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05.02.2013 · IWW-Abrufnummer 130340

Verwaltungsgericht Arnsberg: Beschluss vom 06.12.2012 – 7 L 790/12

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Verwaltungsgericht Arnsberg

7 L 790/12

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 17.500,-- Euro festgesetzt.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 3015/12 gegen die Ruhensanordnung der Bezirksregierung Arnsberg vom 18. September 2012 wiederherzustellen, hilfsweise die sofortige Vollziehung aufzuheben, äußerst hilfsweise die sofortige Vollziehung auszusetzen,

ist zulässig, aber in der Sache unbegründet.

I. Der Antrag hat nicht bereits deshalb (zumindest im Hinblick auf die Hilfsanträge) Erfolg, weil die Anordnung der sofortigen Vollziehung in formeller Hinsicht rechtswidrig wäre.

Es ist unschädlich, dass die Bezirksregierung den Antragsteller vor Anordnung der sofortigen Vollziehung hierzu nicht angehört hat. Eine Anhörung war nicht erforderlich. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung stellt keinen Verwaltungsakt dar, auf den § 28 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) anwendbar wäre. Auch eine analoge Anwendung dieser Regelung ist nicht angezeigt. § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) stellt eine die verfahrensrechtlichen Erfordernisse der Vollzugsanordnung abschließende Regelung dar und sieht eine Anhörungspflicht gerade nicht vor. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung gerade in einem Fall der vorliegenden Art grundrechtsrelevant ist. Der Grundrechtsschutz läuft auch dann nicht leer, wenn der Betroffene vor der Anordnung keine Gelegenheit zur Stellungnahme hat. Es besteht die Möglichkeit des Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO. Bei der in diesem Verfahren zu treffenden Entscheidung hat das Verwaltungsgericht auch die Grundrechte des Betroffenen mit zu berücksichtigen.

Die Bezirksregierung hat die Anordnung des Sofortvollzugs in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet. Sie hat einzelfallbezogen ausgeführt, aus welchen Gründen sie den Sofortvollzug für erforderlich und angemessen hält. Das macht deutlich, dass sie sich des Ausnahmecharakters einer solchen Anordnung bewusst war. Darauf, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe die sofortige Vollziehung tatsächlich rechtfertigen, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

II. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil bei summarischer Prüfung derzeit alles dafür spricht, dass seine Klage gegen die Anordnung des Ruhens seiner Approbation als Arzt erfolglos bleiben wird, und weil das Vollzugsinteresse der Öffentlichkeit höher zu bewerten ist als das Interesse des Antragstellers daran, von einer Vollziehung einstweilen verschont zu bleiben.

1) Die Klage 7 K 3015/12 wird voraussichtlich keinen Erfolg haben, weil sich die angefochtene Ruhensanordnung vom 18. September 2012 voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird.

a) Es ist unerheblich, dass der Bescheid vom 18. September 2012 entgegen § 41 Abs. 1 VwVfG NRW an den Verteidiger des Antragstellers im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zugestellt worden ist, obwohl dieser für das vorliegende Verwaltungsverfahren nicht bevollmächtigt war. Durch diese Zustellung ist der Verwaltungsakt allerdings dem Antragsteller gegenüber noch nicht wirksam geworden. Die hierfür nach § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW erforderliche Bekanntgabe des Verwaltungsaktes ist jedoch dadurch nachgeholt worden, dass der Verteidiger den an den Antragsteller gerichteten Bescheid an diesen weitergeleitet hat. Eine förmliche Zustellung des Bescheides an den Adressaten ist nicht erforderlich.

b) Die Klage wird voraussichtlich auch nicht deshalb Erfolg haben, weil die Anordnung des Ruhens der Approbation verfahrensfehlerhaft ohne vorherige Anhörung des Antragstellers ausgesprochen worden ist. Die Bezirksregierung hat dem Antragsteller entgegen § 28 Abs. 1 VwVfG NRW vor Erlass des Verwaltungsaktes keine Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Eine Anhörung war nicht ausnahmsweise entbehrlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass ein Fall des § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW vorlag, wonach von der Anhörung abgesehen werden kann, wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint.

Der Anhörungsmangel ist jedoch gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW geheilt worden. Hiernach ist eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, die nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führt, unbeachtlich, wenn - hier - die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. Die Anhörung darf bis zum Abschluss der ersten Instanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden (§ 45 Abs. 2 VwVfG NRW).

Das Gesetz lässt sowohl eine Heilung im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens als auch eine solche im Gerichtsverfahren zu. Entscheidend ist, dass die nachgeholte Anhörung die ihr zukommende Funktion im Rahmen des behördlichen Entscheidungsprozesses erfüllen kann. Hierzu ist es nicht notwendig, dass der Betroffene während eines anhängigen Gerichtsverfahrens die Möglichkeit zur Stellungnahme auf der Ebene eines parallel geführten Verwaltungsverfahrens erhält. Die Heilung kann vielmehr auch in einem Austausch von Sachäußerungen in einem gerichtlichen Verfahren bestehen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Behörde den Vortrag des Betroffenen zum Anlass nimmt, ihre Entscheidung noch einmal auf den Prüfstand zu stellen und zu erwägen, ob sie unter Berücksichtigung der nunmehr vorgebrachten Tatsachen und rechtlichen Erwägungen an ihrer Entscheidung mit diesem konkreten Inhalt festhalten will und das Ergebnis der Überprüfung mitteilt. Eine Heilung kann auch darin liegen, dass der Betroffene in dem beim Verwaltungsgericht gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines belastenden Verwaltungsaktes Gelegenheit gehabt hat, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern und der Antragsgegner sich in seiner Antragserwiderung mit den vorgetragenen Argumenten auseinandergesetzt hat.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 14. Juni 2010 - 10 B 270/10 -, juris-Rn. 7, m. w. N., und vom 26. Mai 2011, 13 B 476/11 -, juris-Rn. 9; a. A. Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 24. Juni 2010 - 3 C 14.09 - BVerwGE 137, 199, m. w. N., und vom 22. März 2012 - 3 C 16.11 -, NJW 2012, 2823.

Für die Frage, ob ein Anhörungsmangel geheilt ist, kann es nicht entscheidend sein, ob die Anhörung in einem gesonderten Verwaltungsverfahren oder im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens nachgeholt wird. Entscheidend ist, ob die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird.

Hiervon ausgehend ist der Anhörungsmangel geheilt worden. Nachdem die Bezirksregierung dem Prozessbevollmächtigten des Klägers eine Kopie der Verwaltungsvorgänge einschließlich der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte übersandt hatte, hatte der Antragsteller im Klageverfahren 7 K 3015/12 und im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Gelegenheit, Stellung zur Anordnung des Ruhens der Approbation zu nehmen. Von dieser Gelegenheit hat er Gebrauch gemacht. Die Antragserwiderung der Bezirksregierung vom 5. November 2012, in der auf die hauptsächlichen materiellen Rügen des Klägers eingegangen wird, lässt erkennen, dass die Behörde den Vorgang unter Würdigung des Vorbringens des Antragstellers erneut geprüft hat, aber gleichwohl an ihrer Entscheidung festhalten will.

c) Die Anordnung des Ruhens der Approbation ist auch materiell rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Bundesärzteordnung - BÄO -. Hiernach kann das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet ist.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage sind erfüllt.

Gegen den Antragsteller ist ein Strafverfahren eingeleitet worden. Hierfür genügt ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren, das als erster Verfahrensabschnitt Teil des Strafverfahrens ist. Es ist nicht erforderlich, dass bereits Anklage erhoben ist. Vgl. Schiwy, Deutsches Arztrecht, Stand: 1. Juli 2012, Band I, Kommentar, S. 4 zu § 6 BÄO; Schelling in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, 2011, Rn. 6 zu § 6 BÄO; a. A. Narr, Ärztliches Berufsrecht, Stand: September 2010, Band 1, Rn. 66.

Allerdings werden sich vielfach erst mit der Anklageerhebung hinreichende Umstände dafür ergeben, dass die Ruhensanordnung gerechtfertigt ist. Deshalb hat die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung zu prüfen, ob sie das Ruhen der Approbation bereits in einem verhältnismäßig frühen Stadium des Strafverfahrens ausspricht oder ob sie zunächst weitere Ermittlungen und deren Ergebnisse und ggf. sogar die Anklageerhebung abwartet.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 31. Juli 2007 - 13 B 929/07 -, NJW 2007, 3300.

An der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzung der Einleitung eines Strafverfahrens ändert dies nichts.

Bei der Anordnung des Ruhens der Approbation handelt es sich um eine vorübergehende Maßnahme, die dazu bestimmt ist, in unklaren Fällen oder Eilfällen einem Arzt die Ausübung ärztlicher Tätigkeit für bestimmte oder unbestimmte Zeit zu untersagen, wenn dies im Interesse der Allgemeinheit und zum Schutz von Patienten geboten ist. Sie erfasst insbesondere die Fälle, in denen eine Ungeeignetheit oder Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs (noch) nicht endgültig feststeht. Dementsprechend ist die Anordnung des Ruhens der Approbation, wenn sie den ihr zugedachten Zweck einer Präventivmaßnahme zur Abwehr von Gefahren für einen unbestimmten Patientenkreis und damit zum Schutz der Allgemeinheit erfüllen soll, von ihrer Natur her insofern auf einen schnellen Vollzug angelegt, als es sich um eine vorläufige Berufsuntersagung und um eine vorübergehende Maßnahme handelt, die nach § 6 Abs. 2 BÄO aufzuheben ist, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Die Ruhensanordnung mit den begrenzten Auswirkungen in zeitlicher Hinsicht dient letztlich dem Schutz einer ordnungsgemäßen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, bei der es sich um ein hochrangiges Gut der Allgemeinheit handelt, und speziell dem Schutz der Patienten/Patientinnen vor einem Tätigwerden von Personen, deren Eignung zur Ausübung des Arztberufs zweifelhaft (geworden) ist. Der Schutz des Gesundheitssystems und letztlich der Patienten und die diesen Schutz bezweckende Anordnung des Ruhens der Approbation rechtfertigen es demnach auch, die Ruhensanordnung kurzfristig wirksam werden zu lassen, um so ihrem Charakter als Präventivmaßnahme schnellstmöglich gerecht zu werden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. März 2012 - 13 B 228/12 -, NJW 2012, 2132, juris-Rn. 7.

Damit wäre es nicht vereinbar, wenn eine Ruhensanordnung erst ausgesprochen werden könnte, wenn im Strafverfahren bereits Anklage erhoben ist.

Aus den Straftaten, derer der Antragsteller verdächtig ist, kann sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben. Es besteht der Verdacht, dass der Antragsteller sich nach § 201 a Abs. 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) in zahlreichen Fällen strafbar gemacht hat, indem er von Patientinnen, die sich in seiner Praxis und damit in einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befanden, unbefugt Bildaufnahmen hergestellt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt hat. Aus diesen Straftaten kann sich die Unwürdigkeit und die Unzuverlässigkeit des Antragstellers zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben.

Unwürdigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO liegt vor, wenn der Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar erforderlich ist. Diese Definition knüpft die Feststellung der Berufsunwürdigkeit im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an hohe Voraussetzungen. Sie verlangt ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes, das bei Würdigung aller Umstände seine weitere Berufsausübung im maßgeblichen Zeitpunkt untragbar erscheinen lässt. Dieser Entziehungstatbestand stellt nicht auf den zufälligen Umstand ab, inwieweit das Fehlverhalten des Arztes in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Entscheidend ist vielmehr, dass das Verhalten des Arztes für jeden billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschlüsse vom 28. Januar 2003 - 3 B 149.02 -, Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 107, und vom 14. April 1998 - 3 B 95.97 -, Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 100.

Wenn ein Gynäkologe während einer Untersuchung heimlich Fotos oder Filmaufnahmen von den Genitalien seiner Patientin macht, ohne dass sie davon weiß und damit einverstanden ist, stellt dies einen massiven Vertrauensbruch dar. Ein solches Verhalten eines Arztes wiegt unabhängig von dem nach dem Gesetz hierfür vorgesehenen Strafmaß so schwer, dass es nicht hingenommen werden kann, dass dieser Arzt weiter seinen Beruf ausübt. Denn eine ärztliche Behandlung erfordert es oftmals und im Rahmen gynäkologischer Untersuchungen regelmäßig, dass sich die Patientinnen dem Arzt auch im Intimbereich offenbaren. Wenn dies vom Arzt zur unbefugten Anfertigung von Fotos oder Filmen ausgenutzt wird, zerstört er damit das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient nachhaltig.

Eine Unzuverlässigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO ist dann zu bejahen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Arzt werde in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten. Abzustellen ist für die somit anzustellende Prognose auf die jeweilige Situation des Arztes im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich dem Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens, sowie auf seinen vor allem durch die Art, Schwere und Zahl der Verstöße gegen die Berufspflichten manifest gewordenen Charakter. Ausschlaggebend für die Prognose der Zuverlässigkeit ist die Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Arztes und seiner Lebensumstände auf der Grundlage der Sachlage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1997 - 3 C 12.95 -, BVerwGE 105, 214.

Auch diese Voraussetzungen können erfüllt sein, wenn sich der gegen den Antragsteller bestehende Verdacht bestätigt. Wenn der Antragsteller tatsächlich bis zu seiner Entdeckung in zahlreichen Fällen unbefugt Ausnahmen vom Intimbereich seiner Patientinnen gemacht hat, kann dies auch für die Zukunft befürchten lassen, dass sich solche oder ähnliche Pflichtverletzungen wiederholen werden.

Die angegriffene Entscheidung der Bezirksregierung vom 18. September 2012 wird sich voraussichtlich auch nicht als ermessensfehlerhaft erweisen. Die Behörde hat - wie sich aus der Begründung des Bescheides ergibt - erkannt, dass es sich bei der Entscheidung nach § 6 Abs. 1 BÄO um eine Ermessensentscheidung handelt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidung sachwidrige Erwägungen zu Grunde liegen.

Die Bezirksregierung hat insbesondere zu Recht darauf abgestellt, dass § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO ein frühes Eingreifen der Aufsichtsbehörde auch vor Abschluss eines Strafverfahrens ermöglichen soll; die Regelung diene dem Schutz der Patienten vor den Gefahren, die mit der Berufsausübung eines möglicherweise unzuverlässigen bzw. unwürdigen Arztes verbunden sind, und zugleich dem Schutz des Vertrauens der Bevölkerung in die berufliche Integrität der Ärzteschaft. Demgegenüber habe im vorliegenden Fall das Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Fortsetzung seiner Berufstätigkeit zurückzustehen, weil der Antragsteller schon aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses als unwürdig und unzuverlässig zur Ausübung des ärztlichen Berufs angesehen werden könne.

Diese Erwägungen sind sachgerecht. Auch wenn die Ermittlungen im Strafverfahren noch nicht abgeschlossen sind und weder die Bezirksregierung noch das erkennende Gericht bislang die in der Praxis des Antragstellers vorgefundenen Foto- und Filmdateien eingesehen hat, spricht aufgrund der in der Akte der Staatsanwaltschaft Dortmund 161 Js 82/12 enthaltenen Unterlagen alles dafür, dass der Antragsteller in mindestens sechs Fällen im Jahr 2010 Filmaufnahmen von Patientinnen während der gynäkologischen Untersuchung ohne ihr Wissen und ihre Einwilligung gemacht hat. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Durchsuchungs-/Sicherstellungsprotokoll vom 6. Juni 2012 (Bl. 20 ff. der Ermittlungsakte), den Durchsuchungsberichten vom 8. Juni 2012 und vom 20. Juni 2012 (Bl. 42 ff. und 144 ff. der Ermittlungsakte), den Berichten über die Auswertung der in der Praxis des Antragstellers sichergestellten Armbanduhr mit Videoaufzeichnungsfunktion, des ebenfalls dort sichergestellten Laptops sowie von 10 auf der Uhr und dem Laptop aufgefundenen Videodateien (Bl. 58, 60 und 95 ff. der Ermittlungsakte) und den Protokollen von Zeugenvernehmungen von sechs Patientinnen (Bl. 92 ff., 148 ff., 154 ff., 161 ff., 184 ff., 195 ff. der Ermittlungsakte). Bei den sechs Patientinnen stimmten die Daten, an denen sie nach den Praxisunterlagen zur Untersuchung beim Antragsteller waren, und die aufgrund der Dateinamen vermuteten Aufnahmedaten der Videos überein. Die Zeuginnen bekundeten jeweils, dass sie sich auf den Filmen eindeutig wiedererkannt hätten, dass sie mit der Anfertigung der Filmaufnahmen nicht einverstanden gewesen seien und dass sie Strafantrag stellten. Dies und der Umstand, dass in der Praxis des Antragstellers eine Armbanduhr und ein Stift gefunden wurden, mit denen unauffällig Videoaufzeichnungen angefertigt werden können, begründen bereits jetzt den dringenden Verdacht, dass sich der Antragsteller in unmittelbarer Ausübung seines Berufs in mindestens sechs Fällen nach § 201 a StGB strafbar gemacht hat. Ob der Antragsteller darüberhinaus noch in einer Vielzahl weiterer Fälle ohne Einverständnis seiner Patientinnen heimlich Fotos oder Filmaufnahmen von deren Genitalien gemacht hat, ist im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens unerheblich. Schon beim gegenwärtigen Stand der Ermittlungen war die Anordnung des Ruhens des Verfahrens ermessengerecht.

2. Hiervon ausgehend ist das Vollzugsinteresse der Öffentlichkeit höher zu bewerten als das Interesse des Antragstellers daran, von einer Vollziehung einstweilen verschont zu bleiben. Dies gilt auch angesichts der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Anordnung der sofortigen Vollziehung bei berufsrechtlichen Maßnahmen.

Vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 8. April 2010 - 1 BvR 2709/09 -, NJW 2010, 2268, vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 2157/07 -, NJW 2008, 1369, und vom 13. August 2003 - 1 BvR 1594/03 -, NJW 2003, 3617.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Ruhens der Approbation ist als Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufsausübung und -wahl zu qualifizieren. Sie stellt einen selbständigen Eingriff dar, der eine eigenständige Prüfung am Maßstab dieser Verfassungsnorm erfordert. Ein präventives Berufsverbot ist nur unter strengen Voraussetzungen zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft. Die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die zu Grunde liegende Verfügung rechtmäßig ist und das Hauptsacheverfahren zum Nachteil des Betroffenen ausgehen wird, reicht dabei für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht aus. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung setzt vielmehr voraus, dass überwiegende öffentliche Belange es ausnahmsweise rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers gegen die Grundverfügung einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt dabei von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit schon vor Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter bzw. für Dritte befürchten lässt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. März 2012 - 13 B 228/12 -, a. a. O., juris-Rn. 12 f.; BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 2006 - 1 BvR 2403/06 -, juris, m.w.N..

Dies ist hier nach Auffassung der Kammer der Fall.

Wie oben dargelegt wurde, besteht der dringende Verdacht, dass der Antragsteller in der Vergangenheit in mehreren Fällen heimlich Videoaufnahmen von den Genitalien von Patientinnen ohne deren Wissen und Einwilligung gemacht hat. Vor dem Hintergrund, dass in seiner Praxis zudem Ausrüstungsgegenstände gefunden wurden, die es ihm ermöglichten, weitere Aufnahmen zu machen, und im Hinblick darauf, dass der Antragsteller eine in seinem Besitz befindliche Stiftkamera zerbrach, bevor die Polizeibeamten sie sicher stellen konnten, bestehen auch konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller bis zu seiner Entdeckung weitere Aufnahmen gemacht hat. Dies genügt für die Annahme einer konkreten Gefahr, dass der Antragsteller bei weiterer Berufsausübung erneut unberechtigterweise heimliche Film- oder Fotoaufnahmen von Patientinnen in deren Intimbereich machen wird. Eine solche Wiederholungsgefahr besteht auch vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller seine Praxis aufgegeben hat und dass am Ort seiner bisherigen Praxis durch Presseberichte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe weitgehend bekannt geworden sind. Wenn der Antragsteller vorübergehend im Besitz der Approbation bliebe, könnte er ohne weiteres beispielsweise in einer anderen Region, in der er nicht bekannt ist, erneut ärztlich tätig werden. Allein seine Aussage, dass er nur eine ärztliche Tätigkeit beabsichtige, in der er keinen direkten Patientenkontakt hätte, ist keine hinreichende Sicherheit dafür, dass er diese Absicht verwirklicht.

Ein milderes Mittel als die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist nicht erfolgversprechend. Eine Auflage, nur im Beisein Dritter Untersuchungen durchzuführen, wäre in keiner Weise kontrollierbar und würde zudem nicht verhindern können, dass der Antragsteller erneut heimlich etwa mit einer in einem Stift oder einer Armbanduhr versteckten Kamera Foto- oder Filmaufnahmen anfertigt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes. Dabei geht die Kammer entsprechend der Rechtssprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (vgl. die oben zitierten Beschlüsse) für das Hauptsacheverfahren von einem Streitwert von 35.000,00 Euro aus, der für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren ist.

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