25.10.2011 · IWW-Abrufnummer 113405
Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 28.07.2011 – II-8 UF 86/11
Zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und deren Übertragung auf einen Elternteil im Verfahren der einstweiligen Anordnung.
Oberlandesgericht Hamm
II-8 UF 86/11
Tenor:
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Ausspruch zur elterlichen Sorge (Ziffer 1. des Beschlusstenors) in dem am 14. März 2011 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht - Borken wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500,00 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Die beteiligten Kindeseltern streiten im Verfahren der einstweiligen Anordnung um das Sorgerecht betreffend ihren am 17.3.2000 geborenen Sohn U F.
Die am 27. Februar 1967 geborene Kindesmutter - von Beruf Diplompsychologin und psychologische Psychotherapeutin - und der am 2. Juni 1967 geborene Kindesvater - von Beruf selbstständiger Landwirt und Kaufmann, der auf seinem Hof einen Mobilheimpark leitet - haben am 29.11.1997 die Ehe geschlossen. Aus der Ehe sind die am 7.4.1998 geborene Tochter Q und der am 17.3.2000 geborene Sohn U hervorgegangen. Während der Ehe lebte die Familie in der Bauernschaft I in H auf einem Hof, auf dem der Kindesvater aufgewachsen war und den er von seinen Eltern geerbt hat. Die Parteien leben seit dem 24.1.2004 voneinander getrennt; an diesem Tage zog die Kindesmutter zusammen mit ihren Kindern aus dem Hof aus und nahm eine eigene Wohnung in H. In der Folgezeit hielten sich die Kinder zunächst alle zwei Wochen von Samstag 10:00 Uhr bis Mittwochnachmittag bei ihrem Vater auf, während sie in der übrigen Zeit bei der Mutter waren. Die Ehe der Kindeseltern wurde durch Urteil vom 5.7.2005, rechtskräftig seit dem 9.8.2005, geschieden. Der Kindesvater lebt inzwischen zusammen mit seiner Lebensgefährtin Frau C auf seinem Hof.
Im Januar 2005 leitete der Kindesvater ein Verfahren zur Regelung des
Aufenthaltsbestimmungsrechtes für seine Kinder ein. In jenem Verfahren beschloss das Amtsgericht am 8.4.2005 die Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens durch die Sachverständige L H. Diese teilte unter dem Datum des 17.10.2005 mit, die Eltern hätten in einem mit ihr geführten Gespräch am 6. Oktober 2005 eine Einigung dahingehend erzielt, dass die elterliche Sorge weiterhin gemeinsam ausgeübt werde und keine gerichtliche Regelung erfolgen solle. Die Kinder sollten sich entsprechend dieser Einigung zukünftig 14-tägig von Freitag 15:00 Uhr bis zum folgenden Mittwoch 15:00 Uhr sowie in der Woche, in der sie bei der Mutter seien, dienstags nach der Schule bis zum Abend sowie die Hälfte der Ferienzeit sowie an einem der hohen Feiertage beim Vater aufhalten. Daraufhin erklärten die Kindeseltern dieses gerichtliche Verfahren für erledigt.
In einem unter dem Aktenzeichen 35 F 32/05 AG Borken anhängigen Verfahren stritten die Kindeseltern über die Zahlung von Kindes- und Ehegattentrennungsunterhalt. In diesem Rechtsstreit schlossen sie am 7.6.2005 einen umfassenden Scheidungsfolgenvergleich, mit dem sie unter anderem auch die Zahlung von nachehelichem Unterhalt und Kindesunterhalt regelten. In einem im Jahre 2010 anhängig gemachten weiteren Verfahren beantragte der Kindesvater eine Abänderung dieser Verpflichtung zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt, da er meinte, nach den Änderungen des Unterhaltsrechtes zum 1.1.2008 sei er zur Zahlung von Unterhalt nicht mehr verpflichtet. In der in diesem Verfahren anberaumten mündlichen Verhandlung wies das Gericht darauf hin, dass sein Abänderungsantrag wohl ohne Erfolg sei und unterbreitete einen Vergleichsvorschlag. Der Kindesvater lehnte den Vergleichsvorschlag ab und erklärte aufgebracht, er erwarte nunmehr, dass die Kindesmutter U, der sich zu diesem Zeitpunkt bei ihm aufhielt, noch heute Mittag abhole. Er werde sich zukünftig nicht mehr um seine Kinder kümmern und sich darum bemühen, "das Sorgerecht los zu werden". Den Einwand des Gerichts, er sei insofern sicherlich aktuell sehr aufgeregt und solle sich sein weiteres Verhalten seinem Kind gegenüber noch einmal gut überlegen, wies der Kindesvater zurück und beharrte auf seiner Erklärung. Nach dem Termin forderte der Kindesvater U dann dementsprechend auf, er solle seine Sachen packen, die Kindesmutter würde ihn abholen. U rief darauf um 14:00 Uhr seine Mutter an, weinte, war wütend und erklärte, er sei mit einer Abholung nicht einverstanden. Noch am selben Tag und an den folgenden Tagen wechselten die Kindeseltern mehrere SMS, in denen sie wechselseitige Vorwürfe erhoben. Die Kindesmutter bezichtigte den Vater, U gegen sie aufzubringen, und forderte ihn auf, mit ihr eine Vereinbarung über die Abholung des Jungen zu treffen. Der Kindesvater teilte mit, dass er zu seiner Erklärung in der mündlichen Verhandlung stehe und keinerlei Verantwortung mehr für die Kinder übernehme. Er warf der Kindesmutter "geldgeiles Verhalten" vor, das gegenüber den Kindern verantwortungslos sei, und lehnte eine Vereinbarung über die Abholung von U ab. Am Folgetag ließ der Kindesvater durch seinen Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter verbieten, seinen Grundbesitz zu betreten. U drohte der Kindesmutter per SMS an, er werde mit dem Luftgewehr auf sie schießen, wenn sie versuchen sollte, ihn beim Kindesvater abzuholen. Auch unter Mithilfe eines Nachbarn konnte eine Rückführung U in den mütterlichen Haushalt am selben Tag nicht mehr vermittelt werden. Am Abend brachte der Kindesvater den Sohn schließlich doch zur Kindesmutter.
Seit der zweiten Hälfte des Monats Februar 2011 hielt sich U wiederum ständig im Haushalt des Kindesvaters auf und lehnte jeden Kontakt zur Mutter ab. Q hingegen lehnte bereits einige Zeit zuvor den regelmäßigen Umgang mit dem Kindesvater ab; Kontakte zwischen beiden fanden deshalb zur damaligen Zeit nur noch gelegentlich statt.
Mit Schriftsatz vom 23.2.2011 leitete die Kindesmutter daraufhin ein Verfahren auf Regelung der Umgangskontakte durch einstweilige Anordnung ein, in dem sie beantragte, dass der Umgang des Kindesvaters mit dem Sohn U einstweilen ausgesetzt werde. Zur Begründung f ührte sie aus, Q besuche den Antragsgegner bereits seit längerer Zeit nicht mehr, wohingegen der Umgang mit U vom Grundsatz her noch so praktiziert worden sei wie zuvor und eine Mediation erfolglos abgebrochen worden sei. Nunmehr halte sich U jedoch ohne ihre Zustimmung ständig beim Kindesvater auf und werde von diesem massiv manipuliert. U habe ihr gegenüber geäußert, der Kindesvater habe ihm erklärt, dass er - U - sich zukünftig nicht mehr bei seinem Vater aufhalten könne, weil sie - die Kindesmutter - jetzt das ganze Geld bekomme. Er setze U überhaupt keine Grenzen und kümmere sich nicht darum, dass U seine Hausaufgaben erledige, wenn er sich im väterlichen Haushalt aufhalte. Der Antragsgegner sei zudem im Besitz von Waffen und es bereite ihr große Sorgen, dass U geäußert habe, mit dem Luftgewehr auf andere Personen zu schießen.
Der Antragsgegner ist dem Begehren entgegengetreten und weist die Vorwürfe der Kindesmutter gegen ihn als unzutreffend zurück. Er führt aus, die Kindesmutter manipuliere ihrerseits die Kinder. U halte sich bereits seit langen deshalb mehr bei ihm als bei der Kindesmutter auf, er fühle sich auf dem Hof richtig wohl. U versuche bereits seit Monaten seiner Mutter zu erklären, dass er lieber bei ihm leben wolle. Die Kindesmutter bestehe jedoch auf der Einhaltung der Elternvereinbarung vom 6.10.2005, deren Missachtung im Hinblick auf Q sie billige. Durch ihr striktes Beharren auf diesen Regeln übe sie einen solchen Druck auf den Jungen aus, dass dieser es zeitweise nicht mehr aushalte. U Verhalten ihr gegenüber habe sie selbst dadurch herbeigeführt, dass sie Diskussionen mit ihm über einen Wechsel in den väterlichen Haushalt ablehne. Er habe mit U auch nicht über die gerichtlichen Auseinandersetzungen mit der Mutter gesprochen und ihn auch nicht in einen Loyalitätskonflikt gedrängt. Er gehe davon aus, dass die Kindesmutter Q bereits massiv negativ gegen ihn beeinflusst habe. Auch habe die Kindesmutter erhebliche Probleme mit beiden Kindern.
In einem vom Amtsgericht auf den 10.3.2011 anberaumten Termin wurden die Kindeseltern persönlich zu verschiedenen Aufenthalts- und Umgangsmodellen angehört, wobei eine gütliche Einigung nicht zu Stande kam. Die Kindesmutter beantragte daraufhin, ihr die elterliche Sorge für U zur alleinigen Ausübung zu übertragen und den Antragsgegner zu verpflichten, den Sohn an sie herauszugeben, sowie den Umgang mit dem gemeinsamen Sohn dahin zu regeln, dass Umgangskontakte mit U nur noch am Wochenende von Freitag 15:00 Uhr bis Sonntag 18:00 Uhr jeweils 14-tägig stattfinden. Demgegenüber beantragte der Antragsgegner, die Anträge zurückzuweisen und das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Sohn auf ihn zu übertragen. Weiterhin beantragten die Beteiligten, dass über ihre jeweiligen Anträge im einstweiligen Anordnungsverfahren entschieden werden solle. Aufgrund dieser Erklärungen leitete das Amtsgericht zwei weitere einstweilige Anordnungsverfahren betreffend das Sorgerecht sowie die Herausgabe ein und verband anschließend alle Verfahren mit Einschluss des bereits vorher anhängigen Umgangsverfahrens zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung miteinander.
Rechtsanwältin F als Verfahrensbeistand teilte am 14.3.2011 mit, sie habe U bei seinem Vater besucht. U habe geäußert, er würde am liebsten für immer bei seinem Vater bleiben und höchstens mal einen Tag zu seiner Mutter gehen. Zwischen seinen Eltern gebe es immer Streit, diese würden nicht mehr normal miteinander reden. Von der Kindesmutter habe sie erfahren, dass Q ihren Vater nicht mehr besuchen wolle, seit dieser an Q Geburtstag plötzlich seine neue Lebensgefährtin vorgestellt habe, was Q sehr gekränkt habe. Darauf habe der Vater mit wenig Verständnis reagiert und ihr gesagt, dann brauche sie gar nicht mehr zu kommen. Q leide immer noch unter der erlebten Abweisung ihres Vaters und habe nur noch gelegentlich Kontakt zu diesem, besuche ihn aber nicht mehr über das Wochenende. Zusammenfassend sei festzustellen, dass U ohne Zweifel eine enge Beziehung zum Vater habe, wohl auch eine gute zu seiner Mutter, auch wenn er im Moment etwas anderes erzähle, um seinen Verbleib beim Vater zu begründen.
Das Amtsgericht hat U am 11.3.2011 persönlich angehört. Hierbei erklärte U, seine Mutter sei doof und habe ihn nicht zu seinem Vater gehen lassen, obwohl er dorthin gewollt habe. Sein Vater lebe auf einem schönen Bauernhof und er spiele dort sehr gerne mit seinen Freunden. Er habe nicht mit seinem Vater über den Verlauf des letzten Verhandlungstermins gesprochen.
Mit am 14.4.2011 erlassenen Beschluss in allen drei Verfahren hat das Amtsgericht die elterliche Sorge für U im Wege der einstweiligen Anordnung auf die Mutter übertragen und den Vater im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, U bis zum 18.3.2011 an die Kindesmutter herauszugeben. Weiterhin hat es den Umgang des Kindesvaters mit seinem Sohn einstweilen dahingehend geregelt, dass ein Umgang alle 14 Tage von Freitag 15:00 Uhr bis Sonntag 18:00 Uhr stattfinden solle. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge sei erforderlich, da es an einer tragfähigen sozialen Beziehung zwischen den Eltern fehle und diese in Kindesfragen nicht kooperationsfähig seien. Ihre Kommunikation sei derzeit ausschließlich von wechselseitigen schweren Vorwürfen gekennzeichnet; im gerichtlichen Anhörungstermin sei es dem Kindesvater noch nicht einmal möglich gewesen, mit der Kindesmutter Blickkontakt aufzunehmen. Es entspreche dem Kindeswohl U, das Sorgerecht für diesen auf die Kindesmutter zu übertragen. Nach den bisherigen Ermittlungen beständen Anhaltspunkte dafür, dass die Erziehungseignung des Kindesvaters erheblich eingeschränkt sei. Dieser sei unbeherrscht und impulsiv, was sich schon in dem vorausgegangenen Unterhaltsabänderungsverfahren gezeigt habe. Er habe sich auch am 10.3.2011 der Einlasskontrolle beim Amtsgericht widersetzt und den hiermit beauftragten Wachtmeister beleidigt, ebenso in einem früheren Verhandlungstermin den damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter. Er sei in hohem Maße auf seine eigenen Befindlichkeiten fixiert und ignoriere die Auswirkungen seines Tuns auf seine Kinder bzw. könne diese nicht erkennen. Mit seiner aus Verärgerung über den Verlauf des Unterhaltsabänderungsverfahrens erfolgten Aufforderung an seinen Sohn, seine Sachen zu packen, habe er diesen eingeschüchtert und unter Druck gesetzt, sich in dem aufgrund des bereits langfristig bestehenden Elternkonfliktes laufenden Verfahren für ihn und gegen die Mutter zu entscheiden. Mit seiner Weigerung, mit der Kindesmutter betreffend U irgendwelche Absprachen zu treffen, habe er seinen Sohn instrumentalisiert, um der Kindesmutter zu schaden. Er habe versucht, U Aufenthaltsort eigenmächtig zu ändern. Das Gericht sei auch davon überzeugt, dass der Kindesvater U gegen seine Mutter beeinflusst habe. So habe U auch gegenüber dem Verfahrensbeistand geäußert, sein Vater meine, seine Mutter bekomme zu viel Geld, mehr als er bezahlen könne, und das, obwohl sie mehr verdiene als er. Im Anhörungstermin sei der Kindesvater argumentativ kaum erreichbar gewesen, habe auf seiner Sicht der Dinge beharrt und abweichende Vorstellungen nur wenig gelten lassen. Demgegenüber habe das Gericht keine Einschränkungen der Erziehungsfähigkeit bei der Kindesmutter feststellen können, insbesondere hätten sich keine objektivierbaren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass diese ihre Kinder negativ gegen den Kindesvater beeinflusse. Auch sei davon auszugehen, dass die Kindesmutter die Bindungen U an seinen Vater in ausreichendem Maße tolerieren könne; diese habe selbst eingeräumt, dass sich U gerne bei seinem Vater aufhalte. Neben der nach den bisherigen Ermittlungen gr ößeren Erziehungseignung der Kindesmutter und deren Bindungstoleranz spreche für eine Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf sie auch, dass die Beziehung U zu seiner im Haushalt der Mutter lebenden Schwester Q so besser aufrechterhalten werden könne. Der von U geäußerte Wille, zukünftig bei seinem Vater leben zu wollen, stehe schließlich der getroffenen Entscheidung nicht entgegen. U geäußerte Ablehnung erscheine nur vordergründig und keineswegs unüberwindlich, da dieser keinerlei konkrete Versäumnisse der Mutter benannt habe. Die Kundgabe der negativen Einstellung zur Kindesmutter beruhe nach Einschätzung des Gerichtes zum einen auf dem manipulativen Verhalten des Kindesvaters, zum anderen darauf, dass U zur Lösung des Loyalitätskonfliktes, in den er sich durch den vom Vater aktuell eskalierten Elternkonflikt gedrängt sehe, meine, sich für einen und gegen den anderen Elternteil entscheiden zu müssen. Aufgrund der nach den bisherigen Ermittlungen erheblich eingeschränkten Erziehungseignung des Kindesvaters sei der geäußerte Wille U mit dessen Wohl nicht vereinbar.
Da das Sorgerecht auf die Kindesmutter zur alleinigen Ausübung übertragen wurde, sei der Kindesvater auch gemäß § 1632 Abs. 1 BGB verpflichtet, das Kind an die Kindesmutter herauszugeben. Schließlich sei der Umgang des Kindesvaters mit dem Kind gemäß § 1684 BGB zu regeln. Ein Umgangsausschluss oder die Anordnung lediglich begleiteter Umgangskontakte würde die Beziehung U zum Kindesvater beeinträchtigen, die auch nach Einschätzung selbst der Kindesmutter erhebliche und vielfältige positive Aspekte aufweise.
Beim Amtsgericht Borken ist ein Hauptsacheverfahren betreffend das Sorgerecht für das Kind U (35 F 21/ 11 AG Borken) anhängig. In diesem Verfahren ist der Sachverständige Dr. C2 mit der Erstellung eines familienpsychologischen Gutachtens zur Frage der Sorgerechtsausübung beauftragt worden, das allerdings noch nicht vorliegt.
Am 18. März 2011 wurde U in den Abendstunden vom Vater zur Kindesmutter zurückgebracht und hält sich seitdem in deren Haushalt auf.
Mit seiner gegen die amtsgerichtliche Entscheidung betreffend die Sorgerechtsübertragung auf die Kindesmutter rechtzeitig eingelegten Beschwerde führt der Antragsgegner aus, die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung lägen nicht vor. Es müsse nämlich ein dringendes Bedürfnis für ein unverzügliches Einschreiten des Gerichtes deshalb bestehen, weil die Hauptsacheentscheidung bzw. endgültige Entscheidung sonst zu spät käme. Werde das Kind von seiner Hauptbezugsperson getrennt, müssten massiv belastende Ermittlungsergebnisse bestehen und ein hohes Gefährdungspotenzial für das Kind vorhanden sein. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Eine Gefährdung des Kindeswohls sei nicht zu bejahen, weshalb es auch nicht gerechtfertigt sei, dass das Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung entschieden habe. Die angefochtene Entscheidung verbessere die Situation des Kindes nicht. Die Kindeseltern hätten sich nach ihrer Trennung auf ein Wechselmodell geeinigt, wobei sich Q später entschlossen habe, ständig bei ihrer Mutter zu wohnen. Dies habe er schweren Herzens ohne Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes und des Gerichtes respektiert. U habe sich jedoch sehr oft bei ihm aufgehalten und bis zum 25.9.2010 nahezu täglich. Gleichwohl habe er diesen ständig angehalten, die Mutter zu besuchen. Wenn das Kind dies nicht getan habe, sei dies nicht auf sein Verhalten zurückzuführen. Im Hinblick auf die erhebliche Ausweitung des Aufenthaltes von U bei ihm habe er es für angemessen gehalten, den Kindesunterhalt zu kürzen, weshalb auch ein Abänderungsverfahren anhängig sei. Seit der Kürzung hätten die Versuche der Kindesmutter begonnen, U zu veranlassen, nicht mehr bei ihm zu leben. Wenn in den letzten Jahren keine Gefährdung des Kindeswohls bestanden habe, wenn U mehr bei ihm als bei der Antragstellerin gelebt habe, hätte der Antrag der Antragstellerin schon keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Für U jedenfalls sei er die Hauptbezugsperson und dieser habe sich ausdrücklich mehrfach dafür ausgesprochen, bei ihm leben zu wollen. Der Wille des Kindes sei stabil und autonom, entspreche auch dem Kindeswohl und sei nicht durch ihn beeinflusst. U werde erheblich psychisch belastet, wenn er nicht bei seinem Vater leben dürfe und nun auf äußeren Druck hin bei seiner Mutter leben müsse. Jener finde es ungerecht, dass seine Schwester Q sich selbst dafür entscheiden könne, wo sie leben wolle, er hingegen nicht. U verfüge über die psychischen Kompetenzen, einen autonomen und stabilen Willen zu haben und äußern zu können. Deshalb sei ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen; eine gegenteilige Entscheidung sei mit dem Persönlichkeitsrecht des Kindes und des Vaters nicht zu vereinbaren. Hierdurch würde das Kind dauerhaft einer Konfliktsituation ausgesetzt, die es nicht bewältigen könnte. Angesichts des Alters des Kindes sei auch davon auszugehen, dass dessen Wille sehr bewusst sei und die Blockadehaltung der Mutter keinen Sinn mache. Die Antragstellerin sei aufgrund ihrer Ausbildung in der Lage, sich Dritten und dem Gericht gegenüber sehr positiv darzustellen. Sie sei jedoch nicht in der Lage, die wahren Bedürfnisse von U zu erkennen, darauf einzugehen und eigene Bedürfnisse zurück zu stellen. Er habe auch den Eindruck gehabt, dass das Gericht ihm gegenüber negativ eingestellt gewesen sei, worauf er hilflos reagiert habe. Die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge sei jedenfalls nicht gerechtfertigt, insbesondere lägen nicht die Voraussetzungen für eine Entziehung seines Sorgerechts vor. Die Kindeseltern seien in der Lage, ihre Streitigkeiten von der gemeinsamen Elternschaft abzugrenzen. Sie verfügten auch über das zur Aufrechterhaltung der gemeinsamen Sorge erforderliche Maß an Verständigung, wobei ein gänzlich streitfreies Verhältnis der Eltern zueinander nicht Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge sei. Es könne zwar sein, dass ihre Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft verbesserungsbedürftig sei; gleichwohl sei nicht erkennbar, dass sich das Verhältnis der Eltern bislang negativ auf das Wohl von U ausgewirkt habe. Seitdem U wieder bei der Mutter sei, weine er ständig und sei tief traurig.
Der Antragsgegner beantragt,
abändernd den Antrag der Kindesmutter zurückzuweisen und ihm einstweilen das Aufenthaltsbestimmungsrecht für U zu übertragen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen des Antragsgegners entgegen und führt aus, der gewöhnliche Aufenthalt U habe entsprechend der Elternvereinbarung allein bei ihr gelegen, trotzdem habe sich der Antragsgegner geweigert, U an sie herauszugeben. Er sei nicht berechtigt gewesen, die Elternvereinbarung einseitig aufzukündigen und Fakten zu schaffen. Sie selbst habe ihre Arbeitszeiten infolge des amtsgerichtlichen Beschlusses verändert, arbeite nunmehr jeden Vormittag und sei gegen 13:30 Uhr zuhause. U besuche alle 14 Tage von Freitag bis Sonntag seinen Vater, eine Kommunikation hierüber finde aber zwischen den Eltern nicht statt. Dies habe zum Beispiel das Ergebnis, dass sie nicht darüber informiert werde, wenn U eher nachhause gebracht werde. U habe eine gute Beziehung zu ihr, selbst wenn er sich teilweise anders geäußert habe. Wenn zum Beispiel Auseinandersetzungen zwischen ihr und U über schulische oder häusliche Verpflichtungen entständen, äußere jener wiederholt, in den Haushalt seines Vaters wechseln zu wollen. Dies deute aber nicht auf den Willen U hin, dauerhaft im Haushalt des Antragsgegners leben zu wollen, sondern nur auf seine Möglichkeit, unbequemen Verpflichtungen zu entgehen und sich entsprechend dem Wunsche des Vaters zu positionieren. Es sei nicht richtig, dass U tief traurig sei und ständig weine, es gehe U vielmehr gut. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei auch dringend geboten gewesen, da der Antragsgegner U manipuliert und mit falschen Behauptungen über sie verängstigt habe. Insbesondere die Lebensgefährtin des Kindesvaters schreibe diesem auch weiterhin zahlreiche SMS mit dem Inhalt, dass sie beide ihn vermissen würden. Durch derartige Äußerungen wachse der Druck auf U, sich für seinen Vater zu entscheiden, damit dieser nicht unglücklich und traurig sei, womit der freie Kindeswille manipuliert werde. Das Verhältnis zwischen Q und ihrem Vater sei gänzlich anders; der Vater habe gleich die Weigerung Q, ihn weiterhin zu besuchen, akzeptiert und keinen Versuch unternommen, mit seiner Tochter in Kontakt zu treten und die Beziehung zu verbessern. Nach dem Kontaktabbruch habe er im Übrigen sofort Fakten geschaffen, indem er Q untersagt habe, sein Pferd wie bislang zu reiten. Auch sei deren bisheriges Kinderzimmer beim Vater aufgelöst worden. Der Kindesvater habe bei seiner Anhörung keinerlei akzeptable Vorschläge dazu gemacht, wann Umgangskontakte zwischen ihr und U stattfinden könnten, wenn dieser weiterhin in seinem Haushalt verbliebe.
Seit Jahren beständen keinerlei Kontakte zwischen den Kindeseltern, es fände keine Kommunikation zwischen ihnen statt. Eine gelebte gemeinsame elterliche Sorge setze jedoch voraus, dass der Antragsgegner überhaupt in der Lage und bereit sei, positive Anteile bei ihr zu sehen und zu akzeptieren, dass U gerne bei ihr lebe und eine gute Beziehung und Bindung zur Mutter habe.
Der Verfahrensbeistand hat in seiner Stellungnahme vom 15.6.2011 mitgeteilt, U äußere weiterhin den Wunsch, bei seinem Vater leben zu wollen. Bei der Mutter gefalle ihm nicht so gut, dass er hier weniger Freizeit und mehr Pflichten habe und diese ihn auch weniger fernsehen lasse als der Vater. Nach ihrem Eindruck habe sich die Situation für U insgesamt jedoch entspannt. Es sollten deshalb die momentan sehr klar geregelten Aufenthalts- und Umgangsregelungen bis zum Abschluss der Begutachtung beibehalten werden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Berichterstattervermerk zur Senatssitzung vom 22.6.2011 verwiesen.
II.
Gemäß Art. 111 FGG-RG sind auf das vorliegende Verfahren die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Die demnach gemäß §§ 57 S. 2 Nr. 1, 58 ff FamFG zwar zulässige - insbesondere form- und fristgerecht eingelegte - Beschwerde des Antragsgegners hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat im gegenwärtigen Zeitpunkt zu Recht ein Regelungsbedürfnis bejaht sowie das gemeinsame Sorgerecht für U aufgehoben und dieses einstweilen auf die Kindesmutter zur alleinigen Ausübung übertragen. Nach den im Beschwerdeverfahren gewonnenen Erkenntnissen ist auch der Senat davon überzeugt, dass bei summarischer Prüfung im einstweiligen Anordnungsverfahren – bis zu einer Entscheidung in dem bereits anhängigen Hauptsacheverfahren - die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung derselben auf die Antragstellerin zur alleinigen Ausübung dem Wohle des Kindes U am besten entspricht.
1. Regelungsgrundlage für die zu treffende Entscheidung zum Sorgerecht ist § 1671 BGB. Hiernach ist Tatbestandselement für eine Übertragung des Sorgerechtes auf einen Elternteil allein ein nicht nur vorübergehendes Getrenntleben der Eltern sowie ein dahingehender Antrag des das alleinige Sorgerecht begehrenden Elternteiles. Dem Antrag ist grundsätzlich stattzugeben, soweit entweder der andere Elternteil zustimmt - eine derartige Zustimmung liegt hier nicht vor - oder zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge in diesem Teilbereich und dessen Übertragung gerade auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Maßgebliche Kriterien im Rahmen dieser im Kindeswohl zu treffenden Entscheidung sind zum einen die Prognose, ob ein gemeinsames Sorgerecht auch zukünftig weiter funktionieren wird oder nicht, sowie weiterhin - bei einer erforderlichen Aufhebung des bisher bestehenden gemeinsamen Sorgerechtes im Kindeswohlinteresse - die Erziehungseignung der Eltern, die Bindung des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität, die Geschwisterbindung und die Beachtung des Kindeswillens. Darüber hinaus ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend um ein einstweiliges Anordnungsverfahren handelt, in dem nur eine summarische Prüfung der materiellen Rechtslage erfolgen kann (vergleiche Keidel-Giers, FamFG, 16. Auflage, § 49 Randziffer 10; Musielak/ Borth, FamFG, § 49 Randziffer 5). Grundsätzlich besteht für das Verfahren der einstweiligen Anordnung das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache.
2. Ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden des Gerichts ist vorliegend gegeben. Dieses ergibt sich zunächst daraus, dass sich die Kindeseltern - die beide noch das Sorgerecht gemeinsam ausüben - über den weiteren Aufenthaltsort ihres Kindes völlig uneins sind, so dass im Kindeswohlinteresse eine sofortige Regelung zu dieser Frage zu erfolgen hat. Ein ungeregelter Zustand bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens ist angesichts des erheblichen Konflikts der Kindeseltern nicht hinnehmbar; diese Einschätzung wird von den Kindeseltern letztlich auch geteilt, was sich schon in ihren gegenläufigen Begehren zeigt . Wenn der Streit der Kindeseltern ohne eine auch nur vorläufige Regelung bis zur Vorlage des in der Hauptsache in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens und der auf dessen Grundlage erfolgenden Gerichtsentscheidung, dies möglicherweise wiederum erst nach zwei Instanzen, weiterginge, würde das Kind hierdurch möglicherweise in seiner Entwicklung schwer geschädigt werden. Die Erstellung eines familienpsychologischen Gutachtens erfordert einen längeren Zeitraum, muss deshalb dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben und wird dann bei der zu treffenden endgültigen Entscheidung auch zu berücksichtigen sein. Ein mehrfacher Wechsel des Kindes bis zu dieser endgültigen Entscheidung - der ohne eine vorübergehende gerichtliche Regelung kaum zu verhindern wäre, wie die Vergangenheit gezeigt hat - würde dem Kindeswohl in starkem Maße abträglich sein. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang darauf abstellt, dass eine Gefährdung U bei einem Aufenthalt im Haushalt des Antragsgegners nicht gegeben wäre und Grundsätze der Verhältnismäßigkeit gegen eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge bereits im jetzigen Zeitpunkt sprechen würden, kommt es aus den vorstehenden Gründen hierauf nicht an. Denn aus den aufgezeigten Gründen ist eine sofortige Entscheidung zur Vermeidung schwerwiegender Nachteile für das Kindeswohl angesichts des Verhaltens der Kindeseltern erforderlich. Eine mildere Maßnahme, die zur Vermeidung einer Kindeswohlgefährdung im jetzigen Stadium geeignet wäre, besteht vor dem Hintergrund des ausufernden Streites der Kindeseltern nicht. Auch eine Übertragung allein des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf die Kindesmutter würde angesichts dieser Zerstrittenheit der Kindeseltern nicht ausreichen, da jegliche Kooperationsfähigkeit auf Elternebene im gegenwärtigen Zeitpunkt fehlt, wie nachfolgend noch dargelegt wird.
Mithin bedarf es auch keiner näheren Ausführungen dazu, dass das gemeinsame Sorgerecht bezüglich des Kindes U nicht mehr funktioniert und somit im einstweiligen Anordnungsverfahren aufzuheben ist.
3. Ist somit von der Erforderlichkeit der Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechtes auszugehen, so liegt es gegenwärtig im Wohl des Kindes U, vorläufig weiter im Haushalt seiner Mutter zu leben und dieser auch das (umfassende) Sorgerecht für U zur alleinigen Ausübung zu übertragen.
a) Im Hinblick auf das Kontinuitätsprinzip ergibt sich - bezieht man dieses allein auf die Person des Elternteils - möglicherweise keine Präferenz zu Gunsten eines Elternteils. Jedenfalls behauptet der Kindesvater, U in früherer Zeit während der Arbeitszeit seiner Mutter überwiegend betreut zu haben und auch sonst viel für das Kind da gewesen zu sein, da er auf dem Hof nicht weiter beschäftigt gewesen sei. Dies bestreitet die Kindesmutter und behauptet, die beiden gemeinsamen Kinder ganz überwiegend allein - jedenfalls soweit sie nicht wegen ihrer Berufstätigkeit abwesend gewesen sei - betreut zu haben. Bezieht man das Kontinuitätsprinzip gerade auf die Örtlichkeit und die Umgebung, in der U aufgewachsen ist, dürfte allerdings davon auszugehen sein, dass das Kind auf dem Hof seines Vaters seine Heimat hat und auch offenbar immer wieder dorthin strebt.
b) Zu der grundsätzlichen Erziehungsfähigkeit der Kindeseltern liegen bisher keine
gesicherten familienpsychologischen Erkenntnisse vor. Im Ergebnis dürfte allerdings dem Amtsgericht insoweit zuzustimmen sein, als dieses den Kindesvater als des Öfteren unbeherrscht und impulsiv eingeschätzt hat. So hat er aus Wut über sein Unterliegen im Abänderungsverfahren gegenüber dem Gericht erklärt, dass er nunmehr mit seinem Sohn nichts mehr zu tun haben wolle. Er hat sich auch der Einlasskontrolle des Amtsgerichts widersetzt und den Wachtmeister beleidigt. Schließlich spricht auch die vorübergehende ablehnende Haltung seiner Tochter, die nicht mehr bei ihm übernachten wollte, für sein unbeherrschtes Verhalten, was sicher einer Erziehungsgeeignetheit entgegenstehen dürfte. Es hat den Anschein, als sei er in hohem Maße auf seine eigene Befindlichkeit fixiert und überdenke nicht in der erforderlichen Weise die Auswirkungen seines Verhaltens auf seine Kinder. Des Weiteren verweigert er offenbar jegliche Absprachen mit der Kindesmutter betreffend das Kind U und ermuntert diesen dadurch, eigenmächtig vorzugehen und bestehende Regelungen zu missachten. Vor diesem Hintergrund spricht im derzeitigen Zeitpunkt - allerdings ohne dass bisher hierzu abschließende gutachterliche Erkenntnisse herangezogen werden können – einiges dafür, dass die Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters nicht unerheblich eingeschränkt ist. Soweit der Kindesvater der Mutter vorwirft, sie beharre auf vereinbarten Regeln, erscheint dies gerade nicht kindeswohlschädigend, sondern ist im Gegenteil notwendiger Bestandteil eines stringenten Erziehungsverhaltens. Es erscheint nicht richtig, mit einem zehnjährigen Kind über die aus dem Elternkonflikt herrührenden Fragen des Aufenthalts, des Umgangs und wohl auch des Unterhaltes zu diskutieren und dem Kind zu gestatten, je nach eigener Befindlichkeit und der Annahme, wo seine eigenen kindlichen Interessen eher durchzusetzen seien, sich für einen Aufenthalt bei seiner Mutter oder seinem Vater selbst zu entscheiden.
c) Die Fähigkeit, das Kind U ausreichend geistig und seelisch zu fördern, ist nach Auffassung des Senates bei der Kindesmutter jedenfalls gegeben. Diese dürfte befähigt sein, U in dessen schulischen Belangen - allein schon von ihrer eigenen Ausbildung her - zu unterstützen und zu fördern. Die Kindesmutter hat nunmehr auch ihre Berufstätigkeit so eingerichtet, dass sie immer ab mittags zuhause ist, wenn U aus der Schule kommt, und so diesen selbst zu betreuen und zu versorgen im Stande ist. Der Antragsgegner ist zwar auf seinem eigenen Hof erwerbstätig und lebt mit einer Lebensgefährtin zusammen, die nach seinen Angaben als freiberuflich Tätige viele Arbeiten von zuhause aus erledigt. Ob vor diesem Hintergrund eine Förderung des Kindes bei einem zukünftigen Aufenthalt bei seinem Vater in gleicher Weise gewährleistet ist, vermag der Senat nach seinen aktuellen Erkenntnisstandes nicht zu beurteilen.
d) Im Rahmen der Beurteilung der Bindungstoleranz beider Elternteile ergeben sich nach dem bisherigen Akteninhalt allerdings deutliche Präferenzen für die Kindesmutter. Während in den gerichtlichen Verfahren immer wieder zu Tage getreten ist, dass der Kindesvater die Kinder gegen die Mutter instrumentalisiert und diese vor den Kindern verächtlich macht und herabwürdigt, scheint dies umgekehrt nicht der Fall zu sein. Offenbar duldet und fördert die Kindesmutter den Umgang des Sohnes mit dem Vater auf dessen Hof in dem Bewusstsein, dass sich ihr Sohn dort gerne aufhält. Dieser Umgang findet auch nach dem aktuellen Überwechseln von U in den Haushalt seiner Mutter inzwischen wieder regelmäßig statt. Zudem hat auch Q den Umgang mit ihrem Vater wieder aufgenommen.
e) Besondere Berücksichtigung verlangen schließlich die gefühlsmäßigen Bindungen des Kindes an Eltern, Geschwister und andere Bezugspersonen. Da U inzwischen 11 Jahre alt ist, kommt seinem eigenen Willen schon eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. Dieser hat sich immer wieder für einen Verbleib auf dem Hof seines Vaters ausgesprochen, fühlt sich aber offenbar aktuell auch wieder bei seiner Mutter wohl. Durchgehend bekundet er allerdings - auch dem Senat gegenüber bei seiner Anhörung -, dass er bei seinem Vater leben wolle. Nach seiner eigenen Bekundung würde er am liebsten ein Wechselmodell pflegen, sich also über einen gleichlangen Zeitraum bei seiner Mutter und seinem Vater aufhalten. Er hat jedoch offensichtlich keine schlechte Beziehung zu seiner Mutter und lehnt diese auch nicht ab. Sein Wille, bei seinem Vater zu leben, richtet sich deshalb nicht gegen seine Mutter, sondern beruht nach Einschätzung des Senats darauf, dass ihm ein Aufenthalt bei seinem Vater mehr Beschäftigungsmöglichkeiten bietet und er den Hof als seine Heimat ansieht. Irgendwelche erheblichen Umstände, die aus seiner Sicht gegen einen Verbleib bei seiner Mutter sprechen könnten, sind von U nicht geäußert worden. Für die Behauptung des Antragsgegners, dass U - seitdem er nun wieder im Haushalt seiner Mutter lebt - ständig weine und tieftraurig sei, liegen hingegen keinerlei Anhaltspunkte vor; auch U hat bei seiner Anhörung durch den Senat weder hiervon gesprochen noch kann aus seinen Erzählungen hierauf geschlossen werden.
Wie stark schließlich die Geschwisterbindung ausgeprägt ist, lässt sich durch den Senat - insbesondere vor dem Hintergrund, dass U in Kenntnis davon, dass seine Schwester auch zukünftig bei der gemeinsamen Mutter leben möchte, sich selbst durchgehend für einen Aufenthalt im Haushalt des Vaters ausgesprochen hat - derzeit nicht beurteilen. Ohnehin dürfte die Geschwisterbindung im hier lediglich vorliegenden vorläufigen Verfahren keine entscheidende Rolle spielen.
f) Entscheidend spricht jedoch auch für einen vorläufigen weiteren Verbleib von U im Haushalt seiner Mutter der Umstand, dass nach ständiger Rechtsprechung des Senates vollzogene amtsgerichtliche Eilentscheidungen zur elterlichen Sorge regelmäßig im Beschwerdeverfahren nur dann abzuändern sind, wenn die Beschwerde Umstände aufzeigt und glaubhaft macht, aus denen sich für den verbleibenden Zeitraum bis zur abschließenden Klärung im Hauptsacheverfahren eine Gefährdung des Wohls des Kindes oder die Gefahr sonstiger schwerwiegender Unzulänglichkeiten für dessen Versorgung ableiten lassen (so auch OLG Dresden MDR 2003,633 = FamRZ 2003,1306). Dies beruht auf den Erwägungen, dass Kindern im Regelfall ein mehrfacher Wechsel zwischen den Eltern nicht zuzumuten ist und dass dadurch das Kindeswohl im Sinne des § 1671 BGB gefährdet wird, solange sich im summarischen Verfahren nicht mit hinreichender Sicherheit ergibt, dass es später ohnehin zu einem Wechsel des Kindes zum anderen Elternteil kommen wird. U lebte seit der Trennung seiner Eltern im Januar 2004 zunächst über mehrere Jahre im Haushalt seiner Mutter, hielt sich aber in sehr umfangreichem Maße - dabei auch immer jeweils über mehrere Tage - auf dem Hof seines Vaters auf. Erst gegen Ende Februar 2011 wechselte er eigenmächtig seinen Aufenthaltsort zum Vater, hält sich jedoch wiederum seit dem 18.03.2011 nunmehr ständig - bis auf Zeiten der Umgangskontakte mit seinem Vater - bei seiner Mutter auf. Sein endgültiger Aufenthalt lässt sich - solange das Hauptsacheverfahren mit dem darin eingeholten familienpsychologischen Gutachten nicht abgeschlossen ist - derzeit noch nicht abschätzen. Bei einem Wechsel U in den Haushalt des Antragsgegners bestände jedoch die Möglichkeit, dass dieser kurzfristig wieder aus dessen Haushalt herausgenommen werden muss, um zur Mutter zurückzukehren. Wie bereits zuvor ausgeführt wurde, sind Anhaltspunkte für eine gegebene Erziehungsungeeignetheit der Kindesmutter oder für eine Gefährdung U bei einem weiteren Aufenthalt in deren Haushalt bis zur endgültigen Entscheidung weder ersichtlich noch werden solche überhaupt von dem Beschwerdevorbringen aufgezeigt.
g) Letztlich erscheint es dem Senat im jetzigen Zeitpunkt zur Vermeidung weiterer Auseinandersetzungen zwischen den Kindeseltern, die dem Kindeswohl abträglich wären, auch erforderlich, im einstweiligen Anordnungsverfahren das Sorgerecht insgesamt - und nicht nur Teilbereiche hiervon - auf die Kindesmutter zu übertragen. Aus der vom Senat durchgeführten Anhörung der Kindeseltern ergibt sich, dass zwischen ihnen seit längerer Zeit schon keine Kommunikation mehr in einem angemessenen Rahmen stattfindet, so dass bei summarischer Prüfung jedenfalls davon aus- gegangen werden muss, dass es im Falle der Übertragung lediglich des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf die Kindesmutter zur alleinigen Ausübung unter Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerechtes im Übrigen zu weiteren streitigen Auseinandersetzungen zwischen den Kindeseltern kommen wird, die sich dann jedoch nachteilig auf das Kindeswohl auswirken.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 87 Abs. 5, 81 FamFG; die Festsetzung des Gegenstandswertes findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 45 Abs. 1,41 FamGKG.