16.11.2000 · IWW-Abrufnummer 001349
BRAGO professionell 12/2000 Seite 164
Was müssen Sie bei der gerichtlichen Durchsetzung Ihres Honorars beachten?
Honorarstreitigkeiten sind in der Praxis leider keine Seltenheit: Infolge
von Meinungsverschiedenheiten kann die Zusammenarbeit beendet worden sein
und der Auftraggeber verweigert die Zahlung des Anwaltshonorars mit der
Begründung einer angeblich mangelhaften Auftragserledigung. Oder der
Auftraggeber ist möglicherweise in Zahlungsschwierigkeiten geraten und kann
deshalb die Rechnung nicht begleichen.
In diesen Fällen ist häufig eine gerichtliche Geltendmachung angezeigt ?
schon allein deshalb, um die Verjährung zu unterbrechen, die gemäß § 196
Abs. 1 Nr. 15 BGB unabhängig von einer Rechnungserstellung durch den Anwalt
(vergleiche § 18 Abs. 1 Satz 2 BRAGO) innerhalb von zwei Jahren erfolgt.
Insbesondere bei Meinungsverschiedenheiten mit dem Mandanten ist es
empfehlenswert, mit der Durchsetzung der Honorarforderung einen in
Gebührenfragen erfahrenen Kollegen zu beauftragen. Dies führt zumeist zu
einer dem Anwalt nützlichen Versachlichung der Auseinandersetzung. Für Ihren
erfolgreichen Honorarprozess kommt es aber vor allem auf eine schlüssige
Klage an. Deshalb sollten Sie auf die folgenden Punkte achten:
1. Klageerhebung statt Mahnverfahren?
Die gerichtliche Geltendmachung des Honorars kann wahlweise im Mahnverfahren
oder im Klagewege erfolgen, sofern nicht die Möglichkeit einer gerichtlichen
Festsetzung der Vergütung nach § 19 BRAGO besteht.
Für das Mahnverfahren spricht, dass nach der KV-Nr. 1100 nur eine halbe
Gerichtsgebühr als Vorschuss zu entrichten ist. Bei einer Klage sind es
hingegen nach KV-Nr. 1201 drei Gebühren. Ob die Titulierung im Mahnverfahren
schneller als im Klageverfahren erfolgt, hängt vom Gang der Dinge ab: Ist
mit einem Widerspruch des Auftraggebers gegen den Mahnbescheid zu rechnen,
so führt das Mahnverfahren zu einer zusätzlichen zeitlichen Verzögerung. Im
Falle einer Klage steht nach § 29 ZPO der Gerichtsstand des Erfüllungsortes,
das heißt des Kanzleisitzes, zur Verfügung.
2. Der Anwalt ist für den Inhalt des Auftrages beweispflichtig
Für den Honoraranspruch erstreckt sich die Darlegungs- und Beweislast auf
den konkreten Inhalt und den Umfang des dem Rechtsanwalt erteilten
Auftrages. Dieser bestimmt nach der Rechtsprechung des BGH den Weg, den der
Rechtsanwalt zur Erledigung der Angelegenheit gehen soll (BGHZ 48, 334, 336;
NJW 1968, 2334).
Der Rechtsanwalt ist nicht berechtigt, den Auftragsinhalt ? und damit die
Vergütungspflicht ? einseitig auf eine nicht vom Mandanten in Auftrag
gegebene, gleichwohl aber durchgeführte Tätigkeit auszudehnen. Aus
Beweisgründen empfiehlt es sich hier generell, den konkreten Inhalt des
Auftrages schriftlich festzuhalten. Dies kann zum Beispiel durch eine ? vom
Mandanten gegengezeichnete (!) ? schriftliche Aktennotiz oder durch die
Aufnahme in die Mandatsvollmacht erfolgen.
3. Ist die Abrechnung gemäß dem richtigen Auftragsbereich erfolgt?
Weitere Voraussetzung für die erfolgreiche Durchsetzung einer
Honorarforderung ist, dass die Abrechnung der ausgeübten anwaltlichen
Tätigkeiten nach dem gebührenrechtlich richtigen Auftragsbereich erfolgt ist
(zu Einzelheiten zur Bestimmung des gebührenrechtlich relevanten
Auftragsbereichs: Ernst, Anwaltsgebühren: Systematische Darstellung und
Erläuterung der BRAGO, 3. Auflage, München 1994, Seite 30 ff.). Für die
Abgrenzung ist folgendes zu berücksichtigen:
Eine Geltendmachung der Gebühren des § 118 BRAGO scheidet immer dann aus,
wenn der Auftrag des Mandanten auf gerichtliche Tätigkeiten oder Tätigkeiten
in ähnlichen Verfahren im Sinne der §§ 31 bis 117 BRAGO gerichtet ist. Dies
wird allgemein aus dem Wortlaut des § 118 Abs. 1 BRAGO gefolgert, wo es
heißt: ?... In anderen als den im dritten bis elften Abschnitt geregelten
Angelegenheiten ....?. Grundsätzlich gilt deshalb:
Im Falle eines Prozessauftrages können in der Regel zusätzlich zu den
Gebühren der §§ 31 ff. BRAGO keine Geschäftsgebühr und keine
Besprechungsgebühr mehr entstehen. Eine Abrechnung der Gebühren des § 118
BRAGO kommt ferner dann nicht in Betracht, wenn der Auftrag allein auf die
Erteilung eines Rates gerichtet ist. Hierfür kann lediglich eine Ratsgebühr
nach § 20 BRAGO ? und unter Umständen eine Erstberatungsgebühr nach § 20
Abs. 1 Satz 3 BRAGO ? beansprucht werden. Es fallen keine Gebühren nach § 118
BRAGO und insbesondere keine Besprechungsgebühren an.
Hinweis: Zu der Möglichkeit und den Voraussetzungen, unter welchen der
Rechtsanwalt neben den Gebühren nach §§ 31 ff. BRAGO zusätzliche Gebühren
nach § 118 BRAGO beanspruchen kann, siehe BRAGO prof. 10/96, 3 f. Zur
Möglichkeit, neben der Beratungsgebühr eine Vergleichsgebühr abzurechnen,
vergleiche BRAGO prof. 2/97, 3 f.
4. Welche Tätigkeit wurde erbracht?
Zu einem schlüssigen Klagevortrag gehört ferner, dass im einzelnen dargelegt
und unter Beweis gestellt wird, welche Tätigkeiten der Anwalt im Rahmen des
ihm erteilten Auftrages erbracht hat. Bei Beratungsaufträgen und sonstigen
Angelegenheiten sollte die jeweilige Korrespondenz mit dem Auftraggeber bzw.
Dritten zur Information des Gerichts und als Beweismittel vorgelegt werden.
Bei gerichtlichen Tätigkeiten empfiehlt es sich, die jeweiligen Schriftsätze
sowie Sitzungs- und Beweisprotokolle in Kopie vorzulegen.
Sofern sich der Auftraggeber schriftlich auf eine mangelhafte
Auftragserledigung berufen hat, sollte hierzu vorsorglich bereits in der
Klageschrift kurz Stellung genommen werden, um eine ungünstige Beeinflussung
des Gerichts zu vermeiden. Sofern keine Einwendungen gegen die
Ordnungsmäßigkeit der Auftragserledigung erfolgt sind, empfiehlt sich der
Hinweis, dass die in Auftrag gegebenen Tätigkeiten ordnungsgemäß erbracht und
dass hiergegen vorprozessual keine Einwendungen erhoben wurden.
5. Welchen Wert hat die ausgeübte Tätigkeit?
Die Tätigkeit des Anwalts muss richtig vergütet worden sein. Zu diesem Zweck
muss der Anwalt den seiner Abrechnung zugrunde gelegten Gegenstandswert der
Angelegenheit angeben. Die Gebühren der BRAGO sind weitgehend Wertgebühren.
Sie werden nach dem objektiven Wert bestimmt, den der Gegenstand der
anwaltlichen Tätigkeit für den Auftraggeber hat. Dessen subjektive Bewertung
ist dabei ohne Belang (Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 12. Auflage,
§ 7 Rn. 2; Hansens, BRAGO, 8. Auflage, § 7 Rn. 3; Hartmann, Kostengesetze,
26. Auflage, § 7 Rn. 3). Bei Tätigkeiten im Zusammenhang mit einem
gerichtlichen Verfahren ist die gerichtliche Festsetzung des Streitwerts
nach § 9, § 10 BRAGO auch für die Anwaltsgebühren maßgeblich.
In allen anderen Fällen hat der Anwalt den Wert gemäß § 8 Abs. 1 oder Abs. 2
BRAGO selbständig nach objektiven Gesichtspunkten zu bestimmen. Die
maßgeblichen Gesichtspunkte sind in der Klageschrift im einzelnen darzulegen
und zu begründen.
6. Die Gebührensätze von Rahmengebühren müssen nachvollziehbar sein
Bei der gerichtlichen Geltendmachung von Betragsrahmengebühren ? zum
Beispiel nach §§ 83 ff. BRAGO in Strafsachen oder bei sonstigen
Angelegenheiten nach § 118 BRAGO ? muss zur Schlüssigkeit der Klage dargelegt
werden, welche Gesichtspunkte der Anwalt bei der Ausübung des ihm nach § 12
BRAGO eingeräumten Ermessens berücksichtigt hat.
Das betrifft nicht nur unmittelbar die in § 12 BRAGO genannten Umstände wie
die Bedeutung der Angelegenheit, den Umfang, die Schwierigkeit der
anwaltlichen Tätigkeit oder die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des
Auftraggebers, sondern auch alle sonstigen Umstände, die für die Bestimmung
der Gebühr im Einzelfall von Bedeutung sind (Hartmann, aaO, § 12 Rn. 2).
Solche sind zum Beispiel: sprachliche Verständigungsschwierigkeiten mit dem
Auftraggeber (LG Karlsruhe AnwBl. 1980, 121), ungeordnete Unterlagen,
Tätigkeiten außerhalb der Kanzleizeiten wie an Wochenenden und an Feiertagen
(Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, aaO, § 12 Rn. 15) oder die große Bedeutung
des Ausgangs des Rechtsstreits für den Auftraggeber (SG Dortmund AnwBl.
1983, 474).
Die Gerichte haben vielfach die Tendenz, von der Mittelgebühr (=
Mindestbetrag + Höchstbetrag : 2) auszugehen. Je mehr der Anwalt bei der
Gebührenberechnung von der Mittelgebühr nach oben abgewichen ist, um so
größer sind die Anforderungen, die an seine Begründung gestellt werden. Zu
beachten ist ferner, dass der Anwalt gemäß § 315 Abs. 2 BGB an das einmal von
ihm ausgeübte Ermessen gebunden ist. Hat er also zum Beispiel den
Gebührensatz zunächst niedriger angesetzt als es objektiv gerechtfertigt
gewesen wäre, so scheidet eine nachträgliche Änderung trotzdem grundsätzlich
aus (BGH NJW 1987, 3202; OLG Köln AGS 1993, 34; a. A.: Kümmelmann AnwBl.
1980, 451).
Hinweis: Die vom Rechtsanwalt getroffene Ermessensentscheidung kann im
Rechtsstreit vom Gericht nur dann aufgehoben werden, wenn sie sich als
unangemessen hoch erweist. Dies ist nach der in der Literatur und in der
Rechtsprechung vorherrschenden Meinung nur dann der Fall, wenn die vom
Rechtsanwalt getroffene Bestimmung um mehr als 20 Prozent den vom Gericht
als angemessen und billig erachteten Gebührensatz übersteigt (siehe dazu zum
Beispiel: OLG Köln JurBüro 1994; 31; OLG München JurBüro 1991, 1485; BVerwG
62, 201; Hansens, aaO, § 12 Rn. 15 m.w.N.)
7. Eine ordnungsgemäße Rechnungsstellung ist Fälligkeitsvoraussetzung
Das Anwaltshonorar wird erst zur Zahlung fällig, wenn eine ordnungsgemäße
Berechnung gemäß § 18 BRAGO vorliegt, das heißt: In der Rechnung sind die
einzelnen Gebühren und Auslagen, die Vorschüsse sowie die angewandten
Gebührenvorschriften und bei Wertgebühren auch der Gegenstandswert
anzugeben. Zu beachten ist, dass der Rechtsanwalt im Bestreitensfalle auch
dafür beweispflichtig ist, dass die Rechnung dem Auftraggeber zugestellt
wurde. Insbesondere für den Fall, dass der Anwalt von mehreren
Auftraggebern ? zum Beispiel von Eheleuten ? beauftragt wurde und für einen
der Auftraggeber Sondertätigkeiten erbracht wurden, wird bezüglich der
Sondertätigkeiten kein Schuldverhältnis zu dem jeweils anderen Auftraggeber
begründet. Die Rechnungsstellung muss deshalb jedem Auftraggeber gegenüber
gesondert erfolgen. Ist dies nicht geschehen, so ist der in Rechnung
gestellte Betrag nicht fällig geworden. Hier empfiehlt es sich, die
Rechnungsstellung noch vor der gerichtlichen Geltendmachung nachzuholen.