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04.05.2012 · IWW-Abrufnummer 121491

Landesarbeitsgericht München: Urteil vom 16.11.2011 – 10 Sa 476/11

1. Wendet ein Arbeitgeber anlässlich einer Gehaltsumstellung dem Arbeitnehmer von sich aus einen Betrag von ca. einem Monatsnettogehalt zum Zweck der Verhinderung des Entstehens einer Haushaltslücke mit der Kennzeichnung als Vorschuss zu, kann er nicht später geltend machen, es sei tatsächlich ein Darlehensvertrag zustande gekommen.

2. Wird ein betriebsratsfähiger Betriebsteil aus einer Gesellschaft in eine eigenständige GmbH ausgegliedert und ein Jahr danach durch einen bereits vorher bestehenden Gesamtbetriebsrat mit dem früheren Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung geschlossen, erfasst diese jedenfalls ohne einen ausdrücklichen Hinweis nicht die Arbeitnehmer der GmbH, auch wenn diese mit der ursprünglichen Gesellschaft einen gemeinsamen Betrieb bildet.

3. Mangels Rechtssetzungskompetenz der Betriebsparteien kann eine Betriebsvereinbarung keine Novation einer vorher bestehenden Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber herbeiführen.


In dem Rechtsstreit

E.

E-Straße, E-Stadt

- Kläger, Berufungsbeklagter und Anschlussberufungskläger -

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte F.

A-Straße, A-Stadt

gegen

1. Firma C.

C-Straße, A-Stadt

- Beklagte zu 1 -

2. Firma D.

C-Straße, A-Stadt

- Beklagte zu 2, Berufungsklägerin und Anschlussberufungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigte:

B.

B-Straße, A-Stadt

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. November 2011 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Moeller und die ehrenamtlichen Richter Hormel und Schuhbeck

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten zu 2) gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 29.03.2011 (Az.: 20 Ca 18751/09) wird zurückgewiesen.

2. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 29.03.2011 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger EURO 2.519,52 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus

EURO 104,98 seit 01.08.2009 - 31.08.2009

EURO 209,96 seit 01.09.2009 - 30.09.2009

EURO 314,94 seit 01.10.2009 - 31.10.2009

EURO 419,92 seit 01.11.2009 - 30.11.2009

EURO 524,90 seit 01.12.2009 - 31.12.2009

EURO 629,88 seit 01.01.2010 - 31.01.2010

EURO 734,86 seit 01.02.2010 - 28.02.2010

EURO 839,84 seit 01.03.2010 - 31.03.2010

EURO 944,82 seit 01.04.2010 - 30.04.2010

EURO 1.049,80 seit 01.05.2010 - 31.05.2010

EURO 1.154,78 seit 01.06.2010 - 30.06.2010

EURO 1.259,76 seit 01.07.2010 - 31.07.2010

EURO 1.363,74 seit 01.08.2010 - 31.08.2010

EURO 1.496,72 seit 01.09.2010 - 30.09.2010

EURO 1.574,70 seit 01.10.2010 - 31.10.2010

EURO 1.679,68 seit 01.11.2010 - 30.11.2010

EURO 1.784,66 seit 01.12.2010 - 31.12.2010

EURO 1.889,64 seit 01.01.2011 - 31.01.2011

EURO 1.994,62 seit 01.02.2011 - 28.02.2011

EURO 2.099,60 seit 01.03.2011 - 31.03.2011

EURO 2.204,58 seit 01.04.2011 - 30.04.2011

EURO 2.309,56 seit 01.05.2011 - 31.05.2011

EURO 2.414,54 seit 01.06.2011 - 30.06.2011

EURO 2.519,52 seit 01.07.2011

zu bezahlen.

3. Die Beklagte zu 2) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Die Revision wird für die Beklagte zu 2) zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Berechtigung von Abzügen, die die Beklagte zu 1 für die Beklagte zu 2 von den Betriebsrentenzahlungen des Klägers seit Juli 2009 vorgenommen hat.

Der 1939 geborene Kläger war seit 01.01.1979 bei dem G., einem der Rechtsvorgänger der Beklagten zu 2, als Diplom-Ingenieur beschäftigt.

Der G. ging in der Folgezeit in den H. über. Ein Teil des Betriebs A-Stadt wurde 1996 auf die I. übertragen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging auf diese über. Die I. wurde 1998 mit der J. zu dieser verschmolzen. Diese wurde zuletzt 2006 in die D., die Beklagte zu 2, geändert.

Der Kläger erhielt zunächst seine monatliche Vergütung jeweils im Voraus bezahlt.

Mit einem Schreiben vom 18.12.1996 (Bl. 6 d. A.) wandte sich die L. unter dem Betreff "Gehaltsabrechnung für Januar 1997" an den Kläger und teilte ihm u. a. Folgendes mit:

"... die Gehaltsabrechnung Januar 1997 für "vorausbezahlte Mitarbeiter", die gemäß betrieblicher Übung noch vor Weihnachten auszufertigen und zu überweisen wäre, kann in diesem Jahr wegen fehlender Eckwerte aus dem Jahressteuergesetz 1997 und noch nicht feststehender neuer Beitragssätze in der gesetzlichen Sozialversicherung zur Zeit nicht ordnungsgemäß erstellt werden.

Damit in Ihrem persönlichen Haushaltsbudget keine Lücke entsteht, überweisen wir Ihnen in diesen Tagen einen Betrag in Höhe Ihres Nettogehaltes mit Stand Dezember 1996 als Vorschuss auf Ihr Januar-Gehalt 1997. ..."

Mit einer Gehaltsabrechnung für "Dezember 1996 / V *" der Beklagten zu 2 (Bl. 8 d. A.) erhielt der Kläger einen Betrag in Höhe von 6.160,- DM überwiesen. Nach den Erläuterungen auf der Rückseite der Abrechnung bedeutet "V" vorausbezahlt. In der Abrechnung sind keine Abzüge für Steuern und Sozialversicherung ausgewiesen. Die Zahlung ist mit einer Kennziffer "320" gekennzeichnet. Nach den Erläuterungen auf der Rückseite der Abrechnung steht die Kennziffer "320" für "Gehaltsvorschuss".

Mit Schreiben vom 26.02.1997 (Bl. 7 d. A.) wandte sich der Zentralbereich Personal und Recht der M. unter dem Betreff "Gehaltsvorauszahlung" erneut an den Kläger und führte dabei u. a. aus:

"... mit Schreiben vom 18.12.1996 wurden alle Mitarbeiter mit Anspruch auf Gehaltsvorausbezahlung darauf hingewiesen, dass wegen fehlender Eckwerte aus dem Jahressteuergesetz 1997 und wegen noch nicht feststehender neuer Beitragssätze in der gesetzlichen Sozialversicherung statt einer Vorausbezahlung des Januar- Gehaltes 1997 im Dezember 1996 ein Vorschuss in Höhe des jeweils zustehenden Netto-Gehaltes ausbezahlt wurde.

Mit Schreiben vom 27.01.1997 wurden Sie informiert, dass dieser Vorschuss in der laufenden Abrechnung nicht einbehalten wurde und dass wir wegen der Rückrechnung dieses Vorschusses noch auf Sie zukommen werden ...

..."

Am 23.07.1997 kam zwischen dem H. in H-Stadt und dem Gesamtbetriebsrat H. eine Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 06/97 (im Folgenden: GBV 06/97) über die Gehaltszahlung an die Mitarbeiter des ehemaligen G. (Bl. 29 - 30 d. A.) zustande, die u. a. folgende Regelungen enthält:

"1. Geltungsbereich

Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des H. im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG, für die die Regelungen der Anlage VI zur Besoldungsordnung für den N. vom 02.12.1977 Anwendung gefunden haben (im Folgenden Mitarbeiter genannt).

2. Arbeitgeberdarlehen

2.1 Der Ende Dezember 1996 von Arbeitgeberseite anstelle einer Gehaltsabrechnung für den Januar 1997 eingeführte Vorschuss in Höhe eines Nettogehaltes wird in ein zinsfreies Arbeitgeberdarlehen umgewandelt.

...

3. Gehaltszahlungstermin

3.1 Das Januar-Gehalt 1997 und alle weiteren Gehälter wurden bzw. werden mit der jeweiligen Gehaltsabrechnung des gleichen Monats durchgeführt.

...

4. Schlussbestimmungen

Diese Gesamtbetriebsvereinbarung tritt mit Unterzeichnung in Kraft.

..."

Am 04./17.12.1997 schlossen die I. und der Kläger eine Pensionsvereinbarung (Bl. 101 - 102 d. A.), in der u. a. folgende Regelungen enthalten sind:

"1. Herr E. war vom 01.01.1979 bis 31.12.1997 bei der I. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wird zur Anpassung an geänderte betriebliche Erfordernisse und aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von Herrn E. zum 31.12.1997 aufgehoben.

2. Herr E. erhält einen Übergangszuschuss längstens bis zum Eintritt des Versorgungsfalles ...

Der Übergangszuschuss ist eine Abfindung im lohnsteuerrechtlichen Sinn und kann bis zu DM 30.000,00 steuerfrei ausgezahlt werden.

3. Herr E. meldet sich spätestens am ersten Werktag nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitslos und beantragt die Zahlung von Arbeitslosengeld ...

Herr E. wird einen Rentenantrag stellen, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen (01.09.1999) erfüllt sind.

4. Zu dem Zeitpunkt, ab dem Sozialversicherungsrente gezahlt wird, tritt der Versorgungsfall ein und Herr E. erhält die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung.

...

8. Herr E. erhält neben dem Übergangszuschuss I und II eine zusätzliche Abfindung in Höhe von DM 55.000,00.

..."

Am 29.12.1999 kam zwischen der K. in K-Stadt und dem Gesamtbetriebsrat der K. eine Gesamtbetriebsvereinbarung 12/1999 (im Folgenden: GBV 12/99) über die Umstellung des Gehaltsauszahlungstermines und die Rückzahlung des Vorschusses/Mitarbeiterdarlehens (Bl. 31 - 34 d. A.) zustande, in der es u. a. wie folgt heißt:

"Präambel

Im Gebiet des ehemaligen H. wurde mit Wirkung ab Januar 1997 bei einer Anzahl von Arbeitnehmer/innen - im Folgenden Mitarbeiter genannt - die Zahlung der monatlichen Gehaltsbezüge auf Nachbezahlung umgestellt. Diese Maßnahme wurde mit Schreiben vom 27.01.1997 allen betroffenen Mitarbeitern erklärt. Die Zahlung Ende Dezember 1996 wurde als Vorschuss bezeichnet. Über die Rückzahlung des Vorschusses sollte eine Vereinbarung getroffen werden. Nachfolgend wurde zwischen der Geschäftsführung des H. und dem Gesamtbetriebsrat unter dem 23.07.1997 eine Gesamtbetriebsvereinbarung (Nr. 06/97) abgeschlossen.

...

Zur endgültigen Erledigung aller im Zusammenhang mit der Gehaltsumstellung und der Zahlung des Vorschusses/Darlehens anfallender Rechtsfragen schließen die Parteien folgende Gesamtbetriebsvereinbarung:

1. Geltungsbereich

Diese Gesamtbetriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiter der K., deren Gehaltsauszahlungstermin im Januar 1997 bzw. im Januar 1999 auf Nachbezahlung umgestellt wurde und die zu den jeweils genannten Zeitpunkten einen Vorschuss bzw. ein Darlehen erhalten haben.

2. Gehaltszahlungstermin

...

3. Rückführung des Vorschusses/Darlehens

Die Rückführung des Vorschusses/Darlehens erfolgt wie nachstehend dargelegt:

a) Die Verrechnung/Tilgung erfolgt in 40 gleichen Raten.

...

i) In der Regel ist damit die Verrechnung/Tilgung des Vorschusses/Darlehens im November 2002 mit insgesamt 40 Tilgungsraten abgeschlossen.

4. Inkrafttreten, Kündigung, Änderung

Diese Gesamtbetriebsvereinbarung tritt mit Unterzeichnung in Kraft. Sie ersetzt alle früheren im Zusammenhang mit der Festlegung des Gehaltsauszahlungstermines sowie der in der Präambel beschriebenen Umstellung abgeschlossenen (Gesamt-)Betriebsvereinbarungen und sonstige entgegenstehende Regelungen.

..."

Der Kläger bezieht seit Eintritt des Versorgungsfalles eine beamtenähnliche betriebliche Altersversorgung des O.-Konzern in Höhe von zuletzt 1.320,77 € monatlich, die von der Beklagten zu 1 ausbezahlt wird. Die Beklagte zu 1 fungiert dabei als Dienstleister für die einzelnen Gesellschaften.

Mit Schreiben vom Mai 2009 (Bl. 9/Rs. d. A.) wandte sich die Beklagte zu 1 an den Kläger und wies darauf hin, dass im Jahr 1997 bei Umstellung der Gehaltszahlungen ein "Vorschuss/Darlehen" in Höhe eines Nettogehalts ausbezahlt worden sei. In dem Schreiben heißt es weiter:

"Die Finanzverwaltung hat bei der letzten Lohnsteueraußenprüfung die gewählte Vorgehensweise der Darlehensgewährung beanstandet und die Zahlung als Nettogehaltszahlung mit entsprechender Versteuerung gewertet. Um die erheblichen Steuerzahlungen für die Unternehmensgruppe O. zu vermeiden und nachdem die Rückforderung der Gehaltsvorschüsse/-darlehen bei den aktiven Mitarbeitern bereits im Jahr 2000 erfolgt ist, soll der/das Ihnen gewährte Vorschuss/Darlehen in Höhe von € 3.149,56 nunmehr in 24 Monatsraten, beginnend ab Juli 2009, einbehalten werden.

Auf Anregung der Vertreter des BTÜ werden wir dabei einen Bonus gewähren. Diesen haben wir auf 20 % festgelegt. Somit werden wir lediglich 80 % des ursprünglich gewährten Vorschusses/Darlehens zurückfordern.

Somit ergibt sich ab Juli 2009 für Sie eine monatliche Rückforderung von € 104,98 (€ 3.149,56 x 80 % : 24).

..."

Der Kläger widersprach der Rückforderung mit Schreiben vom 15.05.2009 (Bl. 10 d. A.). In der Zeit von Juli 2009 bis Juni 2011 wurden von den Ruhestandsbezügen des Klägers jeweils monatlich 104,98 € in Abzug gebracht.

Die vom Kläger ursprünglich gegen die Beklagte zu 1 erhobene und später gegen die Beklagte zu 2 erweiterte Klage ist hinsichtlich der Beklagten zu 1 durch rechtskräftiges Teilurteil des Arbeitsgerichts abgewiesen worden.

Der Kläger hat vorgetragen, bei der Zahlung für Januar 1997 in Höhe von 6.160,- DM habe es sich um einen Vorschuss gehandelt, den sein Arbeitgeber nie zurückgefordert habe.

Die GBV 06/97 betreffe nicht den Kläger. Für eine Regelung im Hinblick auf den Kläger habe dem Gesamtbetriebsrat auch eine Kompetenz gefehlt. Der Kläger sei nicht Arbeitnehmer des die Gesamtbetriebsvereinbarung abschließenden Arbeitgebers gewesen. Ein Gemeinschaftsbetrieb habe nicht bestanden. Erst recht könne die GBV 12/99 keine Bedeutung für den Kläger haben. Zu diesem Zeitpunkt sei er nicht mehr aktiv gewesen. Ein etwaiger Anspruch der Beklagten zu 2 sei verwirkt und verjährt. Ein Darlehen sei zwischen den Parteien nie vereinbart worden. Es habe sich klar um einen Vorschuss gehandelt, mit dem die Beklagte zu 2 oder deren Rechtsvorgänger nie eine Verrechnung vorgenommen hätten. Selbst wenn die GBV 12/99 gelten sollte, sei von einer Verjährung des Rückzahlungsanspruchs auszugehen. Denn danach wäre eine Rückzahlung spätestens im Jahr 2002 abgeschlossen gewesen.

Der Kläger hat beantragt:

1. Die Zweitbeklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.099,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus

104,98 € seit 01.08.2009 - 31.08.2009

209,96 € seit 01.09.2009 - 30.09.2009

314,94 € seit 01.10.2009 - 31.10.2009

419,92 € seit 01.11.2009 - 30.11.2009

524,90 € seit 01.12.2009 - 31.12.2009

629,88 € seit 01.01.2010 - 31.01.2010

734,86 € seit 01.02.2010 - 28.02.2010

839,84 € seit 01.03.2010 - 31.03.2010

944,82 € seit 01.04.2010 - 30.04.2010

1.049,80 € seit 01.05.2010 - 31.05.2010

1.154,78 € seit 01.06.2010 - 30.06.2010

1.259,76 € seit 01.07.2010 - 31.07.2010

1.363,74 € seit 01.08.2010 - 31.08.2010

1.496,72 € seit 01.09.2010 - 30.09.2010

1.574,70 € seit 01.10.2010 - 31.10.2010

1.679,68 € seit 01.11.2010 - 30.11.2010

1.784,66 € seit 01.12.2010 - 31.12.2010

1.889,64 € seit 01.01.2011 - 31.01.2011

1.994,62 € seit 01.02.2011 - 28.02.2011

2.099,60 € seit 01.03.2011

zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Zweitbeklagte verpflichtet ist, dem Kläger über den 28.02.2011 hinaus sein vertragliches Ruhegehalt von derzeit monatlich netto 1.320,77 € ohne Abzüge aus einem von der Beklagten behaupteten Anspruch auf Rückforderung eines im Dezember 1996 geleisteten Gehaltsvorschusses oder eines Darlehens zu bezahlen.

Die Beklagte zu 2 hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Kläger sei zur Rückzahlung des ihm zusätzlich bezahlten Betrages im Januar 1997 verpflichtet. Die Zahlung im Januar 1997 sei eine freiwillige Leistung der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2 gewesen, um eine aufgrund der Umstellung der Gehaltszahlung entstehende Haushaltslücke abzufedern. Daher habe es sich um ein Darlehen gehandelt. Dies sei so auch in der GBV 06/97 geregelt worden. Die Gesamtbetriebsvereinbarung habe auch für die Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2 gegolten. Denn die I. habe mit dem H. einen gemeinsamen Betrieb gebildet. Nach der Gründung der I. zum 01.07.1996 habe diese noch über keine eigene Verwaltungseinheit verfügt, seien Personalleitung und -verwaltung zentral für den gesamten Standort AStadt erfolgt und alle Gemeinschaftseinrichtungen einheitlich fortgeführt worden. Auch in der GBV 12/99 seien die Modalitäten zur Rückführung der Überzahlung für noch aktive Mitarbeiter geregelt worden. Aber auch den Rentnern sei eine Rückzahlungsverpflichtung bewusst gewesen, wie sich aus einem Pensionistenbrief der Vereinigung der Bediensteten in der technischen Überwachung vom März 2008 (Bl. 35 - 37 d. A.) ergebe. Die Arbeitgeberseite habe sich entschieden, nunmehr auch bei den im Ruhestand befindlichen ehemaligen Beschäftigten die geleistete Überzahlung zurückzuführen, wobei entgegenkommend nur 80 % gefordert würden. Wie sich aus dem vorgenommenen Abzug ergebe, habe die Arbeitgeberseite mit dem Schreiben vom Mai 2009 (Bl. 9/Rs. d. A.) die Aufrechnung erklärt. Diese sei zulässig, da gerade ein Darlehensvertrag und keine Vorschussvereinbarung vorliege. Dies folge aus dem gemeinsamen Willen der Parteien, jedenfalls aber aus der Gesamtbetriebsvereinbarung, bei der dem Betriebsrat auch eine entsprechende Regelungskompetenz zugekommen sei. Handle es sich damit um ein Darlehen, liege keine Verjährung vor, da diese erst mit der Fälligkeit beginne, die mit der Kündigung vom Mai 2009 erst eingetreten sei. Für eine Verwirkung fehle es bereits an einem Umstandsmoment.

Das Arbeitsgericht hat der Klage gegen die Beklagte zu 2 antragsgemäß stattgegeben.

Ob zwischen den Parteien hinsichtlich der Zahlung für Januar 1997 ein Darlehensvertrag geschlossen worden sei, sei letztlich unerheblich. Die ursprüngliche Vorschusszahlung sei jedenfalls durch die GBV 06/97 wirksam in eine Darlehenszahlung umgewandelt worden.

Ein Darlehensrückzahlungsanspruch sei allerdings verwirkt. Die Beklagte zu 2 habe jahrelang und selbst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Rückzahlung nicht geltend gemacht und damit den Eindruck erweckt, eine Rückführung des Darlehens nicht mehr zu verfolgen.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie den Ausführungen des Arbeitsgerichts wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug genommen.

Gegen das der Beklagten zu 2 am 08.04.2011 zugestellte Urteil hat diese mit einem am Montag, den 09.05.2011 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung einlegen lassen und ihr Rechtsmittel durch einen am 08.07.2011 innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte zu 2 trägt vor, ein Darlehensvertrag sei bei der Zahlung für Januar 1997 stillschweigend zustande gekommen. Der Wille der Parteien sei schon nach dem Zweck der Leistung darauf gerichtet gewesen, den Arbeitnehmern ein Arbeitgeberdarlehen zuzuwenden.

Dies hätten die Betriebsparteien auch in der GBV 06/97 bestätigt. Die Betriebsparteien seien berechtigt gewesen, eine rechtswirksame Darlehensverpflichtung zu treffen.

Diese habe auch die Arbeitnehmer des gesamten Betriebs erfasst. Liege damit ein Darlehen vor, sei der Rückzahlungsanspruch nicht verjährt. Der Anspruch sei erst durch die Kündigung des Darlehensvertrages im Mai 2009 fällig geworden. Auch eine Verwirkung des Anspruchs komme nicht in Betracht. Dafür fehle es sowohl an einem Zeit- wie einem Umstandsmoment.

Die Beklagte zu 2 beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 29.03.2011 (Az.: 20 Ca 18751/09) wird abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt:

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. In Erweiterung der Klage wird die Zweitbeklagte verurteilt, an den Kläger 2.519,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus

104,98 € seit 01.08.2009 - 31.08.2009

209,96 € seit 01.09.2009 - 30.09.2009

314,94 € seit 01.10.2009 - 31.10.2009

419,92 € seit 01.11.2009 - 30.11.2009

524,90 € seit 01.12.2009 - 31.12.2009

629,88 € seit 01.01.2010 - 31.01.2010

734,86 € seit 01.02.2010 - 28.02.2010

839,84 € seit 01.03.2010 - 31.03.2010

944,82 € seit 01.04.2010 - 30.04.2010

1.049,80 € seit 01.05.2010 - 31.05.2010

1.154,78 € seit 01.06.2010 - 30.06.2010

1.259,76 € seit 01.07.2010 - 31.07.2010

1.363,74 € seit 01.08.2010 - 31.08.2010

1.496,72 € seit 01.09.2010 - 30.09.2010

1.574,70 € seit 01.10.2010 - 31.10.2010

1.679,68 € seit 01.11.2010 - 30.11.2010

1.784,66 € seit 01.12.2010 - 31.12.2010

1.889,64 € seit 01.01.2011 - 31.01.2011

1.994,62 € seit 01.02.2011 - 28.02.2011

2.099,60 € seit 01.03.2011 - 31.03.2011

2.204,58 € seit 01.04.2011 - 30.04.2011

2.309,56 € seit 01.05.2011 - 31.05.2011

2.414,54 € seit 01.06.2011 - 30.06.2011

2.519,52 € seit 01.07.2011

zu bezahlen.

Die Beklagte zu 2 beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, zwischen den Parteien sei nie eine Darlehensvereinbarung getroffen worden. Die Zahlung der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2 mit 6.160,- DM für Januar 1997 sei unzweifelhaft als Vorschuss erfolgt. Dies ergebe sich aus der gesamten Korrespondenz sowie den dazu vorgelegten Unterlagen aus der Zeit der Zahlung. Dies folge gerade auch aus der GBV 06/97, in der der Vorschuss in ein zinsfreies Arbeitgeberdarlehen umgewandelt werden sollte. Dies habe die Gesamtbetriebsvereinbarung jedoch nicht erreichen können. Der Gesamtbetriebsrat habe eine solche Regelung mit Wirkung für den Kläger gar nicht treffen können. Ein gemeinsamer Betrieb des damaligen Arbeitgebers des Klägers und des H. habe auch nicht bestanden. Liege daher kein Darlehensrückzahlungsanspruch vor, sei der Rückforderungsanspruch verjährt. Schließlich sei dem Arbeitsgericht beizupflichten, dass ein solcher Anspruch jedenfalls verwirkt wäre. Die Beklagte zu 2 sei daher verpflichtet, auch die nach dem Ersturteil des Arbeitsgerichts weiter abgezogenen Beträge von den Ruhestandsbezügen des Klägers zurückzuzahlen.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Sachvortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze der Beklagten zu 2 vom 08.07.2011 (Bl. 237 - 254 d. A.) und 07.11.2011 (Bl. 302 - 310 d. A.), des Klägers vom 12.09.2011 (Bl. 271 - 279 d. A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 16.11.2011 (Bl. 311 - 314 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufungen der Parteien sind zulässig.

1. Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten zu 2 ist in der rechten Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO) und daher zulässig.

2. Soweit der Kläger mit seiner Berufungserwiderung auch die von März bis Juni 2011 von dessen Versorgungsbezügen abgezogenen Beträge in Höhe von je 104,98 € monatlich geltend macht, ist auch dies zulässig. Diese Antragsänderung stellt eine Anschlussberufung gem. § 524 Abs. 1 ZPO dar.

a) Der in erster Instanz voll obsiegende Kläger hat mit seiner Berufungserwiderung einen geänderten und klageerweiternden Antrag gestellt, mit dem er anstelle des erstinstanzlichen Feststellungsantrags einen dem bisherigen Leistungsantrag übersteigenden Zahlungsantrag verfolgt. In eine sachlich-rechtliche Prüfung eines solchen Antrags darf das Landesarbeitsgericht nur eintreten, wenn es die Klageänderung für zulässig hält (vgl. BAG v. 09.11.1999 - AP Nr. 30 zu § 1 BetrAVG "Ablösung").

aa) Ein in erster Instanz voll obsiegender Kläger kann und muss zum Zwecke der Klageerweiterung Anschlussberufung einlegen. Einer Bezeichnung der Anschlussberufung als solche bedarf es nicht (vgl. BAG v. 30.05.2006 - AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972 "Tarifvorbehalt").

Ein neuer Antrag ist als Anschlussberufung auszulegen, wenn dadurch der Wille zum Ausdruck gebracht wird, dass auch der Kläger zu seinen Gunsten eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils erreichen will (vgl. BGH VersR 2008, 375). Demgemäß handelte es sich bei der vom Kläger zweitinstanzlich vorgenommenen Klageerweiterung der Sache nach um eine Anschlussberufung. Der Kläger hatte im ersten Rechtszug in vollem Umfang obsiegt. Eine Erweiterung seiner Klage war daher nur im Rahmen einer Anschlussberufung möglich (vgl. BAG v. 30.05.2006 - aaO.).

bb) Die Anschlussberufung war fristgerecht und auch im Übrigen zulässig. Nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG ist eine Anschlussberufung zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren wird zwar anders als nach § 521 Abs. 2 Satz 1 ZPO dem Berufungsbeklagten - vom Gericht - keine Frist zur Berufungserwiderung "gesetzt"; vielmehr gilt für die Berufungsbeantwortung die durch § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG bestimmte gesetzliche Frist. Gleichwohl ist § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO gem. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG entsprechend anwendbar mit der Folge, dass eine nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründung eingelegte Anschlussberufung grundsätzlich als unzulässig zu verwerfen ist, soweit dem Berufungsbeklagten der nach § 66 Abs. 1 Satz 4 ArbGG gebotene Hinweis erteilt wurde. Anstelle der Monatsfrist tritt hier die durch das Gericht bis 12.09.2011 verlängerte Frist (vgl. GMP/Germelmann ArbGG 7. Aufl. § 64 Rn. 106; MünchKomm ZPO/Rimmelspacher 3. Aufl. § 524 Rn. 32). Diese Frist ist mit dem am 12.09.2011 eingegangenen Schriftsatz, in dem der Kläger seinen Anspruch auch in einer § 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO entsprechenden Weise begründet hat, gewahrt.

b) Die vom Kläger vorgenommene Klageerweiterung ist nach § 533 ZPO zulässig.

aa) Der Kläger hat, soweit seine Ansprüche nicht durch den erstinstanzlich verfolgten Zahlungsantrag umfasst wurden, die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zu 2 zur Zahlung einer monatlichen Betriebsrente in Höhe von 1.320,77 € ohne Abzüge für die Zeit ab 01.03.2011 beantragt. Diese Verfahrensweise war dem Umstand geschuldet, dass Zahlungsanträge noch nicht fällig waren und daher auch als einzelne Ansprüche im Wege der Feststellungsklage verfolgt werden konnten (vgl. BAG v. 21.04.2009 - AP Nr. 60 zu § 2 BetrAVG; BAG v. 07.11.2007 - AP Nr. 2 zu § 107 BPersVG). Die Möglichkeit der Erhebung einer Klage auf zukünftige Leistung stand dabei einem Feststellungsantrag nicht entgegen, da der Kläger zwischen beiden Klageanträgen frei wählen konnte (vgl. BAG v. 19.06.2001 - AP Nr. 3 zu § 3 BetrVG 1972; BAG v. 05.10.2000 - AP Nr. 141 zu § 112 BetrVG 1972).

bb) Wenn der Kläger zweitinstanzlich nunmehr anstelle des Feststellungsantrags einen im Verhältnis zur ersten Instanz weitergehenden Zahlungsantrag stellt, ist dies zwar eine nachträgliche Klageerweiterung gem. § 260 ZPO, die wie eine Klageänderung gem. § 263 ZPO zu behandeln ist (vgl. BGH NJW 2007, 2414). Denn als Klageerweiterung gilt auch der Übergang von einer Feststellungsklage zur Leistungsklage und dies selbst dann, wenn sich der Klagegrund nicht ändert (vgl. BAG v. 25.10.2007 - AP Nr. 12 zu § 34 BAT).

Eine Klageerweiterung ist aber auch in der Berufungsinstanz gem. § 533 ZPO dann möglich, wenn sie sachdienlich ist (vgl. BAG v. 12.09.2006 - AP Nr. 1 zu § 611 BGB "Personalakte"; BAG v. 25.01.2005 - AP Nr. 22 zu § 1 AEntG). Davon ist hier ohne weiteres auszugehen, nachdem der der Beurteilung unterliegende Sachverhalt unstreitig ist und bis auf die Frage der mittlerweile eingetretenen Fälligkeiten auch keine weiteren rechtlichen Überlegungen erfordert. Auch bei einer auf zukünftige Leistung erhobenen Klage wäre hier ohne Antragsänderung auf die Erbringung der Leistung zu erkennen (vgl. BAG v. 20.08.2002 - AP Nr. 39 zu § 611 BGB "Teilzeit"; BAG v. 21.03.1995 - AP Nr. 7 zu § 49 BAT).

II. Die Berufung der Beklagten zu 2 ist unbegründet.

Dem Kläger steht für die Zeit ab 01.07.2009 ein Anspruch auf Zahlung einer ungekürzten Betriebsrente in Höhe von zuletzt 1.320,77 € monatlich zu. Soweit die Beklagte zu 2 davon seit 01.07.2009 bis Juni 2011 monatlich 104,98 € in Abzug gebracht hat, ist dies rechtswidrig. Denn der Beklagten zu 2 steht gegen den Kläger kein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 2.519,52 € zu, mit dem sie in Teilbeträgen von monatlich 104,98 € gegen die Ansprüche des Klägers hinsichtlich seiner Betriebsrente hätte aufrechnen können (§§ 387, 389 BGB). Den dem Kläger im Januar 1997 ausbezahlten Betrag in Höhe von 6.160,- DM kann sie - auch nicht teilweise in Höhe von 80 % - zurückverlangen. Dabei teilt die Kammer zwar nicht die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass es sich um einen Darlehensrückzahlungsanspruch der Beklagten zu 2 handle, der verwirkt sei. Dennoch hat das Arbeitsgericht im Ergebnis zu Recht der Klage stattgegeben.

1. Der Beklagten zu 2 steht kein Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens gem. § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB gegen den Kläger zu. Denn zwischen den Parteien ist kein Darlehensvertrag gem. § 488 Abs. 1 Satz 1 BGB geschlossen worden, aufgrund dessen der Beklagten zu 2 ein Rückzahlungsanspruch zustehen könnte. Die Beklagte zu 2 ist für das Zustandekommen eines Darlehensvertrages als Grundlage ihres Rückzahlungsanspruchs darlegungs- und beweispflichtig (vgl. Palandt/Weidenkaff BGB 70. Aufl. § 488 Rn. 28 m. w. N.). Für eine Einigung der Parteien darüber, dass dem Kläger die im Januar 1997 geleistete Zahlung darlehensweise gewährt wurde, gibt es aber keinerlei Anhaltspunkte.

a) Unstreitig hat der Kläger im Januar 1997 einen Betrag in Höhe von 6.160,- DM von der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2 neben seiner normalen Arbeitsvergütung erhalten.

Dies ist in der Gehaltsabrechnung der damaligen Arbeitgeberin des Klägers, der I., für Dezember 1996 dokumentiert. Dafür, dass diese Zahlung in Erfüllung einer Darlehensvereinbarung durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2 erfolgt sein soll, ist nichts ersichtlich. Irgendwelche der Zahlung zugrunde liegenden ausdrücklichen Vereinbarungen der Parteien behauptet die Beklagte zu 2 selbst nicht. Auch lassen weder die sonstigen Umstände noch die Interessenlage der Parteien das Zustandekommen einer Darlehensvereinbarung erkennen.

aa) Gem. § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften.

Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von dem Empfänger zu verstehen war (vgl. BAG v. 26.09.2002 - AP Nr. 10 zu § 10 BBiG). Auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände sind einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (vgl. BAG v. 18.04.2007 - AP Nr. 53 zu § 1 TVG "Bezugnahme auf Tarifvertrag"). Dies gilt in gleicher Weise für die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten einer Partei überhaupt eine Willenserklärung darstellt (vgl. BAG v. 27.06.1963 - AP Nr. 5 zu § 276 BGB "Verschulden bei Vertragsschluss"; Palandt/Ellenberger BGB 70. Aufl. § 133 Rz. 3 m. w. N.).

bb) Alle danach zu berücksichtigenden Umstände sprechen gegen das Zustandekommen einer Darlehensvereinbarung mit dem Kläger.

(1) Schon in dem dem Zahlungsversprechen zugrunde liegenden Schreiben der L. vom 18.12.1996 (Bl. 6 d. A.) wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die angekündigte Zahlung als Vorschuss auf das Januar-Gehalt erbracht wird. Von einem Darlehen ist dagegen keine Rede. Bestätigt wird dies durch die Gehaltsabrechnung über die Zahlung (Bl. 8 d. A.). Denn dort wird als Kennziffer für die Zahlung die Zahl "320" angegeben, die nach den Erläuterungen auf der Rückseite einen Gehaltsvorschuss kennzeichnen soll.

Eine weitere Bestätigung eines Vorschusses folgt aus dem Schreiben des Zentralbereichs Personal und Recht der M. vom 26.02.1997 (Bl. 7 d. A.). Denn dort wird in kaum zu überbietender Klarheit nochmals ausgeführt, dass im Dezember 1996 ein Vorschuss ausbezahlt und dieser Vorschuss in der laufenden Abrechnung nicht einbehalten wurde, sondern man wegen der "Rückrechnung dieses Vorschusses" noch auf den Kläger zukommen werde. Aus der - maßgeblichen - Sicht des Klägers musste dieser davon ausgehen, dass bei Entgegennahme der Zahlung eine Vorschussvereinbarung zustande kam. Für die Gewährung des Betrags als Darlehen ergibt sich nicht der geringste objektive Hinweis.

(2) Auch nach der zum Zeitpunkt der Zahlung der Rechtsvorgängerin der Beklagten bestehenden Interessenlage der Parteien sowie des mit der Zahlung verfolgten Zwecks ergibt sich keinerlei Hinweis auf die Vereinbarung eines Darlehensvertrages.

(a) Ein Arbeitgeberdarlehen liegt vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer über die Entgeltzahlung hinaus einen Betrag zur Verfügung stellt, der mit den normalen Bezügen nicht oder nicht sofort erreicht werden kann und zu dessen Erlangung auch sonst üblicherweise Kreditmittel in Anspruch genommen werden (vgl. Küttner/Griese Personalbuch 2009 23 Arbeitgeberdarlehen Rz. 1). Kennzeichnend für ein Darlehen ist dabei, dass der gewährte Betrag das jeweilige Arbeitsentgelt erheblich übersteigt und er zu einem Zweck gewährt wird, der mit den normalen Bezügen nicht oder nicht sofort erreicht werden kann (vgl. HWK/Krause 3. Aufl. § 614 BGB Rn. 19).

(b) Bei einer Vorschussgewährung von Geld sind sich Vorschussgeber und Vorschussnehmer darüber einig, dass der Letztere Geld für eine Forderung erhält, die entweder noch gar nicht entstanden oder nur aufschiebend bedingt entstanden oder zwar entstanden, aber noch nicht fällig ist. Beide Teile sind sich weiterhin darüber einig, dass im Falle der Entstehung bzw. der endgültigen unbedingten Entstehung oder des Fälligwerdens der so bevorschussten Forderung der Vorschuss auf die Forderung zu verrechnen sei. Sollte die Forderung nicht oder nicht zeitgerecht entstehen, soll der Vorschussnehmer verpflichtet sein, den erhaltenen Vorschuss dem Vorschussgeber zurückzugewähren (vgl. BAG v. 15.03.2000 - AP Nr. 24 zu §§ 22, 23 BAT "Zuwendungs-TV"; BAG v. 31.03.1960 - AP Nr. 5 zu § 394 BGB). Wird vorausgezahltes Entgelt nicht ins Verdienen gebracht, ist es zurückzuzahlen (vgl. BAG v. 11.02.1987 - AP Nr. 11 zu § 850 ZPO; Küttner/Griese aaO. 444 Vorschuss Rz. 1).

(c) Auch danach spricht hinsichtlich der Zahlung der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2 alles für eine Vorschusszahlung und nichts für ein Darlehen. Für einen Vorschuss spricht schon, dass nach den beiden Schreiben der L. vom 18.12.1996 und der M. vom 26.02.1997 die Zahlung den Zweck verfolgte, durch die Verlegung des Gehaltszahlungstermins entstehende Haushaltslücken zu überbrücken und damit dem Arbeitnehmer sein normaler Lebensunterhalt gesichert werden kann (vgl. HWK/Krause aaO.). Demgemäß entspricht auch die Summe etwa einem Monatsgehalt. Auch der Hinweis im Schreiben vom 26.02.1997, dass bisher noch kein Einbehalt erfolgt sei, spricht für die Absicht der Verrechnung der Zahlung mit dem zukünftigen Verdienst des Klägers. Für die Annahme eines Darlehens wäre es dagegen völlig ungewöhnlich, dass der Arbeitgeber von sich aus, noch dazu an alle Arbeitnehmer, herantritt, um diesen praktisch Darlehensverträge aufzuzwingen, obwohl ein entsprechender Bedarf überhaupt nicht geäußert wurde.

b) Für die Kammer steht daher fest, dass die Zahlung in Höhe von 6.160,- DM für Januar 1997 als Vorschuss und nicht als Darlehen erfolgt ist, sodass kein Darlehensrückzahlungsanspruch der Beklagten zu 2 aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB bestehen kann.

2. An der getroffenen Vorschussvereinbarung ergeben sich durch die Gesamtbetriebsvereinbarungen vom Dezember 1999 (Bl. 31 - 34 d. A.) und Juli 1997 (Bl. 29 - 30 d. A.) keine Änderungen.

a) Die von der Beklagten zu 2 vorgelegte GBV 12/99 hat schon erkennbar keine Bedeutung für den vorliegenden Rechtsstreit. Abgesehen davon, dass der Kläger im Jahr 1999 längst ausgeschieden war, gilt diese Gesamtbetriebsvereinbarung ausdrücklich für die Mitarbeiter der K., die ihren Sitz in K-Stadt hat. Es ist nicht vorgetragen, dass der Kläger jemals Arbeitnehmer dieser K. war.

b) Die GBV 06/97 trat zum Zeitpunkt der Unterzeichnung am 23.07.1997 in Kraft und galt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des H.

aa) Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Mitarbeiter des H., sondern Arbeitnehmer der I., die am 01.07.1996 aus dem H. herausgeteilt wurde. Ein bei dem H. bestehender Betriebsrat mag für diesen Betrieb gem. § 21 a BetrVG noch bis Ende 1996 zuständig gewesen sein. Dann hat jedoch ein bestehendes Übergangsmandat geendet, sodass auch ein bestehender Gesamtbetriebsrat im Juli 1997 nicht mehr für die Arbeitnehmer der I. zuständig gewesen sein kann. So erfasst auch die GBV 06/97 ausdrücklich nach ihrem Geltungsbereich nur Mitarbeiter des H. und nicht der I. Auch bei Vorliegen eines gemeinsamen Betriebs nach dem 01.07.1996 konnte die GBV 06/97 für Arbeitnehmer der I. nur Geltung haben, wenn sie aufseiten des Arbeitgebers auch durch die I. mit abgeschlossen wurde und im Geltungsbereich klargestellt ist, dass sie auch Arbeitnehmer der I. erfassen soll (vgl. GK-BetrVG/Kreutz 9. Aufl. § 77 Rn. 41). Wird nicht erkennbar, von wem eine Betriebsvereinbarung geschlossen wurde und welche Arbeitnehmer diese erfassen soll, widerspricht dies bereits dem Grundsatz der Rechtsquellenklarheit (vgl. BAG v. 15.04.2008 - AP Nr. 96 zu § 77 BetrVG 1972) und kann daher für nicht ausdrücklich genannte Arbeitnehmer keine Anwendung finden.

bb) Die Frage der Kompetenz oder auch der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats im Juli 1997 für eine Regelung auch für Mitarbeiter der I. kann jedoch offen bleiben. Denn jedenfalls für eine "Umwandlung" einer feststehenden Vorschussvereinbarung in eine Darlehensvereinbarung fehlte es dem Betriebsrat an einer Rechtssetzungskompetenz.

(1) Zwar besteht für die Betriebsparteien eine umfassende Regelungskompetenz, die ebenso weit geht wie diejenige der Tarifvertragsparteien (vgl. BAG v. 12.02.2006 - AP Nr. 94 zu § 77 BetrVG 1972; ErfK/Kania 12. Aufl. § 77 BetrVG Rn. 36). Es können daher sämtliche betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen sowie auch normative Regelungen über Inhalt, Abschluss und Beendigung von Arbeitsverhältnissen Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein, soweit nicht der Grundsatz des Tarifvorrangs eingreift. Eine Grenze der Regelungskompetenz stellen jedoch die Individualrechte des Arbeitnehmers dar (vgl. Fitting BetrVG 25. Aufl. § 77 Rn. 55). Insbesondere in bereits entstandene oder gar fällige Ansprüche der Arbeitnehmer dürfen die Betriebsparteien regelmäßig nicht verschlechternd z. B. durch Erlass, Herabsetzung oder Stundung eingreifen.

Vor allem gebieten es der Vertrauensschutz und das Rückwirkungsverbot, dass die Betriebsparteien nicht in individualrechtliche Rechtspositionen der Arbeitnehmer rückwirkend eingreifen.

(2) Dies ist hier jedoch der Fall. Denn die Umwandlung der getroffenen Vorschussvereinbarung in einen Darlehensvertrag durch die Betriebsvereinbarung stellt eine Novation dar (vgl. Palandt/Grüneberg BGB 70. Aufl. § 311 Rz. 8), die bereits per se ein höchst ungewöhnliches Rechtsgeschäft beinhaltet, das mit dem Begriff einer materiellen Arbeitsbedingung kaum etwas gemein hat. Hinzukommt, dass die Novation hier nicht ein eigenes Schuldverhältnis der Betriebsparteien in ein anderes umwandeln, sondern damit über § 77 Abs. 4 BetrVG eine sonst gerade dafür notwendige ausdrückliche Willenseinigung der Arbeitsvertragsparteien gem. § 311 Abs. 1 BGB ersetzen soll. Schließlich würde rückwirkend die Rechtsgrundlage sowohl für die Zahlung wie für die Rückzahlung des Betrags in Höhe von 6.160,- DM durch die Betriebsvereinbarung verändert und, wie die erforderliche Gesamtschau schon wegen der hier wesentlichen Verjährungsproblematik zeigt, die Rechtsposition des Klägers verschlechtert. Dies erscheint auch im Hinblick auf eine umfassende Regelungskompetenz der Betriebspartner nicht gerechtfertigt, sodass die GBV 06/97 nichts an der zuvor getroffenen Vorschussvereinbarung geändert hat.

3. Allerdings wäre der Kläger auch aufgrund einer Vorschussvereinbarung verpflichtet, den erhaltenen Betrag in Höhe von 6.160,- DM der Beklagten zu 2 zurückzubezahlen.

Ein Rückzahlungsanspruch der Beklagten zu 2 ist jedoch verjährt, sodass der Kläger berechtigt ist, die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB). Nachdem die Vorschussvereinbarung der Parteien - spätestens - im Januar 1997 zustande gekommen war, finden für die Frage der Verjährung die bis 31.12.2001 geltenden Rechtsvorschriften Anwendung.

Gem. § 196 Abs. 1 Ziff. 8 und 9 BGB a. F. verjährten Ansprüche auf Arbeitsentgelt innerhalb von zwei Jahren. Für Rückzahlungsansprüche aufgrund einer Vorschussvereinbarung galt nichts anderes (vgl. BAG v. 15.03.2000 - AP Nr. 24 zu §§ 22, 23 BAT "Zuwendungs-TV"; BAG v. 15.10.1965 - AP Nr. 5 zu § 196 BGB). Selbst wenn zugunsten der Beklagten zu 2 unterstellt wird, die Zahlung sei erst im Januar 1997 erfolgt, begann die Verjährungsfrist mit dem 31.12.1997 und endete zum 31.12.1999. Die von der Beklagten zu 2 erstmals im Juli 2009 vorgenommene Aufrechnung war daher ausgeschlossen (§ 215 BGB).

III. Ist es der Beklagten zu 2 verwehrt, gegen den Betriebsrentenanspruch des Klägers ab 01.07.2009 aufzurechnen, gilt dies auch für den Zeitraum ab 01.03. bis 30.06.2011, sodass die Anschlussberufung begründet ist. Der vom Kläger geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 288 Abs. 1 BGB.

IV. Die Berufung der Beklagten zu 2 war damit mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kammer hat die Revision gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen, da die hier zur Entscheidung anstehende Frage nach dem Sachvortrag der Beklagten zu 2 Bedeutung für ca. 1.300 Betriebsrentner hat.

Moeller
Hormel
Schuhbeck

VorschriftenBGB § 133, BGB § 157, BGB § 196 Abs. 1 Nr. 8, 9 (a.F.), BGB § 214, BGB § 215, BGB § 311, BGB § 488 Abs. 1, BGB § 611 Abs. 1, BGB § 614, BetrVG § 77

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