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29.06.2011 · IWW-Abrufnummer 112138

Kammergericht Berlin: Beschluss vom 03.08.2010 – 1 ARs 44/09

Zur Rückforderung des Vorschusses auf eine Pauschvergütung, nachdem Verjährung betreffend die Stellung des Pauschvergütungsantrags eingetreten ist


1 ARs 44/09

In der Strafsache
...
hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin
am 3. August 2010
beschlossen:

Tenor:
1.
Der Antrag des Pflichtverteidigers, Rechtsanwalt Dr. K., auf Bewilligung einer Pauschvergütung wird zurückgewiesen.
2.
Die Erinnerung des Rechtsanwalts Dr. K. gegen den Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Kammergerichts vom 28. Juli 2009 und ihre Verfügung betreffend die Rückzahlung im Vorschusswege bewilligter und ausgezahlter Pauschvergütung vom selben Tag wird verworfen.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe
Rechtsanwalt Dr. K. wurde dem früheren Angeklagten S. in dem vor dem Kammergericht geführten Verfahren gegen E. und andere am 6. April 2001 zum Pflichtverteidiger bestellt. Mit Beschluss vom 26. April 2001 bewilligte ihm das Kammergericht auf eine "später voraussichtlich zu gewährende Pauschvergütung" eine Abschlagszahlung in Höhe von 10.000,- DM. Dieser Betrag wurde mit Verfügung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 10. Mai 2001 festgesetzt und dem Rechtsanwalt ausgezahlt. Der Angeklagte S. wurde mit Urteil des Kammergerichts vom 18. März 2004 wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Die Entscheidung ist rechtskräftig seit dem 29. Juni 2006.

Auf den entsprechenden Antrag des Bezirksrevisors des Kammergerichts hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Beschluss vom 28. Juli 2009 festgestellt, dass die dem Rechtsanwalt im Vorschusswege bewilligte und ausgezahlte Pauschvergütung in Höhe von umgerechnet 5.112,92 EUR zurückzuzahlen ist und ihn mit Schreiben vom selben Tag zur Rückzahlung aufgefordert. Der Rechtsanwalt hat gegen den Beschluss und die Zahlungsaufforderung "Rechtsmittel" eingelegt und "vorsorglich" einen Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung gemäß § 99 BRAGO gestellt. Sowohl der Pauschantrag als auch das als Erinnerung auszulegende Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

1.

Der Antrag des Pflichtverteidigers auf Bewilligung einer Pauschvergütung ist jedenfalls deshalb unbegründet, weil ein etwaiger Anspruch, der sich gemäß der Übergangsregelung des § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG nach der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAGO) richtet, verjährt ist und der Bezirksrevisor die Einrede der Verjährung erhoben hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des Kammergerichts zur BRAGO beginnt die Verjährungsfrist für den Vergütungsanspruch des Pflichtverteidigers mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch nach dem ersten in § 16 BRAGO genannten Zeitpunkt fällig wird; ein Anspruch auf Pauschvergütung nach § 99 Abs. 1 BRAGO kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn hinsichtlich des Vergütungsanspruchs Verjährung eingetreten ist (vgl. KG JurBüro 1999, 26 [FG Hessen 02.03.1998 - 12 Ko 5220/97]; Beschluss vom 12. Mai 2004 - 4 ARs 71/03 - m.w.N.). Anlass, von dieser Rechtsansicht abzuweichen, die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 25. Juli 2002 - VerfGH 89/01 und 92/01 -), besteht nicht.

Die Vergütungsansprüche des Antragstellers für die erste Instanz wurden mit der Verkündung des Urteils am 18. Mai 2004 fällig. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und endete mit Ablauf des 31. Dezember 2007 (§§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Somit ist auch zu diesem Zeitpunkt die Verjährung eines etwaigen Anspruchs auf Pauschvergütung eingetreten. Der zugleich mit dem Rechtsbehelf gegen die Rückforderung gestellte Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung ist nach Ablauf der Verjährungsfrist gestellt worden.

Die Auffassung des Rechtsanwalts, er habe keinen ausdrücklichen Antrag auf Bewilligung der Pauschvergütung stellen müssen, weil bereits der Antrag auf die Gewährung des Vorschusses konkludent einen Antrag auf Bewilligung der Pauschvergütung enthalten habe, trifft nicht zu. Dagegen spricht bereits der klare Wortlaut des Antrages, mit dem er "schon jetzt die Festsetzung eines Vorschusses für eine erhöhte Pauschgebühr" beantragte. Den Antrag auf die Festsetzung der erhöhten Pauschgebühr enthielt dieses Begehren nicht, zumal in diesem sehr frühen Stadium des Verfahrens nicht absehbar war, ob die in dem Antrag geäußerte Erwartung, dass "das Verfahren außerordentlich umfangreich ist", sich tatsächlich erfüllen würde. Dass der Rechtsanwalt sich in einem sehr knappen Zeitraum in den umfangreichen Verfahrensstoff einarbeiten musste und insoweit überdurchschnittlich beansprucht war, stand und steht außer Frage. Dies ist jedoch nicht der einzig maßgebliche, sondern nur einer von mehreren Gesichtspunkten, die letztlich darüber entscheiden, ob die Pauschvergütung verdient ist. Das Kammergericht hat dementsprechend auch (nur) eine "Abschlagszahlung" auf eine "später voraussichtlich zu gewährende Pauschvergütung" bewilligt.

Die Annahme des Rechtsanwalts, dass der Anspruch auf Pauschvergütung nicht verjährt sein könne, wenn der Anspruch der Staatskasse auf Rückgewähr des Vorschusses nicht verjährt sei ("Denn wenn der Rückforderungsanspruch des Kammergerichts nicht verjährt ist, dann ist es auch mein Antrag nicht."), trifft ebenfalls nicht zu. Denn der Rückforderungsanspruch entsteht erst, nachdem über einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Bewilligung der Pauschvergütung abschlägig entschieden worden oder - wie es hier der Fall ist - nachdem die Verjährung des nicht oder nicht fristgemäß geltend gemachten Pauschvergütungsanspruchs eingetreten ist (vgl. KG, Beschluss vom 3. März 2006 - 3 Ws 438/05 -).

2.

Der Beschluss, durch den die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle festgestellt hat, dass der Vorschuss zurückzuzahlen ist, und die Verfügung, mit der sie den Rechtsanwalt zur Rückzahlung aufgefordert hat, bedeuten rechtlich die Aufhebung der Verfügung, durch die die Vergütung des Rechtsanwalts entsprechend der Vorschussbewilligung festgesetzt worden ist (vgl. Senat AGS 2010, 295). Der statthafte Rechtsbehelf dagegen ist die Erinnerung gemäß § 56 RVG (vgl. Senat a.a.O.).

Die Erinnerung des Rechtsanwalts ist unbegründet. Da er die gewährte Abschlagszahlung infolge der Verjährung eines etwaigen Anspruchs auf Pauschvergütung ohne Rechtsgrund erhalten hat, ist er zur Rückzahlung verpflichtet.

Der Rückzahlungsanspruch ist nicht verjährt. Er ist, wie bereits dargelegt, erst am 1. Januar 2008 entstanden und vor dem Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist (§§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) geltend gemacht worden. Entgegen der Auffassung des Rechtsanwalts steht § 214 Abs. 2 BGB bzw. sein Rechtsgedanke der Rückforderung nicht entgegen, denn der Vorschuss ist nicht "zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs" geleistet worden.

Der Rückzahlungsanspruch ist auch nicht verwirkt. Ein Vertrauen des Rechtsanwalts, den Vorschuss in jedem Fall, d.h. unabhängig von dem Ausgang des Verfahrens über die Bewilligung einer Pauschvergütung behalten zu dürfen, kann schon deshalb nicht entstanden sein, weil das Kammergericht in dem den Vorschuss bewilligenden Beschluss vom 26. April 2001 in aller Deutlichkeit "vorsorglich auf die Möglichkeit der späteren Rückforderung des gesamten Vorschusses oder eines Teiles" hingewiesen hatte für den Fall, dass die Pauschgebühr nach Abschluss des Verfahrens nicht zu gewähren ist. Ob eine Verwirkung nach dem Rechtsgedanken der §§ 97 Abs. 4, 127, 128 BRAGO sowie § 7 GKG bereits dann eintritt, wenn die Rückforderung nicht binnen eines Jahres nach dem Eintritt der Verjährung des Pauschvergütungsanspruchs geltend gemacht worden ist, kann hier dahinstehen. Denn das Rückforderungsverfahren war bereits durch den Antrag des Bezirksrevisors vom 11. März 2008 auf Feststellung der Rückzahlungspflicht eingeleitet worden. Dieser Antrag ist dem Rechtsanwalt von der Urkundsbeamtin am 16. Juli 2008 zur Stellungnahme übersandt worden. Bereits zu diesem Zeitpunkt musste der Rechtsanwalt mit der Rückforderung rechnen, so dass sich bei ihm ein Vertrauenstatbestand, der dem Rechtsgedanken der genannten Vorschriften zugrunde liegt, nicht gebildet haben kann. Ergänzend verweist der Senat auf den dem Rechtsanwalt bekannten Beschluss des Kammergerichts vom 3. März 2006 - 3 Ws 438/05 -, der ebenfalls eine Rückforderung eines Vorschusses auf Pauschvergütung betraf, wo es heißt: "Endlich versagt auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf § 7 GKG, denn die dortige Fallgestaltung ist mit der hiesigen nicht vergleichbar. Jene betrifft die Nachforderung von Kosten nach erfolgter endgültiger Abrechnung, diese die Rückforderung vorläufig bewilligter Abschlagszahlungen. Es bedarf keiner besonderen Begründung, dass das Vertrauen auf den Bestand einer endgültigen Abrechnung schutzwürdiger ist als dasjenige, eine Abschlagszahlung auf eine Vergütung nicht zurückzahlen zu müssen, wenn deren endgültige Festsetzung von einem Antrag des Rechtsanwaltes abhängig ist." Der Senat schließt sich diesen zutreffenden Ausführungen an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG.

RechtsgebieteBRAGO, BGBVorschriften§ 16 BRAGO § 97 Abs. 4 BRAGO § 99 Abs. 1 BRAGO § 127 BRAGO § 128 BRAGO § 195 BGB § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB

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