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18.04.2012

Finanzgericht Münster: Urteil vom 12.01.2012 – 3 K 1220/09 EW

Ein Tiefkühllager ist im Wesentlichen als Gebäude und nicht als Betriebsvorrichtung anzusehen.


Im Namen des Volkes

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Ehrenamtlicher Richter … Ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 12.01.2012 für Recht erkannt:

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob das von der Klägerin in S betriebene Tiefkühllager im Wesentlichen als Gebäude oder als Betriebsvorrichtung einzustufen ist.

Eine Voreigentümerin der Klägerin errichtete im Jahr 0000/0000 auf dem Grundbesitz A-Straße 1 in S ein Kühlhaus. Die Herstellungskosten betrugen zum damaligen Zeitpunkt X DM.

Im Rahmen einer Ortsbesichtigung am 00.00.0000 traf der damalige Bausachverständige des Beklagten folgende Feststellungen:

„Bei den Gebäuden handelt es sich um eine Stahlskelettkonstruktion mit einer Fassadenverkleidung in Sandwichbauweise (17 cm Stärke). Die Dachkonstruktion besteht aus Stahlträgerelementen, Trapezblechprofilen, 28 cm Wärmedämmung und üblicher Dacheindichtung. Der Fussboden besteht aus einem doppelschaligen System, 15 cm Stahlbeton, Zwischenlager aus 20 cm starker Dämmung, 15 cm Vakuumbeton mit einer veredelten Verschleißschicht (Industrieestrich vergleichbar). …

Vor den Kühlhallen ist ein Gebäudeteil (Rampengebäude) errichtet, in dem die Warenpaletten versandfertig gemacht und verladen werden. In dem Rampengebäude ist weiterhin ein Bürotrakt mit Feuermeldezentrale untergebracht. … Im Verladebereich sind fünf Sektionaltore mit Hufahebebühnenanlagen eingebaut. Die Tiefkühlräume (./. 30 °C) werden durch elektrisch betriebene Schiebetore von der Verladehalle getrennt (Spezialtore mit besonderen technischen Anforderungen).

In den Tiefkühlhallen sind großvolumige Verdampferanlagen mit unter der Decke liegenden Blechkanälen eingebaut. Kühltechnisch werden diese Anlagen von den Kompressoren und den Maschineneinrichtungen des Maschinenhauses versorgt. Die gesamte technische Anlage ist als Betriebsvermögen anzusetzen, da sie unmittelbar dem Betriebsvorgang dient.”

Zu den Einzelheiten des Ortstermins wird auf den Vermerk vom 00.00.0000 (Blatt 26 bis 29 der Steuerakte) Bezug genommen.

Ausgehend von den Feststellungen des Bausachverständigen stellte der Beklagte den Einheitswert für den Grundbesitz A-Straße 1 durch Bescheid vom 00.00.0000 im Sachwertverfahren auf X DM fest. Zu den Einzelheiten wird auf den Bescheid (Blatt 36 bis 38 der Steuerakte) hingewiesen.

Am 00.00.0000 erwarb die jetzige Klägerin den Grundbesitz. Zu den bereits bestehenden Gebäuden errichtete die Klägerin einen Containerbürotrakt auf dem Grundstück. Da die Wertfortschreibungsgrenzen nicht erreicht wurden, führte der Beklagte auf den 00.00.0000 lediglich eine Zurechnungsfortschreibung auf die Klägerin durch (vgl. Bescheid vom 00.00.0000, Blatt 67 der Steuerakte; Vermerk zur Wertfortschreibung vom 26.10.1999, Blatt 80 der Steuerakte).

Mit Schreiben vom 29.03.2007 stellte die Klägerin den Antrag, die Feststellungen der Einheitswerte für die Jahre 2001 bis 2007 zu ändern und den Bereich des Tiefkühllagers insgesamt als Betriebsvorrichtung einzuordnen und bei der Einheitswertfeststellung unberücksichtigt zu lassen. Sie vertrat die Auffassung, das Tiefkühllager erfülle nicht die Voraussetzungen, um das Bauwerk als Gebäude einordnen zu können. Denn der dauerhafte Aufenthalt von Menschen sei in einem Tiefkühlhaus nicht möglich, da durchgehend eine Temperatur von ./. 24 °C herrsche. Die Arbeitnehmer der Klägerin könnten dort lediglich mit Schutzkleidung und in kurzen Intervallen arbeiten.

Den Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 08.01.2008 ab. Unter Bezugnahme auf die Ergebnisse des Ortstermins vom 00.00.0000 hielt er an der bisherigen Bewertung fest. Es sei nicht erforderlich, dass das Bauwerk zum dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmt sei. Da die Bediensteten laut Auskunft des damaligen Mitarbeiters der Firma in entsprechender Schutzkleidung im Zweistundenrhythmus mit halbstündiger Pause im Kühlhaus arbeiteten, sei trotz niedriger Temperatur der Aufenthalt von Menschen nicht nur vorrübergehend möglich. Der Ablehnungsbescheid enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Den am 05.08.2008 gegen den Ablehnungsbescheid eingelegten Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 12.03.2009 als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage vom 15.04.2009 verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Änderung des Einheitswertes und des Grundsteuermessbetrages auf den 01.01.2007 weiter.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens aus dem Einspruchsverfahren hält sie an ihrer Auffassung fest, dass das Tiefkühllager deshalb nicht als Gebäude einzustufen sei, weil es nicht zum dauernden Aufenthalt von Menschen geeignet sei. So könne ein Schutz gegen äußere Einflüsse durch räumliche Umschließung nicht festgestellt werden. Vielmehr könne das Tiefkühllager für einen mehr als nur ganz kurzfristigen Zeitraum lediglich in Schutzkleidung betreten werden, da dort kein Schutz gegen äußere Einflüsse bestehe, sondern vielmehr Schutz vor den Einflüssen aus dem Kühllager gesucht werden müsse. Um Gesundheitsgefährdungen auszuschließen, könnten die Mitarbeiter nur bis zu 45 Minuten im Tiefkühllager arbeiten und müssten dann eine Unterbrechung von ca. 20 bis 30 Minuten einlegen, um sich wieder aufzuwärmen.

Im Übrigen beschränke sich die Dienstleistung der Klägerin nicht allein auf die Lagerung von Tiefkühlgut. Vielmehr würden für die Kunden die Waren auch kommissioniert und konfektioniert. Diese zum Teil schwere körperliche Arbeit könne wegen der bestehenden Gesundheitsgefährdung (gefrierender Schweiß) nicht im Tiefkühllager selbst stattfinden, sondern müsse in dem vorgelagerten Rampenbereich erfolgen.

Aufgrund des Zusammenwirkens dieser beiden Faktoren (Kälte und harte körperliche Arbeit) sei der Sachverhalt mit dem vom Bundesfinanzhof (BFH) in dem Urteil vom 30.01.1991 (II R 48/88, BStBl II 1991, 618) entschiedenen Sachverhalt vergleichbar. Dort habe der BFH die Gebäudeeigenschaft verneint, weil durch das Zusammenwirken mehrerer Faktoren der Aufenthalt von Menschen während des Betriebsablaufs nicht möglich war.

Die Klägerin beantragt,

den Einheitswert für das Grundstück A-Straße 1 im Wege der fehlerbeseitigenden Wertfortschreibung auf den 01.01.2007 zu ändern und den Gesamtgebäudewert mit X Euro zu erfassen.

Der Beklagte erkennt nunmehr eine Reduzierung der m³-Zahl des Gebäudeteils 1 um X m³ an und beantragt im Übrigen,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner Auffassung fest, dass das Tiefkühllager als Gebäude einzustufen sei. Soweit die Klägerin arbeitsschutzrechtliche Gesichtspunkte anführe, könnten diese nicht für die Frage der Gebäudeeigenschaft entscheidend sein. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass von der Einheitsbewertung allein die baulichen Anlagen (Außenwände, Deckenkonstruktion, Sohle) ohne die im Rahmen der Ortsbesichtigung vom 00.00. 0000 als Betriebsvorrichtung eingestuften besonderen Bauteile (Kühlanlagen) erfasst seien. Auch der Schockfroster sei nicht im Einheitswert erfasst.

Die Berichterstatterin hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten anlässlich einer Ortsbesichtigung am 14.10.2011 erörtert. Zu den Einzelheiten wird auf das Protokoll des Termin hingewiesen.

Der Senat hat in der Sache am 12.01.2012 mündlich verhandelt. Zu den Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der angefochtene Ablehnungsbescheid des Beklagten sowie der Grundsteuermessbetragsbescheid sind rechtswidrig, soweit der Schockfroster bei der Bewertung des Gebäudes mit erfasst wurde, und verletzen die Klägerin insoweit in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Darüber hinaus hat die Klägerin keinen Anspruch darauf, dass das Tiefkühllager nicht als Gebäude sondern als Betriebsvorrichtung bewertet und der Einheitswert für den Grundbesitz A-Straße 1 in S deshalb reduziert wird.

Gemäß § 68 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) gehören zum Grundvermögen außer dem Grund und Boden auch die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Nicht in das Grundvermögen einzubeziehen sind nach § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile des Gebäudes sind. Bei der Abgrenzung der Gebäude von den Betriebsvorrichtungen ist vom Gebäudebegriff auszugehen, weil Gebäude grundsätzlich zum Grundvermögen gehören und demgemäß ein Bauwerk, das als Gebäude zu betrachten ist, nicht Betriebsvorrichtung sein kann. Als Gebäude ist ein Bauwerk anzusehen, das durch räumliche Umschließung Schutz gegen äußere Einflüsse gewährt, den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen gestattet, fest mit dem Grund und Boden verbunden sowie von einiger Beständigkeit und standfest ist. Alle Bauwerke, die sämtliche dieser Begriffsmerkmale aufweisen, sind ausnahmslos als Gebäude zu behandeln.

Nicht erforderlich ist, dass ein Bauwerk zum Aufenthalt von Menschen bestimmt ist. Ist der Aufenthalt von Menschen in dem Bauwerk aber nur möglich, wenn ein automatisch laufender Betriebsvorgang abgeschaltet ist, handelt es sich nicht um ein Gebäude. Anderseits steht es der Gebäudeeigenschaft nicht entgegen, wenn sich Menschen nur in entsprechender Schutzkleidung darin aufhalten können, um sich gegen gesundheitliche Schäden zu schützen. Sofern wegen extremer Bedingungen während des automatisch gesteuerten stetig laufenden Betriebsvorgangs der Aufenthalt von Menschen in einem Bauwerk auch in Schutzkleidung nur vorübergehend während weniger Minuten möglich ist, gestattet das Bauwerk nicht einen mehr als nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen. Ein Aufenthalt zu Reparaturzwecken, der einige Minuten überschreitet, würde nach Auffassung des BFH dagegen schon als nicht nur vorübergehender Aufenthalt anzusehen sein.

Diesen in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (BFH-Urteil vom 30.01.1991 II R 48/88, BStBl. II 1991, 618, vom 15.06.2005 II R 67/04, BStBl II 2005, 688; BFH-Urteil vom 09.07.2009 II R 7/08, BFH/NV 2009, 1609 und BFH-Urteil vom 07.04.2011 III R 8/09, BFH/NV 2011, 1187 jeweils mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung) schließt sich der Senat auch für den vorliegenden Fall an. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist im vorliegenden Fall die Gebäudeeigenschaft des Tiefkühllagers gegeben.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Gebäude auch für den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen geeignet. Denn in entsprechender Schutzkleidung können die Arbeitnehmer der Klägerin über einen Arbeitstag verteilt in Einheiten von jeweils 45 Minuten die in dem Tiefkühllager erforderlichen Arbeiten vornehmen. Es handelt sich hierbei um die Ein- und Auslagerungsvorgänge sowie zum Teil auch um die Zusammenstellung (Kommissionierung) der Warenlieferungen. Dass nicht alle in diesem Zusammenhang anfallenden Arbeiten wegen der bestehenden gesundheitlichen Gefahren im Tiefkühllager selbst, sondern lediglich im Rampenbereich ausgeführt werden können, hebt die Gebäudeeigenschaft des Tiefkühllagers nicht auf. Denn jedenfalls ist der zeitliche Rahmen so bemessen, dass auch das Tiefkühllager den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen ermöglicht. Insbesondere ist der Aufenthalt von Menschen in dem Tiefkühllager auch integraler Bestandteil des Betriebsablaufs (vgl. dazu BFH-Urteile vom 09.07.2009 II R 7/08, BFH/NV 2009, 1609 und vom 07.04.2011 III R 8/09, BFH/NV 2011, 1187).

Soweit die Klägerin dem gegenüber darauf verweist, ein Tiefkühllager gewähre – abweichend vom Gebäudebegriff – keinen hinreichenden Schutz gegen Witterungseinflüsse, insbesondere nicht gegen Kälte, berührt diese Tatsache nach Auffassung des Senats die Gebäudeeigenschaft des Tiefkühllagers nicht. Denn der Gebäudebegriff erfordert nicht, dass Schutz gegen jegliche Art von Witterungseinflüssen besteht.

Auch berühren die letztlich durch arbeitsschutzrechtliche Vorstellungen geprägten Überlegungen der Klägerin die Gebäudeeigenschaft nicht. So hat der BFH im Urteil vom 15.06.2005 (II R 67/04, BStBl. II 2005, 688) darauf hingewiesen, dass die Gebäudeeigenschaft nicht dadurch bestimmt werde, dass sich Arbeitnehmer über einen ganzen Arbeitstag unter arbeitsschutzrechtlichen Gesichtspunkten in dem Gebäude aufhalten dürften. Vielmehr geht der BFH in dieser Entscheidung davon aus, dass die Gebäudeeigenschaft solange nicht berührt ist, wie gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch entsprechende Schutzmaßnahmen (sei es gegen Kälte, sei es gegen Lärm) begegnet werden kann.

Aus den vorgenannten Erwägungen zu den Voraussetzungen der Gebäudeeigenschaft ist auch der Teil des Bauwerks, der als Maschinenraum dient, als Gebäude und nicht als Betriebsvorrichtung einzustufen.

Ausgehend von dem übereinstimmenden Standpunkt der Beteiligten, dass der Schockfroster nicht zum Gebäude gehört, sondern Betriebsvorrichtung ist, ergibt sich für den Grundbesitz A-Straße 1 in S ein um mehr als 5.000 DM vom festgestellten Einheitswert nach unten abweichender Einheitswert, der im Wege der fehlerbeseitigenden Wertfortschreibung auf den 01.01.2007 gem. § 22 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 3 und Abs. 1 BewG wie folgt festzustellen ist:

Gebäudewert Tiefkühllager
X cbm abzügl. X cbm (Schockfroster) à X DMX DM
abzügl. 4%X DM
NormalherstellungswertX DM
Rampengebäude wie bisherX DM
Maschinenhaus wie bisherX DM
Bürokontainer (X cbm à X DM in Anlehnung an den Erlass VV BE FinSen 1993 – 05 – 21 III C 2-S 3219 h-1/93)X DM
X DM
Abschlag 5 %X DM
Abschlag 10 %X DM
GebäudewertX DM
Bodenwert wie bisherX DM
Außenanlagen wie bisherX DM
X DM
Wertzahl 80 %
Einheitswert gerundetX DM
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

Die Zulassung der Revision erfolgt zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

VorschriftenBewG § 68 Abs 2, BewG § 68 Abs 1

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