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04.06.2003 · IWW-Abrufnummer 031276

Landgericht Heidelberg: Urteil vom 20.05.2003 – 2 O 100/02

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Geschäftsnummer: 2 0 100/02

Verkündet am 20. Mai 2003

Landgericht Heidelberg

Im Namen des Volkes

Urteil
2. Zivilkammer

In dem Rechtsstreit XXX

wegen Forderung

hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Heidelberg auf die mündliche Verhandlung vom 15. April 2003 durch XXX

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger und Frau D. M., 5.939,33 Euro Zug um Zug gegen Übertragung von zwei Anteilen am XXX zu zahlen.

2. Die Beklagte wird darüber hinaus dazu verurteilt, den Kläger und Frau D. M. von den Verbindlichkeiten gegenüber der Sparkasse P aus den Konten Nr. XXX und XXX ebenfalls Zug um Zug gegen Übertragung von zwei Anteilen am Rhein-Neckar-lmmobilienfonds Nr. 4 GbR freizustellen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist für den Kläger gegen Leistung einer Sicherheit i.H. von 7.500,OO Euro vorläufig vollstreckbar.

T a t b e s t a n d :
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen Falschberatung beim Erwerb von 2 Anteilen am Rhein-Neckar-lmmobilienfonds Nr. 4 GbR im Jahre 1996.

Der Kläger ist Elektroingenieur und selbständig. Seine Ehefrau, D. M., ist Hausfrau. Sie haben drei gemeinsame Kinder. Die Beklagte ist Versicherungs- und Vermögensberaterin. Die Beteiligten kannten sich bereits aufgrund anderweitiger geschäftlicher Kontakte, als der geschäftliche Kontakt im vorliegenden Fall zustande kam.

Im Lauf des Jahres 1996 hatten der Kläger und seine Ehefrau Gespräche mit der Beklagten geführt, da eine weitere Geldanlage geplant war. Der Kläger hatte bereits zuvor über die Beklagte einen Rentenversicherungsvertrag abgeschlossen.

Im Laufe verschiedener Gespräche empfahl die Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau nach der Besprechung verschiedener Anlagemodelle die Investition in den geschlossenen Rhein-Neckar-lmmobilienfonds Nr. 4 GbR, den die XXX mbH aufgelegt hatte. Dieser wurde von der Sparkasse P finanziert. Dem Kläger kam es dabei besonders auf eine langfristige Anlage zur Alterssicherung an. Die Beklagte erhielt vom Kläger und seiner Ehefrau keine Bezahlung für ihre Tätigkeit.

Der Kläger und seine Ehefrau beschlossen nach gründlicher Überlegung, sich mit einem Anteil von 50.000,OO DM an dem lmmobilienfonds zu beteiligen. Am 31.5.1996 unterzeichneten sie eine Beitrittserklärung und ein Angebot zum Abschluss eines Treuhandvertrages.

Es sollte eine Finanzierung i.H. von 55.555,56 DM erfolgen. Dazu schlossen sie mit der Städtischen Sparkasse XX am 1.8.1996 einen Darlehensvertrag (Nr. XXX) über einen Nennbetrag von 42.000,OO DM mit einem Disagio von 4.200,OO DM zu einem Zinssatz von 6,5 % p.a., der bis 30.8.2006 unveränderlich war und einen Darlehensvertrag (Nr. XXX) über einen Nennbetrag von 13.555,36 DM mit einem Disagio von 1.355,56 DM zu einem Zinssatz von 6,O % p.a., der bis zum 30.8.2006 fest bleiben sollte, ab. Außerdem wurde eine Lebensversicherung abgeschlossen, mit der das größere Darlehen schließlich zurückgeführt werden sollte. Das kleinere Darlehen sollte durch jährliche Tilgung zurückgeführt werden.

Ein funktionierender Zweitmarkt für Anteile an geschlossenen lmmobilienfonds existiert nicht. Eine Herauslösung des Kapitals ist nur bei Auflösung des Fonds denkbar.

Der Kläger behauptet,
Die Beklagte sei gegenüber dem Kläger als Beraterin tätig geworden. Sie habe nicht nur lediglich den Vertragsschluss vermittelt, sondern den Kläger und seine Ehefrau ausführlich zu der gewählten Anlageform unterrichtet. Er ist der Meinung, dass damit ein verbindlicher Auskunfts- und Beratungsvertrag zustande gekommen sei. Dass die Beklagte dabei nicht vom Kläger oder seiner Ehefrau bezahlt worden sei, schade nicht, da sie für den Abschluss des Beitrittsvertrages eine lnnenprovision von der Vertriebsgesellschaft erhalten habe.

Sie habe für den Kläger ein schriftliches Beratungsmodell erstellt und diesem ausgehändigt (Anl. KI). Die Beklagte habe, ohne in die Steuerunterlagen des Klägers Einsicht zu nehmen, ein zu versteuerndes Einkommen bei diesem i.H. von 58.000,OO DM als Grundlage für ihre Berechnungen angenommen.

Keiner der Anleger der 5 Rhein-Neckar-lmmobilienfonds habe bis heute irgend eine Form von Überschuss erhalten. Die im Beratungsprotokoll angenommenen Wertsteigerungen der 3 Modellrechnungen könnten nie erreicht werden. Das Fondsvermögen i.H. von 5.001.500,00 DM bestehe nur zu einem Betrag von 3.699.000,OO DM aus Immobilien und 141.500,00 DM aus einer Liquiditätsreserve, die an einer Wertsteigerung teilhaben könnten. Das übrige Vermögen werde für Unkosten verschiedener Art aufgewendet und sei für die Anleger verloren. Dies gelte anteilig auch für den vom Kläger und seiner Ehefrau angelegten Betrag, so dass die Modellrechnungen nicht von einem Anteilswert von 50.000,OO DM für die Wertsteigerung hätten ausgehen dürfen, sondern nur von einem Wert von 38.405,00 DM. Für die mit 3 % Wertsteigerung angenommene Modellrechnung hätte das Fondsvermögen tatsächlich um über 5 % im Wert steigen müssen. Lege man den von der Beklagten angeführten Modellrechnungen den echten Wert der Anteile zugrunde, lasse sich allenfalls bei der von der Beklagten angenommenen Wertsteigerungsalternative von 4 % ab einer Laufzeit von 15 Jahren ein geringfügiger Überschuss erzielen. Im günstigsten Fall sei nach 21 Jahren Laufzeit ein Wertzuwachs von nur 1,73 % p.a. anzunehmen. Dies habe die Beklagte dem Kläger bei der Beratung nicht dargelegt, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen sei.

Der Kläger als auch seine Ehefrau hätten bei den Gesprächen mit der Beklagten die Frage aufgeworfen, ob der Fondsanteil zwischenzeitlich, also vor Ablauf von 21 Jahren verkauft werden könne. Die Beklagte habe geantwortet, dass dies keinerlei Schwierigkeit darstelle. Sie habe gesagt: ?Die Leute stehen Schlange, um solche Beteiligungen zu kaufen". Die Beklagte habe immer wieder die Verkaufbarkeit der Anteile bestätigt. Da die Anteile aber faktisch unverkäuflich seien, sei die Beteiligung für den Kläger ungeeignet, da dieser einmal über den Gesamtbetrag verfügen wolle.

Die Haftungsfreizeichnung auf dem Beratungsprotokoll sei unwirksam, da sie KardinalpfIichten betreffe.

Die Anteile des Klägers hätten in den Jahren 1996 bis 2002 einen Negativsaldo von 5.939,33 Euro erbracht.

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagte wird dazu verurteilt, ? 5.939,33 an den Kläger und Frau D- M. zu bezahlen Zug um Zug gegen Übertragung von zwei Anteilen am Rhein-Neckar-lmmobilienfonds Nr. 4 GbR zu zahlen .

2. Die Beklagte wird dazu verurteilt, den Kläger und Frau D. M., von den Verbindlichkeiten gegenüber der Sparkasse P aus Konto Nr. XXX und XXX zu befreien, ebenfalls Zug um Zug gegen Übertragung von zwei Anteilen am RheinNeckar-lmmobilienfonds Nr. 4 GbR.

3. Hilfsweise: Die Beklagte wird dazu verurteilt, an den Kläger und Frau D. M er Euro 28.405,11, das entspricht einem DM-Gegenwert der Darlehensvaluta in Höhe von DM 55.555,56, zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, Klagabweisung

Die Beklagte behauptet,
Der Rhein-Neckar-lmmobilienfonds durchlaufe zwar wie viele Anlageformen im Immobilienbereich eine schwierige Phase, doch gebe es keine gravierenden Zahlungsausfälle und die Steuerberechnung treffe weitgehend zu.

Der Kläger und seine Ehefrau verfügten über nicht unerhebliches Vermögen. Sie seien in Vermögensdingen umsichtig gewesen und hätten diverse Anlagen vor deren Abschluss immer wohl überlegt im Kreis der Familie besprochen.

Der Kläger und seine Ehefrau seien auf die Beklagte zugekommen und hätten um Vermittlung eines die bereits vorhandene Rentenversicherung ergänzenden Anlageprodukts, das auch einen Steuerspareffekt im Hinblick auf das überdurchschnittliche Einkommen des Klägers vermitteln sollte, gebeten.

Die Beklagte habe Hinweise gegeben, dass ein langfristiger Anlagehorizont anzunehmen sei und habe auf die grundsätzlich kaum bestehenden Verkaufsmöglichkeiten der Anteile hingewiesen und dies zutreffend begründet. Sie habe eine Verkaufbarkeit der Anteile nicht immer wieder mündlich bestätigt. Sie habe deutlich darauf hingewiesen, dass es keinen organisierten Zweitmarkt gebe und eine Veräußerung - wenn überhaupt - nur durch private Initiative möglich sei. Sie habe auch nicht behauptet, dass die Leute Schlange stehen würden, um solche Anteile zu kaufen.

Die Beklagte sei nur vermittelnd, nicht beratend, tätig geworden. Der Kläger habe zudem vor Vertragsschluss einen ausführlichen und zutreffenden Fondsprospekt erhalten. Die Musterberechnung sei kein Beratungsprotokoll und auch nicht von der Beklagten erstellt worden. Diese sei wohl von der Vertriebsgesellschaft erstellt worden. Die darin angenommenen Wertsteigerungsannahmen seien zutreffend. Sie hätten allerdings erkennbar nur Prognosecharakter. Dass die Wertsteigerung auf den gesamten Anlagebetrag ausgerechnet werde, sei nicht zu beanstanden und Üblich. Die Anlage sei für den Kläger auch geeignet, da dieser Steuern sparen und eine langfristige Anlage gewollt habe.

Die Aufstellung des Klägers zu seinen Verlusten lasse die erzielten Steuervorteile außer Betracht. Der Fonds habe im Jahre 1999 über 117.000,OO DM und 1996 bis 1999 insgesamt 400.000,OO DM an die Gesellschafter ausgeschüttet.

Ein Schaden liege nicht vor, da nach der Differenzhypothese ein rechnerisches Minus verbleiben müsse, das der Kläger nicht schlüssig dargelegt habe. Diesem falle zudem ein überwiegendes Mitverschulden zur Last, da der Prospekt ausreichende Informationen enthalte.

Sie wendet zudem Verjährung und Verwirkung bzgl. des Schadensersatzanspruches ein.

Die Kammer hat im Termin vom 15.04.2003 die Zeugin M. vernommen und die Beklagte ausführlich informatorisch zu den Umständen der Gespräche angehört (As. 147). Im übrigen wird bzgl. der weiteren Einzelheiten auf die gewechselten und vorgetragenen Schriftsätze in den Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung wegen falscher Beratung im Vorfeld des Beitritts zum Rhein-Neckar-Immobilienfond-Nr.4.

Der Anspruch ist nicht verjährt. Der Anspruch unterlag der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 EGBGB ist ab dem I.2002 die kürzere Frist nach der Schuldrechtsreform maßgeblich, die ab dem 1.1.2002 zu laufen beginnt, wenn nicht die ursprüngliche Verjährungsfrist früher enden würde. Hier würde damit Verjährung erst mit Ablauf des 31.12.2004 eintreten. Für eine analoge Anwendung der § 37a WphG, §§ 47, 77 BörsenG etc. ist hier kein Raum (vgl. BGH, NJW 1999, 1540; NJW 1984, 2524). Auch die Bestimmungen im Fondsprospekt lassen sich hier nicht heranziehen - auch nicht analog - da diese ausdrücklich nur zwischen dem Kläger und der Fondsgesellschaft gelten und auf die dortigen Bedürfnisse und Risikoverteilungen zugeschnitten sind.

Auch eine Verwirkung der Ansprüche ist nicht gegeben. Dazu hätte der Kläger in Kenntnis seiner Ersatzansprüche diese über eine erhebliche Zeit bewusst nicht geltend machen müssen. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, ab wann der Kläger sichere Kenntnis der von ihm vorgetragenen Umstände hatte. Dies kann aber letztlich dahinstehen, da bei Anlageformen wie der vorliegenden eine Zeitdauer von Ca. maximal 6 Jahren nicht ausreichen kann, um von der schwerwiegenden Rechtsfolge des Rechtsverlustes durch Verwirkung ausgehen zu können.

Zwischen den Parteien ist ein Auskunftsvertrag zustande gekommen. Indem der Kläger und seine Ehefrau die Beklagte um Erläuterung der Anlagemöglichkeit in dem Immobilienfonds baten und diese dem Kläger und seiner Ehefrau Informationen zur Art der Anlageform, Renditemöglichkeiten etc. gab und diese erläuterte, ist konkludent ein Auskunftsvertrag zustande gekommen. Die Beklagte hat selbst eingeräumt, dass sie mit dem Kläger und seiner Ehefrau ausführlich besprochen hat, welche Anlageform in Betracht kommen könne. Sie habe Vor- und Nachteile erläutert. Sie habe schließlich zu einer Splittung der Anlageformen geraten, um das Risiko zu minimieren. Außerdem habe sie die finanziellen Daten des Klägers aufgenommen und bei der Vertriebsgesellschaft eine Modellrechnung anfertigen lassen. Die Zeugin M. hat darüber hinaus bekundet, dass sie mehrere Gespräche wegen der Geldanlage bei der Beklagten gehabt hätten. Diese habe Ihnen auch zahlreiche Unterlagen, u.a. das sog. Beratungsprotokoll (KI ), Übergeben. Dem hat die Beklagte nicht explizit widersprochen.

Eine Gesamtwürdigung dieser Umstände der Geschäftsbeziehung ergibt, dass der Kläger mit seiner Ehefrau von der Beklagten beraten und sie in ihrer Entscheidung wesentlich beeinflusst wurden. Sie haben dabei der Beklagten und dem bei ihr angenommenen Sachverstand vertraut. Dass die Beklagte nicht vom Kläger oder seiner Ehefrau bezahlt wurde, ist dabei unschädlich (BGH NJW 1984, 2524). Tritt ein Anlageinteressent an den Vermittler heran und macht er deutlich, dass er auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will, dann liegt darin sein Angebot auf Abschluss eines Auskunfts- oder Beratungsvertrages. Dieses Angebot nimmt der Vermittler stillschweigend dadurch an, dass er die gewünschte Tätigkeit beginnt (BGH NJW 1987, 1815; ZIP 2000, 355). So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass die den Kläger lediglich auf das Anlage-Produkt hingewiesen hat. Sie hat vielmehr ausführlich über dieses mit dem Kläger und seiner Ehefrau gesprochen und diesen Informationen gegeben.

Die Beklagte hat nach Überzeugung der Kammer auch ihre Beratungspflichten verletzt. Dies ergibt sich zunächst aus der glaubhaften Zeugenaussage der Ehefrau des Klägers. Diese gab an, dass die Beklagte mehrfach mündlich versichert habe, dass die Anteile jederzeit verkäuflich seien und ihnen quasi aus den Händen gerissen würden. Zwar hat die Beklagte dies bestritten, doch glaubt die Kammer hier der Zeugin M. Sie machte einen glaubwürdigen Eindruck. Aufgrund ihrer eher einfach strukturierten Persönlichkeit geht die Kammer nicht davon aus, dass die Zeugin hier mehrfach, auch auf Nachfrage des Gerichts, die Unwahrheit gesagt hat. Sie hat plausibel geschildert, dass gerade die Frage des Ausstiegs auch besonders bei einer so langfristigen Anlage für sie und den Kläger besonderes Gewicht hatte. Sie schilderte dabei, dass ihr Mann gerade wegen der ungewöhnlichen Anlageform zuerst zögerlich war. Bei der Zeugin waren zwar Nervosität und Unruhe zu bemerken, doch rührten diese augenscheinlich von der für sie ungewohnten Situation vor Gericht her. So konnte sie anfangs ihre frühere Adresse nicht mehr angeben. Bei dem Bericht über den Gesprächsinhalt mit der Beklagten war sie aber gefasst und konnte ihre Schilderungen - so weit dies nach einigen Jahren möglich ist - auch detailliert wiedergeben. Die Beklagte hingegen hat die Behauptungen pauschal abgestritten. Sie hat zudem eingeräumt, dass die Vertriebsgesellschaft ihr vermittelt habe, der Verkauf der Anteile aus zweiter Hand sei möglich. Über die tatsächlichen Modalitäten eines Verkaufs habe sie sich keine Gedanken gemacht. Schließlich räumte sie ein, dass der Kläger und seine Ehefrau sie in der Tat nach der Verkaufbarkeit der Anteile gefragt hätten, datierte dies aber nach den Abschluss der Verträge.

Nach alledem geht die Kammer davon aus, dass die Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau durchaus vor Abschluss der Verträge dargelegt hatte, dass der jederzeitige Verkauf der Anteile, um aus der Investition notfalls auszusteigen, ohne weiteres möglich sei. Dies ist auch naheliegend, da eine Anlageform, die nie kündbar wäre, jedem konservativ geprägten Sparer riskant vorkäme. In der Euphorie der Mitte der 90er Jahre mag manch einer zudem von der theoretischen Möglichkeit auch des Verkaufs von Anteilen an geschlossenen lmmobilienfonds ausgegangen sein.

Eine Falschberatung ist entgegen der Ansicht der Klage aber nicht in der angeblich fehlenden Plausibilitätsprüfung der Wertberechnungen der Vertriebesgesellschaft zu sehen. Der Vorwurf geht dahin, dass die Beklagte hätte darauf hinweisen müssen, dass die Wertsteigerungen aus dem gesamten Anlagebetrag gerechnet worden seien, während nur ein Teil des Geldes tatsächlich in bleibende Werte investiert wurde und der Rest für Unkosten verloren gegangen sei und damit an einer Wertsteigerung gar nicht teilnehmen könne.

Die Beklagte hat zu recht darauf hingewiesen, dass auch bei konservativen Anlagen die Rendite üblicherweise aus dem Gesamten Sparbetrag gerechnet wird, auch wenn von diesem erhebliche Kosten abgehen (vgl. z.B. Rückkaufwerte von Lebensversicherungen). Die Klage hat nicht dargetan, dass die Prognosen, und nichts anderes liegt hier bei den Modellrechnungen vor, aus der damaligen Sicht die angenommene Wertsteigerung von 3 - 4 % nicht gerechtfertigt hätten. Die Klage führt selbst aus, dass dazu eine Wertsteigerung des tatsächlichen Fondsvermögens von über 5% nötig gewesen wäre. Diese Größe ist aber aus der Sicht des Jahres 1996 nicht als schlicht unhaltbar anzusehen. Im Hinblick auf die damals zu beobachtenden Wachstumsraten bei Immobilienpreisen kann dies sogar als realistisch angenommen werden. Dass es schließlich ? mit schmerzlichen Erfahrungen für viele Anleger und u.a. auch Großbanken - anders kam, ist unerheblich.

Die Übergabe des - korrekten - Verkaufsprospekts an den Kläger, aus dem dieser bei genauer Lektüre die nahezu ausgeschlossene Verkaufbarkeit hätte schließen können, entlastet die Beklagte von ihren Pflichten nicht. Wann der Prospekt übergeben wurde, kann daher dahinstehen. Der Kläger durfte der als Fachfrau für ihn bekannten Beklagten insoweit vertrauen und musste nicht ausschließlich den Prospekt zu Rate ziehen.

Die Falschberatung der Beklagten war auch kausal für die Kaufentscheidung beim KIäger und dessen Ehefrau. Da es bei der Verkaufbarkeit der Anteile um einen zentralen Punkt bei der typischen Anlageentscheidung geht, wird die Kausalität hier vermutet (vgl. Fullenkamp, OLGR 2001, K33 (K37) m.w.N.). Die Beklagte hat diese Vermutung weder durch ihren Sachvortrag noch durch Beweisantritt entkräften können. Allein die Tatsache, dass dem Kläger die Langfristigkeit der Anlage wichtig war, spricht nicht gegen die Vermutung. Langfristige Anlagen gibt es in mannigfaltiger Form, so dass der Kläger deswegen nicht ausschließlich auf einen geschlossenen lmmobilienfonds angewiesen gewesen wäre.

Der Haftungsausschluss, der sich auf der ersten Seite des sog. Beratungsprotokolls
(KI) befindet, wirkt nicht zwischen den Parteien.
Zum einen ist davon auszugehen, dass der Text von der Vertriebsgesellschaft stammt.
Es ist jedoch nicht eindeutig erkennbar, wer diese Klausel gestellt hat. Damit ist schon davon auszugehen, dass sie nicht von der Beklagten verwendet wurde. Hinzu kommt, dass die Klausel so zu verstehen ist, dass sich der Verwendet- von jeglicher Haftung für die Hauptpflichten bei der Beratung des Kunden freizeichnen will. Es liegt auf der Hand, dass dies eine unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners darstellt.

Dem Kläger und seiner Ehefrau ist durch den Erwerb der Anteile auch ein Schaden entstanden.
Es kann dabei letztlich dahinstehen, ob die Anteile derzeit werthaltig sind und welche geldwerten Vorteile der Kläger daraus bislang hatte. Naturgemäß wäre hier - auch im Rahmen der Betrachtung nach der Differenzhypothese - der Wert der Anteile im Vergleich zum vom Kläger aufgewendeten Kapital zu prüfen. Dazu müsste eine Prognose über den künftigen Wert der Anteile bei einer angenommenen Laufzeit von 21 Jahren erstellt werden. Es spricht nach den unbestrittenen Angaben des Klägers viel dafür, dass der Fonds bereits in seinen ersten Jahren weit hinter den Erwartungen zurückblieb. Auch wenn die steuerlichen Annahmen weitgehend eingetroffen seien, würde dies zu einer wirtschaftlichen nachteiligen Entwicklung führen, die nicht einmal die zurückhaltendste Modellrechnung annähernd erreichen würde. Der vom Kläger erlangte Steuervorteil ist dabei grundsätzlich bei der Berechnung des Schadens heranzuziehen. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass er den Schadensersatzbetrag i.d.R. wieder als Einkommen versteuern muss. Nur wenn außergewöhnliche Steuervorteile beim Geschädigten vorhanden wären, müssten diese bei der Schadensberechnung voll berücksichtigt werden (BGH NJW 1984, 2524).

Letztlich ist aber bei der Berechnung des Schaden auch ein subjektives Element zu berücksichtigen - der Schaden ist subjektbezogen (BGH NJW 1998, 302 [304]) zu ermitteln. Der Beklagten war klar, dass es dem Kläger und seiner Ehefrau entscheidend auch darauf ankam, sich bei einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse ohne größere Nachteile von den Anteilen trennen zu können. Da dies nicht der Fall ist und eine Auflösung des Fonds auf Antrag des Klägers ebenso aussichtslos erscheint und zudem derzeit wirtschaftlich nachteilig wäre, sind der Kläger und seine Ehefrau in ihrer Dispositionsfreiheit bzgl. ihres Vermögens erheblich eingeschränkt. Die Anlage ist für ihre Zwecke nicht voll brauchbar, da nach Ende der suggerierten Laufzeit, die gar keine ist, eine Erlösung des Kapitals und des Gewinns praktisch nicht möglich ist. Dies ist auch unter der Berücksichtigung der Verkehrsanschauung als Schaden anzusehen (a.A. allerdings LG Heidelberg, Urteil v. 13.2.2003, Az.: 101 45/02).

Die Beklagte hat den Kläger und seine Ehefrau gemäß § 249 BGB daher so zu stellen, wie sie stünden, hätten sie die nachteiligen Verträge nicht abgeschlossen.

RechtsgebietBGBVorschriften§§ 242, 249 BGB

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