21.09.2012 · IWW-Abrufnummer 122895
Oberlandesgericht Stuttgart: Beschluss vom 23.05.2012 – 13 W 24/12
Nach Abschluss einer Stufe ist das Stufenklageverfahren auch auf Antrag des Beklagten fortzusetzen. Das Rechtsschutzinteresse für einen solchen Antrag fehlt jedoch, solange noch ein Vollstreckungsverfahren anhängig ist.
13 W 24/12
In Sachen
...
- Kläger / Widerbeklagter / Beschwerdegegner -
Prozessbevollmächtigte:
...
g e g e n
1. ...
2. ...
- Beklagte / Widerklägerinnen / Beschwerdeführerinnen -
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
...
wegen Buchauszug u.a.
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung von
Vors. Richter am Oberlandesgericht Kaulig
Richter am Oberlandesgericht Andelfinger
Richter am Oberlandesgericht Dr. Katzenstein
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 38. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 06. März 2012 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Gründe
I. Mit Teilurteil vom 10. Oktober 2011 verurteilte das Landgericht die Beklagten zu einer Zahlung von 20.413,32 € nebst Zinsen und erhielt sein Versäumnisurteil vom 29.12.2010 aufrecht, mit welchem die Beklagten zur Erteilung eines Buchauszugs verurteilt worden waren. Mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2011 stellte der Kläger beim Landgericht den Antrag, ihn zu ermächtigen, den Buchauszug auf Kosten der Beklagten erstellen zu lassen und die Beklagten zu einer Vorschusszahlung von 10.000,00 € zu verurteilen. Mit Schriftsatz vom 30. November 2011 bat der Kläger, die Entscheidung über seinen Antrag zurückzustellen. Mit Beschluss vom 06. März 2012 wies das Landgericht einen Antrag der Beklagten auf Fortsetzung des bei ihm anhängigen Stufenklageverfahrens zurück. Mit ihrer sofortigen Beschwerde wenden sich die Beklagten gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf Fortsetzung des Verfahrens.
II. Die nach allgemeiner Meinung (vgl. etwa Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl., § 216 Rn. 27 mit Rechtsprechungsnachweisen) zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Sie haben derzeit keinen Anspruch auf Bestimmung eines Termins im Stufenverfahren durch das Landgericht.
1. In einem Verfahren nach § 254 ZPO ist sukzessive über jede Stufe zu verhandeln, wobei das Verfahren über die nächste Stufe erst eingeleitet werden kann, wenn - sofern nicht Erledigung eingetreten ist - das Urteil über die vorangegangene Stufe Rechtskraft erlangt hat (BGH WM 2002, 446).
Diese Rechtskraft ist eingetreten. Die Beklagten legten zwar gegen das Teilurteil des Landgerichts vom 10. Oktober 2011 Berufung ein, dies jedoch nicht umfassend, sondern beschränkt auf ihre Verurteilung zur Zahlung von 20.413,32 € nebst Zinsen. Dass die Beklagten diese Zahlungsverpflichtung in eine Gesamtberechnung einbeziehen, ist entgegen der Auffassung des Klägers unerheblich. Die Verpflichtung zur Zahlung der 20.413,32 € nebst Zinsen besteht unabhängig von sich aus dem Buchauszug eventuell ergebenden weiteren Zahlungsverpflichtungen der Beklagten und berührt sie nicht.
2. Nach Abschluss einer Stufe ist das Verfahren nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag einer Partei fortzusetzen (allg.M.; a.A. nur Münchener Kommentar zur ZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl., § 254 Rn. 23). Diesen Antrag kann nicht nur der Kläger, sondern auch der Beklagte stellen (OLG Karlsruhe FamRZ 1997, 1224; OLG Brandenburg FamRZ 2006, 1772; OLG Koblenz FamRZ 2004, 1732; OLG Zweibrücken FamRZ 1983, 1154; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 254 Rn. 21, 24 und 30; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 3. Aufl., § 254 Rn. 48; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 254 Rn. 11; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 32. Aufl., § 254 Rn. 8; Prütting/Gehrlein/Geisler, ZPO, 3. Aufl., § 254 Rn. 12; Saenger, ZPO, 2. Aufl., § 254 Rn. 13; a.A. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO. § 254 Rn. 21 und wohl auch Musielak/Foerste, ZPO, 9. Aufl., § 254 Rn. 4). Der Beklagte, der in das Verfahren hineingezogen wurde, hat Anspruch darauf, dass dieses zum Abschluss gebracht wird, zumal - richtigerweise - über dessen Kosten noch nicht entschieden wurde (OLG Karlsruhe aaO.). Der Beklagte hat zudem nicht nur Anspruch auf einen Kostentitel, sondern im Hinblick auf deren Rechtskraft auch auf eine Sachentscheidung bzw. ein abweisendes Prozessurteil, wenn der Kläger den Leistungsantrag nicht beziffert. Das Unterbleiben einer im Falle der Nichtbezifferung abweisenden Entscheidung beschwert den Beklagten (OLG Zweibrücken aaO.). Er braucht daher nicht eine negative Feststellungsklage anzustrengen, um Klarheit zu erhalten (so aber Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO. unter Verweis auf AG Korbach FamRZ 2001, 552).
Da der Kläger die Möglichkeit hat, zur zweiten Stufe überzugehen und vor deren Erledigung nicht zur Bezifferung gezwungen werden kann, weswegen der ursprüngliche Antrag der Beklagten, das Verfahren in der dritten Stufe fortzusetzen, ohnehin keinen Erfolg haben könnte, der Kläger selbst nach Einleitung der dritten Stufe unter bestimmten Umständen nochmals zur Vollstreckung des Teilurteils über die erste Stufe zurückkehren kann (LAG Bremen MDR 1998, 183) und er sich für den Fall, dass die Auskunft nicht zu seinen Gunsten ausfällt und der Beklagte durch sein Verhalten Anlass zur Klage gab, prozessual von der Kostentragungspflicht befreien kann (vgl. etwa Münchener Kommentar zur ZPO/Becker-Eberhard aaO. Rn. 26 f.), wird er durch das Recht des Beklagten, Fortsetzung des Verfahrens verlangen zu können, nicht benachteiligt.
3. Doch ist dem Erfordernis, dass die Informationspflicht vor Fortsetzung des Verfahrens erfüllt sein muss (BGH aaO.; Stein/Jonas/Roth aaO. Rn. 21 und 30; Wieczorek/Schütze/Assmann aaO.), nicht genügt. Die Beklagten tragen zwar vor, ihrer Verpflichtung zur Erteilung eines Buchauszugs gemäß dem durch das Teilurteil vom 10. Oktober 2011 aufrechterhaltenen Versäumnisurteil vom 29. Dezember 2010 nachgekommen zu sein. Der Kläger macht in seinem Schriftsatz vom 19. April 2012 aber geltend, die Beklagten hätten "bis heute noch nicht einmal den titulierten Buchauszug erteilt, weshalb ein entsprechender Zwangsvollstreckungsantrag gestellt werden musste und anhängig ist."
Auf dieses Vollstreckungsverfahren weist der Kläger zu Recht hin. Über diesen Vollstreckungsantrag wurde im Einvernehmen mit den Parteien noch nicht entschieden. Der Kläger beantragte mit Schriftsatz vom 30. November 2011 unter Verweis auf den Schriftsatz der Beklagten vom 17. November 2011, die Entscheidung über den Vollstreckungsantrag bis zur Entscheidung über die Berufung zurückzustellen. Mit ihrem Schriftsatz vom 17. November 2011 hatten die Beklagten u.a. geltend gemacht, dass das Urteil des Landgerichts nicht rechtskräftig sei, weil sie Berufung eingelegt hätten und die Vollstreckung wegen einer von den Beklagten geleisteten Sicherheit nicht möglich sei, sie aber gleichwohl den bisher erteilten Buchauszug ergänzen würden.
Angesichts des noch nicht abgeschlossenen Vollstreckungsverfahrens und des Streits der Parteien über die Erfüllung der Verpflichtung zur Erteilung eines Buchauszugs fehlt das Rechtsschutzinteresse für einen Antrag der Beklagten auf Fortsetzung des Stufenverfahrens. Vielmehr ist zunächst das Vollstreckungsverfahren zu Ende zu führen und dort der Streit über den Erfüllungseinwand der Beklagten zu entscheiden. Ob erfüllt wurde, ist nicht im Verfahren über die Verbescheidung des Fortsetzungsantrags zu klären. Zwar genügt zunächst die zu begründende Erklärung des Antragstellers, das vorangegangene Teilurteil sei durch Erfüllung erledigt (Stein/Jonas/Roth aaO. Rn. 21), wobei die Erledigung erforderlichenfalls in einem Zwischenstreit (§ 303 ZPO) zu klären ist (Stein/Jonas/Roth aaO.). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Streit über die Erfüllung offensichtlich und ein Vollstreckungsverfahren anhängig ist.
4. Für das Vollstreckungsverfahren sei darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung zur Erteilung eines Buchauszugs nach § 887 ZPO vollstreckt wird (BGH NJW-RR 2007, 1475). Der Anspruch ist erfüllt, wenn der erteilte Buchauszug formal den Anforderungen des Urteilsausspruchs entspricht, insbesondere wenn er sämtliche in den Büchern verzeichneten Geschäfte, die unter den Urteilsausspruch fallen, mit den in den Büchern enthaltenen Angaben erfasst. Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit des Buchauszugs ändern an der Erfüllung nichts. Ist ein Buchauszug hinsichtlich der darin erfassten Geschäfte formal vollständig erteilt worden, kann der Gläubiger die Ergänzung des Buchauszugs nur verlangen, wenn Angaben über bestimmte Teilbezirke oder Zeiträume fehlen (BGH aaO.). Zwar muss im Vollstreckungsverfahren nicht der Gläubiger beweisen, dass der erteilte Buchauszug Lücken aufweist. Vielmehr hat nach allgemeinen Regeln der Schuldner die behauptete Erfüllung zu beweisen. Wegen der Schwierigkeiten eines solchen Negativbeweises kann jedoch vom Gläubiger das substantiierte Bestreiten der negativen Tatsache unter Darlegung der für das Positive sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden (BGH aaO.). Die Beklagten können sich dementsprechend zunächst damit begnügen, zu behaupten, dass sie die titulierte Verpflichtung erfüllt haben. Es ist Sache des Klägers, dieses Vorbringen qualifiziert zu bestreiten und die Umstände vorzutragen, auf die sich seine Forderung, den Buchauszug zu ergänzen, stützt.
Soweit hinsichtlich einzelner Auskünfte eine Vollstreckung nach § 887 ZPO nicht möglich ist, erfolgt die Vollstreckung nach § 888 ZPO. Insoweit gilt nichts anderes.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Da für das Beschwerdeverfahren eine Festgebühr nach KV-GKG 1812 anfällt, ist der Beschwerdewert nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag nach §§ 33 Abs. 1, 23 Abs. 2 S.1, 23 Abs. 3 S. 2 RVG festzusetzen (vgl. etwa Zöller/Herget aaO. § 3 Rn. 8), und zwar auf einen Bruchteil des Hauptsachewertes (Zöller/Herget aaO. Rn. 16 zum Stichwort Aussetzungsbeschluss).
Die Rechtsbeschwerde war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen (§ 574 Abs. 2, Abs. 3 ZPO).