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03.04.2012

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 15.02.2012 – 6 Sa 390/11


In dem Rechtsstreit

pp.

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 15.02.2012 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 24.08.2011 - ö. D. 3 Ca 1566 d/10 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, allgemeine tarifliche Entgelterhöhungen und sonstige Tarifentgelterhöhungen auf die Schreibfunktionszulage der Klägerin anzurechnen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.803,06 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit 30.07.2010 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin eine Schreibzulage ungekürzt weiter zu zahlen hat.

Die Klägerin arbeitet seit Mai 1983 im Marinearsenal K. der Beklagten als Angestellte im Schreibdienst. Sie ist in die VergGr VIII BAT eingruppiert und arbeitet Vollzeit. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung.

Zum Zeitpunkt des Eintritts der Klägerin - im Jahr 1983 - hatten im Schreibdienst tätige Angestellte der VergGr VII bzw. VIII nach den Protokollnotizen Nr. 3 bzw. Nr. 6 zu Teil II Abschn. N Unterabschn. I der Anlage 1a zum BAT unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine Funktionszulage in Höhe von 8 % der Anfangsgrundvergütung der VergGr. VII. Die Anlagen 1a und 1b zum BAT sind zum 31.12.1983 gekündigt worden. Von der späteren Wiederinkraftsetzung der Anlage 1a waren die Regelungen für Angestellte im Schreib- und Fernschreibdienst einschließlich der streitgegenständlichen Protokollnotizen ausgenommen.

Bereits im Jahr 1986 hatte das Bundesministerium des Inneren mit Rundschreiben vom 02.09.1986 (D III 1 - 220 254/9 = Bl. 24 ff. d. A.) mitgeteilt, dass Magnetbandschreibmaschinen und andere Textverarbeitungsautomaten im Sinne der Protokollnotiz nicht mehr eingesetzt würden. Die Zahlung der Schreibzulage nach den genannten Protokollnotizen könne aber "nach Maßgabe dieses Rundschreibens in seiner jeweiligen Fassung" aufgrund Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vereinbart werden.

Mit Rundschreiben vom 09.02.1988 wurde die Musterformulierung für die Nebenabrede dahingehend geändert, dass den Beschäftigten eine Zulage nach den Protokollnotizen Nr. 3 und Nr. 6 zu Teil II Abschn. N Unterabschn. I der Anlage 1a zum BAT in der am 31.12.1983 geltenden Fassung bis zu einer tarifvertraglichen Neuregelung nur nach Maßgabe dieses Rundschreibens in seiner jeweiligen Fassung zusteht.

Nachdem die Klägerin zunächst an gewöhnlichen Schreibmaschinen gearbeitet hatte, wurde sie ab dem 01.09.1996 an Textverarbeitungsautomaten eingesetzt. Darauf bezog sich die Beklagte mit Schreiben vom 22.01.1997 (Bl. 26 d. A.) und teilte der Klägerin mit:

"Im Rahmen Ihrer Tätigkeit als Schreibkraft werden Sie seit dem 01.09.1996 an einem Textverarbeitungsautomat AT&T beschäftigt.

Es handelt sich hierbei um ein textverarbeitendes System im Sinne der Nr. 1 des Rundschreibens des BMI - D III 1 - 220 254/9 vom 02.09.1986. Hiernach ist die Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II N I der Anlage 1a zum BAT nach Maßgabe des v. g. Rundschreibens in seiner jeweiligen Fassung anzuwenden.

Ich gewähre Ihnen daher mit Wirkung vom 01.09.1996 für die Dauer dieser Tätigkeit eine monatliche Funktionszulage in Höhe von 8 % der Anfangsgrundvergütung der VergGr VII BAT.

Diese Vereinbarung gilt als Zusatz zum Arbeitsvertrag vom 20.04.1983 und den hierzu vereinbarten Ergänzungen.

..."

In der Folgezeit zahlte die Beklagte der Klägerin die Funktionszulage in Höhe von 8 % der Anfangsgrundvergütung der VerGr VII BAT. Seit dem Jahr 2004 betrug die Zulage 94,53 EUR monatlich.

Mit Rundschreiben vom 24.02.1997 (D II 4 - 220 254/9) wurde die Ermächtigung zur Vereinbarung der Nebenabreden und zur übertariflichen Zahlung der Funktionszulagen mit sofortiger Wirkung für Angestellte, mit denen im Zusammenhang mit der Einstellung neue Arbeitsverträge geschlossen werden, widerrufen. Mit weiterem Rundschreiben vom 10.10.2005 (D II 2 - 220 210/643 = Bl. 27 ff. d. A.) wurde im Rahmen der Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD (zum 01.10.2005) entschieden, dass Beschäftigte, die die Funktionszulage bei Überleitung in den TVöD erhielten, diese außertariflich als persönliche Besitzstandzulage weiter erhalten sollten. Bei allgemeinen Entgeltanpassungen und sonstigen Entgelterhöhungen sollte der Unterschiedsbetrag zum bisherigen Entgelt aber auf die Besitzstandszulage angerechnet werden. Mit Rundschreiben vom 01.08.2008 (D II 2 - 220 210 - 1/9 = Bl. 29 d. A.) wurde diese Anrechnungsvorschrift dahingehend modifiziert, dass nur jeweils ein Drittel des Erhöhungsbetrags (aufgrund der Tariferhöhung) auf die Besitzstandszulage anzurechnen ist.

Nach Maßgabe dieser Rundschreiben kürzte die Beklagte die Funktionszulage der Klägerin für das Jahr 2008 um insgesamt 537,00 EUR. Für das Jahr 2009 wurde die Funktionszulage infolge Anrechnung im Zeitraum vom 01.01. - 31.10.2009 um 627,40 EUR und vom 01.11. - 31.12.2009 um 157,28 EUR gekürzt. Vom 01.01. - 30.04.2010 betrug die Kürzung 314,56 EUR und vom 01.05. - 30.06.2010 166,62 EUR. Bei der Entscheidung über die Anrechnung beteiligte die Beklagte die Personalvertretung nicht.

Im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht erklärte der Mitarbeiter L. der Beklagten, dass er sich für die Weiterzahlung der Funktionszulage einsetzen werde. Mit Schreiben vom 29.10.2010 (Bl. 15 d. A.) teilte in diesem Zusammenhang das Marinearsenal in W. den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit:

"Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass meine vorgesetzte Dienststelle meinem Vorschlag gefolgt ist, Frau F. die streitgegenständliche Zulage weiterhin zu zahlen.

..."

Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 01.07.2008 gegenüber der Beklagten die ungekürzte Zahlung der Funktionszulage geltend gemacht hatte, verfolgt sie ihr Begehren mit der am 22.07.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage weiter. Sie hat gemeint, ihr Anspruch ergebe sich aus der Vereinbarung vom 22.01.1997. Die Beklagte habe ihre Zusage nicht widerrufen. Die Klägerin hat weiter die Ansicht vertreten, die Beklagte habe mit dem Schreiben vom 29.10.2010 bindend zugesagt, die Funktionszulage weiterhin zu zahlen. Des Weiteren sei die Kürzung der Zulage auch wegen fehlender Beteiligung der Personalvertretung unwirksam. Im vorliegenden Fall hätten sich durch die Anrechnung die Verteilungsgrundsätze geändert.

Die Beklagte hat gemeint, dass es sich bei der Schreibzulage um eine Funktionszulage und nicht um eine Erschwerniszulage handele. Auf die Zulage bestehe tariflich kein Anspruch mehr. Sie sei in eine außertarifliche und persönliche Besitzstandzulage umgewandelt worden. Das Abschmelzen der Besitzstandzulage durch Anrechnung von Tariferhöhungen stehe im Einklang mit der arbeitsvertraglichen Nebenabrede und dem Tarifrecht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung der Funktionszulage in ungekürzter Höhe. Bei Zusage der Funktionszulage mit Schreiben vom 22.01.1997 sei die zu Grunde liegende tarifliche Regelung bereits leer gelaufen. Denn zu diesem Zeitpunkt seien Magnetbandschreibmaschinen bzw. vergleichbare Textverarbeitungsautomaten gar nicht mehr eingesetzt worden. Demzufolge sei der Klägerin die Zahlung auch nur außertariflich zugesagt worden, und zwar nach Maßgabe des Rundschreibens "in seiner jeweiligen Fassung". Nach Überleitung in den TVöD habe sich die Beklagte entschieden, diese Funktionszulage bei allgemeinen Entgeltanpassungen abzuschmelzen. Die Abschmelzung sei nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.05.2011 (10 AZR 206/10) zulässig. Die Nebenabrede halte einer Inhaltskontrolle stand. Auch die auflösende Bedingung sei rechtswirksam. Die vereinbarte Bedingung sei eingetreten, da es sich bei den Regelungen des TVöD um eine tarifvertragliche Neuregelung handele. Auch der frühere Zweck der Zulage stehe einer Anrechnung nicht entgegen. Die Funktionszulage sei keine Erschwerniszulage. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass die Beklagte ihr unabhängig von der Rechtslage mit Schreiben vom 29.10.2010 die Weiterzahlung der Zulage verbindlich zugesagt habe. Das Schreiben sei während des schwebenden Prozesses bei ungeklärter Rechtslage an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin versandt worden. Die Beschäftigungsdienststelle habe mit dem Schreiben keine von der bisherigen Rechtsgrundlage unabhängige neue Schuld begründen wollen. Die Kürzung bzw. Einstellung der Zahlung sei auch nicht wegen unterbliebener Beteiligung des Personalrats unwirksam. Dem örtlichen Personalrat stehe bei der Anrechnung der Funktionszulage auf Vergütungserhöhungen kein Mitbestimmungsrecht zu. Das Beteiligungsrecht bestehe nur dann, wenn die Anrechnungsentscheidung zu einer Änderung der Verteilungsgrundsätze führe, was hier nicht der Fall gewesen sei.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vortrags der Parteien sowie ihrer im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils verwiesen.

Gegen das ihr am 16.09.2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin am 13.10.2011 Berufung eingelegt und diese am 11.11.2011 begründet.

Die Klägerin bezieht sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und rügt, die vom Arbeitsgericht herangezogene Entscheidung des 10. Senats des Bundesarbeitsgerichts sei nicht übertragbar. Den Fällen lägen unterschiedliche Nebenabreden zu Grunde. Im vorliegenden Fall fehle die in der Nebenabrede vereinbarte auflösende Bedingung ("bis zu einer tariflichen Neuregelung") sowie jede zeitliche Begrenzung. Die Vereinbarung vom 22.01.1997 verweise zudem nicht ausdrücklich auf das Rundschreiben vom 09.02.1988. Die Klägerin ist weiter der Auffassung, die Anrechnung der Tariferhöhungen auf die Funktionszulage sei unter Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Personalrats erfolgt. Schließlich ergebe sich der Anspruch auf Zahlung der Zulage aus der Zusage vom 29.10.2010. Danach habe die Zulage unabhängig von der Rechtslage gezahlt werden sollen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 24.08.2011 - ö. D. 3 Ca 1566 d/10 - abzuändern und

1. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, allgemeine tarifliche Entgelterhöhungen und sonstige Tarifentgelterhöhungen auf die Schreibfunktionszulage der Klägerin anzurechnen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.803,06 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuzuweisen.

Auch sie bezieht sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Anders als die Klägerin meint die Beklagte, dass sich die auflösende Bedingung bereits aus dem in der Nebenabrede in Bezug genommenen Rundschreiben vom 09.02.1986 ergebe. Aus der Nebenabrede gehe zweifelsfrei hervor, dass die Beklagte der Klägerin die Funktionszulage nur nach Maßgabe des Rundschreibens in seiner jeweiligen Fassung gewähren wollte. Die jeweiligen Fassungen des Rundschreibens seien folglich unmittelbar Bestandteil der Nebenabrede und damit für die Gewährung der Zulage maßgebend. Bei Abschluss der Nebenabrede habe schon das Rundschreiben vom 09.02.1988 (BMI - D III 1 - 220 254/9) vorgelegen, wonach die Funktionszulage nur noch bis zu einer tariflichen Neuregelung nach Maßgabe des Rundschreibens in seiner jeweiligen Fassung zu gewähren war. Die Anrechnung der Tariferhöhungen auf die Funktionszulage sei auch nicht aus personalvertretungsrechtlichen Gründen rechtsunwirksam. Die Drittelanrechnung entspreche den Vorgaben des BMI und ändere die Verteilungsgrundsätze nicht. Die Zulage werde nicht umverteilt. Zudem führe die Verletzung des Mitbestimmungsrechts der Personalvertretung nicht dazu, dass individualrechtliche Ansprüche betroffener Arbeitnehmer entstünden, die zuvor nicht bestanden hätten. Zum Zeitpunkt der Entscheidung im August 2008, künftige Tariflohnerhöhungen nicht vollständig, sondern in Drittelschritten vorzunehmen, habe die Klägerin keine gesicherte Rechtsposition besessen, wonach ihr die Zulage ohne Anrechnungsmöglichkeit verbleiben sollte. Sie habe mit einer vollständigen Anrechnung rechnen müssen. Mit dem Schreiben vom 29.10.2010 habe die Beklagte sich nicht verpflichtet, die Funktionszulage in ungekürzter Höhe und unabhängig von der Rechtslage fortzuzahlen. Der Unterzeichner, Herr S., habe lediglich eine Absicht erklärt. Die Beklagte wolle jedoch nur solche Leistungen gewähren, zu denen sie rechtlich verpflichtet sei. Nach nochmaliger Prüfung habe sie, die Beklagte, das Bestehen einer solchen Pflicht verneint.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufung wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

A. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

B. Die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des Arbeitsgerichts ist auch begründet.

I. Die Klage ist zulässig. Das gilt auch für die mit dem Antrag zu 1. verfolgte Feststellungsklage. Mit ihr will die Klägerin geklärt wissen, ob die Beklagte berechtigt ist, tarifliche Entgelterhöhungen auf die ihr bis Ende des Jahres 2007 ungekürzt gezahlte (frühere) Funktionszulage Schreibdienst anzurechnen. Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann mit der Feststellungsklage das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses verbindlich festgestellt werden. Die Klage muss sich nicht notwendigerweise auf das gesamte Rechtsverhältnis erstrecken. Auch einzelne Rechtsbeziehungen eines Rechtsverhältnisses können im Rahmen einer solchen Klage geklärt werden, dagegen nicht abstrakte Rechtsfragen oder einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses. Mit der Entscheidung über die Anrechenbarkeit von Tariferhöhungen auf die Funktionszulage Schreibdienst kann der zwischen den Parteien bestehende Streit insgesamt beseitigt werden. Der Feststellungsklage kommt auch für die Zukunft Bedeutung zu, denn zu einer vollständigen Anrechnung ist es bislang nicht gekommen. Die Möglichkeit einer Zahlungsklage steht der Feststellungsklage daher nicht entgegen.

II. Die Beklagte ist nicht berechtigt, tarifliche Entgelterhöhungen auf die der Klägerin bis Ende des Jahres 2007 ungekürzt gezahlte (frühere) Funktionszulage Schreibdienst anzurechnen. Die Klägerin kann deshalb auch die mit dem Antrag zu 2. begehrte Zahlung der infolge der Anrechnung im Zeitraum 01.01.2008 - 30.06.2010 nicht ausgezahlten Zulage verlangen.

1. Für einen Anspruch auf eine solche Zulage gibt es aber keine tarifliche Anspruchsgrundlage. Die Regelungen des TVöD sehen keinen derartigen Anspruch vor. Auch auf die Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II Abschn. N Unterabschn. I der Anlage 1a zum BAT kann die Klägerin ihr Begehren nicht stützen, obwohl sie im Jahr 1983 tarifgebunden war (§ 3 Abs. 1 TVG). Die Bestimmung galt nach der Kündigung der Vergütungsordnung zum 31.12.1983 ab Anfang des Jahres 1984 nur noch im Wege der Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG. Die Nachwirkung endete durch eine andere Abmachung iSv. § 4 Abs. 5 TVG. Eine "andere Abmachung" kann auch eine einzelvertragliche Abrede sein (BAG 17.01.2006 - 9 AZR 41/05 - BAGE 116, 366; 18.05.2011 - 10 AZR 206/10 -).

Im vorliegenden Fall haben die Arbeitsvertragsparteien mit der Nebenabrede vom 22.01.1997 eine eigenständige neue Regelung getroffen, die denselben Regelungsbereich erfasst wie die nachwirkende Tarifregelung. Entscheidend ist die Bezugnahme auf die Maßgaben des Rundschreibens und damit die Loslösung von der bloßen Anwendung der tariflichen Regelung (vgl. BAG 18.05.2011 - 10 AZR 206/10 -). Auch wenn die Klägerin das von der Beklagten formulierte Schreiben nicht unterzeichnet hat, ist die Nebenabrede nach Maßgabe des § 151 Satz 1 BGB doch wirksam zustande gekommen. Wie ihr Vortrag in der Berufung zeigt (Seiten 2 und 3 der Berufungsbegründung) geht die Klägerin wie selbstverständlich davon aus, dass die Nebenabrede zustande gekommen ist.

2. Der Anspruch auf anrechnungsfreie Zahlung der Funktionszulage Schreibdienst ergibt sich aus der Nebenabrede vom 22.01.1997. Die in der Nebenabrede vereinbarte "Maßgabenklausel", aus der die Beklagte ihr Recht herleiten will, tarifliche Entgelterhöhungen auf die Zulage anzurechnen, ist unwirksam.

a) Bei der Nebenabrede handelt es sich um eine von der Beklagten gestellte vorformulierte Vertragsbedingung, die nach der Übergangsvorschrift des Artikel 229 § 5 EGBGB einer Kontrolle nach den Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB unterliegt. Gemäß Artikel 229 § 5 EGBGB findet auf Dauerschuldverhältnisse, die vor dem 01.01.2002 begründet worden sind, wie das Arbeitsverhältnis der Parteien, vom 01.01.2003 an das Bürgerliche Gesetzbuch in der dann geltenden Fassung Anwendung. Hierzu gehören auch die §§ 305 bis 310 BGB.

b) Die in der Nebenabrede enthaltende "Maßgabenklausel" hält einer Transparenzkontrolle nicht stand. Wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist sie nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Widersprüchliche Klauseln sind nicht klar und verständlich im Sinne dieser Vorschrift. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar verfasster allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 BGB (BAG 10.12.2008 - 10 AZR 1/08 -; 18.05.2011 - 10 AZR 206/10 -).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze verstößt die "Maßgabenklausel", wonach die Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II N I der Anlage 1a zum BAT nach Maßgabe des Rundschreibens des BMI - D III 1 - 254/9 vom 02.09.1986 in seiner jeweiligen Fassung anzuwenden ist, gegen das Transparenzgebot und ist daher unwirksam.

(1) Es kann offen bleiben, ob der Wortlaut dieser Abrede bereits deshalb nicht eindeutig ist, weil in der Nebenabrede nur das Rundschreiben vom 02.09.1986 erwähnt ist, nicht aber das seinerzeit bereits existierende weitere Rundschreiben vom 09.02.1988. Beim Vertragspartner des Verwenders entsteht so der unzutreffende Eindruck, das Rundschreiben vom 02.09.1986 sei immer noch die aktuelle Fassung. Dass es bereits eine neue Fassung des Rundschreibens gibt, nämlich die vom 09.02.1988, klingt in der Abrede nicht an. Durch Rundschreiben vom 09.02.1988 war vorgegeben worden, dass die Musterformulierung für die Nebenabrede dahin gefasst wird, dass den Beschäftigten eine Zulage "bis zu einer tarifvertraglichen Neuregelung" nur nach Maßgabe dieses Rundschreibens in seiner jeweiligen Fassung zusteht. Bei der Formulierung der Nebenabrede hat die Beklagte diese Vorgabe aus dem Rundschreiben vom 09.02.1988 nicht beachtet. Die zeitliche Begrenzung der Anwendung der Nebenabrede - bis zu einer tarifvertraglichen Neuregelung - findet sich in der streitgegenständlichen Nebenabrede gerade nicht. Sie lässt sich auch nicht in die Worte "nach Maßgabe des v. g. Rundschreibens in seiner jeweiligen Fassung" hineinlesen.

(2) Es spricht viel dafür, dass die "Maßgabenklausel" unklar ist, weil durch die in ihr enthaltende Dynamik ("in seiner jeweiligen Fassung") auf vom Arbeitgeber erstellte und noch zu erstellende Rundschreiben abgehoben wird. Hierin liegt ein umfassender Änderungsvorbehalt. Der Arbeitgeber hat es in der Hand, durch Gestaltung der Rundschreiben den Inhalt der Nebenabrede komplett umzugestalten. Für den Vertragspartner, hier die Klägerin, ist das nicht transparent.

(3) Die "Maßgabenklausel" ist jedenfalls deshalb nicht klar und verständlich iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sie zu dem folgenden Satz der Nebenabrede im Widerspruch steht, wonach der Klägerin "daher mit Wirkung vom 01.09.1996 für die Dauer dieser Tätigkeit eine monatliche Funktionszulage in Höhe von 8 % der Anfangsgrundvergütung der VergGr. VII BAT" gewährt wird. Mit dieser Formulierung wird der Anspruch auf die Zulage begründet. Die Höhe der monatlichen Funktionszulage - 8 % der Anfangsgrundvergütung der VergGr. VII BAT - ist präzise bestimmt. Die Funktionszulage soll nach der Formulierung "vom 01.09.1996 für die Dauer dieser Tätigkeit" gewährt werden. Damit steht zum einen fest, ab wann die Klägerin die Zulage erhalten soll (erstmals im September 1996) und für wie lange (solange sie in unveränderter Weise beschäftigt wird). Sagt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in einer von ihm vorformulierten Vereinbarung ausdrücklich zu, eine monatliche Zulage in bestimmter Höhe zu zahlen, ist es widersprüchlich, wenn der Arbeitgeber die Zahlung der Zulage in derselben oder einer anderen Klausel der Abrede einer anderen zeitlichen Begrenzung unterwirft.

Über die "Maßgabenklausel" kann der Verwender entscheiden, wie lange und in welcher Höhe er die Zulage gewährt. Es handelt sich, wie oben aufgezeigt, um einen Änderungsvorbehalt. Der Verwender, hier die Beklagte, gestaltet den Inhalt der für maßgeblich erklärten Rundschreiben und kann so auf die Zulage Einfluss nehmen. Davon geht auch die Beklagte aus. Nach ihrer Auffassung gilt aufgrund der "Maßgabenklausel" die zeitliche Begrenzung, wie sie sich aus dem Rundschreiben vom 09.02.1988 ergibt. Sie meint, dass durch die in der Nebenabrede vom 22.01.1997 enthaltenen Worte "nach Maßgabe des v. g. Rundschreibens in seiner jeweiligen Fassung" bereits der Inhalt des Rundschreibens vom 09.02.1988 Teil der Nebenabrede geworden ist und somit die Zulage (nur) bis zu einer tarifvertraglichen Neuregelung gewährt werden sollte. Diese zeitliche Begrenzung der Anwendung der Nebenabrede bis zu einer tarifvertraglichen Neuregelung widerspricht jedoch der im nächsten Satz der Nebenabrede formulierten zeitlichen Begrenzung "für die Dauer dieser Tätigkeit", die gerade nicht auf tarifliche Entwicklungen abstellt.

c) Die "Maßgabenklausel", die die Rundschreiben des BMI in ihrer jeweiligen Fassung in Bezug nimmt, hält einer Inhaltskontrolle auch deshalb nicht stand, weil es sich bei ihr um einen die Klägerin unangemessen benachteiligenden Änderungsvorbehalt iSd. § 308 Nr. 4 BGB handelt.

aa) Die in der Nebenabrede vorgesehene Anwendung der Protokollnotiz Nr. 3 nach Maßgabe des genannten Rundschreibens in seiner jeweiligen Fassung stellt inhaltlich ein Vertragsänderungsrecht der Beklagten dar. Denn durch einseitig von ihr formulierte Rundschreiben kann die Beklagte die in der Nebenabrede zugesagte Funktionszulage abändern. Der Abänderungsvorbehalt stellt eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dar. Denn grundsätzlich sind Verträge bindend; dies gehört zu den Grundelementen des Vertragsrechts (BAG 11.02.2009 - 10 AZR 222/08 -).

Die Vereinbarung eines Rechs des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, ist unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn für die Änderung ein triftiger Grund vorliegt und dieser bereits in der Änderungsklausel beschrieben ist (BAG 12.01.2005 - 5 AZR 364/04 -; 11.02.2009 - 10 AZR 222/08 -).

bb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist der in der Nebenabrede geregelte einseitige Abänderungsvorbehalt zu Gunsten der Beklagten unwirksam. Er gibt ihr die Möglichkeit, durch Gestaltung der Rundschreiben einseitig über die Höhe der Funktionszulage zu bestimmen oder gar festzulegen, dass die Zulage gar nicht mehr gezahlt wird. Weder die Nebenabrede selbst, noch das dort ausdrücklich erwähnte Rundschreiben vom 02.09.1986 nennt einen triftigen Grund für mögliche Änderungen.

Die Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) befreit nicht von der Notwendigkeit, Gründe für eine Abänderung vertraglicher Bedingungen anzugeben und diese ggf. inhaltlich zu überprüfen. Auch wenn grundsätzlich Bezugnahmen auf andere Regelungswerke in Arbeitsverträgen üblich und zulässig sind und insbesondere dynamische Bezugnahmeklauseln eine übliche Regelungstechnik im Arbeitsvertrag darstellen und den Interessen beider Parteien dienen können, sind sie nicht ohne weiteres der Inhaltskontrolle entzogen. Stets ist zu prüfen, ob die Interessen beider Vertragspartner angemessen berücksichtigt werden. Während die Inbezugnahme von Kollektivvereinbarungen (z. B. Tarifverträge) aufgrund der Parität der Verhandlungspartner keinen Bedenken begegnet, verhält es sich bei den streitgegenständlichen Rundschreiben anders. Sie stammen von der Beklagten und damit vom Verwender der "Maßgabenklausel". Die Vermutung der Angemessenheit gilt hier nicht. In der Bezugnahme auf ein einseitiges Regelungswerk des Arbeitgebers in seiner jeweiligen Fassung hat der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 11.02.2009 (- 10 AZR 222/08 -) folglich eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers gesehen.

d) Die "Maßgabenklausel" fällt ersatzlos weg. Bei der Nebenabrede handelt es sich um eine teilbare Klausel. Sie enthält mehrere sachliche Regelungen. Der unzulässige Teil, wonach die tarifliche Regelung "nach Maßgabe des v. g. Rundschreibens in seiner jeweiligen Fassung" anzuwenden ist, ist sprachlich abtrennbar. Die verbleibende Regelung ist weiterhin verständlich und bleibt deshalb bestehen. Eine geltungserhaltende Reduktion unwirksamer allgemeiner Geschäftsbedingungen ist mit dem Zweck der §§ 305 ff. BGB nicht vereinbar. Die streitgegenständliche Klausel kann auch nicht im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung so gestaltet werden, dass sie einer Inhaltskontrolle standhielte. Denn es gibt keine Möglichkeit, die Nebenabrede und die "Maßgabenklausel" so anzupassen, dass sie klar, verständlich, widerspruchsfrei, transparent und angemessen ist.

3. Die Höhe der Klageforderung steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

4. Da sich der Anspruch auf die ungekürzte Funktionszulage bereits aus der Nebenabrede ergibt, kann offen bleiben, welche Auswirkungen es hat, dass der Personalrat bei der Anrechnung nicht beteiligt worden ist und ob in dem Schreiben des Marinearsenals vom 29.10.2010 ein selbständiges Schuldversprechen oder -anerkenntnis liegt.

C. Die Beklagte hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden. Die Beklagte hat die streitgegenständliche Nebenabrede an verschiedenen Standorten eingesetzt.

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