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08.03.2012

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 01.02.2012 – 6 Sa 403/11

Der Beginn der ersten Schicht am Sonntag bestimmt, wann die zuschlagspflichtige Sonntagsarbeit im Sinne von § 6 Ziff. 3 MTV beginnt und endet. Für den Anspruch auf Sonntagszuschlag ist nicht entscheidend, ob der Arbeitnehmer in dieser Schicht arbeitet oder ob seine Schicht mit der ersten Schicht des Sonntags "verzahnt" ist.


In dem Rechtsstreit

pp.

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 01.02.2012 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 08.09.2011 - 3 Ca 455 d/11 - teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständige Vergütung für den Zeitraum September 2010 bis Januar 2011 in Höhe von 91,88 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 18.03.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung von Sonntagszuschlägen.

Die Beklagte produziert für die Nahrungsmittelindustrie u. a. Deckelverschlüsse und Dosen aus Aluminium und Weißblech. Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1978 beschäftigt. Er arbeitete im streitbefangenen Zeitraum als Druckerhelfer im Schichtdienst mit einem Stundenlohn von 17,50 EUR brutto.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie für das Tarifgebiet Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern (MTV) Anwendung. Der MTV lautet auszugsweise:

"§ 6

...

3. Sonntags- und Feiertagsarbeit

Zuschlagspflichtige Sonntags- oder Feiertagsarbeit beginnt mit der ersten Schicht am Sonntag oder Feiertag und endet 24 Stunden später.

Durch nicht erzwingbare Betriebsvereinbarung kann der Beginn dieser Zeitspanne auf den Beginn der Nachtschicht des Vortages verlegt werden.

§ 7

...

2.2 Der Sonntags- und Feiertagszuschlag beträgt

a) für Arbeiten an Sonntagen 50 %"

Gemäß § 3 Ziffer 6 Abs. 1 MTV sind Zeiten für Umkleiden und Waschen sowie Pausen keine Arbeitszeit.

Nach § 16 Ziffer 1.1 a) MTV erlöschen Ansprüche auf Zuschläge aller Art innerhalb von 4 Wochen nach Aushändigung oder Zusendung der Entgeltabrechnung, bei der sie hätten abgerechnet werden müssen.

Im Betrieb der Beklagten gilt eine Betriebsvereinbarung "Arbeitszeit ab 16.02.2009", die u. a. folgende Regelungen enthält:

"§ 1.2 Arbeitszeit mit 5 Gruppen

§ 1.2.1 1. - 3. Gruppe

Frühschicht:

Montag - Donnerstag

von 06:00 bis 14:00 Uhr

Freitag

von 06:00 bis 12:00 Uhr

Spätschicht:

Montag - Donnerstag

von 14:00 bis 22:00 Uhr

Freitag von 12:00 bis 18:00 Uhr

Nachtschicht:

Sonntag

von 00:00 bis 06:00 Uhr

Montag - Donnerstag

von 22:00 bis 06:00 Uhr

§ 1.2.2 4. Gruppe

1. Schicht:

Freitag

von 18:00 bis 04:30 Uhr

2. Schicht:

Samstag

von 16:30 bis 03:00 Uhr

3. Schicht:

Sonntag

von 15:30 bis 00:00 Uhr

§ 1.2.3 5. Gruppe

1. Schicht:

Samstag

von 04:30 bis 16:30 Uhr

2. Schicht:

Sonntag

von 03:00 bis 15:30 Uhr

§ 1.3 Pausenregelung

1. - 3. Gruppe:

Frühschicht:

10:00 bis 10:30 Uhr (Montag-Donnerstag)

Spätschicht:

18:00 bis 18:30 Uhr (Montag-Donnerstag)

Nachtschicht:

02:00 bis 02:30 Uhr (Montag-Donnerstag)

Die Schichten mit 6 Stunden Arbeitszeit werden ohne Pause gefahren.

§ 7 Übergabezeiten und Kontrollgänge Vorfertigung

Der jeweilige Maschinenführer der ersten Wochen- oder Tagesschicht beginnt die erste Schicht 30 min. vor dem üblichen Schichtbeginn. Dafür endet diese Schicht für diesen Maschinenführer 30 min. früher."

Die Druckerei, in der der Kläger tätig ist, arbeitet in der 1. - 3. Gruppe. An den Tagen, für die er Zuschläge begehrt, gehörte er zur 3. Gruppe. Das bedeutet, dass seine Gruppe jeweils von Freitag 18:00 Uhr bis Sonntag, 24:00 Uhr arbeitsfrei hatte. Die in der Betriebsvereinbarung als Nachtschicht "Sonntag von 00:00 bis 06:00 Uhr" bezeichnete Schicht beginnt unstreitig am Montag um 0:00 Uhr.

Bis einschließlich August 2010 vergütete die Beklagte die am Montag von 0:00 Uhr bis 6:00 Uhr geleistete Arbeit mit dem tariflichen Sonntagszuschlag von 50 %. Seit September 2010 zahlt sie für diese Schicht nur noch die Nachtschichtzulage von 15 %.

Der Kläger macht die Sonntagszuschläge für 6 Schichten (abzüglich der gezahlten Nachtschichtzulage) geltend. Gemäß Zeiterfassungssystem stempelte er an den Sonntagen

19.09.2010 um 23:45 Uhr,

31.10.2010 um 23:49 Uhr,

21.11.2010 um 23:48 Uhr,

12.12.2010 um 23:47 Uhr,

02.01.2011 um 23:45 Uhr,

23.01.2011 um 23:44 Uhr

auf dem Werksgelände der Beklagten am Eingangstor ein.

Der Kläger machte seine Ansprüche auf Zahlung des Sonntagszuschlags gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 16.12.2010 geltend und reichte am 16.03.2011 Zahlungsklage ein. Er hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei zur Zahlung des Sonntagszuschlags verpflichtet, da er seine Arbeit planmäßig jeweils am Sonntag aufgenommen habe. Er habe zuschlagspflichtige Sonntagsarbeit im Sinne des § 6 Ziffer 3 MTV geleistet. Er nehme die Arbeit sonntags vor Mitternacht auf, um die Maschine hochzufahren und die Elektrik einzuschalten. Außerdem sei der Wasserstand zu kontrollieren, Dosen und "Ameise" müssten herangeholt und Druckplatten eingebaut und kontrolliert werden. Erst nach Erledigung dieser Vorarbeiten könne die Schicht um 24:00 Uhr beginnen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger rückständige Vergütung für den Zeitraum September 2010 bis Januar 2011 in Höhe von EUR 267,75 brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, dass der Kläger keine zuschlagspflichtige Sonntagsarbeit im Sinne des § 6.3 MTV verrichte und ihm deshalb kein Zuschlag nach § 7 Ziffer 2.2 MTV zustehe. Nach Umstellung des Schichtsystems mit Einführung der Betriebsvereinbarung ab 16.02.2009 sei es zunächst versäumt worden, eine Änderung der Zuschlagszahlungen vorzunehmen. Dieser Fehler sei für die Zuschläge ab September 2010 korrigiert worden. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, überobligatorisch zu vergüten. Ein Anspruch auf Sonntagszuschlag nach dem MTV bestehe nicht. Die Arbeitszeit des Klägers laufe ab Schichtbeginn um 00.00 Uhr am Montag. Das Einstempeln am Gebäudeeingang wenige Minuten vor Mitternacht belege nicht den Arbeitsbeginn am Sonntag, sondern registriere lediglich die Anwesenheit des Klägers. Der Kläger sei weder verpflichtet noch berechtigt, seine Arbeit vor Schichtbeginn aufzunehmen. Der Kläger habe auch keine erforderlichen Rüstarbeiten zu erledigen. Das obliege dem jeweiligen Maschinenführer, der seine Arbeit planmäßig eine halbe Stunde vor Schichtbeginn aufnehme. Der Kläger sei nicht berechtigt, durch einseitiges und eigenmächtiges Vorverlegen seines Arbeitsbeginns einen Anspruch auf Zahlung des Sonntagszuschlags auszulösen. Die Ansprüche für September und Oktober 2010 seien zudem nach § 16 MTV verfallen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger leiste keine zuschlagspflichtige Sonntagsarbeit. Die Nachtschicht beginne in der Nacht von Sonntag auf Montag um 00:00 Uhr, d. h. am Montag. Der Sonntag ende um 24:00 Uhr. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Zahlung des Sonntagszuschlags ergebe sich auch nicht daraus, dass er regelmäßig einige Minuten vor Beginn der Nachtschicht auf dem Betriebsgelände am Eingangstor einstempele. Damit werde nicht der Arbeitsbeginn festgestellt, sondern die Anwesenheit des Klägers. Die Anwesenheitszeit sei jedoch nicht mit der Arbeitszeit gleichzusetzen, zumal nach § 3 Ziffer 6 MTV Umkleidezeit keine Arbeitszeit sei. An dem Ergebnis ändere auch der Vortrag des Klägers nichts, er habe vor Schichtbeginn regelmäßig notwendige Rüstarbeiten vorzunehmen. Nach der geltenden Betriebsvereinbarung beginne die Schicht um 0:00 Uhr. Jeder vorzeitige Arbeitsbeginn würde zwingend eine gesetzliche Ruhepause von 30 Minuten nach sich ziehen oder aber ein früheres Schichtende. Der Kläger könne den Beginn seiner vergütungspflichtigen Arbeit nicht einseitig und abweichend von der Betriebsvereinbarung festlegen.

Gegen das ihm am 20.09.2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 19.10.2011 Berufung eingelegt und diese am 16.11.2011 begründet.

Der Kläger betont auch in der Berufung, dass er vor dem geregelten Schichtbeginn um 0:00 Uhr verschiedene Arbeiten verrichten müsse, damit der Produktionsbetrieb pünktlich beginnen könne. Er erledige die Aufrüstarbeiten und ziehe sich nicht nur um. Deshalb handele es sich um eine zuschlagspflichtige Sonntagsschicht. Das ergebe sich auch daraus, dass die 2. Schicht der 5. Gruppe ihre Arbeit am Sonntag um 3:00 Uhr aufnehme. Nach § 6 Ziff. 3 MTV ende die Sonntagsarbeit daher am Montag um 3:00 Uhr. Sämtliche Tätigkeiten innerhalb dieses Zeitfensters, also auch die des Klägers, seien daher Sonntagsarbeit im Sinne des MTV. Auch an den streitgegenständlichen Tagen habe die 2. Schicht der 5. Gruppe am Sonntag ab 3:00 Uhr gearbeitet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 08.09.2011 - 3 Ca 455 d/11 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger rückständige Vergütung für den Zeitraum September 2010 bis Januar 2011 in Höhe von 267,75 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die Schichtmitarbeiter nähmen ihre Arbeit in der Nachtschicht montags um 0:00 Uhr auf. Nur der Maschinenführer fange 30 Minuten früher an. Der Kläger sei an den fraglichen Tagen frühestens um 23:44 Uhr im Betrieb eingetroffen. Er habe - wenn überhaupt - nur wenige Minuten vor 0:00 Uhr mit der Arbeit beginnen können, denn er müsse sich noch umziehen und zur Maschine gehen. Der Kläger trage auch nicht vor, welche Arbeiten er an den fraglichen Tagen vor 0:00 Uhr verrichtet hat. Bei einem Arbeitsbeginn vor 0:00 Uhr könne die Schichtzeit von 6 Stunden nicht eingehalten werden, weil eine Pause gemacht werden müsse. Aus dem Schichtbeginn der 2. Schicht der 5. Gruppe am Sonntag um 3:00 Uhr könne der Kläger nicht herleiten, dass er Sonntagsarbeit leiste. In den Genuss des Zuschlags sollten nur die Schichten kommen, die ihre Arbeit tatsächlich am Sonntag beginnen. Die 5. Gruppe der Lackiererei sei nicht die "erste Schicht" für den Kläger in der Druckerei.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der Berufung wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung des Klägers ist statthaft (§ 64 Abs. 2 a) ArbGG). Die Berufung ist zulässig, insbesondere hat der Kläger sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. In der Sache hat die Berufung teilweise Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der begehrten Sonntagszuschläge für die am 19.09.2010 gearbeiteten Stunden. Für die weiteren streitbefangenen Tage kann er nur für die Zeit von 0:00 bis 03:00 Uhr Sonntagszuschlag verlangen, nicht aber für die Zeit ab 03:00 Uhr.

1. Ein Anspruch auf Zahlung von Sonntagszuschlag gem. § 7 Ziff. 2.2 a) iVm. § 6 Ziff. 3 MTV besteht für den 19.09.2010 schon deshalb nicht, weil eine Geltendmachung nach § 16 Ziff. 1.1, 1.2 MTV ausgeschlossen ist. Der Kläger hat den Sonntagszuschlag für diesen Tag nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 16 Ziff. 1.1 a) MTV schriftlich gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Nach dieser Vorschrift müssen Ansprüche auf Zuschläge aller Art innerhalb von vier Wochen nach Aushändigung oder Zusendung der Entgeltabrechnung, bei der sie hätten abgerechnet werden müssen, geltend gemacht werden.

Der Kläger hat die Abrechnung über die Zuschläge für den Monat September 2010 am 30.10.2010 erhalten. In dieser Abrechnung hätte ein etwaiger Sonntagszuschlag für den 19.09.2010 abgerechnet werden müssen. Die vierwöchige Ausschlussfrist lief danach bis zum 27.11.2010. Der Kläger hat seine Ansprüche aber erst mit Schreiben vom 16.12.2010 geltend gemacht. Diese Geltendmachung wahrt daher erst seine (etwaigen) Ansprüche auf Zuschläge für die Monate ab Oktober 2010. Denn die Zuschläge für den Monat Oktober 2010 sind Gegenstand der Abrechnung vom 30.11.2010.

2. Für die Tage 31.10., 21.11., 12.12.2010, 02.01. und 23.01.2011 kann der Kläger nur jeweils Sonntagszuschlag für die zwischen 0:00 und 3:00 Uhr geleistete Arbeit verlangen. Der Anspruch ergibt sich aus § 7 Ziff. 2.2 a) iVm. § 6 Ziff. 3 MTV.

a) Der Zuschlag für Arbeiten am Sonntag beträgt nach § 7 Ziff. 2.2 a) MTV 50% (des Grundgehalts). Gemäß § 6 Ziff. 3 MTV beginnt die zuschlagspflichtige Sonntagsarbeit mit der ersten Schicht am Sonntag und endet 24 Stunden später. Allerdings kann durch nicht erzwingbare Betriebsvereinbarung der Beginn dieser Zeitspanne auf den Beginn der Nachtschicht des Vortages verlegt werden.

b) Die erste Schicht an den Sonntagen vor dem 31.10., 21.11., 12.12.2010, 02.01. und 23.01.2011 war die 2. Schicht der 5. Gruppe. Diese Schicht war für die Zeit von 03.00 bis 15.30 Uhr eingeteilt. Ihr Schichtbeginn bestimmt, wann die zuschlagspflichtige Sonntagsarbeit beginnt - 3:00 Uhr - und wann sie endet, nämlich 24 Stunden später um 3:00 Uhr am Montag. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrags.

Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung, ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (z. B. BAG 11.11.2010 - 8 AZR 392/09 - NZA 2011, 763; BAG 06.07.2006 - 2 AZR 587/05 - NZA 2007, 16).

Bereits der Wortlaut des § 6 Ziff. 3 MTV spricht dafür, dass der Schichtbeginn der ersten Schicht, die am Sonntag arbeitet, für die Bestimmung des zuschlagspflichtigen Zeitraums maßgeblich ist. In der Vorschrift heißt es, dass zuschlagspflichtige Sonntags- oder Feiertagsarbeit mit der ersten Schicht am Sonntag oder Feiertag beginnt und 24 Stunden später endet. Für die Definition der Sonntagsarbeit wird ohne weitere Einschränkung auf die erste Schicht abgestellt, die am Sonntag ihre Arbeit aufnimmt. Nicht entscheidend ist danach, ob der Anspruchsteller in dieser Schicht arbeitet oder ob seine Schicht mit der ersten des Sonntags "verzahnt" ist. Für derartige Einschränkungen ergeben sich aus dem Tarifvertragstext keine Anhaltspunkte. Gegen eine solche enge Sichtweise spricht zudem, dass der Tarifvertrag einen Zeitraum von 24 Stunden festlegt, der als Sonntagsarbeit gilt, also einen Zeitraum, den die erste Schicht schon wegen der sich aus dem Arbeitszeitgesetz ergebenden Grenzen nicht ausschöpfen kann. Es geht also um eine allgemeine, für alle Mitarbeiter des Betriebes geltende Festlegung des Zeitraums, in dem Arbeit zuschlagspflichtig ist.

Die Bestimmung, was Sonntagsarbeit ist, ist unabhängig davon, wie weit sie in den folgenden Montag hineinreicht. Sie hängt nach dem Tarifwortlaut allein vom Beginn der ersten Schicht ab und errechnet sich dann automatisch. Für den Anspruchsteller, der nicht der ersten Schicht angehört, kommt es maßgeblich darauf an, ob er mit seiner Schicht in dem durch den Schichtbeginn der ersten Sonntagsschicht bestimmten 24 Stundenzeitraum arbeitet.

Die Tarifsystematik führt zu keinem anderen Ergebnis. Der 2. Satz des § 6 Ziff. 3 MTV bestätigt vielmehr, dass es sich um eine Zeitspanne handelt; sie kann durch Betriebsvereinbarung abweichend von der Regel des Satzes 1 festgelegt werden. Wenn die Betriebsparteien von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, bestimmen sie über die zeitliche Lage des 24-Stundenzeitraums innerhalb dessen für Arbeit Sonntagszuschlag gezahlt wird.

Im vorliegenden Fall haben die Betriebsparteien den Beginn der Zeitspanne nicht auf den Beginn der Nachtschicht des Vortags festgelegt. Die Vertreter der Beklagten haben im Berufungstermin bestätigt, dass die Mitarbeiter, die in der Nachtschicht von Samstag auf Sonntag (16:30 - 03:00 Uhr) gearbeitet haben, nur Nachtzuschläge, nicht aber Sonntagszuschläge erhalten haben. Wäre die Zeitspanne vorverlegt worden, hätten diese Mitarbeiter Sonntagszuschläge erhalten müssen.

Es bleibt daher dabei, dass § 6 Ziff. 3 Satz 2 MTV den zuschlagspflichtigen Zeitraum bestimmt. Daraus folgt im Streitfall, dass der Kläger für die ersten drei Stunden der auf die Sonntage 31.10., 21.11., 12.12.2010, 02.01. und 23.01.2011 folgenden Montage Sonntagszuschlag beanspruchen kann. Für 15 zuschlagspflichtige Stunden ergibt sich bei einem Stundenlohn in Höhe von 17,50 EUR und einem Zuschlag von 50 % ein Betrag von 131,25 EUR brutto. Hiervon ist der unstreitig gezahlte Nachtzuschlag in Höhe von 15 % abzuziehen (39,39 EUR). Es ergibt sich daher eine noch offene Forderung in Höhe von 91,88 EUR brutto.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.

c) Weitere Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu. Insbesondere gilt seine an den streitgegenständlichen Tagen nach 03:00 Uhr geleistete Arbeit nicht als zuschlagspflichtige Sonntagsarbeit.

Aus § 6 Ziff. 3 MTV wird deutlich, dass es für die Frage, ob Sonntagsarbeit geleistet wird, auf den Beginn der (ersten) Schicht und nicht auf den tatsächlichen Arbeitsbeginn des Anspruchstellers ankommt. Denn - wie bereits ausgeführt - beginnt nach dem Tarifvertrag die zuschlagspflichtige Sonntagsarbeit mit der ersten Schicht am Sonntag - hier: 3:00 Uhr - und endet 24 Stunden später, hier um 03:00 Uhr am Montag.

Unabhängig davon wird nicht dadurch, dass der Mitarbeiter bereits am Sonntag eingestempelt oder gearbeitet hat, seine gesamte Schicht zu zuschlagspflichtiger Sonntagsarbeit. Dafür, dass es nicht auf den tatsächlichen Arbeitsbeginn des Anspruchstellers ankommt, spricht mit großer Deutlichkeit der zweite Satz des § 6 Ziff. 3 MTV, der eine Vorverlegung der Zeitspanne auf den Beginn der Nachtschicht des Vortags vorsieht. Auch hier ist maßgeblicher Abgrenzungspunkt der Schichtbeginn und nicht die Arbeitsaufnahme.

Für diese Auslegung streitet ferner das systematische Argument, dass in § 7 Ziff. 2 aE MTV ausdrücklich Fälle geregelt sind, in denen Sonn- und Feiertagszuschläge für Tage vor dem Feiertag vorgesehen sind. Ausnahmsweise erhalten die Mitarbeiter die Zuschläge, obwohl ihre Schicht nicht den Feiertag berührt. Der Fall, dass bei Schichtbeginn am Montag bereits am Sonntag tatsächlich gearbeitet wird, ist nicht in vergleichbarer Weise geregelt.

Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass der Kläger an den streitgegenständlichen Tagen nach 03:00 Uhr keine zuschlagspflichtige Sonntagsarbeit geleistet hat. Bei seiner Schicht handelt es sich ohnehin um keine Sonntagsschicht. Seine Schicht begann in allen Fällen am Montag um 0:00 Uhr. Eine Schicht, die erst am Montag beginnt, und sei es um 0:00 Uhr, ist schon deshalb keine Sonntagsschicht (mehr).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen worden. Die für die Entscheidung des Rec

VorschriftenManteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie für das Tarifgebiet Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern § 6 Nr. 3, Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie für das Tarifgebiet Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern § 7 Nr. 2.2 a), Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie für das Tarifgebiet Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern § 16 Nr. 1.1

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