20.01.2005 · IWW-Abrufnummer 050166
Finanzgericht Düsseldorf: Beschluss vom 15.11.2004 – 8 V 5563/04
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
FINANZGERICHT DÜSSELDORF
8 V 5563/04 A(E)
B E S C H L U S S
In dem Verfahren XXX
wegen Aussetzung der Vollziehung (Einkommensteuer-Vorauszahlungen) hat der 8. Senat in der Besetzung: XXX
am 15. November 2004 beschlossen:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Beschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e:
I.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheides vom 09. August 2004.
Die Antragsteller sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie haben vier Kinder und erzielen ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Am 23. Oktober 2003 erließ der Antragsgegner einen Vorauszahlungsbescheid, in dem er die Einkommensteuer-Vorauszahlungen zum 10. Dezember 2003 auf 1.146 ? und die Einkommensteuer-Vorauszahlungen ab 2004 jeweils zum 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember auf 336 ? festsetzte. Den dagegen eingelegten Einspruch wies der Antragsgegner mit Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2004 als unbegründet zurück.
Mit Bescheid vom 09. August 2004 passte der Antragsgegner die Einkommensteuer-Vorauszahlungen in der Weise an, dass er die Vorauszahlungen zum 10. September und 10. Dezember 2004 auf je 565 ? und ab 2005 jeweils zum 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember auf 430 ? festsetzte. Bei der Berechnung legte er die erklärten Bruttoarbeitslöhne 2003 der Antragsteller zugrunde und berücksichtigte unter Anwendung der Änderungen durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 die Werbungskosten und Sonderausgaben, die er im Einkommensteuerbescheid 2003 vom 09. August 2004 angesetzt hatte. Gegen den Einkommensteuerbescheid 2003 und den Einkommensteuer- Vorauszahlungsbescheid vom 09. August 2004 legten die Antragsteller jeweils Einspruch ein, über die der Antragsgegner noch nicht entschieden hat. Zugleich stellten sie einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Vorauszahlungsbescheides vom 09. August 2004, den der Antragsgegner mit Verfügung vom 01. Oktober 2004 ablehnte.
Mit dem vorliegenden Antrag begehren die Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung des Vorauszahlungsbescheides vom 09. August 2004 gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch das Gericht. Zur Begründung führen sie aus, im Hinblick auf die Regelung des § 38 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorauszahlungsbescheides. Nach dieser Vorschrift werde bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit die Einkommensteuer ausschließlich durch den Abzug von Lohnsteuer erhoben. Die Lohnsteuer habe den Charakter einer Vorauszahlung. Die Berechnungsweise der Vorauszahlungen sei vom Antragsgegner zutreffend dargestellt worden. Jedoch sei § 37 EStG, den der Antragsgegner für die Berechnung der Vorauszahlungen herangezogen habe, von nachgeordneter Bedeutung für diesen Rechtsstreit, weil es zunächst festzustellen gelte, ob überhaupt ein Vorauszahlungsbescheid zu erlassen sei. Die Einkommensteuerrichtlinien sowie die Steuerrechtskommentare ließen keine andere Ansicht zu. Zudem sei die Nachzahlung im Einkommensteuerbescheid 2003 strittig. Der Antragsgegner habe den Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte 2003 wie beantragt bewilligt. Bei gründlicher Prüfung hätte ein Freibetrag aber nicht gewährt werden dürfen. Darüber hinaus sei die Vorauszahlung bei vier schulpflichtigen Kindern aufgrund unbilliger Härte nicht hinnehmbar.
Die Antragsteller beantragen,
die Vollziehung des Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheides vom 09. August 2004 auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Es bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Vorauszahlungsbescheides. Entsprechend der Regelung in § 37 Abs. 3 Satz 2 EStG seien dem Vorauszahlungsbescheid vom 09. August 2004 die Besteuerungsgrundlagen der Einkommensteuerveranlagung 2003 zugrunde gelegt worden. Unabhängig von den fehlenden Erfolgsaussichten des Einspruchs gegen den Vorauszahlungsbescheid seien die von den Antragstellern vorgetragenen Gründe für eine unbillige Härte nicht geeignet, eine solche darzutun.
II.
Der Antrag ist unbegründet.
1. Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 kann das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 16. Juli 2003 IX B 60/03, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2003, 945 m.w.N.). Solche Gründe sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
2. Bei summarischer Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel, dass auch in Fällen, in denen Steuerpflichtige ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen, ein Vorauszahlungsbescheid ergehen kann.
Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 EStG hat der Steuerpflichtige am 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer zu entrichten, die er für den laufenden Veranlagungszeitraum voraussichtlich schulden wird. Das Finanzamt setzt die Vorauszahlungen (erstmalig) durch Vorauszahlungsbescheid fest (§ 37 Abs. 3 Satz 1 EStG) und kann sie bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden 15. Kalendermonats an die Einkommensteuer anpassen, die sich für den Veranlagungszeitraum voraussichtlich ergeben wird (§ 37 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 EStG). § 37 EStG stellt nicht auf die Erzielung bestimmter Einkünfte ab und schließt die Festsetzung von Vorauszahlungen auch nicht bei Bezug bestimmter Einkünfte aus. Dies gilt auch, wenn Steuerpflichtige ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen. Zwar sieht § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG vor, dass bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben wird (Lohnsteuer), was dem Charakter nach einer auf diese Einkunftsart entfallenden Vorauszahlung des Arbeitnehmers auf die mit Ablauf des Jahres entstehende Einkommensteuer entspricht (BFH Urteil vom 18. Juli 1985 VI R 208/82, BStBl II 1986, 152). Es handelt sich bei der Vorschrift des § 38 jedoch nicht um eine abschließende Regelung, die eine gleichzeitige Anwendung des § 37 EStG ausschließen würde. § 37 Abs. 3 EStG, der bei der Berechnung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen die Anrechnung der Lohnsteuerabzugsbeträge vorsieht, ist zu entnehmen, dass die Festsetzung von Vorauszahlungen neben dem Lohnsteuerabzugsverfahren zulässig ist. Durch die Kombination beider Vorschriften soll die Sicherung eines stetigen und zeitnahen Steueraufkommens gewährleistet werden (so auch Finanzgericht -FG- Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08. September 1997 5 K 1799/97, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1998, 203; FG Köln, Beschluss vom 13. Dezember 1999 11 V 1672/98, EFG 2000, 216; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Januar 2004 5 K 255/03, JURIS-DATEI; Gosch in Kirchhof, EStG, 4. Auflage, § 37 Rn. 7; Diebold in Herrmann/Heuer/Raupach EStG/KStG, § 37 EStG Anm. 19; Schmieszek in Bordewin/Brandt, EStG, § 37 Rn. 31; zweifelnd: Schmidt/Drenseck, EStG, 23. Auflage, § 37 Rz. 2).
Der Festsetzung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen 2004 steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner aufgrund des Antrags und der Erläuterungen vom 12. November 2003 auf die Lohnsteuerkarten der Antragsteller Freibeträge von 1.000 ? (Antragsteller) und 2.400 ? (Antragstellerin) eingetragen hat. Der BFH hat hierzu in einem Fall, der die Eintragung eines Freibetrages wegen negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf der Lohnsteuerkarte eines Arbeitnehmers betraf, ausgeführt, dass, sollte sich später herausstellen, dass der Freibetrag zu hoch eingetragen worden sei, eine Anpassung an die nun voraussichtlich entstehende Einkommensteuerschuld dadurch geschehen könne, dass ein selbständiger Vorauszahlungsbescheid im Sinne des § 37 EStG erginge, der die neuen Erkenntnisse erfasse (Beschluss vom 29. April 1992 VI B 152/91, BStBl II 1992, 752).
3. Die Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen begegnet auch der Höhe nach keinen ernstlichen Zweifeln. Die Vorauszahlungen bemessen sich gemäß § 37 Abs. 3 Satz 2 EStG grundsätzlich nach der Einkommensteuer, die sich nach Anrechnung der Steuerabzugsbeträge und der Körperschaftssteuer bei der letzten Veranlagung ergeben hat. Waren die Vorauszahlungen entsprechend dem Ergebnis der letzten Veranlagung festgesetzt worden und ergeht ein zeitnäherer Steuerbescheid sind die künftigen Vorauszahlungen dieses Kalenderjahres an die nunmehr voraussichtliche Einkommensteuerschuld anzupassen (Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 37 Rz. 4). Bei der Bemessung der Vorauszahlungen bleiben jedoch Sonderausgaben nach § 10a EStG ebenso außer Ansatz wie die höhere Steuerentlastung, die sich aufgrund der Gewährung der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG anstelle des Kindergeldes ergibt (§ 37 Abs. 3 Satz 6 und 12 EStG). Diese Regelungen hat der Antragsgegner bei der Berechnung der Vorauszahlungen im Bescheid vom 09. August 2004 beachtet. Dabei ist es nicht zu beanstanden, dass er die Steuerrechtsänderungen, die sich durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 im Jahre 2004 gegenüber dem Veranlagungszeitraum 2003 ergeben haben, berücksichtigt hat. Die Antragsteller haben im übrigen auch keine Einwendungen gegen die Berechnungsweise nach § 37 Abs. 3 EStG erhoben, sondern sie als zutreffend bezeichnet.
4. Eine Aussetzung der Vollziehung des Vorauszahlungsbescheides kommt auch nicht wegen einer unbilligen, nicht durch öffentliche Interessen gebotenen Härte in Betracht. Eine unbillige Härte liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch eine Zahlung Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder schwer wieder gutzumachen wären, oder wenn die wirtschaftliche Existenz gefährdet würde (BFHBeschluss vom 21. Februar 1990 II B 98/89, BStBl II 1990, 510, 514). Es ist weder von den Antragstellern dargelegt worden, noch aus den Akten ersichtlich, aufgrund welcher Umstände eine Vorauszahlung von insgesamt 1.802 ? pro Jahr zu einer derartigen Härte führen könnte. Der schlichte Hinweis auf vier schulpflichtige Kinder ist bei einem Gesamt-Bruttoarbeitslohn von über 84.000 ? nicht ausreichend.
5. Die Beschwerde wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 128 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 118 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Frage, ob auch für Steuerpflichtige, die ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen, Vorauszahlungen festgesetzt werden können, ist bislang nicht höchstrichterlich entschieden und hat über den entschiedenen Fall hinaus Bedeutung.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.