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13.08.2003 · IWW-Abrufnummer 031800

Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 10.04.2003 – 10 K 338/01

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten im Rahmen der Ermittlung von Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 Einkommensteuergesetz in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung; im Folgenden: EStG).

Die Kläger, die Eheleute sind, erzielen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Im Rahmen ihrer für das Streitjahr 1999 abgegebenen gemeinsamen Einkommensteuererklärung begehrten sie den einkommensmindernden Abzug von Aufwendungen für die Betreuung ihrer drei gemeinsamen Kinder. Dies lehnte das beklagte Finanzamt in dem für das Streitjahr unter dem 30. Oktober 2000 ergangenen Einkommensteuerbescheid unter Hinweis darauf ab, dass Kinderbetreuungskosten nur bei alleinerziehenden Erwerbstätigen und bei Ehegatten wegen Behinderung oder Krankheit eines Ehegatten, wenn der andere Ehegatte erwerbstätig, ebenfalls krank oder behindert sei, abziehbar seien.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer nach erfolglos gebliebenem Vorverfahren unter dem 25. Juli 2001 erhobenen Klage. Die Kläger sind der Ansicht, dass die Kinderbetreuungskosten zu Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit führten. Denn um ihren Beruf ausüben zu können, müsse in der Zeit, in der die Kläger nicht in der Familie sein könnten, eine Betreuung der Kinder erfolgen. Dies belege eine berufliche Veranlassung der Kinderbetreuungskosten, die damit zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit führt. Vor allem die konkrete Berufstätigkeit der Klägerin lasse es bei den unregelmäßigen Arbeitszeiten nicht zu, auf eine Kinderbetreuung zu verzichten oder diese ganz allein persönlich durchzuführen, wie es bei Elternteilen möglich sei, bei denen nur ein Elternteil die Einkünfte erziele. Es könne zudem nicht unberücksichtigt bleiben, dass die streitbefangenen Kinderbetreuungskosten ihre Ursache darin hätten, dass die Zeiten für die berufliche Tätigkeit deckungsgleich mit denen für die Kinderbetreuung seien. So betrage die Arbeitszeit der Klägerin 40 Stunden pro Woche, während aufgrund des Aupair-Vertrages das Aupair-Mädchen für 30 Stunden pro Woche die Kinder betreue. Die Differenz von 10 Stunden pro Woche könnten die Eltern und Kläger dadurch erledigen, dass sich Überschneidungen ergäben, die die Kinderbetreuung ihrer Kinder in dieser Zeit sicherten. Damit sei belegt, dass die Kinderbetreuungskosten ausschließlich der Einkunftssphäre zuzuordnen seien und die Abgrenzung zur Privatsphäre zwingend zu unterbleiben habe.

Die Kosten der Lebensführung würden durch diese Kinderbetreuungskosten nicht berührt. Denn diese fielen nicht über den normalen täglichen Familienkinderbetreuungsbedarf an, sondern seien durch die Doppelberufstätigkeit der Kläger und die berufliche Tätigkeit der Ehefrau veranlasst. Sofern man grundsätzlich die Anwendbarkeit des § 12 EStG auf den Streitfall zuließe, seien die Kinderbetreuungskosten jedenfalls entsprechend aufzuteilen. Da im Streitfall die Kinderbetreuungskosten in vollem Umfang auf den Zeitraum entfielen, in dem die Klägerin ihrem beruflichen Dienst nachgehe, seien diese in vollem Umfang den Werbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit zuzuordnen.

Die Notwendigkeit, berufsbedingte Kinderbetreuungskosten zum (Werbungs?)Abzug zuzulassen, ergebe sich ferner auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, wie etwa dem des Leistungsfähigkeitsprinzips (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ? GG ?). Die bisherige Nichtberücksichtigung derartiger Aufwendungen sei verfassungswidrig, wie sich aus dem Vergleich der Gruppe beider erwerbstätiger Eltern zu der der Eltern mit einem Erwerbstätigen ergebe. Denn die durch die Kinderbetreuung angefallenen Mehrkosten würden nicht steuermindernd berücksichtigt. Um diesen verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, und eine Abzugsfähigkeit entsprechender Kinderbetreuungskosten zu gewährleisten, müsse die Vorschrift des § 9 Abs. 1 EStG verfassungskonform in der Weise ausgelegt werden, dass ein Werbungskostenabzug für erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten vorgenommen werde.

Aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 ergäben sich keinerlei Bindungswirkungen für den Streitfall. Denn das Gericht habe in diesen Entscheidungen nicht über die Frage der Abzugsfähigkeit erwerbsbedingter Werbungskosten entschieden.

Die Abzugsfähigkeit erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit der Kläger lasse sich jedoch aus den vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 4. Dezember 2002 [Begrenzung des Abzugs der Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung auf insgesamt zwei Jahre] aufgestellten Grundsätzen herleiten. Insbesondere in Randziffer 55 dieser Entscheidung komme zum Ausdruck, dass zwischen freier und beliebiger Einkommensverwendung einerseits und zwangsläufigem pflichtbestimmten Aufwand andererseits zu differenzieren sei. Da Kinderbetreuungskosten ? wie im Streitfall ? beiderseits berufstätiger Eltern zwangsläufigen pflichtbestimmten Aufwand darstellten, müssten diese auch als Werbungskosten abziehbar sein.

Schließlich verstoße die Nichtberücksichtigung berufsbedingter Kinderbetreuungskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gegen die Richtlinie 76/207 EWG, mit der die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen sichergestellt werden solle. Denn bei Berücksichtigung der berufsbedingten Kinderbetreuungskosten sei insbesondere die Stellung der Frau zu beurteilen. Dazu gehöre, dass die Frau im Berufsleben den Schutz genießen müsse, weiterhin in einem Berufsfeld gleichberechtigt mit den Männern auftreten zu können, auch wenn sie Mutter sei und für die ?Kinder zu sorgen habe?. Dies bedeute, dass aus der Tatsache, dass eine Familie bestehe, daraus für das weitere Berufsleben für die Frau keine erheblichen Nachteile entstehen dürften. Die Nichtberücksichtigung berufsbedingter Kinderbetreuungskosten stünde diesen Erkenntnissen aber entgegen.

Die Kläger beantragen,

bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit die Werbungskosten insgesamt mit .... DM zu berücksichtigen, bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbstständiger Arbeit die Werbungskosten insgesamt in Höhe von ... DM anzusetzen.

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es ist auch weiterhin der Auffassung, dass die von den Klägern geltend gemachten Kinderbetreuungskosten nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen seien. Einem Abzug dieser Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit stehe entgegen, dass die Verursachung solcher Aufwendungen im Entscheidungsbereich der privaten Lebensführung läge. Aufwendungen, die sowohl durch die Berufstätigkeit als auch durch die private Lebensführung veranlasst seien (so genannte gemischte Aufwendungen) seien indes nach § 12 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit berücksichtigungsfähig. Dies gelte selbst dann, wenn feststehe, dass sie aus den von den Klägern dargelegten beruflichen Gründen entstanden seien. Entsprechende Ausnahmen könne allein der Gesetzgeber regeln, wie dies etwa im Wege des Sonderausgabenabzugs oder über außergewöhnliche Belastungen geschehe. An einer solchen Regelung fehle es jedoch für das Streitjahr.

Die Voraussetzungen für die vom Gesetz für 1999 zugelassenen Ausnahmen zum Abzug von Kinderbetreuungskosten gemäß § 33 c EStG lägen nicht vor. Denn im Streitjahr sei insoweit lediglich der Abzug von Betreuungskosten für berufstätige alleinstehende Elternteile möglich. Die Erwerbstätigkeit beider nicht dauernd getrennt lebender Elternteile stelle im Streitjahr keinen Grund dar, zusätzliche Kinderbetreuungskosten als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen. Zwar sei diese Regelung des § 33 c EStG durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden. Die durch den Gesetzgeber getroffene Regelung gelte jedoch erst ab dem Veranlagungszeitraum 2000 bzw. 2002 und wirke nicht auf das Streitjahr zurück.

Zu den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 und dessen verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Gestaltung des Familienlastenausgleichs sei abschließend anzumerken, dass auch die danach als mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärten Vorschriften, wenn auch zeitlich befristet, weiterhin anwendbar seien, § 33 c EStG z.B. bis zum 31. Dezember 1999.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

I.

Textpfad: Text_Typ:ASCII     Die den Klägern im Zusammenhang mit der Betreuung ihrer im Streitjahr 1999 drei minderjährigen Kinder durch ein Aupair?Beschäftigungsverhältnis entstandenen Aufwendungen sind dem Grunde nach nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen.

1. Erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten sind stets in einem nicht trennbaren Umfang zumindest auch privat (mit?)veranlasst (vgl. § 12 Nr. 1 Einkommensteuergesetz ? EStG ?) mit der Folge, dass ein Abzug als Werbunkgskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit ausgeschlossen ist.

a) Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten liegen danach vor, wenn sie durch den Beruf bzw. durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Dabei ist ausreichend, wenn die Ausgaben den Beruf des Arbeitnehmers im weitesten Sinne fördern (BFH?Urteil vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01, BFH/NV 2003, 255 m.w.N.).

Hiervon abzugrenzen sind als nach § 12 Nr. 2 EStG nichtabzugsfähige Ausgaben ? soweit u.a. in § 9 EStG nichts anderes bestimmt ist ? die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge, zu denen auch die Aufwendungen für die Lebensführung gehören, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Aus Gründen der Wahrung der steuerlichen Gerechtigkeit ist die Aufteilung und damit der Abzug von Aufwendungen, die sowohl der Lebensführung dienen als auch den Beruf fördern ? von Ausnahmefällen abgesehen ? ausgeschlossen. Eine Aufteilung gemischter Aufwendungen wird dann als möglich und geboten erachtet, wenn das Hineinspielen der Lebensführung unbedeutend ist und nicht ins Gewicht fällt oder der beruflich/betrieblich veranlasste Teil der Aufwendungen sich leicht und einwandfrei nach objektiven, nachprüfbaren Merkmalen von den nichtabzugsfähigen Kosten der Lebensführung trennen lässt und nicht lediglich von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. die Nachweise bei Schmidt-Drenseck, Kommentar zum EStG, 21. Aufl. [2002], Rd.-Nr. 12 f zu § 12).

Für den Streitfall bedeutet dies, dass die Kinderbetreuungskosten als Kosten der allgemeinen Lebensführung keine Werbungskosten darstellen. Die Kinderbetreuung gehört stets zumindest auch (wenn nicht sogar überwiegend) zum Bereich der Lebensführung, und zwar selbst dann, wenn die konkrete Form der Betreuung durch die Berufstätigkeit eines Elternteils oder beider Elternteile beeinflusst ist. Denn auch unter Berücksichtigung des Veranlassungszusammenhanges entsteht der Kinderbetreuungsbedarf, weil Kinder zu betreuen sind, nicht weil Eltern erwerben wollen; der Betreuungsbedarf fällt um des Kindes Willen an, das nicht zum Erwerb beiträgt und unterfällt damit der Privat?, nicht der Erwerbssphäre (so zutreffend Kirchhoff, ?Ehe? und familiengerechte Gestaltung der Einkommensteuer? in NJW 2000, 2792 [2795 f]). Der Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten steht vor diesem Hintergrund unter dem Aspekt von Unterhaltsaufwendungen stets das Aufteilungsverbot des § 12 Nr. 1 EStG entgegen (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Juli 2000 XI B 127/99, BFH/NV 2000, 1471 sowie BFH-Urteil vom 2. Dezember 1998 X R 9/96, BFH/NV 1999, 1213 jeweils m.w.N.; Blümich-Thürmer, Kommentar zum EStG, KStG, GewStG und Nebengesetzen, Rd.-Ziff. 600 ?Kinderbetreuungskosten? zu § 9 EStG; Frotscher, Kommentar zum EStG, ABC der Werbungskosten ?Kinderbetreuung?; Hermann/Heuer/Raupach-Siebenhüter, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, ABC der Werbungskosten ?Kinderbetreuungskosten? zu § 9 EStG).

b) Nichts Anderes folgt aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 (2 BvR 1057/91, 1226/91 sowie 980/91, BStBl II 1999, 182) sowie vom 4. Dezember 2002 (2 BvR 400/98 und 1735/00). Denn auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ist es nicht geboten, erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten als Werbungskosten/Betriebsausgaben und damit auf der Stufe der Ermittlung der Einkünfte einkommensmindernd zu berücksichtigen.

aa) Es kann letztlich dahin stehen, ob ? wie die Kläger meinen ? aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998, a.a.O. keinerlei Rückschlüsse auf die Frage der Berücksichtigung erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten als Werbungskosten/Betriebsausgaben gezogen werden können, weil sich das Gericht in der Entscheidung mit dieser Problematik nicht ausdrücklich befasst, sondern insoweit vielmehr nur die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 33 c EStG geprüft habe.

An dieser Stelle sei lediglich darauf verwiesen, dass es der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Vorschrift des § 33 c EStG (in den jeweils gültigen Fassungen) in diesem Beschluss nicht bedurft hätte ? weil für den Ausgang der Verfassungsbeschwerden nicht entscheidungserheblich ?, wenn die in diesem Verfahren streitbefangenen erwerbsbedingten Aufwendungen der Beschwerdeführer für Kinderbetreuungskosten als Werbungskosten und/oder Betriebsausgaben ? und sei es im Wege einer verfassungskonformen Auslegung der §§ 4, 9 und 12 EStG ? abzugsfähig gewesen wären. Ob das Bundesverfassungsgericht insoweit die Voraussetzungen der §§ 4 bzw. 9 EStG konkludent als offensichtlich nicht gegeben angesehen hat (vgl. den Tenor zu 1.) dieses Beschlusses: § 33 c Abs. 1 ? 4 EStG ist ... mit Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar, soweit er die in ehelicher Gemeinschaft lebenden, unbeschränkt steuerpflichtigen Eltern vom Abzug der Kinderbetreuungskosten wegen Erwerbstätigkeit ausschließt.), bedarf keiner abschließenden Entscheidung.

bb) Zwar kommt es als allgemeingültiger Grundsatz für die verfassungsrechtlich gebotene Besteuerung nach finanzieller Leistungsfähigkeit nicht nur auf die Unterscheidung zwischen beruflichem oder privatem Veranlassungsgrund für Aufwendungen an, sondern jedenfalls auch auf die Unterscheidung zwischen freier oder beliebiger Einkommensverwendung einerseits und zwangsläufigem, pflichtbestimmtem Aufwand andererseits. Die Berücksichtigung privatveranlassten Aufwands steht nicht ohne Weiteres zur Disposition des Gesetzgebers. Dieser hat die unterschiedlichen Gründe, die den Aufwand veranlassen, auch dann im Lichte betroffener Grundrechte differenzierend zu würdigen, wenn solche Gründe ganz oder teilweise der Sphäre der allgemeinen (privaten) Lebensführung zuzuordnen sind (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Dezember 2002, a.a.O., Tz. 55).

Auch steht nach Art. 6 Abs. 1 GG die Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung mit der Folge, dass etwa eine Benachteiligung von Eltern gegenüber Kinderlosen untersagt ist. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Leistungsfähigkeit von Eltern u.a. durch erwerbsbedingten Betreuungsbedarf ihrer Kinder gemindert ist (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998, a.a.O., unter Punkt B I. 2 f der Gründe m.w.N.).

Schließlich folgt aus Art. 6 Abs. 1 GG das Verbot, die Vereinbarkeit von Ehe und Familie einerseits und die Berufsausübung beider Ehegatten andererseits zu erschweren (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Dezember 2002, a.a.O., Tz. 65 ff).

Diese Grundsätze vermögen indes nicht die Abzugsfähigkeit erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten als Werbungskosten/Betriebsausgaben zu begründen. Denn aus ihnen lässt sich lediglich die Verpflichtung des Staates herleiten, die Aufwendungen für erwerbsbedingte Kinderbetreuung überhaupt ? d.h. dem Grunde nach ? zu berücksichtigen (so ausdrücklich für einen auch ?generellen Betreuungsbedarf? Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998, a.a.O., Punkt B I. 4.).

Die vom Gesetzgeber insoweit getroffene Entscheidung, Kinderbetreuungskosten dem Grunde nach erst auf der Stufe ?außergewöhnlicher Belastungen? im Rahmen der Vorschrift des § 33 c EStG zum Abzug zuzulassen, erweist sich nicht als verfassungswidrig, sie unterfällt (noch) dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum. Denn ?... die Aufgabe des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern? ... und ?... dementsprechend dafür Sorge zu tragen, dass es Eltern gleichermaßen möglich ist, teilweise und zeitweise auf eine eigene Erwerbstätigkeit zu Gunsten der persönlichen Betreuung ihrer Kinder zu verzichten wie auch Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit miteinander zu verbinden ...? (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998, a.a.O., zu Punkt B I. 4.) lässt sich auch durch die Eröffnung entsprechender Abzugsmöglichkeiten im Rahmen außergewöhnlicher Belastungen erreichen. Hiervon zu trennen ist die ? sich unter dem Gesichtspunkt der Abzugsfähigkeit im Rahmen der Einkünfteermittlung hier nicht stellende ? Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Kinderbetreuungskosten konkret zum Abzug zuzulassen sind.

In diesem Punkt unterscheidet sich der Streitfall auch ganz entscheidend von der dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Dezember 2002 zugrundeliegenden Sach? und Rechtslage. Denn während dort die ?Grundentscheidung des deutschen Einkommensteuerrechts?, eine betrieblich/beruflich begründete doppelte Haushaltsführung als Betriebsausgaben/Werbungskosten zu berücksichtigen, den Ausgangspunkt für die nachfolgenden verfassungsrechtlichen Überlegungen bildete, existiert eine vergleichbare Abzugsmöglichkeit von (erwerbsbedingten) Kinderbetreuungskosten auf der Ebene der Einkünfteermittlung und damit im Bereich der Betriebsausgaben/Werbungskosten gerade nicht mit der Folge, dass sich die Grundsätze dieses Bundesverfassungsgerichtsbeschlusses nicht ausnahmslos auf den Streitfall übertragen lassen.

2. Eine Berücksichtigung der Kinderbetreuungskosten, die der Gesetzgeber auch bezüglich der erwerbsbedingten Kosten dem Bereich der außergewöhnlichen Belastungen zugeordnet hat und die deshalb ausschließlich nach Maßgabe des § 33 c EStG zu beurteilen sind, kommt im Streitfall nach dieser Vorschrift nicht in Betracht.

Die Voraussetzungen des § 33 c EStG liegen in der für das Streitjahr 1999 maßgebenden Fassung bei den Klägern ? dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig ? nicht vor. Darüber hinaus ist § 33 c EStG trotz der durch das Bundesverfassungsgericht erkannten Verfassungswidrigkeit des lediglich unter eingeschränkten Voraussetzungen zulässigen Abzugs von (auch erwerbsbedingten) Kinderbetreuungskosten bis zum 31. Dezember 1999 mit der Folge weiterhin anwendbar, dass über die hierin enthaltenen Regelungen hinaus keine Kinderbetreuungskosten und kein Erziehungsbedarf steuermindernd berücksichtigt werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 2. Dezember 1998 X R 48/97, BFH/NV 1999, 1192 sowie BFH-Beschluss vom 5. Februar 2002 VIII B 191/01, BFH/NV 2002, 647; Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 16. Dezember 2002 ? 2 BvR 759/99 ?, Steuereildienst 2003, 127).

3. Die von den Klägern einkommensmindernd geltend gemachten Kinderbetreuungskosten sind auch nicht unter dem Gesichtspunkt außergewöhnlicher Belastungen zu berücksichtigen.

Denn Kinderbetreuungskosten unterfallen nicht dem Geltungsbereich des § 33 EStG, da § 33 c EStG als spezialgesetzliche Regelung § 33 EStG vorgeht (BFH-Beschluss vom 27. Mai 2002 III B 4/01, BFH/NV 2002, 1432).

4. Schließlich ist auch der Hinweis der Kläger, die Nichtberücksichtigung berufsbedingter Kinderbetreuungskosten beinhalte einen Verstoß gegen die Richtlinie 76/202 EWG, nicht geeignet, ihrem Begehren zum Erfolg zu verhelfen.

Dies folgt schon daraus, dass nicht ersichtlich ist, inwieweit der Grundsatz der Gleichbehandlung zwischen Männern und Frauen im Sinne des Verbots einer Geschlechterdiskriminierung durch die Nichtberücksichtigung erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten auf dem Gebiet der Ertragssteuern berührt sein soll. Denn die Entscheidung, ob überhaupt und gegebenenfalls welcher Elternteil aus Gründen der Kinderbetreuung von einer weiteren Berufsausübung/betrieblichen Tätigkeit Abstand nimmt oder diese einschränkt, obliegt allein den Eltern, ist aber nicht von deren Geschlecht geprägt und vermag auf diese Weise auch nicht zu einer Beeinträchtigung der Stellung der Frau und Mutter gegenüber der des Mannes und Vaters zu führen.

II.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach haben die Kläger als die unterlegenen Beteiligten die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

2. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Der Rechtssache kommt nicht zuletzt im Hinblick auf den Beschluss des BVerfG vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98 und 2 BvR 1735/00 grundsätzliche Bedeutung zu.

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