein etwaiger Anspruch des Klägers sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach im Kalenderjahr 1997 völlig ungewiss gewesen sei.
Dem Kläger sei auch keine Tarifermäßigung aus Billigkeitserwägungen zu gewähren. Denn eine solche Billigkeitsregelung sehe das Einkommensteuergesetz ?EStG- nicht vor. Der Kläger habe den Teilbestand Privatkunden der P? aufgrund eigener Entscheidungen im Jahr 1997 übertragen. Dass dem Kläger nach der Kündigung des Handelsvertretervertrages mit der P? im November 2001 kein Ausgleichsanspruch zugestanden habe, rechtfertige auch im Hinblick auf die Abschnittsbesteuerung des § 2 Abs. 7 Satz 1 EStG keine Tarifermäßigung bei der Einkommensteuer 1997 in Nachhinein.
Die Zahlung der P? stelle auch keine tarifbegünstigte Entschädigung nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG i. V. m. § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG dar. Zahlungen die im rahmen eines fortlaufenden Einkunftserzielungstatbestandes geleitet würden, mögen sie auch Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen sein, seien nicht tarifbegünstigt (Hinweis auf BFH-Urteil vom 12. April 2000 XI R 1/909, BFH/NV 2000, 1195). Der Kläger habe seine Handelsvertretertätigkeit im Jahr 1997 nicht eingestellt, sondern auch weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus seiner Handelsvertretertätigkeit bei der P? Versicherung erzielt.
Hiergegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage, mit der die Kläger weiterhin die tarifermäßigte Besteuerung der streitbefangenen Geldzahlung der P ? begehren.
Den Gewinn aus der Handelsvertretertätigkeit für die P? ermittelten sie ? unter Herausrechnung der von der P? geleisteten Zahlung von 421.907,-- DM ? in Höhe von 69.499,-- DM. Die Differenz zu dem vom Beklagten ermittelten Gewinn resultiert aus einem entsprechend korrigierten Gewerbesteueraufwand.
Bei den für die Kalenderjahre 1998 bis 2000 ermittelten Gewinnen sei weiter zu berücksichtigen, dass der Kläger für diesen Zeitraum auch Provisionszahlungen der V? GmbH erhalten habe. Denn er habe ab 1998 eine zusätzliche Tätigkeit für die V? GmbH aufgenommen. Der auf die P? entfallende Anteil an den Gesamtprovisionen sei von 1998 bis 2000 rückläufig gewesen und habe 1998 94,15 v. H., 1999 81,32 v. H. und im Jahr 2000 nur noch 62,97 v. H. betragen. Bei einer Aufteilung des Gewinns entsprechend dem Umsatzanteil ergäben sich danach noch folgende Gewinne aus der Tätigkeit für die P?:
1998 57.700,-- DM
1999 76.818,-- DM
2000 49.029,-- DM
Die insoweit korrigierten Gewinnkennzahlen belegten, dass es sich bei der von der P? den Kläger geleisteten 421.907,-- DM um eine Entschädigung i. S. d. § 24 Nr. 1 c) EStG gehandelt habe, die nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. Abs. 1 EStG der ermäßigten Besteuerung unterliege. Nach § 24 Nr. 1 c) EStG gehörten Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter nach § 89 b HGB zu den Entschädigungen. Bei der von der P? an den Kläger geleisteten Zahlung handele es sich um eine Ausgleichzahlung, die ihre Rechtsgrundlage in § 89 b HGB bzw. in der analogen Anwendung dieser Vorschrift habe. § 24 Nr. 1 c) EStG gelte auch für Zahlungen, die auf der Rechtsgrundlage des § 89 b HGB analog beruhten (Hinweis auf BFH-Urteil vom 12. Oktober 1999, BStBl II 2000, 220).
Unter Beendigung des Vertragsverhältnisses sei der Wegfall der Möglichkeit zu verstehen, weitere Provisionen aus einem bestimmten Kundenkreis zu verdienen. Nach der in der Literatur überwiegend vertretenen Auffassung sei für den Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB nicht Voraussetzung, dass der Handelsvertretervertrag vollständig beendet werde; auch eine Teilbeendigung führe hiernach zu einem entsprechenden Anspruch aus § 89 b HGB. Die Rechtsprechung habe sich dieser Auffassung für den Fall angeschlossen, dass die Teilbeendigung einen gravierenden Eingriff darstelle, wie etwa bei der Wegnahme eines ganz überwiegenden Teils des Bezirks oder des verwalteten Bestands. Eine solche wesentliche Beeinträchtigung liege im Falle des Klägers vor. Die Abgabe sämtlicher Privatkunden im Jahr 1997 habe dazu geführt, dass der Gewinn des Klägers aus seiner Tätigkeit für die P? ohne Berücksichtigung der Ausgleichszahlung gegenüber dem Vorjahr 1996 um fast 40 v. H. zurückgegangen sei. Auch bei einem Vergleich mit den aus der Tätigkeit für die P? erwirtschafteten Gewinnen in den Folgejahren zeige sich eine wesentliche Beeinträchtigung. Selbst im Kalenderjahr 1999, in dem der höchste Gewinn der Folgejahre erzielt worden sei, ergebe sich im Vergleich zu 1996 eine Redzuzierung um mehr als 30 v. H. In den Jahren 1998 und 2000 betrage der Gewinnrückgang im Vergleich zu 1996 sogar fast 50 v. H. (1998) bzw. fast 60 v. H. (2000).
Die Rechtsprechung des BFH lasse sich entnehmen, dass Voraussetzung für die Annahme eines Ausgleichsanspruches nach § 89 b HGB nicht die gleichzeitige Veräußerung oder Aufgabe des Gewerbebetriebes sei. Im Falle des Klägers sei es daher unerheblich dass dieser nach Abgabe sämtlicher Privatkunden noch weiter als Versicherungsvertreter für dasselbe Unternehmen tätig gewesen sei. Die Abgabe eines wesentlichen Teils des Bestands lasse sich zivilrechtlich ohne weiteres als Beendigung des bisher zwischen der Versicherung und dem Versicherungsvertreter bestehenden Vertrages und dem Abschluss eines neuen Vertrages mit geänderten Bedingungen verstehen. Aus diesem Grunde sei das Tatbestandsmerkmal der Vertragsbeeindung nicht schematisch, sondern unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b HGB auszulegen. Der Ausgleichsanspruch sei nach seiner wirtschaftlichen und rechtlichen Natur ein zusätzlicher gesetzlicher Vergütungsanspruch des Handelsvertreters für die vor Vertragsende geleisteten und nach Vertragsende fortwirkenden Dienste, der unmittelbar aus dem Handelsvertreterverhältnis folge. Ihm entspreche eine gesetzliche Gegenleistungsschuld des vertretenen Unternehmens für die nach Vertragsende ihm allein zufließenden Vorteile aus der Handelsvertretertätigkeit. Erhebliche Vorteile flößen dem Versicherungsunternehmen auch zu, wenn ? wie im vorliegenden Fall ? zwar nicht das Vertreterverhältnis insgesamt aufgehoben werde, der Vertreter sich aber zur Abgabe eines wesentlichen Bestands an das Unternehmen bereit erkläre.
Das vom Beklagten herangezogenen Urteil des BFH vom 26. März 1969 (a. a. O) sehen die Kläger als nicht einschlägig an, da es dort allein um die Frage gegangen sei, zu welchem Zeitpunkt ein Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB entstehe und in der Bilanz des Handelsvertreters zu aktivieren sei. Um die Frage, inwieweit auch eine Teilbeendigung des Vertragsverhältnisses den Ausgleichsanspruch des § 89 b HGB auslösen könne, sei es dort überhaupt nicht gegangen. Das Urteil verdeutliche aber, dass die ermäßigte Besteuerung einer Ausgleichszahlung grundsätzlich nicht die Aufgabe der Tätigkeit des Handelsvertreters voraussetze.
Die Kläger beantragen,
den geänderten Einkommensteuerbescheid 1997 vom 21. November 2001 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 22. November 2002 mit der Maßgabe zu ändern, dass der Gewinn des Klägers aus Gewerbebetrieb in Höhe von 421.907,-- DM nach § 24 Nr. 1 c) i. V. m. § 34 EStG ermäßigt besteuert wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Steuerermäßigung nach § 34 EStG setze außerordentliche Einkünfte voraus. Hieran mangele es. Denn vorliegend fehle es bereits daran, dass ein Ausgleichsanspruch vollwirksam entstanden und bezahlt worden sei. Unter Bezugnahme auf das Urteil des BFH vom 26. März 1969 (a. a. O.) hält der Beklagte daran fest, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters erst mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses entstehe. Denn frühestens mit der endgültigen Beendigung des Vertragsverhältnisses lasse sich erst feststellen, ob und in welcher Höhe überhaupt eine Ausgleichsanspruch bestehe. Die nach dem Mai 1998 erwirtschaften Gewinne aus der Handelsvertretertätigkeit für die P? seien der Höhe nach beachtlich gewesen. Mit der Abgabe des Teilbestandes Privatkunden an die P? Versicherung im Mai 1997 hätten die Parteien auch nicht den bestehenden Geschäftsstellenleitervertrag beendet, so dass von daher eine Tarifermäßigung bei der Einkommensteuer 1997 nicht in Betracht komme. Die Parteien hätten im Jahr 1997 keinen neuen Vertrag mit geänderten Bedingungen bzw. keinen Aufhebungsvertrag geschlossen. Der am 1. Januar 1979 geschlossene Vertretervertrag sei auch nach dem Mai 1997 weiter bindende und einheitliche Rechtsgrundlage der Vertragsbeziehungen des Klägers mit der P? gewesen. Das bestätigte im Übrigen auch das Kündigungsschreiben der P? vom 05. November 2001, das sich ausdrücklich auf den Geschäftsstellenleitervertrag vom 01. Januar 1979 beziehe. Die streitbefangene Zahlung stelle sich damit faktisch als eine Art Vorabentschädigung auf einen möglichen künftigen Ausgleichsanspruch des Klägers dar, die zu keiner Zusammenballung außerordentlicher Einkünfte geführt und deshalb auch nicht den begünstigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG ausgelöst habe (Hinweis auf BFH-Urteil vom 20. Juli 1988 I R 250/83, BStBl II 1988, 936).
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Denn der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1997 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ?FGO-). Der Beklagte hat nämlich zu Unrecht die von der P? Versicherung geleistete Ausgleichszahlung nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 24 Nr. 1 c EStG unterworfen. Denn insoweit lag nämlich eine Handelsvertreterausgleichsanspruch nach § 89b HGB vor.
Allgemeine Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs ist nach § 89b Abs. 1 Satz 1 HGB die ?Beendigung des Vertragsverhältnisses?. Der Wortlaut des § 89 b Abs. 1 HGB ist eindeutig. Er knüpft die Entstehung eines Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters an die Beendigung seiner Vertragsbeziehung zu dem Unternehmer. Der Geschäftsstellenleiter-Vertrag vom 01. Januar 1979 zwischen den Parteien bestand indes ungeachtet der Abgabe der Privatkundenversicherungen weiter. Mit der Bestandsübertragung wurde der bisherige Inhalt des Versicherungsvertretervertrages auch nicht verändert. Auch mit Erwägungen zur Billigkeit der Zuerkennung eines Ausgleichs kann nicht über das Fehlen der entscheidenden Anspruchsvoraussetzung (Beendigung des Handelsvertretervertrages) hinweggegangen werden, denn diese sind mit § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB selbst Tatbestandsmerkmal.
Eine direkte Anwendung des § 89 b HGB kam somit nicht in Betracht. Für den Versicherungsvertreter gilt ? wie sich aus § 89 b Abs. 5 HGB ergibt ? nichts anderes. Dafür, dass von der Regelung des § 89 b HGB entgegen dem Gesetzestext auch eine nur teilweise Beendigung eines Handelsvertretervertrags erfasst werden sollte, finden sich keine Anhaltspunkte. Vielmehr wollte der Gesetzgeber offenbar für den Fall der vollständigen Beendigung einer Handelsvertreterbeziehung im Wege einer einmaligen Abrechnung einen Ausgleich dafür schaffen, dass dem Handelsvertreter infolge der Vertragsbeendigung die Früchte seiner Arbeit entzogen werden, während dem Unternehmer weiterhin Vorteile aus der Tätigkeit des Handelsvertreters verbleiben. Dabei sollen auch Billigkeitsgründe wie die Gründe für die Beendigung der Vertragsbeziehung Berücksichtigung finden. Entsprechend ist gem. § 89 b Abs. 3 HGB für die Frage der Ausgleichspflicht entscheidend, von welcher Seite die Kündigung des Vertrags ausgesprochen wird und wer letztlich den Grund hierfür gesetzt hat. Die Gesetzesmaterialien rechtfertigen keine andere Wertung. Aus ihnen ergeben sich keine Hinweise darauf, dass für die Ausgleichspflicht eine nur teilweise Beendigung der Vertragsbeziehung genügen sollte. Vielmehr findet die Teilbeendigung dort keinerlei Erwähnung, obwohl dem Gesetzgeber der nicht seltene Fall einer Teilbeendigung eines Handelsvertretervertrags kaum verborgen geblieben sein kann.
Ein Ausgleichspruch lässt sich vorliegend jedoch im Wege einer ausdehnenden Auslegung des § 89 b HGB bzw. einer analogen Anwendung dieser Vorschrift begründen. Auch die herrschende Meinung in der Literatur sieht die Teilbeendigung eines Handelsvertretervertrags als grundsätzlich ausgleichspflichtig an, wobei dies teils auf eine Analogie zu § 89 b HGB, teils auf einen ausdehnende Auslegung dieser Norm gestützt wird (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 30. Aufl. 2000, § 89 b Rn. 10; v. Hoyningen-Huene in MünchKomm HGB 1997 § 89 b RdNr. 51 ff.; Schlegelberger, HGB 5. Aufl. § 89 b Rdn. 4 c; Schröder, Recht des Handelsvertreters, 5. Aufl. § 87 Rdn. 31 a und 31 b, § 89 b Rdn. 4 c; Bruck/Möller, Versicherungsvertragsgesetz ?VVG- 8. Aufl. Anm. 374 vor §§ 43 bis 48; Küstner, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, 5. Aufl. Rdn. 129, 137, 16; Küstner/v. Manteuffel, Versicherungsvermittlung ?VersVerm- 89, 168 < 244 ff. >; ablehnend dagegen Müller-Stein, Versicherungsrecht ? VersR- 1990, 561=. Dabei wird als eine die Ausgleichspflicht auslösende Teilbeendigung auch die Bestandsreduzierung zum Nachteil eines Versicherungsvertreters angesehen (vgl. u. a. Küstner, aaO Rdn. 167 Küstner/v. Manteuffel, VersVerm 89, a. a. O.).
Ob eine ?Teilbeendigung? des Handelsvertretervertrages zu einem Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB führen kann, hat der Bundesgerichtshof bislang ausdrücklich offengelassen (vgl. BGH-Urteile vom 28. Januar 1965 VII ZR 120/63, Betriebs-Berater ?BB- 1965, 434 und vom 27. Oktober 1993 VIII ZR 46/93, BGHZ 124, 10). Bislang hat in der Rechtsprechung ? soweit erkennbar ? lediglich der 18. Zivilsenat des OLG Hamm eine analoge oder ausdehnende Anwendung des § 89 b HGB b HGB für den Fall befürwortet, dass durch die Teilbeendigung tatsächlich eine der Vollbeendigung vergleichbare Situation eintritt. Voraussetzung hierfür ist jedoch nach Auffassung des OLG eine wesentliche Beeinträchtigung des Handelsvertretervertrages, die lediglich für den Fall der Wegnahme eines ganz überwiegenden Teils des vom Handelsvertreter verwalteten Bestandes angenommen wird (Urteile des OLG Hamm vom 07. Dezember 1992 ? Az.: 18 U 195/91, dokumentiert in Juris sowie Az.: 18 U 203/91, Versicherungsrecht ? VersR- 1993, 833). Soweit in der Literatur hinsichtlich einer analogen Anwendung des § 89 b HGB auf Fälle einer Teilbeendigung ein großzügiger Standpunkt eingenommen wird (z. B. Küstner/v. Manteuffel, VersVerm 1989, 168 ff <244 ff.>; VersVerm 1991, 162, wird dieser somit auch von der Zivilrechtsprechung nicht geteilt. Der erkennende Senat schließt sich dem an. Denn insoweit ist hierbei auch der in Literatur und Rechtsprechung unbestrittene Fakt zu berücksichtigen, dass der Versicherungsvertreter grundsätzlich kein Recht and dem Erhalt des von ihm verwalteten Versicherungsbestandes hat (vgl. BGH-Urteil vom 27. Oktober 1993 VIII ZR 46/93, a. a. O.; Bruck/Möller, VVG 8. Aufl., vor § § 43 ? 48 Anm. 241 a. E.; insoweit ebenso Küstner/v. Manteuffel, VersVerm 1989, 170).
Vor diesem Hintergrund kommt nach Ansicht des erkennenden Senats jedenfalls für den Hier zur Entscheidung stehenden Fall eine analoge Anwendung bzw. eine ausdehnende Auslegung des § 89 b HGB in Betracht. Denn einerseits war die bis vollständige Abgabe des Privatkundenversicherungsbestandes als Teilbeendigung zu bewerten, denn sie ging über eine bloße Verringerung des vom Kläger verwalteten Versicherungsbestandes weit hinaus. Ab Mai 1997 war der Kläger nämlich mit einem kompletten eigenständigen Versicherungsmarktsegment der P? Versicherung, dem Privatversicherungsgeschäft, und seiner Pflege bzw. Akquirierung nicht mehr befasst. Andererseits war damit nach Überzeugung des erkennenden Senats auch eine einer Vollbeendigung vergleichbare Situation eingetreten. Nur in derartigen Fällen erscheint für den Senat eine Gleichbehandlung der Teilbeendigung bzw. teilweisen Bestandsabgabe mit der im Gesetz geregelten Vollbeendigung des Vertragsverhältnisses im Rahmen der Augleichspflicht angesichts der sich für den Versicherungsvertreter ergebenden wirtschaftlichen Probleme und Konsequenzen vertretbar.
So stellen sich die Verhältnisse nach Ausklammerung des in Rede stehenden Versicherungsbestandes Privatkunden auch in der Tat. Dabei war auch nicht in erster Linie auf die Gewinnsituation abzustellen, auf Grund derer ein der Vollbeendigung zumindest nahe kommender Bestandsverlust zum Nachteil des Kl ägers wohl noch nicht eingetreten wäre, weil sich zumindest für die Jahre 1997 bis 1999 die auf die Provisionszahlungen der P? zurückzuführenden Gewinnanteile in Höhe von 69.499,-- DM, 57.700,-- DM und 76.818,-- DM jeweils noch über 50 v. H. des im Jahr 1996 erwirtschafteten Gewinns des Klägers bewegt hatten. Auch der von den Klägern für das Vorliegen eines Ausgleichsanspruchs angeführte Verlust von 2/3 der insgesamt verwalteten Versicherungspolicen war insoweit hinsichtlich der Frage, ob eine einer Vollbeendigung vergleichbare Situation eingetreten war, ebenfalls nicht maßgeblich. Denn die jeweilige Versicherungspolice als solche besagte noch nicht über den für Versicherungsvertreter zu realisierenden Wert in Gestalt von hiermit verbundenen Provisionsansprüchen.
Nach der ratio des § 89 b HGB hält der erkennende Senat insoweit ausschließlich die Höhe des eingetretenen Verlusts auf Provisionen für entscheidend. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Provisionszahlungen vor der Bestandsabgabe im Zeitraum 1994 bis 1996 bereits in Höhe von über 60.000,-- DM rückläufig waren, zeigt doch die unmittelbare Gegenüberstellung des Jahres vor der Bestandsabgabe (1996) mit Provisionseinnahmen der P... in Höhe von 404.885,-- DM und dem ersten Jahr ohne Privatkundenversicherungen (1998) mit Provisionseinnahmen der P... in Höhe von nur noch 160.894,-- DM, das Ausmaß des Rückgangs der Provisionen von mehr als 60 v. H.. Die nach Auffassung des Senats erforderliche ?Schwelle? eines Provisionseinbruchs von über 50 v. H. zur Rechtfertigung einer analogen Anwendung des § 89 b HGB war damit auch gegeben.
Auch die weiteren Voraussetzung des § 89 b Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 HGB sind erfüllt. Zum einen waren mit der Bestandsabgabe erhebliche Vorteile für das Versicherungsunternehmen i. S. d. § 89 b Abs. 1 Nr. 1 HGB gegeben. Denn fortan stand es der P... frei, den vom Kläger übernommenen Versicherungsbestand selbst zu verwalten oder ggfs. in freier Entscheidung an einen neuen Versicherungsagenten zu übergeben. Vorteil i. S. d. des § 89 b Abs. 1 Nr. 1 HGB ist nämlich nicht die tatsächliche Nutzung sondern vielmehr allein deren Möglichkeit (Baumbach/Hopt, HGB, a.a.O., § 89 b Rn. 2, 15; v. Hoyningen-Huene in Münchkomm HGB, a.a.O., § 89 b Rdnr. 4).
Mit der Bestandsabgabe war für den Kläger ? wie oben bereits ausgeführt ? auch ein Verlust von Ansprüchen auf Provisionen ? in erheblichem Umfang ? i. S. d. § 89 b Abs. 1 Nr. 2 HGB verbunden. Damit entsprach die Höhe der Ausgleichszahlung von 421.907,-- DM bei einem Rückgang der Provisionen im ersten Jahr nach der Bestandsabgabe von 244.000,-- DM auch der Billigkeit (§ 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB).
Der Ausgleichsanspruch war auch nicht nach § 89 b Abs. 3 HGB entfallen. Dies wäre nur dann entsprechend § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB der Fall gewesen, wenn vom Kläger die (Teil-)Beendigung des Vertragsverhältnisses ausgegangen wäre. Die zwischen den Parteien einvernehmlich geregelte Bestandsabgabe, die in ihrer Wirkung als Teilbeendigung anzusehen war, ließ den Ausgleichsanspruch hier schon deshalb nicht entfallen, weil Auslöser für die Bestandsabgabe allein die von der P... verfolgte Neuorganisation war.
Auch wenn insoweit dem Kläger ? ausweichlich der dem Betriebsprüfer gegebenen telefonischen Auskunft ? keine Vorgaben gemacht worden sein sollen, so bedingten derartige Umstrukturierungsmaßnahmen zwangsläufig auch Veränderungen des Geschäftsbetriebs des Versicherungsvertreters, der sich an dieser Neuorganisation seines Versicherungsunternehmens auszurichten hatte.
Allein das Vorliegen eines Ausgleichsanspruchs ? zumindest analog ? nach § 89 b HGB hatte aufgrund der tatbestandlichen Verweisung in § 24 Nr. 1 c) EStG i. V. m. § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG zwingend die ermäßigte Besteuerung zur Folge. Eine sog. Vorabentschädigung, wie sie dem vom Beklagten angeführten BFH-Urteil vom 20. Juli 1988 I R 250/83 (a. a. O.) zu Grunde gelegen hatte, sieht der Senat hier nicht gegeben. Denn zum einen erhielt der Kläger die Ausgleichszahlung erst mit der (Teil-)Abgabe des Versicherungsbestandes und des damit konkret eingetretenen Verlusts seiner aus den Versicherungspolicen resultierenden Provisionsansprüche und zum anderen handelte es sich hier um eine einmalige, auch nicht als a cto. Zahlung ausgestatte Geldleistung der P....
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten und die Abwendungsbefugnis beruht auf §§ 151 Abs. 2 und 3, 155 i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung ?ZPO-.
Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen. Bislang ist nämlich nicht höchstrichterlich geklärt, inwieweit auch eine Teilbeendigung einen Ausgleichsanspruch i. S. d. § 89 b HGB auslösen kann, der lediglich der ermäßigten Besteuerung unterliegt.
FINANZGERICHT RHEINLAND-PFALZ
BESCHLUSS
In dem Finanzrechtsstreit XXX
wegen Einkommensteuer 1997
5 K 2882/02
hat der 5. Senat durch XXX
am 28. Januar 2004 beschlossen:
Der Urteilstenor vom 19. Januar 2004 wird unter I. wie folgt berichtigt:
Der Einkommensteuerbescheid 1997 in der Fassung vom 21. November 2001 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 22. November 2002 werden geändert.
Gründe:
Die Berichtigung des Tenors erfolgte gemäß § 107 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ?FGO-. Denn die ursprünglich im Tenor genannte Fassung des Einkommensteuerbescheides 1997 vom 23. Juni 2000 war offenbar unrichtig. Mit der Klage angefochten war, wie auch im Tatbestand des Urteils ausgeführt ist (vgl. S. 4 und S. 8 des Urteils, der Einkommensteuerbescheid 1997 vom 21. November 2001, durch den der Einkommensteuerbescheid vom 23. Juni 2000 abgeändert worden war. Damit wurde der laut Urteilstenor zu ändernde Einkommensteuerbescheid 1997 lediglich versehentlich unrichtig bezeichnet.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen den Beschluss ist die Beschwerde an den Bundesfinanzhof in München gegeben. Sie ist innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung des Beschlusses durch einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Steuerbevollmächtigen, einen Steuerberater, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz in Neustadt an der Weinstraße einzulegen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie durch Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Bundesfinanzhof eingeht. Über die Beschwerde entscheidet der Bundesfinanzhof, wenn ihr das beschließende Gericht nicht abhilft.