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22.02.2013 · IWW-Abrufnummer 130613

Oberlandesgericht Koblenz: Beschluss vom 04.10.2012 – 2 U 1020/11

1. Eine Arglisthaftung wegen der Täuschung durch Verschweigen offenbarungspflichtiger Mängel setzt voraus, dass dem Verkäufer Fehler bekannt waren oder er sie zumindest für möglich hielt und er billigend in Kauf nahm, dass dem Käufer diese Fehler nicht bekannt waren und er bei deren Offenlegung den Kaufvertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Das Tatbestandsmerkmal der Arglist erfasst damit nicht nur ein Verhalten des Veräußerers, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines "Fürmöglichhaltens" und "Inkaufnehmens" reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss (in Anknüpfung Senatsentscheidungen vom 19.01.2009 - 2 U 422/08 und vom 20.02.2009 - 2 U 848/08).

2. Lässt sich nach den Festellungen des Sachverständigen nicht gesichert klären, ob ein Hausanwesen zum Zeitpunkt des Auszugs der Eigentümer mit Buckel- bzw. Kugelkäfern befallen war, scheidet eine Haftung der Veräußerer des Hausanwesens wegen Arglisthaftung aus.


OLG Koblenz
04.10.2012

2 U 1020/11

In dem Rechtsstreit

Monika G.,

Klägerin und Berufungsklägerin,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

g e g e n

1. Norbert B.

Beklagte und Berufungsbeklagte,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

2. Barbara B.,

Beklagte und Berufungsbeklagte,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Eck sowie die Richter am Oberlandesgericht

Dr. Syrbe und Dr. Reinert

am 4. Oktober 2012

e i n s t i m m i g

beschlossen:
Tenor:

Der Senat erwägt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Trier vom 10. August 2011 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe

Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung ist nicht geboten. Der Klägerin wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 16.November 2012. Es wird zur Vermeidung weiterer Kosten angeregt, die Berufung zurückzunehmen. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 Kostenverzeichnis zum GKG). Die Gründe werden nachfolgend dargestellt:

I.

Die Klägerin kaufte mit notariellem Kaufvertrag vor dem am 12.03.2009 (Urk.-Nr. 531/2009, Notar Michael K.) von den Beklagten das Hausanwesen Flur 12 Nr. 555/4 Gebäude- und Freifläche ....Straße 34 in T. zu einem Kaufpreis von 105.000 Euro. Die Beklagten waren zuvor bereits im Jahr 2006 aus dem Haus ausgezogen.

Ziffer 3 dieses Vertrages hat folgenden Wortlaut:

" ...Der Grundbesitz wird verkauft in dem Zustand, in dem er sich zur Zeit befindet, ohne dass Gewähr für Größe und Beschaffenheit, samt allen Bestandteilen, gesetzlichem Zubehör, mit dem Recht Il/1, im übrigen lastenfrei.

Ansprüche und Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels des Grundbesitzes sind ausgeschlossen. Verkäufer versichert, daß ihm versteckte Mängel nicht bekannt sind. Der Käufer hat das Kaufobjekt besichtigt, er kauft es im gegenwärtigen gebrauchten Zustand. ...."

Nach Inbesitznahme des Objekts durch die Klägerin erklärte ihr Prozessbevollmächtigter mit Schreiben vom 18.03.2009 im Auftrag seiner Mandantin den Rücktritt vom Kaufvertrag, da das Hausanwesen in erheblichem Maße von Schädlingen befallen sei und forderte die Beklagten auf zu erklären, dass sie keine Rechte aus dem Kaufvertrag geltend machen würden. Eine solche Erklärung wurde von den Beklagten nicht abgegeben.

Die Parteien haben darüber gestritten, ob der Befall des Hausanwesens mit Buckelkäfern bereits zum Zeitpunkt des Auszugs der Beklagten aus dem Hausanwesen und zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags vorhanden war und die Beklagten davon Kenntnis hatten und den Sachmangel arglistig verschwiegen haben.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass der am 12.03.2009 unter Urkunden-Nr. 531/2009 vor dem Notar Michael König abgeschlossene Kaufvertrag über das Hausgrundstück ... Straße 34. ...T. durch den von der Klägerin am 18.03.2009 erklärten Rücktritt aufgehoben worden ist und die Beklagten hieraus keine Kaufpreisansprüche mehr herleiten können.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen K. (GA 74 ff.) und dessen mündlicher Erläuterung (GA 109-111) sowie Vernehmung der Zeugen Simone K. (GA 148), Lucie Adiana Ubertine (GA 149), B. A. (GA 150) und Bernhard R. (GA 151) die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat zur Begründung seines Urteils ausgeführt, dass sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnhame nicht feststellen lasse, ob die Beklagten zum Zeitpunkt des Auszugs aus dem Haus den Käferbefall hätten bemerken können.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung unter Aufrechterhaltung ihres erstinstanzlichen Antrags.

Die Klägerin greift im Wesentlichen die Beweiswürdigung des Landgerichts an. Zudem lasse das Landgericht unberücksichtigt, dass ausweislich des Melderegisters vom 08.09.2010 die Beklagten erst Anfang 2007 und nicht bereits im August/September 2006 aus dem Hausanwesen ausgezogen seien.

II.

Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Feststellunsanspruch darauf, dass der notarielle Kaufvertrag vom 12.03.2009 (Urkunden-Nummer 531/2009 / Notar Michael K.) durch den am 18.03.2009 erklärten Rücktritt aufgehoben worden ist und die Beklagten hieraus keinen Kaufpreisanspruch mehr herleiten können.

Das Landgericht hat zunächst zu Recht angenommen, dass zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses das verkaufte Hausanwesen mit einem Sachmangel behaftet war.

Nach § 437 Nr. 2 BGB kann der Käufer einer Sache von dem Kaufvertrag zurücktreten, wenn die Sache Mängel aufweist. Nach § 434 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 434 Abs. 1 Nr. 1 BGB), sonst, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

Der Sachverständige Dipl. Verwaltungswirt K. hat in seinem Gutachten und im Rahmen seiner mündlichen Erörterung seines Gutachtens in der Sitzung vom 11.08.2011 (GA 109-111) bekundet, dass das Hausobjekt am Tag seiner Besichtigung am 08.04.2010 einen starken Ungezieferbefall von Buckelkäfern (Kugelkäfern) aufgewiesen habe. Der Sachverständige stellte einen lebenden Kugelkäfer im Erdgeschoss des Haues in der Diele fest. Im Wohnbereich konnte er Käferbefall auf einem zuvor befestigten Klebeband und auf der Fensterbank feststellen. Im ersten Obergeschoss des Hauses, das aus einer Diele, einem Badezimmer und zwei weiteren Räumen besteht, stellte er auf der Fensterbank der Diele, in einem zur Straße gelegenen Raum und im Badezimmer Buckekäferbefall fest. Im Dachgeschoss wurden ebenfalls Kugelkäfer festgestellt. Der Sachverständige schilderte im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Landgericht, dass aufgrund dessen, dass Käfer das gesamte Haus besiedelt hätten, davon auszugehen sei, dass der Käferbefall bereits zum Zeitpunkt des Auszugs der Beklagten aus dem Haus vorhanden war und mithin auch im Zeitpunkt der Inbesitznahme des Hauses durch die Klägerin dieses mit Käfern befallen war, wobei er keine Angaben zur Intensität des Käferbefalls machen konnte. Ein solcher Käferbefall stellt einen Mangel des Hausobjektes dar.

Da die Parteien vorliegend jedoch in Ziffer 3 des notariellen Kaufvertrages Ansprüche und Rechte der Klägerin gegen die Beklagten wegen eines Sachmangels des Grundbesitzes ausgeschlossen haben, sind die Beklagten für den Sachmangel nur einstandspflichtig, wenn sie den Mangel gemäß § 444 BGB arglistig verschwiegen haben.

Eine Arglisthaftung wegen der Täuschung durch Verschweigen offenbarungspflichtiger Mängel setzt voraus, dass dem Verkäufer Fehler bekannt waren oder er sie zumindest für möglich hielt und er billigend in Kauf nahm, dass dem Käufer diese Fehler nicht bekannt waren und er bei deren Offenlegung den Kaufvertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Das Tatbestandsmerkmal der Arglist erfasst damit nicht nur ein Verhalten des Veräußerers, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines "Fürmöglichhaltens" und "Inkaufnehmens" reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss (In Anknüpfung an BGH, NJW-RR 1996, 1332 [BGH 14.06.1996 - V ZR 105/95]; NJW-RR 1992, 333 [BGH 22.11.1991 - V ZR 215/90]; IBR 2002, 383 [BGH 12.04.2002 - V ZR 302/00]; Senatsbeschluss vom 13.11.2009 - 2 U 443/09 - NJW-RR 2010, 989; OLG Koblenz, OLGR 2006, 527; IBR 2006, 232 [OLG Koblenz 09.02.2006 - 5 U 1111/05]; OLG Koblenz, Beschluss vom 09.11.2006 - 10 U 952/06; Senatsentscheidungen vom 19.01.2009 - 2 U 422/08 und vom 20.02.2009 - 2 U 848/08).

Das Landgericht ist nach Durchführung der Beweisaufnahme zu Recht zu der Überzeugung (§ 286 ZPO) gelangt, dass die Klägerin nicht den Nachweis erbracht hat, dass die Beklagten die Klägerin bei Vertragsabschluss arglistig in Bezug auf den Sachmangel in Form des Käfer- und Schädlingsbefalls getäuscht haben. Nach den Ausführungen des Sachverständigen K. lassen sich keine Angaben zu dem Ausmaß des Käferbefalls des Hauses im Zeitpunkt des Auszugs des Beklagten machen. Es sei sowohl möglich, dass zum damaligen Zeitpunkt der Käferbefall aufgrund eines größeren Nahrungsangebots größer gewesen sei, als auch dass der Befall kleiner gewesen sei. Daraus, dass dem Sachverständigen zufolge zum damaligen Zeitpunkt bereits Käferbefall vorlag, lässt sich nicht ableiten, dass dieser den Beklagten bereits aufgrund seines Umfangs bekannt war. Der Sachverständige führte zwar aus, dass die Käfer im Jahr 2006 nicht nur für einen Experten wahrnehmbar gewesen seien, sondern, dass auch ein Laie sie erkennen konnte. Er wies jedoch zugleich darauf hin, dass die Käfer häufig lediglich vereinzelt auftreten und erst im Rahmen von Renovierungsarbeiten entdeckt werden.

Ein arglistiges Verschweigen des Umstandes des Käferbefalls kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass das Hausanwesen angeblich von den Beklagten vor den jeweiligen Hausbesichtigungen gereinigt worden sein soll. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Mutmaßung der Klägerin. Zwar haben die vernommenen Zeugen (Simone K., GA 148, Lucia A., GA 149, B. A-, GA 150 und Bernhard R., GA 151) übereinstimmend bekundet, dass das Haus einen sehr sauberen Eindruck gemacht habe. Der als Makler vernommene Zeuge R. hat bekundet, er habe das Hausanwesen mehrfach aufgesucht und dabei nie tote Insekten bemerkt. Gegen die Behauptung der Klägerin, dass die Beklagten das Haus vor den Besichtigungen jeweils gereinigt haben, um über den Käferbefall arglistig die Interessenten zu täuschen, spricht, dass der Makler R. bekundet hat, dass er die Beklagten vor den jeweiligen Besichtigungen nicht von den Besichtigunsterminen informiert habe (GA 152).

Ebensowenig können aus dem Umstand, dass nach den Bekundungen der Zeuginnen K. und A. während der Besichtigungen das Licht brannte, was dazu führte, dass die lichtscheuen Käfer nicht zu sehen waren, Anhaltspunkte für ein arglistiges Vorgehen der Beklagten hergeleitet werden, da die Besichtigungen morgens (Zeugin K., GA 148, Zeugin A., GA 149) stattfanden und es jedenfalls zum Zeitpunkt der Besichtigung des Hauses durch die Zeugin A. draußen noch dunkel war (GA 149).

Die Tatsache, dass ausweislich der Melderegisterauskunft vom 08.09.2010 die Ummeldung der Beklagten erst Anfang 2007 erfolgt sei, ist unerheblich. Die Melderegisterauskunft gibt lediglich Auskunft darüber, wann die Abmeldung vom bisherigen Wohnort bzw. Ummeldung zum neuen Wohnort erfolgte, sagt aber nichts darüber, wann die Beklagten tatsächlich aus dem Hausanwesen ausgezogen sind. Im Übrigen entfalten die Feststellungen im Tatbestand, dass die Beklagten im Jahr 2006 ausgezogen sind, gemäß § 314 ZPO Tatbestandswirkung. Ein Tatbestandsberichtigungsantrag gemäß § 320 ZPO ist nicht gestellt worden.

Die Berufung hat aus den dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berfungsverfahren auf 105.000,00 EUR festzusetzen.

Eck
Dr.Reinert
Dr. Syrbe ist infolge Urlaubs an der Unterschrift verhindert. Eck

Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom 04.10.2012 i.V.m. Zurückweisungsbechluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom 13.12. 2012

RechtsgebietBGBVorschriften§ 434 Abs. 1 BGB § 437 Nr. 2 BGB § 444 BGB

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