05.02.2013 · IWW-Abrufnummer 130342
Sozialgericht Marburg: Urteil vom 19.09.2012 – S 12 KA 167/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
S 12 KA 167/11
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 27.328,52 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Festsetzung einer Honorarberichtigung aufgrund einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnungen für die vier Quartale I bis IV/07 in Höhe von insgesamt 27.328,52 EUR netto.
Der Kläger ist als Facharzt für Orthopädie seit Dezember 1995 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Für die streitbefangenen Quartale setzte die Beklagte das Honorar wie folgt fest:
I/07 II/07 III/07 IV/07
Honorarbescheid vom 17.07.2007 17.10.2007 17.01.2008 09.05.2008 Nettohonorar gesamt in EUR 66.689,83 78.030,83 88.798,48 83.820,89 Fallzahl gesamt 1.583 1.424 1.628 1.581 Bruttohonorar PK + EK in EUR 63.354,40 78.231,08 90.102,06 84.842.38 Fallzahl PK + EK 1.561 1.406 1.613 1.553
Fallzahlabhängige Quotierung Ziff. 5.2.1 HVV - Quote -
Regelleistungsvolumen Ziff. 6.3/§ 5 Abs. 3 HVV Praxisbezogenes RLV in Punkten 1.387.118,4 1.265.556,6 1.437.563,4 1.384.259,6 Überschreitung in Punkten 489.128,1 315.698,4 323.195,8 226.019,4
Ausgleichsregelung Ziff. 7.5/5 Abs. 4 HVV Auffüll-/Korrekturbetrag je Fall EUR - - - - Auffüll-/Korrekturbetrag gesamt in EUR - - - -
Die Beklagte führte zunächst für die Quartale II/05 - IV/06 eine arztbezogene Plausibilitätsprüfung nach zeitbezogenen Kriterien durch und stellte mit Beschluss des Plausibilitätsausschusses Nord vom 25.03.2009 fest, dass keine Implausibilität festgestellt werden könne. Er kam zu dem Ergebnis, dass die festgestellten Auffälligkeiten durch die beiden qualifizierten Mitarbeiterinnen, einer Masseurin und einer Physiotherapeutin mit insgesamt 31 Wochenstunden, in vollem Umfang zu erklären seien und die Abrechnungen somit als plausibel einzustufen seien.
Die Beklagte führte für die streitbefangenen Quartale eine weitere Plausibilitätsprüfung durch und übersandte dem Kläger unter Datum vom 26.03.2009 die zeitbezogenen Rechnungsergebnisse für die Quartale I bis IV/07 unter Erläuterung der Ermittlung der Zeitprofile.
Der Kläger erklärte hierzu, bei den Zeitprofilen seien Leistungen der Ziffern 30400 und 30420 EBM angerechnet worden. Hier sollte eine Korrektur vorgenommen werden. Seit über 12 Jahren beschäftige er eine qualifizierte Mitarbeiterin bzgl. Krankengymnastik und Massage. Ihr seien diese Leistungen anzurechnen.
Die Beklagte übersandte dem Kläger dann unter Datum vom 11.08.2009 entsprechend korrigierten Abrechnungslisten.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 19.03.2010 aufgrund einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnung für die Quartale I bis IV/07 die strittige Honorarrückforderung in Höhe von insgesamt 27.328,52 EUR netto fest. In den einzelnen Quartalen setzte sie die Rückforderung nach den beigefügten Anlagen wie folgt fest:
I/07 1.540,04 EUR netto II/07 7.748,46 EUR netto III/07 10.797,90 EUR netto IV/07 7.242,12 EUR netto
Zur Begründung führte sie aus, für die Prüfung nach Zeitprofilen würden primär die im Anhang 3 zum EBM aufgeführten Prüfzeiten für die ärztlichen Leistungen zugrunde gelegt werden. Außer Betracht blieben Leistungen im organisierten Notfalldienst, Leistungen aus der unvorhergesehenen Inanspruchnahme des Vertragsarztes außerhalb der Sprechstundenzeiten und bei Unterbrechung der Sprechstunde mit Verlassen der Praxis. Der Anhang 3 zum EBM kennzeichne darüber hinaus die behandlungsfall- und krankheitsfallbezogenen ärztlichen Leistungen, die nicht dem Tageszeitprofil unterlägen. Betrage die auf der Grundlage der Prüfzeiten ermittelte arbeitstägliche Zeit bei Tageszeitprofilen an mindestens 3 Tagen im Quartal mehr als 12 Stunden oder im Quartalszeitprofil mehr als 780 Stunden, erfolgten weitere Überprüfungen. Diese hätten zum Ziel, mit Hilfe ergänzender Tatsachen Feststellungen und Bewertungen festzustellen, ob gegen die rechtliche Ordnungsmäßigkeit verstoßen worden sei oder nicht. Die Berechnungsergebnisse der Praxis des Klägers hätten bezogen auf die Grenzwerte folgende Zeitwerte ergeben:
Tagesprofil Quartalsprofil Anzahl Tage davon Maximale Arbeitszeit Zeitsumme Überschreitung Quartal ) 12 Std. ) 16 Std. pro Tag im Quartal Std.: Min. Std.: Min. I/2007 34 17 18:52 1038:44 258:44 II/2007 39 27 22:03 1014:23 234:23 III/2007 45 30 21:48 1180:55 400:55 IV/2007 37 25 20:03 1043:30 263:30
Beispielhaft seien anliegend Zeitwertberechnungen einzelner Behandlungstage beigefügt, denen die jeweiligen Tagesprofilzeiten entnommen werden könnten. Die Überprüfung der Abrechnung habe ergeben, dass der Kläger die Grenze von 12 Std. am Tag in den streitbefangenen Quartalen an bis zu 45 Tagen im Quartal überschritten habe, wobei die im Tagesprofil ausgewiesene Zeit an insgesamt 99 Tagen jenseits von 16 Std. gelegen habe, an einem dieser Tage, dem 11.06.2007, bei 22:03 Std. An diesem Tag habe der Kläger 137 Patienten versorgt. Er habe sehr viele Akupunkturleistungen abgerechnet. Die Nr. 30791 EBM 2005 (Durchführung einer Körperakupunktur, Prüfzeit im Tagesprofil 10 Min.) sei von ihm 45-mal angesetzt worden, die Nr. 30790 EBM (Eingangsdiagnostik und Abschlussuntersuchung zur Behandlung mittels Körperakupunktur, Prüfzeit im Quartalsprofil 30 Min.) sei von ihm 2-mal angesetzt worden. Daraus ergebe sich eine Behandlungszeit von 7:30 Std. im Tagesprofil (und von 8:30 Std. im Quartalsprofil). Darüber hinaus habe er an diesem Tag noch 88-mal die Nr. 18215 EBM 2005 (2:56 Std.), 22 mal die Nr. 30200 EBM 2005 (chirotherapeutischer Eingriff, 1:50 Std.), 25 mal die Nr. 30201 EBM 2005 (chirotherapeutischer Eingriff an der Wirbelsäule, 2:55 Std.) sowie 5 mal die Nr. 30400 EBM 2005 (Massagetherapie, 0:25 Std.) und 13 mal die Nr. 30420 EBM 2005 (Krankengymnastik, 3:15 Std.) abgerechnet. Ähnlich verhalte es sich an den anderen auffälligen Tagen. Beispielhaft seien hier der 20.02.2007, der 09.08.2007 und der 05.11.2007 angeführt. Der Ansatz der chirotherapeutischen Eingriffe nach den Nr. 30200 und 30201 EBM 2005, insbesondere aber der Ansatz von Akupunkturleistungen nach Nr. 30791 EBM 2005 erwecke angesichts der Häufigkeiten des Zeitaufwandes insgesamt den Verdacht, dass der in den Gebührenordnungspositionen vorgegebene Leistungsinhalt nicht in jedem Fall vollständig und ordnungsgemäß erbracht worden sei, so dass die Positionen nicht zum Ansatz hätten kommen dürfen. Der Zeitansatz für die einzelnen Leistungen sei gerechtfertigt. Bei den Prüfzeiten handelt es sich nicht um absolute Mindestzeiten, sondern um Durchschnittszeiten, die so bemessen seien, dass ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen könne. Die Prüfzeiten könnten also im Einzelfall durchaus unterschritten werden, stellten sich aber bei einer ordnungsgemäßen und vollständigen Leistungserbringung als statistischer Mittelwert dar. Auf Grund des Hinweises des Klägers zur Beschäftigung einer Masseurin und Physiotherapeutin sowie einer weiteren Physiotherapeutin habe sie die Leistungen nach Nr. 30400 und 30420 EBM 2005 herausgerechnet. Es seien aber Auffälligkeiten im erheblichen Umfang verblieben. Die Korrektur habe Beispielsweise am 11.06.2007 zu einer Reduzierung der im Tagesprofil ausgewiesenen Zeit von 22:03 Std. auf 18:23 Std. geführt. Eine nachvollziehbare Erklärung hierfür sei nicht erkennbar. Er gehe von einer nicht ordnungsgemäßen Leistungserbringung aus. Auch die Quartalszeitgrenze von 780 Std. seien in den Quartalen I - IV/07 deutlich überschritten worden. Die Scheinzahl des Klägers sei leicht unterdurchschnittlich, so dass die Überschreitung nicht durch eine entsprechend höhere Patientenzahl zu erklären sei. Von einer Kürzung im Quartalsprofil könne abgesehen werden, da die festgestellten Überschreitungen durch die Beschäftigung qualifizierter Mitarbeiter in der Praxis erklärbar seien. Die quartalsbezogene abgegebenen Abrechnungssammelerklärungen über die ordnungsgemäß und vollständige Erbringung der abgerechneten EBM-Leistungen seien aus den genannten Gründen unrichtig und hätten die Rechtswidrigkeit der aufgehobenen Honorarbescheide zur Folge. Hier komme dem Ausschuss ein weites Schätzungsvermögen bzgl. der Höhe des Rückforderungsbetrages zu. Die Festsetzung des Rückforderungsbetrages könne dabei im Wege einer pauschalierten Schätzung erfolgen. Der Ausschuss ermittle die Honorarkürzung anhand einer sog. Überschreitungsquote. Diese errechne sich aus dem prozentualen Verhältnis der als implausibel festgestellten Überschreitungszeiten zur Gesamtzeit im Quartal auf der Grundlage der Prüfzeit nach Anlage 3 zum EBM 2005. Die so ermittelte Überschreitungsquote sei dem erzielten Nettohonorar gegenüberzustellen und ergebe den Kürzungsbetrag. Er verweise im Einzelnen auf die beigefügten Berechnungsbögen.
Hiergegen legte der Kläger am 26.03.2010 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, insbesondere die Akupunkturleistungen würden in der gesamten Fachgruppe zumindest von denjenigen Ärzten deutlich schneller erbracht werden, als es in der Anlage im EBM ausgeführt sei, die diese Leistungen regelmäßig ausführten. Insbesondere die Durchführung einer Körperakupunktur gemäß Ziffer 30791 EBM würden von ihm sowie sämtlichen fachkundigen Orthopäden in einem Zeitraum von 2 - 3 Minuten erbracht und vollständig durchgeführt werden. Hierauf habe wiederholt der Fachverband der Fachärzte für Orthopädie e. V. hingewiesen. Er reiche verschiede Schreiben des Berufsverbandes zur Verwaltungsakte. In sämtlichen Schreiben sei wiederholt geltend gemacht worden, dass die Prüfzeiten in der Anlage zum EBM nicht mit der tatsächlichen in der Praxis festzustellenden Leistungserbringungszeit übereinstimmten oder auch nur damit korrelierten. Dies führe zwangsläufig dazu, dass in jeder orthopädischen Praxis, in der die Akupunktur einen Schwerpunkt darstelle, Überschreitungen sowie im Tages- als auch im Quartalsprofil festzustellen seien. Bei ihm seien häufig an der gleichen Einstichstelle Akupunkturen zu setzen. Dies führe dazu, dass ein Ermitteln der Akupunkturstelle im Einzelfall nur im eingeschränkten Umfang noch notwendig sei und daher die Leistungserbringung auf ein Mindestmaß reduziert werden könne. Die Patienten seien bereits vorbereitet, so dass unmittelbar mit der Kontaktaufnahme auch die Behandlung erfolgen könne. Auf diese Weise könne der tatsächliche Zeitaufwand auf weniger als 3 Minuten im Durchschnitt reduziert werden. Eine Aufklärung sei bei den Patienten nicht mehr erforderlich, die bereits eine Akupunktur erhalten hätten und es sich insofern lediglich um eine Folgebehandlung handle. Möglicherweise sei bei den Prüfzeiten dieser Widerholungsfaktor nicht berücksichtigt worden. Er habe den Prozess der Leistungserbringung so optimiert, dass sogar während der Durchführung der Akupunktur mit dem Patienten weitere Leistungen durchgeführt werden könnten und entsprechend eine parallele Leistungserbringung möglich sei. Erschwerend komme hinzu, dass der Konsultationskomplex im damaligen EBM kumulativ hinzugetreten sei, da Akupunktur-Patienten regelmäßig mehrfach im Quartal vorstellig würden. Während der Akupunktur können jedoch mit dem Patient ohne weiteres gesprochen und damit die Behandlung multifunktional durchgeführt werden. Für den 11.06.2007 folge daraus, dass die Prüfzeiten im Tagesprofil um 12:13 Std. reduziert wären. Die Leistungen gemäß Ziffer 18215 EBM wären auf Grund der zeitlichen Leistungserbringung überhaupt nicht zusätzlich im Ansatz zu bringen. Dies bringe eine Reduktion um 2:56 Std. Die Leistungen gemäß Ziffer 30400 und 30420 EBM seien durch entsprechend qualifizierte Mitarbeiter erbracht worden. Daraus erfolge eine Reduktion um 3:40 Std. Bei den Akupunkturleistungen gemäß Ziffer 30791 EBM wäre von einer realistischen Prüfzeit von 2,5 Min. auszugehen, so dass entsprechend 1:53 Std. für diese Leistungen in Ansatz zu bringen wären. Dies führe zu einer weiteren Reduktion. Die Prüfzeit betrage damit lediglich 9:50 Std. Entsprechend lasse sich dies auf die übrigen Tage umsetzen. Der Bescheid sei auch rechtswidrig, da eine nachvollziehbare Begründung teilweise vermissen lasse. Die Leistungen gemäß Ziffer 30400 und 30420 EBM seien nach der schriftlichen Begründung in der Textzeile nicht eingerechnet worden. In der Anlage sei dies jedoch - zumindest soweit erkennbar - nicht berücksichtigt worden.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2011, zugestellt am 27.01.2011, den Widerspruch als unbegründet zurück. Darin führte sie aus, bei der Umsetzung der Honorarberichtigung sei die Rechtssprechung des Bundessozialgerichts zur Garantiefunktion der Sammelerklärung zu beachten (BSG, Urteil v. 17.09.1997, Az.: 6 RKa 86/95). Diese entfalle, wenn der Arzt – grob fahrlässig oder vorsätzlich – nicht erbrachte bzw. nicht ordnungsgemäß erbrachte Leistungen abgerechnet habe. Die für die Quartale I bis IV/07 erstellten Tageszeitprofile führten den Indizienbeweis, dass die Abrechnungen fehlerhaft seien. Das Tagesprofil entstehe durch die Addition der Prüfzeiten (festgelegt in Anhang 3 zum EBM 2005) aller an einem Tag von dem Arzt abgerechneten Leistungen, die für die Berechnung des Tagesprofils geeignet seien. Es würden auch Zeiten erfasst werden, die nach den Vorgaben des EBM (z. B. in den Leistungslegenden) bei der Nebeneinanderabrechnung von Leistungen von dem Arzt erbracht worden sein müssten (Beispiel: Nebeneinanderberechnung von Ordinationskomplex und Gesprächsleistung, Ordinationskomplex und Nr. 35100 oder Nr. 35110 EBM 2005). In die Prüfzeit werde nur die Zeit eingerechnet, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzte (im Gegensatz zur Kalkulationszeit, die auch Zeitanteile für delegierbare Leistungsbestandteile enthalte). Zudem seien diese Durchschnittszeiten so zu bemessen, dass auch ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen könne. Der Kläger habe mit Abgabe ihrer Sammelerklärung bestätigt, dass er alle abgerechneten Leistungen (und damit die entsprechenden Zeiten) persönlich und ordnungsgemäß erbracht habe. Zu den Zeiten nach den Tagesprofilen kämen noch die Zeiten hinzu, die nur im Quartalsprofil oder gar nicht in den Zeitprofilstatistiken erfasst würden, sodass die tägliche Behandlungszeit noch höher ausfalle. Bereits im Ausgangsbescheid sei auf die Überschreitung der 12-Std. bzw. 16-Std.-Marke hingewiesen worden. Es ergäben sich folgende Tagesprofilzeiten:
Quartal Gesamtzeit des Tagesprofils nach Abzug der Zeiten für die Nrn. 30400, 30420, 30420 A Zeit für die Nr. 30791 Zeiten für Sonographie, Schmerztherapie, Chirotherapie, Röntgenleistungen und Nr. 31941 (Abdruck/Modell) Zeitaddition der Spalten 4 (Akupunkt.) und 5 (sonst. Leistungen) I/07 20.02.2007 14:57 5:30 6:35 12:05 19.03.2007 15:07 4:50 7:17 12:07 26.03.2007 15:10 4:30 7:06 11:36 II/07 05.06.2007 17:43 7:50 6:42 14:32 11.06.2007 18:23 7:30 6:56 14:26 18.06.2007 18:19 7:30 7:16 14:46 III/07 10.07.2007 18:49 8:40 8:03 16:43 13.08.2007 18:56 8:10 7:28 15:38 10.09.2007 18:58 7:50 7:12 15:02 IV/07 23.10.2007 16:38 6:00 7:48 13:48 05.11.2007 17:23 7:40 6:32 14:12 26.11.2007 16:59 6:20 6:54 13:14
Bei diesen Tagesprofilzeiten handele es sich um reine Behandlungszeiten, nicht um die Zeit des gesamten Arbeitstages, in denen schon die Zeiten z. B. für eine Mittagspause, die Behandlung von Privatpatienten und Zeit für die Anleitung des Praxismitarbeiters enthalten seien. Diese Behandlungszeiten seien nicht plausibel. Sie sei verpflichtet, die in der Anlage 13 im EBM 2005 ergebende Prüfzeiten zugrunde zu legen. Die Prüfzeiten beruhten auf der Einschätzung eines Ärzte-Sachverständigen-Fachgremiums. Die überwiegende Mehrzahl der Ärzte werde trotz Abrechnung der Leistungen in Plausibilitätsprüfungen nicht zeitauffällig. Die Prüfzeit gebe die ärztliche Zeit an. Es werde ein Erfahrungswert zugrunde gelegt. Sie gebe an, wie viel Zeit ein Arzt in einer gut geführten Praxis für die ordnungsgemäße Versorgung der Patienten benötige. Die Zeit für die delegationsfähigen Leistungen würde nicht eingerechnet werden. Die Vorbereitung der Akupunkturpatienten, die ohne Zutun des Arztes möglich sei, werde daher von der Prüfzeit gar nicht erfasst. Die Zeit für die Aufklärung über die Akupunkturbehandlung sei in der Ziffer 30790 EBM 2005 enthalten, nicht in der Nr. 30791 EBM 2005. Entgegen der Darstellung des Berufsverbandes der Fachärzte der Orthopädie orientiere sich die Prüfzeit für eine Leistung nicht an unterdurchschnittlichen oder durchschnittlichen Orthopädie-Praxen, sondern an der Zeit, in der ein erfahrener, geübter und zügiger arbeitender Arzt die Leistungen ordnungsgemäß und vollständig erbringen könne. Die Leistungen könnten auch von anderen Fachgruppen erbracht werden. Für alle gelte eine einheitliche Prüfzeit. Es sei nicht ersichtlich, weshalb ein Orthopäde für dieselbe Leistungserbringung weniger Zeit benötigen solle. Darlegungen, in welcher Zeit ein geübter Orthopäde die Praxis erbringen könne, enthalte die Stellungnahme zudem nicht. Ebenso wenig werde ausgeführt, wodurch die Akupunkturen in kürzerer Zeit als die Prüfzeit erbracht werden könnten. Der Einwand des Klägers, er könne Leistungen parallel erbringen, machten die Tageszeitprofile nicht plausibel. Er habe zeitlich umfangreiche Leistungen am Tag abgerechnet, die keinesfalls parallel zur Akupunktur erbracht werden könnten. Allein durch diese Leistungen zusammen mit den Akupunkturleistungen komme er auf implausible Tageszeitprofile von über 12- bis zu über 16-Stunden-Tagen. Hierzu zählten z. B. die Leistungen der Chirotherapie (Nrn. 30200, 30201), Schmerztherapie (Nrn. 30721 - 30731), Sonographie und Röntgenleistungen. Dazu zu rechnen seien unstreitig zusätzlich noch die Zeiten für die Konsultationskomplexe, die nicht neben einer Akupunkturbehandlung angesetzt worden seien (z. B. am 26.03.2007 - 27-mal Nr. 30791, demgegenüber 75-mal Nr. 18215 - d. h. 48-mal 2 Min. für den Konsultationskomplex = 1:36 Std.). Gesprächsleistungen wie die Nr. 18220 oder die Nr. 35100 EBM 2005 habe der Kläger mit einem geringen Zeitumfang abgerechnet, so dass das Argument paralleler Gesprächsleistungen die Zeitprofile nicht erkläre. Hinzu kämen weitere, häufig erbrachte Leistungen, die zwar als Prüfzeit erbrachte Leistungen nur im Quartalsprofil zählten, aber dennoch zu einem "zeitlichen Anteil" an diesem Tag geleistet sein müssten, z. B. 30790 (Eingangsdiagnostik und Erstellung Therapieplan, Quartalsprofil - Prüfzeit von 30 Min.). Aus allem folge, dass die Leistungsinhalte der abgerechneten Leistungen nicht immer vollständig erbracht werden sein könnten, da keine korrekten Abrechnungen vorlägen. Der Kläger habe zumindest grob fahrlässig Leistungen auf den Abrechnungsscheinen eingetragen, deren Leistungsinhalt er nicht vollständig erbracht haben könne. Die auf den nicht ordnungsgemäßen Sammelerklärungen beruhenden Honorarbescheide seien falsch und müssen aufgehoben werden. Die Prüfzeiten für die Nrn. 30400, 30420, 30420A seien von der implausiblen Zeit abgezogen worden.
Hiergegen hat der Kläger am 25.02.2011 die Klage erhoben. Er ist weiterhin der Auffassung, dass die Prüfzeiten bzgl. der Akupunkturleistungen unzutreffend seien. Ergänzend zu seinen Ausführungen im Verwaltungsverfahren trägt er vor, er halte in seiner Praxis insgesamt 11 Behandlungsliegen vor, von denen 6 Liegen für Akupunkturbehandlungen in 3 Räumen genutzt würden, die unmittelbar aneinander grenzten. In den entsprechenden Kabinen, in denen sich die Liegen für die Akupunkturbehandlungen befänden, würden die Patienten durch die Mitarbeiter für die Behandlung vorbereitet. Aus der bereitliegenden Patientenkarte könne er die relevanten Akupunkturpunkte erkennen. Es werde sodann ein Gespräch mit dem Patienten über die Entwicklung des Krankheitsbildes geführt und zwischenzeitliche Reaktionen nach der letzten Akupunktur erfragt. Sodann werde unverzüglich mit der Akupunktur begonnen. Es würden ca. 14 Akupunkturpunkte gesetzt, wovon ca. 3 - 4 Schädelakupunktur- und 11 - 12 Körperakupunkturpunkte gesetzt würden. Diese optimierte Ausgestaltung führe dazu, dass die Akupunkturen innerhalb von 2 - 5 Min. durch ihn gesetzt werden könnten. Sodann verblieben die Akupunkturnadeln für 30 Min. im Körper des Patienten, bevor diese durch Arzthelferinnen entfernt würden. Es sei möglich, bereits im Zeitraum von 8:00 Uhr bis 8:10 Uhr regelmäßig 3 Patienten die entsprechenden Akupunkturen zu setzen. Am Tag könnten auf diese Weise bis zu 60 Akupunkturpatienten behandelt werden. Die orthopädischen Akupunkturleistungen zeichneten sich gerade dadurch aus, dass regelmäßig ganz bestimmte Stellen punktiert würden. Die Leistungen könnten dadurch schneller erbracht werden als in anderen Fachgruppen und bei anderen Indikationen.
Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 19.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Ergänzend zu ihren Ausführungen im angefochtenen Bescheid trägt sie vor, soweit der Kläger sich in der Lage sehe, die im Anhang 3 des EBM vergebenen Prüfzeiten in zeitlicher Hinsicht zu überschreiten, überrasche dies, weil die Prüfzeiten auf der Einschätzung eines ärztlichen Sachverständigengremiums beruhten. Es handele sich um Durchschnittszeiten eines erfahrenen, geübten und zügig arbeitenden Arztes. Die Durchschnittszeit stelle sich bei einer ordnungsgemäßen und vollständigen Leistungserbringung als der statistische Mittelwert dar.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Honorarrückforderungsbescheid der Beklagten vom 19.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2011 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.
Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragszahnärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragszahnärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V, eingefügt durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003, BGBl. I 2003, 2190, mit Wirkung zum 01.01.2004).
§ 106a SGB V ist nicht auf den Bereich der Primär- und Ersatzkassen im Gegensatz zu den früher allein maßgeblichen Vorschriften nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) beschränkt, wonach die Kassenärztliche Vereinigung die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen hat. Aus Sicht der Zuständigkeit ist es daher nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei Erstellung der Zeitprofile auch die Leistungen gegenüber Versicherten anderer Versicherungsträger oder der Sozialhilfeträger einbezogen hat. § 106a SGB V erstreckt die Zuständigkeit der Kassen ärztlichen Vereinigung auf alle Bereiche, in den sie aufgrund gesetzlicher Erweiterung des Sicherstellungsauftrags (vgl. § 75 Abs. 3 bis 6 SGB V) auch die Abrechnung vornimmt.
Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß – somit ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes – erbracht worden sind. Solche Verstöße können z. B. darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind (vgl. BSG, Urt. v. 01.07.1998 - B 6 KA 48/97 R - SozR 3-2500 § 75 Nr. 10 = Breith 1999, 659 = USK 98163, zitiert nach juris, Rdnr. 15 m.w.N.). Zur Feststellung, ob abgerechnete Leistungen vollständig erbracht worden sind, ist es zulässig, Tagesprofile zu verwenden (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - SozR 3-2500 § 95 Nr. 4 = BSGE 73, 234 = MedR 1994, 206 = NJW 1995, 1636 = USK 93141, juris Rdnr. 24 ff.; BSG, Urt. v. 08.03.2000 - B 6 KA 16/99 R - SozR 3-2500 § 83 Nr. 1 = BSGE 86, 30 = NZS 2001, 213 = USK 2000-111, juris Rdnr. 48).
Tagesprofile sind ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte Abrechnungen nachweisen zu können. Die Beweisführung mit Tagesprofilen ist dem Indizienbeweis zuzuordnen. Für ihre Erstellung sind bestimmte Anforderungen erforderlich. Für die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes an einem Tag dürfen nur solche Leistungen in die Untersuchung einbezogen werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Delegationsfähige Leistungen haben außer Betracht zu bleiben. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die für die einzelnen ärztlichen Leistungen zugrunde zu legenden Durchschnittszeiten so bemessen sein müssen, dass ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Der Qualifizierung als Durchschnittszeit entspricht es, dass es sich hierbei nicht um die Festlegung absoluter Mindestzeiten handelt, sondern um eine Zeitvorgabe, die im Einzelfall durchaus unterschritten werden kann. Die Durchschnittszeit stellt sich aber bei einer ordnungsgemäßen und vollständigen Leistungserbringung als der statistische Mittelwert dar (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - aaO., Rdnr. 24 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.10.2007 - L 7 KA 56/03 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 21). Als Nachweis für eine Falschabrechnung des Quartals genügt bereits ein beliebiger falsch abgerechneter Tag (BSG SozR 3-2500 § 83 Nr. 1).
Ausgehend hiervon war die Beklagte grundsätzlich berechtigt, Tagesprofile zu erstellen.
Die Beklagte hat der Kläger durch Übersendung des Anhörungsschreibens vom 26.03.2009 ausreichend angehört (§ 24 SGB X).
Der angegriffene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
Die Beklagte hat die Tagesprofile nicht falsch berechnet. Sie hat die Tagesprofile auf der Grundlage der Zeitangaben im EBM 2005 erstellt.
Die Beklagte hat die delegationsfähigen Leistungen herausgerechnet. Sie hat dem Kläger bereits unter Datum vom 11.08.2009 entsprechend korrigierten Abrechnungslisten übersandt.
Die Beklagte konnte auch für die Körperakupunkturleistung nach Nr. 30791 EBM 2005 die vom EBM vorgegebene Prüfzeit im Tagesprofil von 10 Minuten bei einer Kalkulationszeit von 13 Minuten ansetzen.
Akupunkturleistungen wurden durch Beschluss des Bewertungsausschusses zu Änderungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) durch den Bewertungsausschuss nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 119. Sitzung (schriftliche Beschlussfassung), Teil C, mit Wirkung zum 01.01.2007 neu in den EBM eingeführt. Die Leistungslegende beschreibt die mit 480 Punkten bewertete Nr. 30791 wie folgt: Durchführung einer Körperakupunktur und ggf. Revision des Therapieplans gemäß den Qualitätssicherungsvereinbarungen nach § 135 Abs. 2 SGB V zur Behandlung bei folgenden Indikationen: - chronische Schmerzen der Lendenwirbelsäule, oder - chronische Schmerzen eines oder beider Kniegelenke durch Gonarthrose. Obligater Leistungsinhalt: - Durchführung der Akupunktur gemäß dem erstellten Therapieplan, - Aufsuchen der spezifischen Akupunkturpunkte und exakte Lokalisation, - Nadelung akupunkturspezifischer Punkte mit sterilen Einmalnadeln, - Verweildauer der Nadeln von mindestens 20 Minuten. Fakultativer Leistungsinhalt: - Beruhigende oder anregende Nadelstimulation, - Hervorrufen der akupunkturspezifischen Nadelwirkung (De-Qui-Gefühl), - Berücksichtigung der adäquaten Stichtiefe, - Adaption des Therapieplanes und Dokumentation, - Festlegung der neuen Punktekombination, Stimulationsart und Stichtiefe, je dokumentierter Indikation bis zu zehnmal, mit besonderer Begründung bis zu 15 mal im Krankheitsfall. Die Sachkosten inklusive der verwendeten Akupunkturnadeln sind in dieser Leistung enthalten.
Damit wird deutlich, dass es sich auch bei der einzelnen Akupunktur als Teil einer Akupunkturbehandlung um eine umfassende Therapie einer im Ansatz ganzheitlichen Therapie handelt. Die mit einem Anästhesisten, der an der Schmerztherapievereinbarung teilnimmt und selbst Akupunkturen durchführt, besetzte Kammer geht davon aus, dass der Ansatz von 10 Minuten nicht zu beanstanden ist und zutreffend so bemessen ist, dass ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann.
Die vom Kläger eingereichten drei Dateien mit Videoaufzeichnungen über zwei exemplarische Behandlungen, die die Kammer mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung angeschaut hat, sind nicht geeignet, den Ansatz einer Prüfzeit im Tagesprofil von 10 Minuten zu widerlegen. Für die Behandlung chronischer Schmerzen der Lendenwirbelsäule mittels Akupunktur werden danach für das Anbringen der Nadeln - es handelt sich um die Mindestzahl von zehn Nadeln - ca. 70 Sekunden, für das Stimulieren ca. 25 Sekunden und für eine Kontrolle ca. 25 Sekunden, insgesamt ca. 120 Sekunden benötigt. Für die Behandlung chronischer Schmerzen eines oder beider Kniegelenke durch Gonarthrose werden danach für das Anbringen der Nadeln ca. 55 Sekunden benötigt. Diese Videoaufzeichnungen geben aber nur einen kleinen Teil der notwendigen Behandlung wieder und stellen den Behandlungsablauf als einen rein technischen, fast "fließbandartigen" Vorgang dar. Auch bei optimaler Vorbereitung durch die Praxismitarbeiter fallen Wegezeiten zum Aufsuchen und Verlassen des Behandlungsraums an und müssen insbesondere in jeder Sitzung Gespräche mit den Patienten geführt werden. In jeder Sitzung ist der zurückliegende Zeitraum bis zur letzten Sitzung aufzuarbeiten und hat eine Evaluation mit dem Patienten zu erfolgen. Es ist zu evaluieren, ob die bisherige Therapie bestätigt werden kann oder ob sie zu verändern ist. Hinzu kommt das Führen der Dokumentation, dessen Umfang und Sorgfalt gerade dann zunehmen, wenn Akupunkturen in einer Häufigkeit wie bei dem Kläger vorgenommen werden. So rechnete der Kläger die Nr. 30791 in den streitbefangenen Quartalen wie folgt ab: Quartal I/07 II/07 III/07 IV/07 absolut 907 1.470 1.959 1.533 Je 100 Fälle 58 104 121 98
Hinzu kommt, dass es sich um einen ganzheitlichen Therapieansatz handelt, bei dem nicht nur Ruhe während der Verweildauer der Nadeln von mindestens 20 Minuten notwendig ist, sondern während der gesamten Behandlung. Auch dies steht von vornherein einer "fließbandartigen" Behandlung entgegen. Wie bei Gesprächsleistungen schließt dies auch hier eine parallele Leistungserbringung aus, können also während der Durchführung der Akupunktur mit dem Patienten weitere Leistungen nicht erbracht werden. Gespräche mit dem Patienten sind zunächst Teil der Akupunkturbehandlung. Sie können gesondert nur abgerechnet werden, wenn sie separat, also außerhalb der Akupunktursitzung erfolgen, und einen anderen Therapieansatz verfolgen, soweit dieser im Sinne einer Stufentherapie nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstößt. Von daher sieht die Kammer in der genannten Kalkulations- und Prüfzeit nicht lediglich einen standespolitischen Erfolg entsprechender Verbände, sondern auch das zutreffend vom Bewertungsausschuss unterstellte Erfordernis einer sorgfältigen individuellen Behandlung, das einer Vertaktung des Behandlungsablaufs insofern entgegensteht. Auch die klägerseits vorgelegten verbandspolitischen Stellungnahmen haben nicht dargelegt, welche anderen Mindest- bzw. Prüfzeiten anzusetzen wären.
Nicht zu beanstanden ist auch der Ansatz von zwei Minuten für den Konsultationskomplex nach Nr. 18215 EBM, die lediglich einen Arzt-Patienten-Kontakt voraussetzt. Insofern handelt es sich um eine Durchschnittszeit, die in Einzelfällen entfallen kann, soweit andere Leistungen erbracht werden.
Nicht zu beanstanden war auch die Annahme, dass bei Tagesprofilen von über 16 Stunden bzw. bei wenigsten drei Tagesprofilen von über 12 Stunden im Quartal eine ordnungsgemäße Leistungserbringung nicht mehr vorliegt (vgl. SG Marburg, Urt. v. 04.06.2008 - S 12 KA 528/07 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris).
Verjährung bzw. Ausschluss einer Berichtigung wegen Zeitablaufs ist nicht eingetreten. Die Beklagte kann eine Berichtigung innerhalb von vier Jahren vornehmen (vgl. BSG Urt. v. 15.11.1995 – 6 RKa 57/94 – SozR 3-5535 Nr. 119 Nr. 1 = USK 95136, juris Rdnr. 10 und BSG, Urt. v. 28.03.2007 - B 6 KA 22/06 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 35 = BSGE 98, 169 = GesR 2007, 461 = USK 2007-35 = ZMGR 2008, 144, juris Rdnr. 16 m. w. N.). Soweit die Beklagte eine kürzere Ausschlussfrist von zwei Jahren vorsieht, gilt dies nicht bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Falschabrechnung und bei Honorarberichtigungen aufgrund von Plausibilitätsprüfungen (vgl. Ziff. 8.6 der ab dem Quartal II/05 geltenden Honorarvereinbarung, die insoweit fortgeführt wurde). Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung der Kammer eine Kassenärztliche Vereinigung nicht berechtigt, in ihrem Honorarverteilungsmaßstab die nach Bundesrecht geltende Ausschlussfrist von vier Jahren für sachlich-rechnerische Berichtigungen auf zwei Jahre zu verkürzen (vgl. SG Marburg, Urt. v. 10.11.2010 – S 12 KA 455/10 –). Von daher ist die Beklagte auch nicht verpflichtet, die Tagesprofile vor Erlass eines Honorarbescheids zu erstellen und eine evtl. Berichtigung bereits mit dem Honorarbescheid vorzunehmen. Zudem kommt hinzu, dass die Tagesprofile zunächst lediglich ein Aufgreifkriterium darstellen, das Abrechnungsverhalten eines Vertragsarztes näher zu prüfen. Auch von daher kann im Regelfall eine Prüfung erst nachträglich erfolgen.
Nicht zu beanstanden war auch die Berechnung des Berichtigungsbetrages. Im Rahmen ihres Schätzungsermessens hat die Beklagte den Leistungsanteil abgeschöpft, der jenseits der zeitlichen Grenze von 12 Stunden angefallen ist.
Der Rechenvorgang über die Feststellung eines Überschreitungsprozentsatzes bedeutet letztlich, dass die Beklagte einen erwirtschafteten Minutenpreis für alle abgerechneten Leistungen ermittelt hat. Auf diese Weise hat die Beklagte alle Vergütungsanteile und evtl. Sachkostenerstattungen einbezogen. Dies war von der Kammer nicht zu beanstanden. Die letztlich hier zu Tage tretende systematisch fehlerhafte Abrechnung hat die Beklagte damit zu Gunsten des Klägers letztlich nur auf die Tage bezogen, an denen eine Überschreitung der 12-Stunden-Grenze vorliegt. Evtl. Sachkostenerstattungen sind Teil des Vergütungsanspruchs, unabhängig davon, ob sie gesondert ausgewiesen werden oder ob sie als Teil der Leistungsbewertung mit der Abgeltung der Leistung indirekt erstattet werden. Diese Vorgehensweise wäre nur dann im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung zu beanstanden, wenn der Kläger eine signifikant von ihrer Fachgruppe bzw. ihrer Fachgruppe von den übrigen Fachgruppen abweichende Kostenerstattung hätte, also ein ganz wesentlicher Teil des Vergütungsanspruchs ein bloß "durchlaufender" Posten wäre, was hier aber nicht der Fall ist.
Nicht zu beanstanden war ferner die quartalsbezogene Berechnung des jeweiligen Rückforderungsbetrages.
Anhand der Überschreitung der Tages- bzw. Quartalsprofile ermittelt die Beklagte den prozentualen Leistungsumfang, der gekürzt werden kann. Soweit sei diese "Quote" mit dem jeweiligen Nettohonorar multipliziert, erhält sie den Kürzungsbetrag. Im Ergebnis bedeutet dies, dass sie von einer gleichbleibenden Vergütung für alle Leistungen ausgeht und nicht danach unterscheidet, wie sich die Honorarfestsetzung aufgrund der verschiedenen Begrenzungsmechanismen gestaltet. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Beklagte von einem durchschnittlichen Punktwert für alle Leistungen ausgeht, unabhängig davon, ob es sich im Einzelnen um Leistungen zum sog. oberen Punktwert oder unteren Punktwert aufgrund der Überschreitung des Regelleistungsvolumen handelt. Ein solcher durchschnittlicher Punktwert ist der Punktwert, mit dem letztlich die Leistungen des Klägers vergütet wurden.
Es besteht kein Anspruch darauf, dass zunächst die - im Rahmen der Honorarberechnung - geringer vergüteten Leistungen als Maßstab genommen werden. Für die Berechnung der Rückforderung aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung im Falle von Budgetierungen bleibt der praxisindividuelle Punktwert maßgebend, der sich auf der Grundlage des vom Arzt in Ansatz gebrachten Punktzahlvolumens ergeben hat. Es erfolgt keine Neuberechnung des Punktwerts auf der Grundlage des korrigierten Punktzahlvolumens. Eine andere Berechnungsweise kann in Ausnahmefällen zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Betracht kommen (vgl. BSG, Urt. v. 11.03.2009 – B 6 KA 62/07 R - BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 7 = USK 2009-11). Ein solcher Ausnahmefall setzt aber voraus, dass die fehlerhafte Honoraranforderung durch eine missverständliche oder unzutreffende Information o. ä. seitens der Kassenärztlichen Vereinigung mit verursacht wurde. Ein derartiger Sonderfall ist auch dann in Betracht zu ziehen, wenn ein Arzt in offenem Dissens mit der Kassenärztlichen Vereinigung eine Gebührennummer ansetzt, weil er die Frage ihrer Abrechenbarkeit einer gerichtlichen Klärung zuführen will (vgl. BSG, Urt. v. 11.03.2009 - B 6 KA 62/07 R -, aaO., juris Rdnr. 27 f.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Im Übrigen dienen Budgetierungsmaßnahmen nur – neben ihrer Steuerungsfunktion – der Berechnung des Honorars, bedeuten aber keine Wertigkeit der einzelnen Leistungen. Der tatsächliche Wert der Leistung kann nur praxisbezogen mit Hilfe des praxisindividuellen Punktwerts berechnet werden (vgl. SG Marburg, Urt. v. 10.11.2010 - S 12 KA 555/09 -). Soweit eine solche punktwertbezogene Berechnung nicht sinnvoll ist, da nicht ein bestimmtes Punktzahlvolumen von der Vergütung ausgeschlossen ist, kann das des Klägers verbleibende Honorar auch in der Weise bemessen werden, dass eine zu vergütende Tätigkeit im Umfang von höchstens 12 Stunden täglich angenommen wird und nur der darüber hinausgehende Teil die Grundlage der Berichtigung bildet. Der "Minutenpreis" entspricht dabei dem durchschnittlichen Punktwert. Die Vorgehensweise der Beklagten ist daher von ihrem Schätzungsermessen gedeckt.
Auch insgesamt ist die Honorarberichtigung nicht unverhältnismäßig. Die Berichtigung führt im Ergebnis zu einer Honorarminderung von 2,4 % bis 12,2 %. Im Einzelnen stellen sich die Auswirkungen wie folgt dar: I/07 II/07 III/07 IV/07 Nettohonorar PK + EK in EUR 63.116,35 78.030,83 88.798,48 83.820,89 Honorarberichtigung in EUR - 1.540,04 - 7.748,46 - 10.797,90 - 7.242,12 Kürzung in % 2,4 9,9 12,2 8,6 Verbleibendes Nettohonorar in EUR 61.576,31 70.282,37 78.000,58 76.578,77
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Verfahrenskosten.
Der Streitwertbeschluss erfolgte durch den Kammervorsitzenden.
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).
Der wirtschaftliche Wert folgt aus dem Rückforderungsbetrag. Dies ergab den festgesetzten Wert.