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03.04.2013 · IWW-Abrufnummer 131101

Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 04.12.2012 – I-20 U 46/12

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht Düsseldorf

I-20 U 46/12

Tenor:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 23. Februar 2012 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wuppertal wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Antragsgegnerin.

Gründe

A)

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Die Parteien sind Augenärzte. Der Antragsteller unterhält in E. eine Praxis, die Antragsgegnerin in R. Die Antragsgegnerin führte in Bezug auf ihre Leistungen auf ihrer Internetseite d...eu unter anderem aus:

„Folgende ambulante Operationen bieten wir Ihnen weiterhin an:

Operation des grauen Stares

... (es folgt eine Beschreibung der Operationsmethode)

Glaukom-Operationen

Intravitreale Injektionen

...

Hornhautchirurgie

...

Lidplastische Chirurgie

...

Cornea Cross Linking

...

Schieloperationen

...

LASIK (Laser in-situ Keratomileosis)

...

Diese Operationen erfolgen in Kooperation mit der Augenklinik D. in B.

Bei Bedarf .. ist dort auch eine stationäre Behandlung möglich.

Von unserer Augenarztpraxis in R. besteht ein kostenloser Shuttle-Service in die Klinik und zurück zur Wohnung des Patienten.“

Der Antragsteller sieht in dem Angebot eines Shuttle-Service eine nach § 7 Abs. 1 HWG unzulässige Zugabe und damit eine nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG unlautere geschäftliche Handlung der Antragsgegnerin.

Das Landgericht hat der Antragsgegnerin mit der angefochtenen Entscheidung im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Patienten, die zu einer Operation die Augenklinik D. in B. aufsuchen müssen, ohne Berechnung von Kosten einen Fahrdienst anzubieten und/oder zur Verfügung zu stellen, bei dem die Patienten von der Augenarztpraxis der Antragsgegnerin in R. abgeholt, zur Augenklinik D. nach B. gebracht werden und nach der Behandlung wieder zurückgebracht werden.“

Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründeten Berufung.

Die Antragsgegnerin macht geltend, es fehle schon an einem Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien, weil der Antragsteller nur eine geringe Zahl von Patienten aus dem Raum R. behandele. Ferner gewähre nicht die Antragsgegnerin eine Zugabe, sondern die Klinik D. Es liege auch kein Verstoß gegen § 7 HWG vor. Das Angebot eines solchen Fahrdienstes sei entgegen der Ansicht des Antragstellers handelsüblich. Der Aufwand der Klinik sei gering und stehe in keinem Verhältnis zu den Kosten der jeweiligen Operationen. Schließlich ließen sich Patienten wohl kaum durch dieses Angebot bei der Entscheidung beeinflussen, welchen Arzt sie aufsuchten. Darüber hinaus handele es sich nicht um eine absatz- bzw. produktbezogene Werbung, sondern um eine Imagewerbung, die schon nicht dem Schutzbereich des HWG unterfalle. Ein etwaiger Verstoß sei auch nicht wettbewerblich relevant. Die Inanspruchnahme der Antragsgegnerin sei zudem mißbräuchlich, weil der Antragsteller sich mittelbar gegen die Klinik D. wende. Zudem sei die Wiederholungsgefahr schon deshalb entfallen, weil der Antragsteller gegen die Klinik D. eine einstweilige Verfügung erwirkt habe. Solange diese Bestand habe, könne die Antragsgegnerin die Leistungen mit Transport nicht anbieten. Werde sie aufgehoben, stehe fest, dass das Verhalten der Antragsgegnerin nicht wettbewerbswidrig sei.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 17.01.2012 unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Wuppertal vom 23.02.2012 zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Zwischen den Parteien bestehe ein Wettbewerbsverhältnis. Ein Verstoß gegen § 7 HWG liege vor. Für die Beurteilung komme es auf die ersparten Aufwendungen des Patienten an und nicht darauf, was die Klinik D. aufwende. Die Antragsgegnerin habe bestimmte Heilbehandlungen beworben und damit eine produktbezogene Werbung betrieben. Bei Operationen komme es – anders als etwa beim Angebot von Apotheken – gerade auch auf die Person des Operateurs an. Hier bestehe die Gefahr, dass sich Patienten aus sachfremden Erwägungen für eine Operation in der Klinik D. entschieden.

Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
B)

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die begehrte einstweilige Verfügung erlassen. Der Senat macht sich die Ausführungen des Landgerichts zu Eigen und nimmt darauf Bezug. Ergänzend ist zum Vorbringen der Antragsgegnerin in der Berufungsinstanz Folgendes auszuführen:

Die Rechtsverfolgung des Antragstellers ist nicht schon nach § 8 Abs. 4 UWG missbräuchlich und damit unzulässig. Dabei kann dahin stehen, ob der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin, wie sie behauptet, angegeben hat, das vorliegende Verfahren gegen die Antragsgegnerin sei ein „Kollateralschaden“ in seiner Auseinandersetzung mit der Klinik D. Selbst wenn man dies zu Gunsten der Antragsgegnerin unterstellt, lässt es nicht den Schluss zu, die Rechtverfolgung sei missbräuchlich. Ein Missbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung überwiegend sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen oder Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 4 Rn. 4.10). Der hier von dem Antragsteller erhobene Vorwurf besteht darin, die Antragsgegnerin habe in wettbewerbsrechtlich unzulässiger Weise für ihre Praxis mit einer Kooperation mit der Klinik D. geworben, wobei gerade das von dieser in Zusammenarbeit mit Augenärzten wie der Antragsgegnerin betriebene Angebot eines Shuttle-Service unlauter sein soll. Es liegt in der Natur der in Rede stehenden Handlung, dass sie gemeinschaftlich ist. Somit ist es auch nicht sachfremd, wenn der Antragsteller neben der Klinik D. die mit ihr in Bezug auf den beanstandeten Shuttle-Service kooperierenden Augenärzte angreift. Dieses Vorgehen hat den Sinn, das vom Antragsteller als wettbewerbswidrig angesehene gemeinsame Handeln zu unterbinden. Selbst wenn der Antragsteller also das vorliegende Verfahren als "Kollateralschaden" bezeichnet haben mag, deutet dies nur darauf hin, dass er das Verfahren zu effektiven Verhinderung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens verfolgen will und damit nicht aus sachfremden Erwägungen handelt.

Der Antragsteller ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktiv legitimiert, denn er ist Mitbewerber der Antragsgegnerin im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Die Parteien stehen in Bezug auf die vom Antragsteller beanstandete Werbung in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis. Die Parteien bieten ihre Leistungen auf dem gleichen sachlichen, räumlichen und zeitlichen Markt an. Beide Parteien offerieren augenärztliche Leistungen. Zwar mag der Antragsteller sich besonders durch das Angebot bestimmter Operationen hervortun, gerade diese aber werden auch mit der beanstandeten Werbung beworben. Darüber hinaus liegt es nicht nahe, den sachlichen Markt augenärztlicher Leistungen nach einzelnen Behandlungsangeboten abzugrenzen. Vielmehr mag ein potentieller Patient, der durch den Internetauftritt der Antragsgegnerin angesprochen wird, zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wissen, ob er eine bestimmte Operation benötigt. Aus seiner Sicht bieten die Parteien austauschbare Leistungen, nämlich die augenärztliche Untersuchung und Behandlung an. Mit zutreffender Begründung ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass die Parteien auf dem gleichen räumlich relevanten Markt tätig sind. Zwar dürfte das Angebot der Antragsgegnerin bezüglich eines kostenlosen Fahrdienstes von ihrer Praxis zur Klinik D. und zurück zur Wohnung des Patienten räumlich Patienten aus dem Raum R. ansprechen. Sie können sich durch das Angebot aber gerade deshalb veranlasst sehen, die Praxis der Antragsgegnerin aufzusuchen, weil sie im Falle einer Operation keine zusätzlichen Fahrtkosten aufwenden müssen, statt den Antragsteller aufzusuchen, der derartige Operationen ebenfalls im Bedarfsfall anbietet, zu dem sie aber auf eigene Kosten reisen müssen. Insoweit ist auch zu beachten, dass Fachärzte häufig ein weites Einzugsgebiet haben. Patienten sind durchaus bereit, zu einem Arzt, dem sie besonderes Vertrauen entgegen bringen, weitere Anreisen in Kauf zu nehmen. Hierzu hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, allein aus dem Raum R. im 2. Halbjahr 2011 18 Patienten behandelt zu haben. Das reicht als Beleg aus, dass er seine Leistungen eben gerade auch Patienten aus dem Raum R. anbietet und daher ein wettbewerbswidriges Verhalten der Antragsgegnerin sich auf seinen Wettbewerb auswirkt. Bei einer anderen Sicht ergäbe sich die paradoxe Folge, dass ein Arzt, der erfolgreich Patienten aus einem weiten Einzugsbereich anspricht, zu keinem anderen Arzt im Wettbewerb stünde.

Die Antragsgegnerin ist passiv legitimiert, denn sie selbst hat mit der angegriffenen Werbung wettbewerblich gehandelt, und zwar sowohl zu ihren eigenen Gunsten, als auch zu Gunsten der Klinik D. Aus der konkreten Werbung ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin keineswegs klar ersichtlich, dass nicht die Antragsgegnerin selbst, sondern die Klinik D. Anbieterin der ausdrücklich beworbenen Operationen und des damit verbundenen Shuttle-Service ist. Das Gegenteil ist der Fall. Die entsprechende Passage beginnt mit den Worten: „Folgende ambulante Operationen bieten wir Ihnen weiterhin an:“. „Wir“ kann sich in diesem Zusammenhang aber nur auf die Antragsgegnerin selbst beziehen, denn von der Klinik D. ist an dieser Stelle noch gar nicht die Rede. Zwar ist am Ende der Passage dann von einer Kooperation mit der Klinik D. die Rede, die genaue Rolle der Antragsgegnerin in dieser Kooperation bleibt hingegen dunkel. Damit wirbt auch die Antragsgegnerin selbst für ambulante Operationen unter Berufung auf den kostenlosen Shuttle-Service und fördert sie damit nicht nur fremden Wettbewerb, nämlich den der Klinik D., sondern auch eigenen. Hinzu kommt Folgendes: Der Patient, der im Internet nach einem Augenarzt sucht, weiß zu diesem Zeitpunkt häufig noch gar nicht, ob er eine Operation benötigt. Es liegt aber sehr nahe, dass er sich bei der Auswahl des Augenarztes auch daran orientiert, ob dieser eine eventuell erforderliche Operation vornehmen kann und welcher Aufwand sich dann ergibt. Der betreffende Patient kann geneigt sein, wegen des kostenlosen Fahrdienstes die Antragsgegnerin aufzusuchen, anstatt sich schon in diesem Stadium an den Antragsteller zu wenden. Mit der Herausstellung des kostenlosen Fahrdienstes als Vorteil der eigenen Praxis, bewirbt die Antragsgegnerin jedenfalls eigene ärztliche Leistungen im Zusammenhang mit den genannten Operationen, nämlich die der eigentlichen Operation der Klinik D. vorangehenden diagnostischen Leistungen.

Das vom Antragsteller beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin ist nach § 7 Abs. 1 HWG verboten und stellt damit einen Verstoß gegen eine dem Schutz der Verbraucher dienende Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar.

Die Antragsgegnerin bietet die hier in Rede stehende Zugabe nicht als Imagewerbung an, sondern in Bezug auf konkrete Verfahren und Behandlungen. Insoweit vermag sich der Senat der Ansicht des Oberlandesgerichts Rostock in der von der Antragsgegnerin vorgelegten Entscheidung (Urteil vom 14.03.2012, 2 U 22/10) nicht anzuschließen.

Zwar fällt nicht jede Werbung für Verfahren und Behandlungen unter die Bestimmungen des Heilmittelwerbegesetzes. Einbezogen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes ist nur die produktbezogene Werbung (Produkt- und Absatzwerbung), nicht hingegen die allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens- und Imagewerbung), die ohne Bezugnahme auf bestimmte Verfahren und Behandlungen für Ansehen und Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein wirbt. Die Beantwortung der für die Anwendbarkeit des Heilmittelwerbegesetzes entscheidenden Frage, ob die zu beurteilende Werbung Absatz- oder Firmenwerbung ist, hängt danach maßgeblich davon ab, ob nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens oder aber die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Verfahren und Behandlungen im Vordergrund steht (BGH GRUR 2003, 353, 355 f. – Klinik mit Belegärzten). Diese Einschränkung trägt dem Zweck des Heilmittelwerbegesetzes Rechnung, den Einzelnen und die Allgemeinheit vor den Gefahren einer unsachgemäßen Selbstmedikation und einer unsachlichen Werbung zu schützen (Köhler a.a.O., § 4 Rn. 11.133). Der Patient soll davor geschützt werden, seine Entscheidung auf sachfremde Erwägungen zu stützen.

Nach diesen Grundsätzen wirbt die Antragsgegnerin mit dem Angebot eines kostenlosen Transfers zur und von der Klinik D. für konkrete Verfahren und Behandlungen. So führt die streitgegenständliche Werbung im Internet ganz konkrete Operationen und Behandlungen auf. Patienten, die mit der Möglichkeit rechnen, eine derartige Operation zu benötigen, werden so dazu veranlasst, sich zur Behandlung an die Antragsgegnerin zu wenden, weil sie im Falle einer Operation den Transport zur Klinik D. nicht selber organisieren und bezahlen müssen.

Hinzu kommt ein Weiteres: Die Antragsgegnerin bewirbt bestimmte ärztliche Leistungen, insbesondere Operationen. Die Entscheidung darüber, welchen Arzt ein Patient aufsucht, unterscheidet sich aber ganz erheblich von derjenigen, in welcher Apotheke er ein Medikament erwirbt oder welches von mehreren wirkstoffgleichen Präparaten er erwirbt. Die Leistungen von Apotheken sind in jeder Hinsicht austauschbar. Die ärztliche Behandlung insbesondere im Falle einer Operation ist dies jedoch nicht. Vielmehr hängt die Entscheidung insbesondere von der Qualifikation und dem Ruf, insgesamt also von der Person des jeweiligen Arztes ab. Das hat jedoch zur Folge, dass die Bewerbung einer ärztlichen Leistung in der Regel in dem vorgenannten Sinne „produktbezogen“ ist, als das Angebot eines bestimmten Behandlers beworben wird und sich dessen Angebot von dem anderer Ärzte unterscheidet. Die Auswahlentscheidung in Bezug auf den jeweiligen Arzt ist daher jedenfalls in der Regel „produktbezogen“ und fällt damit in den Bereich, in dem das Heilmittelwerbegesetz den Patienten vor einer unsachlichen Entscheidungsfindung schützen soll. Die Frage, mit welchen Kosten ein eventueller Transfer zu einer Klinik verbunden ist, ist aber eben kein sachgerechtes Kriterium für die Auswahl eines Arztes, der gegebenenfalls schwierige und risikobehaftete Operationen am Auge vornehmen soll.

Das Angebot eines unentgeltlichen Transfers ist auch nicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG zulässig. Danach sind „geringwertige Kleinigkeiten“ erlaubt. Dabei bestimmt sich der Wert nicht nach den Aufwendungen des Werbenden, sondern dem Vorteil, den der Umworbene erhält. Er ist geringwertig, wenn nach Lage der Dinge eine unsachliche Beeinflussung ausgeschlossen erscheint (Köhler a.a.O. § 4 Rn. 11.135). Geht man davon aus, dass nach den in Rede stehenden Operationen eine eigene Teilnahme am Straßenverkehr für den Patienten nicht möglich ist, ist zu berücksichtigen, dass ein Patient nicht in der Lage ist, selber einen Sammeltransport zu organisieren, weil er gar nicht wissen kann, welche Patienten aus seiner Nähe zur gleichen Zeit einen derartigen Transport benötigen. Ihm bleibt daher nur die Alternative, sich mit einem Taxi zur und von der Klinik fahren zu lassen. Das ist aber von R. aus nach B. und zurück mit erheblichen Kosten verbunden. Die Kosten sind durchaus geeignet, die Entscheidung des Patienten, von welchem Arzt er sich operieren lässt, zu beeinflussen.

Schließlich ist das Angebot eines kostenlosen Transfers auch nicht handelsüblich und damit nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 HWG zulässig. Da der Begriff der Handelsüblichkeit im Interesse notwendiger Weiterentwicklung nicht eine allgemeine tatsächliche Übung voraussetzt, so dass auch neue Erscheinungsformen - ungeachtet ihrer fehlenden Verbreitung - schon dann als handelsüblich angesehen werden können, wenn sie sich nach den Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Gepflogenheiten halten (BGH GRUR 1991, 329, 330 – Family-Karte). So etwas kann schon für Kliniken nicht festgestellt werden. Abgesehen davon, dass allenfalls einzelne Augenkliniken möglicherweise einen derartigen Dienst anbieten, entspricht ein derartiges Angebot nicht der Erwartung der angesprochenen Verkehrskreise, sondern wird nach wie vor als Besonderheit angesehen. Hinzu kommt aber, dass es hier nicht darum geht, ob ein solches Angebot Kliniken versagt wäre, sondern darum, ob ein niedergelassener Augenarzt mit einem derartigen Angebot werben darf, ob also das Angebot der Vermittlung eines kostenlosen Transfers zu einer entfernt gelegenen Augenklinik von der Arztpraxis und zurück zur Wohnung des Patienten zu den aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise üblichen Gepflogenheiten einer Augenarztpraxis gehört. Die von der Antragsgegnerin vorgelegten Beispiele zeigen einen derartigen Shuttle-Service aber regelmäßig in der Weise an, dass der Patient entweder zu Hause oder am Bahnhof/Flughafen abgeholt wird. Das Angebot eines organisierten Transports in eine Klinik von einer Arztpraxis aus findet sich in den vorgelegten Beispielen gerade nicht. Es kann daher insbesondere nicht festgestellt werden, dass das Angebot eines niedergelassenen Augenarztes, im Bedarfsfall die unentgeltliche Fahrt in eine Klinik zum Zwecke einer ambulanten Operation zu organisieren, „handelsüblich“ wäre. Nur dies ist aber Gegenstand des vorliegenden Verbots. Im Übrigen zeigt letztlich auch § 7 Abs. 1 Nr. 3 HWG, wie schon die Kammer erkannt hat, dass jedenfalls in der Regel nur die Übernahme der Kosten öffentlicher Verkehrsmittel in diesem Sinne angemessen ist. Hinzu kommt allerdings, dass sich aus Sicht des Patienten der Kliniktransfer als Zuwendung für die Behandlung durch die Antragsgegnerin darstellt. Zu dieser Behandlung ist der Transport aber schon nicht notwendig.

Das Angebot ist im Sinne von § 3 Abs. 2 UWG geeignet, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher – hier potentieller Patienten – spürbar zu beeinträchtigen. Bei Verstößen gegen das Heilmittelwerbegesetzt ist davon in der Regel auszugehen, da in den Fällen, in denen es praktisch ausgeschlossen ist, dass die Schutzzwecke des Gesetzes verletzt werden, regelmäßig schon kein Verstoß gegen das Gesetz vorliegen wird (Köhler a.a.O. § 4 Rn. 11.134a). Wie bereits dargetan, begründet das in Rede stehende Angebot die Gefahr, dass ein Patient die Entscheidung über die Auswahl des Arztes auch unter dem Gesichtspunkt trifft, ob ihm dieser im Falle einer notwendigen Operation den kostenlosen Transfer in eine Augenklinik anbietet. Dies ist aber eine unsachliche Erwägung, so dass das Angebot auch geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen.

Schließlich ist die Wiederholungsgefahr nicht deshalb weggefallen, weil die Antragsgegnerin den streitbefangenen Eintrag von ihrem Internetauftritt entfernt hat und die Klinik D. derzeit durch eine vom Antragsteller erwirkte einstweilige Verfügung an dem Angebot eines derartigen Beförderungsdienstes gehindert ist. Grundsätzlich kann die Wiederholungsgefahr nur durch eine ausreichend strafbewehrte Unterlassungserklärung beseitigt werden. Eine solche hat die Antragsgegnerin nicht abgegeben. Es ist aber für die Zukunft völlig offen, ob die einstweilige Verfügung gegen die Klinik D. Bestand hat. Auch könnte die Antragstellerin ihrerseits derartige Shuttle-Dienste organisieren und bezahlen. Insbesondere geht aber die Annahme der Antragsgegnerin fehl, dass das Nichtbestehen eines Anspruchs gegen die Klinik D. notwendig das Nichtbestehen eines Anspruchs gegen die Antragsgegnerin nach sich zöge. Zum Einen verweist die Antragsgegnerin selbst darauf, dass an Werbemaßnahmen von Kliniken unter Umständen andere Ansprüche zu stellen sind als an die Werbung niedergelassener Ärzte. Zum Anderen mag dasjenige, was „handelsüblich“ ist, in Bezug auf die Klinik D. anders zu beurteilen sein als in Bezug auf die Antragsgegnerin. Schließlich kann die Wirkung einer einstweiligen Verfügung auch aus anderen Gründen wegfallen als dem Nichtbestehen eines Verfügungsanspruchs.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist entbehrlich, weil das Urteil nach § 542 Abs. 2 ZPO nicht revisibel ist.

Streitwert: 50.000,00 € (entsprechend der von den Parteien nicht angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung)

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