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22.11.2012 · IWW-Abrufnummer 123507

Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 22.06.2012 – 6 U 4/12

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht Köln

6 U 4/12

I.) Auf die Berufung der Klägerin wird das am 8.12.2011 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 31 O 377/11 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1.) Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, auf seinem zu anwaltlichen Zwecken genutzten Briefpapier die Bezeichnung „Rechtsanwalt auch zugelassen am OLG“ zu verwenden.

2.) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.) Die Kosten des Verfahrens erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III.) Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann jedoch die Vollstreckung des Unterlassungsanspruches durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Vollstreckung des Kostenerstattungsanspruches kann der jeweilige Vollstreckungs­schuldner durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.) Die Revision wird zugelassen.

B e g r ü n d u n g

A

Die Klägerin ist eine Partnerschaftsgesellschaft aus Rechtsanwältinnen, die ihren Sitz in L. hat. Der Beklagte ist Rechtsanwalt und betreibt seine Kanzlei in X., einem Ort in der Nähe von H..

Der Beklagte verwendet in seinem Briefpapier oben rechts unter der Angabe seines Namens „K.“ den – deutlich kleiner geschriebenen – Zusatz „Rechtsanwalt auch zugel. am OLG Frankfurt“. Das Impressum seines Internet-Auftritts enthält keine Angaben zu der Berufshaftpflichtversicherung des Beklagten. Die Klägerin hat sowohl den Hinweis auf die Zulassung im Briefkopf als auch die fehlende Angabe der Haftpflichtversicherung als wettbewerbswidrig angesehen und Unterlassung begehrt.

Das Landgericht hat beide Anträge abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin (nur) den die Angabe der Zulassung betreffenden Unterlassungsantrag weiter. Sie b e a n t r a g t,

unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, auf seinem Briefpapier mit der Angabe „Rechtsanwalt auch zugelassen am OLG Frankfurt“ zu werben.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Er sieht die Klägerin nicht als klagebefugt an und verweist in der Sache auf die Handhabung der Zulassungsangabe durch andere Kanzleien.

B

Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der im Berufungsverfahren noch weiter verfolgte Klageantrag zu 1) ist zulässig und begründet. Der Beklagte ist aus §§ 3, 5, 8 Abs. 1 Abs. 3 Nr. 1 UWG verpflichtet, die beanstandete Angabe zu unterlassen.

I.

Die Klägerin ist aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG klagebefugt, weil sie Mitbewerberin des Beklagten ist. Mitbewerber ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG u. a. jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter von Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Das ist der Fall.

Unternehmer im vorstehenden Sinne sind auch die Angehörigen freier Berufe, namentlich Rechtsanwälte (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 2 UWG Rz. 29, 93 m.w.N.). Die Parteien stehen auch in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zuein­ander. Ein solches liegt vor, wenn die geschäftliche Handlung objektiv dazu geeignet und darauf gerichtet ist, den Absatz des Handelnden zum Nachteil des Absatzes des jeweils anderen zu fördern. Dabei müssen die Parteien auf demselben sachlich, räumlich und – was vorliegend unproblematisch ist - zeitlich relevanten Markt tätig sein (vgl. BGH GRUR 2007, 1079, Rz 18 – „Bundesdruckerei“). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Beide Parteien bieten ihre Dienstleistung als Rechtsberater bzw. Rechtsvertreter potentieller Mandanten an und sind um die Erlangung von Mandaten auch zu Lasten des jeweils anderen bemüht.

Dabei sind die Parteien insbesondere auf demselben sachlichen Markt tätig. Der Beklagte, der eine irgendwie geartete fachliche Spezialisierung nicht vorgetragen hat, ist damit im Ausgangspunkt allgemein auf allen juristischen Gebieten als Rechtsanwalt tätig, in denen eine besondere fachliche Spezialisierung nicht vorausgesetzt ist. Die Partnerinnen der Klägerin sind zwar als Fachanwältin für gewerblichen Rechtsschutz bzw. Diplom-Kunstrechtlerin, UK ausgewiesen, dies besagt jedoch nicht, dass sie nicht auch auf anderen Rechtsgebieten tätig wären. Die als Anlagen zu ihrem Schriftsatz vom 04.04.2012 in Kopie vorgelegten Auszüge aus Handakten belegen z. B. eine anwaltliche Tätigkeit der Klägerin im Bereich des Leasingrechts, des Darlehensvertragsrechts und des Rechts von Vertriebspartnern. Es handelt sich insoweit um Rechtsgebiete, die zu den täglichen Geschäften einer allgemein tätigen Rechtsanwalts­praxis gehören. Der Beklagte kann daher nicht mit seinem – für die vorgenannten Rechtsgebiete gleichförmig vorgetragenen – Einwand gehört werden, er berate und vertrete nicht in solchen Vertragsverhältnissen, es seien spezifisch wirtschaftliche Verträge. Auch wenn der Beklagte in der Vergangenheit mit den in jenen Mandaten auftauchenden Fragestellungen nicht konfrontiert worden sein mag, zeigt die Tätigkeit der Klägerin doch, dass sie in einem weit gefächerten sachlichen Spektrum Mandanten vertritt und deswegen in sachlicher Hinsicht im Wettbewerb mit dem nicht auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisierten Beklagten steht.

Die Parteien stehen sich auch auf demselben räumlichen Markt gegenüber. Trotz der nicht unerheblichen Distanz zwischen L. und dem Sitz des Beklagten im Einzugsbereich von H. ist diese Prozessvoraussetzung ebenfalls zu bejahen. Die Klägerin hat mit Schriftsätzen vom 27.03. und 04.04.2012 vorgetragen, dass – neben weiteren Personen – u. a. die im Schriftsatz vom 04.04.2012 ab S. 1 aufgelisteten 11 Mandanten zu ihrem Mandantenstamm gehören. Die Mitbewerbereigenschaft der Klägerin setzt nicht voraus, dass sie unmittelbar am selben Ort wie der Beklagte, also in X., ebenfalls über Mandanten verfügt. Es genügt, dass dies in einer räumlicher Nähe der Fall ist, die es als ernsthaft möglich erscheinen lässt, dass Mandanten der Klägerin sich potentiell auch an den Beklagten wenden könnten. Das ist nach der Lebenserfahrung der Fall. Es handelt sich bei sämtlichen aufgelisteten Mandaten um solche aus dem flächenmäßig kleineren Bundesland Hessen, teilweise, nämlich bei denjenigen mit den Postleitzahlen 35xxx sowie 36xxx, sogar in unmittelbarer Nähe des Sitzes des Beklagten.

Der Vortrag der Klägerin zu diesen Mandaten ist der Entscheidung zu Grunde zu legen. Dem steht nicht entgegen, dass er erst in zweiter Instanz erfolgt ist. Eine Zurückweisung nach § 531 Abs. 2 ZPO scheidet aus, weil der Klägerin mangels entsprechenden Hinweises des Gerichts in erster Instanz der Vorwurf der Nachlässigkeit (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO) nicht gemacht werden kann.

Der Senat ist trotz des dies bestreitenden Vortrags des Beklagten davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass die Klägerin tatsächlich über diejenigen Mandate verfügt, die in der Anlage K 5 aufgelistet sind. Die Klägerin hat hierzu – auf entsprechenden Hinweis des Senats – mit Schriftsatz vom 04.04.2012 Auszüge aus ihren diese Mandanten betreffenden Handakten in Kopie vorgelegt. Von der Existenz gleichlautender Kopiervorlagen, die der Beklagte nicht bestritten hat, ist auszugehen. Der Senat hält für ausgeschlossen, dass die Klägerin mit jenen Anlagen Auszüge aus Handakten vorgelegt haben könnte, zu denen Mandate in Wahrheit gar nicht existieren, sondern zu Prozesszwecken manipuliert worden sind. Anhaltspunkte hierfür bestehen nicht, zumal dem Senat einzelne aufgeführte Mandanten namentlich bekannt sind.

II.

Der Unterlassungsanspruch ist aus §§ 3, 5, 8 Abs. 1 Abs. 3 Nr. 1 UWG auch begründet.

1.) Die Verwendung des streitigen Zusatzes stellt eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Auch freiberufliche Tätigkeiten von Rechtsanwälten können im Sinne der Bestimmung als geschäftliche Handlungen anzusehen sein (vgl. näher: Köhler a.a.O., § 2 Rz. 29). Mit der angegriffenen Angabe beschreibt der Beklagte den Umfang seiner Zulassung als Rechtsanwalt, weswegen es sich um eine Handlung zu Gunsten seiner Kanzlei, also eine geschäftliche Handlung, handelt.

2.) Mit der Angabe „Rechtsanwalt auch zugel. am OLG Frankfurt“ auf dem Briefkopf betreibt der Beklagte für sich Werbung. Hierfür genügt, dass er auf diese Weise für sich eine bestimmte Qualifikation und Erfahrung in Anspruch nimmt, die zu der Zulassung auch bei dem Oberlandesgericht Frankfurt, dem höchsten Zivilgericht des Landes Hessen, geführt habe.

3.) Diese Werbung ist irreführend, weil es sich um eine solche mit Selbstverständlichkeiten handelt (dazu allgemein Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 5 Rz. 1.115). Durch die angegriffene Angabe wird es als etwas Besonderes herausgestellt, dass der Beklagte nicht nur bei anderen Land- (und Amts-) Gerichten, sondern auch bei dem OLG Frankfurt auftreten darf. Dies ist indes seit dem 01.06.2007, dem Tag des Inkrafttretens des „Gesetz zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft“ (BGBl. I 2007, 258), eine Selbstverständlichkeit, weil seit diesem Tage jeder an irgendeinem Gericht in Deutschland zugelassene Anwalt vom ersten Tage seiner Zulassung an u. a. an allen Oberlandesgerichten, also auch dem Oberlandesgericht Frankfurt, postulationsfähig und damit zugelassen ist.

Dass die streitgegenständliche Angabe unter der früheren Rechtslage zutreffend (und sogar sinnvoll) war, ändert an dieser Beurteilung nichts. Der Beklagte als derjenige, der den Zusatz führte, hatte ihn mit der gewandelten Rechtslage in Einklang zu bringen. Angesichts des erheblichen vergangenen Zeitraums kommt ihm auch keine sinnvolle Übergangs- oder Frist zum Aufbrauch noch vorhandener Geschäftspapiere, auf die er sich selbst nicht beruft, zu Gute.

4.) Die irreführende Aussage „Rechtsanwalt auch zugelassen am OLG Frankfurt“ ist von wettbewerblicher Relevanz: Derjenige rechtssuchende Verbraucher, der dem Zusatz im Briefkopf zu Unrecht entnimmt, der Beklagte verfüge über eine spezielle Zulassung, wird ihn für besser als andere qualifiziert ansehen und deswegen grundsätzlich dazu neigen, eher den Beklagten als einen nicht so qualifizierten Anwalt zu beauftragen. Ausgehend hiervon scheitert der Anspruch nicht daran, dass er sich aus­schließlich gegen die Verwendung der streitigen Angabe im Briefkopf des von dem Beklagten verwendeten Geschäftspapiers richtet. Soweit er dort von seinen eigenen Mandanten wahrgenommen wird, wird sich die irreführende Wirkung allerdings nur in seltenen Ausnahmefällen auswirken können. Diejenigen Rechtssuchenden, die den Beklagten als Anwalt bereits mandatiert haben, können bezüglich dieser Entscheidung nicht mehr nachträglich beeinflusst werden. Insofern droht die Gefahr der Irreführung nur hinsichtlich der Frage der Mandatierung eines Anwalts für ein sich anschließendes zweitinstanzliches Verfahren. Indes kann sich die irreführende Angabe auch bei dem Prozessgegner des jeweiligen Mandanten auswirken, der mit der Aussage im Briefkopf konfrontiert wird. Dieser kann nämlich für weitere gerichtliche Auseinandersetzungen, die mit dem Ausgangsverfahren nicht im Zusammenhang stehen, die Wahl des Beklagten als Prozessvertreter in Betracht ziehen.

5.) Das Landgericht hat die klageabweisende Entscheidung auch darauf gestützt, jedenfalls scheitere der Anspruch daran, dass die Spürbarkeitsschwelle des § 3 Abs. 1 UWG nicht erreicht sei. Dieser Auffassung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der Irreführungstatbestand des § 5 UWG greift nur ein, wenn die Irreführung von wettbewerblicher Relevanz ist. Ist dies der Fall, so ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass auch die Spürbarkeitsschwelle überschritten ist (vgl. BGH, GRUR 2009, 888, Rz. 18 – „Thermoroll“; Bornkamm, a.a.O., § 5 Rz. 2.2.0).

6.) Ohne Erfolg wendet der Beklagte schließlich ein, auch andere Rechtsanwälte verhielten sich vergleichbar. Dem Beklagten ist einzuräumen, dass die von ihm vorgetragenen Bespiele von Internetauftritten anderer Rechtsanwälte ähnliche Aussagen enthalten. Das steht indes dem Anspruch nicht entgegen. Dass auch andere Rechtsanwälte die seit dem Jahre 2007 bestehende Rechtslage ignorieren und ihre Zulassung auch bei Oberlandesgerichten werbend anführen, ändert an der durch das Verhalten des Beklagen eintretenden Irreführung nichts. Insbesondere versteht der Verkehr die Aussage trotzdem dahin, dass es sich um etwas Besonderes handele. Die Klägerin ist nicht deswegen gehindert, den Beklagten in Anspruch zu nehmen, weil andere Rechtsanwälte ebenfalls gegen das Irrführungsverbot verstoßen.

7.) Soweit der vorstehende Urteilstenor von dem Berufungsantrag der Klägerin abweicht, stellt dies lediglich eine redaktionelle Klarstellung und keine Teil-Zurückweisung der Berufung dar, die Kostenfolgen zu Lasten der Klägerin haben müsste. Die von dem Senat verwendete Formulierung schreibt die Selbstverständlichkeit fest, dass das Verbot lediglich die anwaltliche Tätigkeit des Beklagten betrifft und stellt zur Vermeidung des streitigen Begriffs „werben“ auf das tatsächliche Ziel der Klägerin, nämlich die Verwendung der Zulassungsangabe durch den Beklagten, ab. Soweit der Tenor die ausgeschriebene Formulierung „Rechtsanwalt auch zugelassen am OLG Frankfurt“ untersagt, geht er zwar – dem Antrag entsprechend – über die konkrete Verletzungsform der Angabe im Briefpapier des Beklagten mit dem teils abgekürzten Wortlaut „Rechtsanwalt auch zugel. am OLG Frankfurt“ hinaus, hält sich damit aber im Kernbereich des bestehenden Anspruches.

C

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1, 92 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Revision ist mit Blick auf die Abweichung von der Entscheidung des OLG Saar­brücken (GRUR-RR 08, 176) gem. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 6.000 €.

RechtsgebietUWGVorschriftenUWG §§ 2 Abs. 1 Nr. 3; 5

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