04.08.2003 · IWW-Abrufnummer 031720
Amtsgericht Saalfeld: Urteil vom 06.03.2003 – 1 C 755/01
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Amtsgericht Saalfeld
Geschäftsnummer 1 C 755/01
Verkündet am 06.03.2003
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Saalfeld durch Richter am Amtsgericht Dischinger aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2003 für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Autovermietung 26,39 EUR nebst 12 % Zinsen hieraus seit dem 17.07.2001 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 95 %, die Beklagte 5 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger verfolgt gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls am 08.07.2001 in Kamsdorf. Die Beklagte ist Haftpflichtversicherin des unfallbeteiligten Fahrzeugs. Die Einstandspflicht der Beklagten ist zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig.
Das Fahrzeug des Klägers hatte bei dem Unfallereignis wirtschaftlichen Totalschaden erlitten, weshalb der Kläger bei der Autovermietung in Saalfeld einen Mietersatzwagen anmietete. Für die Mietdauer von 8 Tagen wurden ihm durch die Autovermietung ein Betrag in Höhe von 2.002,89 DM berechnet. Hierauf bezahlte die Beklagte 408,00 DM.
Vor Anmietung des Ersatzfahrzeugs hatte sich der Kläger, der über keine Kenntnisse des Mietwagenmarktes verfügte, nicht bei Mitbewerbern der Autovermietung über Alternativangebote informiert. Durch die Mitarbeiterin der Autovermietung wurde der Kläger dahingehend unterrichtet, dass Mitbewerber allenfalls geringfügig günstigere Preise für eine vergleichbare Anmietung anböten und die Preise der Autovermietung ortsüblich seien. Der Kläger wurde ferner darauf hingewiesen, dass auch das hiesige Amtsgericht Saalfeld die von der Autovermietung erhobenen Preise als ortsüblich bewerte. Zu diesem Zweck wurde ihm eine ?Urteilssammlung? der ?Abteilung Unfallfinanzierung? der Autovermietung ausgehändigt, ausweislich derer verschiedene Amtsgerichte im Raum Thüringen/Nordbayern/Sachsen eine Anmietung bei der Klägerin nicht für einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht hielten. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Liste wird auf die Anlage verwiesen.
Unter dem 08.07.2001 trägt der Kläger seine Schadenersatzansprüche gegen den Versicherungsnehmer die Beklagte an die Autovermietung ab, die ihn zur Verfolgung dieser Ansprüche im eigenen Namen ermächtigte. Unter Berücksichtigung der durch die Beklagte erbrachten Zahlungen, anteiliger Kaskoversicherungskosten, Zubring- und Abholkosten, Gebühren für einen Zusatzfahrer, Vermietungsgebühren und ersparter Betriebskosten berechnet der Kläger seinen Schaden auf 1.349,81 DM. Wegen der Einzelheiten der Schadensberechnung wird auf die Klageschrift Bezug genommen.
Der Kläger behauptet, dass die ihm im Rahmen des sogenannten Unfallersatztarifes durch die Autovermietung berechneten Preise angemessen und ortsüblich seien. Bei der Autovermietung handele es sich um einen ?bekanntermaßen günstigen? regionalen Anbieter. Er meint, dass er zur Anmietung im Rahmen des ?Unfallersatztarifes? berechtigt gewesen sei und sich nicht auf anderweitige günstigere Tarife verweisen lassen müsse.
Er beantragt
die Beklagte zu verurteilen, an die Autovermietung 695,26 EUR nebst 12 % Zinsen hieraus seit 17.07.2001 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
Sie behauptet, dass die dem Kläger berechneten Preise weit übersetzt seien. Der Kläger hätte bei der Firma Europcar in Saalfeld ein vergleichbares Fahrzeug zum Preis von insgesamt 459,62 DM (235,00 EUR) anmieten können, die Firma Hertz in Jena hätte 331,49 EUR verlangt, die am gleichen Ort ansässige Firma Sixt 196,00 EUR. Die zuletzt genannten Preise als solche sind zwischen den Parteien unstreitig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien, insbesondere wegen der vertretenen Rechtsauffassungen, wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
Grundsätzlich kann der Kläger den zur Anwertung eines gleichwertigen Ersatz-PKW?s erforderlichen Betrag als Schadenersatz verlangen, es handelt sich um einen Fall der Naturalrestitution im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB.
Im vorliegenden Fall war der durch die Autovermietung dem Kläger berechnete Mietzins allerdings nicht ?erforderlich? im Sinne dieser Vorschrift. Erforderlich ist der Betrag, den ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten nach den Umständen des Einzelfalls für notwendig und zweckmäßig halten durfte. Hierbei gilt, dass der Geschädigte aufgrund seiner ihm obliegenden Schadensminderungspflicht gehalten ist, den preiswertesten und wirtschaftlichsten Weg des Schadensausgleichs zu verfolgen. Hierbei muß er nicht zugunsten des Schädigers sparen oder sonst Einschränkungen seines Schadenersatzanspruches hinnehmen (BGH NJW 96, 1958). Bei der Anmietung eines Ersatz-Kfz, muß der Geschädigte deshalb keine Marktforschung betreiben, dementsprechend muß er auch nicht nach dem günstigsten Anbieter suchen oder sich im Prozeß auf einen solchen verweisen lassen. Zumutbar ist es aber jedenfalls, vor Anmietung einige wenige telefonische Vergleichsangebote einzuholen. Dergestalt würde sich jeder verständige Verbraucher in der Lage des Geschädigten, der die Mietwagenkosten aus eigener Tasche zu bezahlen hätte, verhalten.
Ein Verstoß gegen die Erkundigungspflicht führt grundsätzlich dazu, dass sich der Geschädigte jedes konkret benannte und ihm ohne überobligatorische Anstrengungen zugängliche Alternativangebot entgegenhalten lassen muß, mit anderen Worten sind in diesem Fall die Mehrkosten zur Anmietung eines Mietwagens nicht ?erforderlich? im Sinne von § 249 Abs. 1 BGB.
Entgegen der Auffassung des Klägers sind hierbei indes auch Alternativangebote zu anderen als ?Unfallersatztarifen? zu berücksichtigen, sofern sie dem Geschädigten nur in gleicher Weise wie Unfallersatztarife offenstehen und ohne weitere Bemühungen zugänglich sind. Denn auch die Anmietung zu solchen in aller Regel gegenüber sogenannten ?Mietwagenersatztarifen? wesentlich günstigeren Konditionen genügt dem Interesse des Geschädigten an vollem Schadensausgleich. Auch in diesem Fall wird der Geschädigte so gestellt, wie er stünde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Ein Interesse des Geschädigten an der Anmietung zu Unfallersatztarifen als solchen ist weder ersichtlich noch anzuerkennen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Anmietung zu Unfallersatztarifen im Vergleich zu anderen Tarifwerken nicht mit Modalitäten der Vertragsgestaltung verbunden ist, die allein zu einem vollen Ausgleich des entstandenen Schadens führen. Denn dies, aber auch nicht mehr kann der Geschädigte beanspruchen.
Etwas anderes ist der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtssprechung (BGHZ 132, 373 = NJW 1996, 1958) nicht zu entnehmen. In diesem Urteil, der cause célèbre des Unfallmietwagenerforderlichkeitsrechts, hat der BGH ausgesprochen, dass der bei einem Verkehrsunfall Geschädigte im Regelfall nicht gegen seine Pflicht zur Schadensminderung verstößt, wenn er ein Ersatzfahrzeug zu einem im Rahmen der sogenannten Unfallersatztarife günstigen Tarif anmietet. Soweit den Erwägungen des BGH zu entnehmen sein sollte, dass es bei der Beurteilung der Erforderlichkeit im Sinne des § 249, Satz 2 BGB nicht auf den Vergleich der innerhalb der Bandbreite der Unfallersatztarife angebotenen Preise mit denjenigen außerhalb dieses Rahmens ankommen sollte, könnte dem aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht gefolgt werden. Tatsächlich aber hat der BGH die Anmietung zu Unfallersatztarifen in dem von ihm entscheidenden Fall deshalb nicht beanstandet, weil dem Kläger ?bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Frage nach einem Unfall ein Fahrzeug von einigen anderen Vermietern ebenfalls nur zu dem Unfallersatztarif überlassen worden wäre? und die verlangten Mietwagensätze in Anbetracht dieser Marktgepflogenheiten nicht außerhalb des ?in solchen Fällen üblichen? gelegen hätten. Dem lag die für sich genommen zutreffende Überlegung zugrunde, dass dem Geschädigten mangels Kenntnis der Tarifgestaltung im Autovermietungsgewerbe nicht zumutbar gewesen sei, sich um anderweitige günstiger Tarife (Freizeit-, Pauschal-, Grund-, Wochen-, Monats-, Wochenend-, Spar-, Kreditkarten-, Spezial-, Mondschein-, Ferien-, Sonnenschein-, Holiyday-, Spaßtarif) zu bemühen. Nach eigener, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachter Erfahrung des Gerichts trifft diese tatsächliche Voraussetzung der Entscheidung des BGH jedenfalls derzeit im Raum Saalfeld nicht zu. Eine Reihe von Anrufen des erkennenden Richters bei verschiedenen Mietwagenunternehmen im Raum Saalfeld/Kronach/Coburg hat ergeben, dass nach dem Grund der Anmietung eines Fahrzeugs nicht gefragt wird und von sich aus günstige Angebote genannt werden. Angesichts dessen wird es in aller Regel nicht zu der vom BGH angesprochenen Problematik kommen, dass der Mietwageninteressent zur Erlangung günstiger Tarife die Frage des Vermieters nach einem vorhergehenden Unfall nicht der Wahrheit gemäß beantworten muß.
Abgesehen von dieser tatsächlichen Situation bei dem Sondierungsgespräch ist sehr fraglich, ob die Autovermieter ihre Bereitschaft zur Vermietung an unfallgeschädigte Kunden tatsächlich davon abhängig machen, dass zum ?Unfallersatztarif? angemietet wird. Denn in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle wird sich die endgültige Verteilung der Haftungsquote im Zeitpunkt der Anmietung noch nicht klar übersehen lassen, so dass die Anmietung zu einem günstigeren Tarif auch im wohlverstandenen Interesse des Kunden liegt. In dieser Situation würden sich die Fahrzeugvermieter regelmäßig gegenüber ihren Kunden gemäß § 280 BGB schadenersatzpflichtig machen, weil sie den Kunden entgegen ihrer (vor)vertraglichen Verpflichtung zur Aufklärung über wesentliche Umstände, die geeignet sind, den Vertragsfluß zu beeinflussen, darüber im Unklaren gelassen hätten, dass im Falle der Mithaftung des Geschädigten ein Anteil der nach dem Unfallersatztarif weit höheren Mietwagenkosten vom Kunden zu tragen ist. Das Gericht geht nicht davon aus, dass seriöse Autovermieter sehenden Auges ein derartiges Risiko eingehen. Es unterstellt im Gegenteil, das Autovermieter sich ihrer diesbezüglichen Aufklärungspflicht entsprechend verhalten und aus diesem Grunde von vornherein davon absehen, den Kunden zu einem für ihn unnötig risikoträchtigen Vertragsschluß mit möglicherweise daran anknüpfenden Schadensersatzverpflichtungen für die Autovermieter zu bewegen.
Nach dem vorstehend dargelegten Grundsätzen gilt demnach folgendes: Die Beklagte hat dem Kläger substantiiert ein zu berücksichtigendes Alternativangebot benannt, das dem Kläger auch unproblematisch zugänglich war, nämlich das Angebot der Europcar in Saalfeld. Aufgrund der Tatsache, dass er seine Erkundigungspflicht nach Vergleichsangeboten bei Anmietung verletzt hat, ist ihm dieses Angebot ungeachtet der Tatsache, dass es sich nicht um einen zum Unfallersatztarif angebotenen Mietwagen handelt, entgegenzuhalten. Erforderlich waren somit lediglich DM 459,62 hierauf hat die Beklagte 408,00 DM gezahlt, so daß dem Kläger 51,62 DM (26,39 EUR) zuzusprechen waren.
Zinsen, Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 286, 288 BGB, 92 ZPO, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.