20.07.2012 · IWW-Abrufnummer 123828
Finanzgericht Köln: Urteil vom 09.09.2010 – 10 K 2460/07
Verluste aus Pferdezucht sind im Rahmen der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu berücksichtigen, wenn die verlustbringende Tätigkeit aus der Pferdezucht eine als Haupttätigkeit ausgeübte Pensionspferdehaltung in solch einem Maße fördert oder stärkt, dass die Pferdezucht als unselbständiger Bestandteil dieser Tätigkeit anzusehen ist.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 10. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 09.09.2010 für Recht erkannt:
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Verluste des Klägers aus Pferdezucht mit den Gewinnen aus einer Pensionspferdehaltung verrechnet werden können.
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten.
Der Kläger betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb. Daneben erzielen die Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Kapitalvermögen.
Der land- und forstwirtschaftliche Betrieb befindet sich seit 1915 im Familienbesitz. Er umfasste zunächst einen Bullenmast und einen Färsenaufzucht. Seit Anfang der 60-ger Jahre kam eine Geflügelhaltung hinzu, die bis 1979 betrieben wurde.
Ab 1970 betreibt der Kläger zusätzlich eine Pensionspferdehaltung. Diese Pensionspferdehaltung wuchs in der Folgezeit immer weiter an. Ende 1979 hatte der Kläger nur eine halbe Bewegungshalle, um dort die Pensionspferde zu bewegen. Seit 1979 begann der Kläger mit der Zucht von A-Pferden (= …) mit anfänglich 8 Stuten, davon 4 Zuchtstuten und einem Hengst. Der Kläger erzielte mit der A-Pferdezucht viele Auszeichnungen und ist in verschiedenen Vereinigungen und Verbänden als Vorstandmitglied oder Vertreter aktiv. Seit 1987 ist der Pferdezuchtbetrieb zudem als Ausbildungsbetrieb für den Beruf zum Pferdewirt anerkannt. Hierzu ist Voraussetzung, dass bei einem Gesamtbestand von mindestens 16 Pferden wenigstens 3 Zuchtstuten im Pferdestammbuch eingetragen sind.
In den Jahren 1981 bis 1983 erweiterte der Kläger den Betrieb durch den Bau eines neuen Pferdestalls mit Bewegungshalle und eines weiteren Anbaus, wodurch weitere Pferdeboxen entstanden. Diese Erweiterung war nur deshalb möglich, weil der Kläger neben der Pensionspferdehaltung auch eine Pferdezucht begann, wie sich aus einem Aktenvermerk des Beklagten vom 03. Mai 2002 ergibt (Bauen im Außenbereich gemäß § 35 BauGB).
Der Rindermastbetrieb wurde in 1990 eingestellt. Die dadurch frei werdenden Flächen wurden zur Koppelhaltung und zur Silage- und Heuernte genutzt.
Der Kläger ermittelte seine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in den Streitjahren durch Einnahmeüberschussrechnung. Eine Trennung von Pferdepensionshaltung und Pferdezucht erfolgte hierbei nicht.
Der Beklagte führte für die Veranlagungszeiträume 1993 bis 1997 eine steuerliche Betriebsprüfung beim Kläger durch. Eine Anschlussprüfung erfolgte für die Veranlagungszeiträume 1998 bis 2001.
Im Rahmen der Prüfung wurde festgestellt, dass aus der Pferdezucht trotz hoher Erfolge, was die Züchtungsergebnisse betrifft, keine Überschüsse erzielt wurden. Der Prüfer teilte die Betriebsausgaben, soweit trennbar, direkt der Pferdezucht bzw. der Pferdepensionshaltung zu. Die nicht direkt zuzuordnenden Betriebsausgaben wurden anhand der Belegung den beiden Bereichen zugeordnet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in den beiden Betriebsprüfungsberichten Bezug genommen.
Danach entfielen folgende Betriebseinnahmen auf Erlöse aus der Pferdezucht (Verkäufe, Deckgelder, Fördermittel) und es ergaben sich folgende Ergebnisse:
Einnahmen Zucht | Betriebsausgaben Zucht | Verlust Zucht | |
1993 | 27.864,– DM | 142.524,– DM | 114.660,– DM |
1994 | 24.991,– DM | 112.745,– DM | 87.754,– DM |
1995 | 31.162,– DM | 118.628,– DM | 87.466,– DM |
1996 | 38.673,– DM | 120.959,– DM | 82.286,– DM |
1997 | 45.029,– DM | 129.050,– DM | 45.029,– DM |
1998 | 67.245,– DM | 106.849,– DM | 39.604,– DM |
1999 | 45.842,– DM | 123.815,– DM | 77.972,– DM |
2000 | 51.978,– DM | 98.439,– DM | 46.461,– DM |
2001 | 68.694,– DM | 101.052,– DM | 32.358,– DM |
1993 | 21.173,– DM |
1994 | 76.994,– DM |
1995 | 48.932,– DM |
1996 (ohne Grundstücksentnahme) | 67.603,– DM |
1997 | 83.486,– DM |
1998 | 129.006,– DM |
1999 | 82.608,– DM |
2000 | 83.835,– DM |
2001 | 102.021,– DM |
Die negativen Einkünfte aus der Pferdezucht seien zutreffend der steuerlich unbeachtlichen Liebhaberei zugeordnet worden. Die Pferdezucht sei zunächst nicht Gegenstand der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit gewesen. Diese habe sich auf die nach wie vor ausgeübte Pensionspferdehaltung und bis 1990 auch auf den Rindermastbetrieb erstreckt. Insgesamt zeige sich, dass für A-Pferde keine kostendeckenden Verkaufspreise zu erzielen seien, was im Ergebnis dazu führe, dass die Zucht im Bereich der Liebhaberei anzusiedeln sei.
Allerdings sei ein direkter Zusammenhang der Pferdezucht mit der Pensionspferdezahl insoweit gegeben, als von den Eigentümern der Pensionspferde auf A-Pferde des Klägers erworben und anschließend bei diesen untergestellt worden seien. Dieser Zusammenhang allein reiche jedoch nicht aus, um eine Trennung von Pensionspferdehaltung und Pferdezucht zu unterlassen. Die Pferdepension sei ein trennbarer, unabhängiger Betrieb.
Mit der Klage tragen die Kläger vor:
Die Ausdehnung der Pensionspferdehaltung sei nur durch die Aufnahme der Pferdezucht möglich gewesen, wie auch durch den Aktenvermerk des Beklagten bestätigt werde.
Außerdem habe die Pferdezucht die Pensionspferdehaltung dadurch gefördert, dass Pferde aus der Zucht gekauft und dann als Pensionspferde gestellt worden seien. Das Verhältnis der als Pensionspferde eingestellten selbstgezogenen A-Pferde zu den insgesamt eingestellten Pensionspferden ergebe sich wie folgt:
1993 13 %, 1994 21 %, 1995 25 %, 1996 29 %, 1997 36 %, 1998 33 %, 1999 40 %, 2000 40 %, 2001 33 %.
Hinzu komme, dass viele Eigentümer die Pferde gerade bei ihm, dem Kläger, unterstellten, da er bekanntermaßen aufgrund der Pferdezucht sehr gut mit Pferden umgehen könne.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide die Einkommensteuer mit der Maßgabe neu festzusetzen, dass die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft wie folgt angesetzt werden:
1993 mit -93.487,– DM, 1994 mit – 10.760,– DM, 1995 mit – 38.534,– DM, 1996 mit +185.317,– DM, 1997 + 38.457,– DM, 1998 + 89.402,– DM, 1999 + 4.636,– DM, 2000 + 37.374,– DM und 2001 + 69.663,– DM.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Ergänzend zur Einspruchsentscheidung führt er aus, dass sich auch aus dem Internetauftritt des Klägers ergebe, dass es sich bei der Pferdezucht um einen eigenständigen Bereich handele. Wegen der Einzelheiten wird auf den Internetauftritt des Klägers unter www.A-Pferde-….de sowie die Ausführungen des Beklagten auf Bl. 291 der Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.
Die angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger deshalb in ihren Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–.
Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die Verluste des Klägers aus Pferdezucht nicht aus den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, die sich aus Pferdezucht und Pensionspferdehaltung zusammensetzen, heraus zurechnen.
Bei der Entscheidung des Rechtsstreits ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Steuerlich zu berücksichtigende Einkünfte im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes –EStG– sind nur gegeben, wenn der Steuerpflichtige mit der Tätigkeit beabsichtigt, auf Dauer einen Gewinn zu erzielen, also Gewinnerzielungsabsicht hat. Beim Fehlen einer solchen Absicht handelt es sich um eine steuerlich unbeachtliche private Tätigkeit, sogenannte Liebhaberei (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH –, seit Beschluss des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 Bundessteuerblatt –BStBl– II 1984, 751; vgl. z. B. Bundesfinanzhof Urteil vom 15. November 2006 XI R 58/04, BFH/NV 2007, 434).
Gewinnerzielungsabsicht ist das Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns; angestrebt werden muss ein positives Ergebnis zwischen Betriebsgründung und Betriebsbeendigung. An dieser Absicht fehlt es, wenn die Prognose des zu erwirtschaftenden Totalgewinns negativ ist und der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen und Neigungen ausübt (vgl. z. B. BFH, Urteil vom 23. Mai 2007 X R 33/04). Liegen verschiedene, wirtschaftlich eigenständige Betätigungen vor, ist die Gewinnerzielungsabsicht nicht einheitlich für die gesamte Tätigkeit, sondern gesondert für die jeweilige Betätigung zu prüfen, sogenannte Segmentierung (BFH, Urteile vom 15. November 2006 XI R 58/04 a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 18. Mai 1995 IV R 31/94, BStBl II 1995, 718). Um eine solche Segmentierung vorzunehmen, ist nicht erforderlich, dass es sich bei den Tätigkeiten um selbständige Teilbetriebe handelt. Notwendig, aber auch ausreichend, ist, dass die beiden Tätigkeiten von einander trennbar sind. Bedingen sich die Tätigkeiten allerdings dergestalt, dass die verlustbringende Tätigkeit die andere Tätigkeit maßgeblich fördert, muss eine Segmentierung unterbleiben. Es ist im Geschäftsleben allgemein üblich, gegebenenfalls auch verlustbringende Teile eines Unternehmens zu betreiben, wenn dadurch das Gesamtunternehmen dergestalt gefördert wird, dass es insgesamt ein positives Ergebnis erzielt. Der Förder- und Sachzusammenhang schließt es aus, durch eine weitreichende Segmentierung ebenso eine Vielzahl verlustbringende Tätigkeiten auszuscheiden (BFH, Urteil vom 25.06.1996 VIII R 28/94, BStBl II 1997, 202).
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat anschließt, kommt er im Streitfall zu dem Ergebnis, dass die für sich gesehen verlustbringende Tätigkeit aus der Pferdezucht die Haupttätigkeit des Klägers (Pensionspferdehaltung) in solch einem Maße fördert und stärkt, dass sie als unselbständige Bestandteil dieser Tätigkeit angesehen werden muss (vgl. hierzu auch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 1. Februar 1990 IV R 45/89, BStBl II 1991, 625). Dies ergibt sich für den Senat aus folgenden Überlegungen:
Der Kläger war, wie sich auch aus einem Aktenvermerk des Beklagten unstreitig ergibt, gezwungen, mit der Pferdezucht zu beginnen, wenn er die Pensionspferdehaltung entscheidend ausbauen wollte. Der Bau einer größeren Bewegungshalle sowie weiterer notwendiger R äumlichkeiten war nur möglich, wenn eine Pferdezucht als land- und forstwirtschaftlicher Bereich betrieben wurde. Ansonsten wären die notwendigen Baumaßnahmen wegen Bauens im Außenbereich nach § 35 des Bundesbaugesetzbuches unzulässig gewesen. Allein dies ist ein so enger Förder- und Sachzusammenhang, dass nach Auffassung des Senats eine Segmentierung ausscheidet. Hinzu kommen weitere Fördermaßnahmen:
Auch wenn die Größenordnung im Einzelnen umstritten ist, so ist unstreitig, dass in einer Vielzahl von Fällen Dritte vom Kläger selbst gezogene A-Pferde gekauft und dann bei ihm als Pensionspferde untergestellt haben. Der Kläger selber gibt in diesem Bereich Zahlen von 20 bis 40 % an. Selbst wenn man nur den unteren Bereich von 20 % annimmt, wäre dies doch eine erhebliche Förderung der Pensionspferdehaltung, wenn ca. 1/5 der Pensionspferde aus selbst gezogenen und dann verkauften Pferden besteht. Hinzu kommt schließlich noch, dass der Kläger durch seine Tätigkeit als Pferdezüchter ein Renommee erworben hat, dass dazu beiträgt, seine Pensionspferdehaltung zu fördern. Eigentümer von Pferden werden mit Sicherheit diese lieber bei jemandem unterstellen, von dem bekannt ist, das er sehr gut mit Pferden umgehen kann, als bei jemandem, von dem man nicht weiß, wie er mit Pferden umgehen kann.
Letztlich kommt noch hinzu, dass der Betrieb des Klägers, weil er auch eine Pferdezucht umfasste, als Ausbildungsbetrieb zum Pferdewirt anerkannt war. Auch dieses Renommee hat die Pensionspferdehaltung gefördert.
Letztendlich handelt es sich, wie zwischen den Beteiligten unstreitig, auch nicht um Einkünfte aus gewerblicher Tierzucht, die nach § 15 Abs. 4 EStG steuerlich unbeachtet blieben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 FGO, 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Revision war nicht zuzulassen, da der Senat unter Zugrundelegung der ständigen BFH-Rechtsprechung diese auf einen Einzelfall angewandt hat.