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16.05.2003 · IWW-Abrufnummer 031124

Landgericht Münster: Urteil vom 05.02.2003 – 9 Qs 8/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


9 Qs 8/03

Landgericht Münster

Beschluss

In der Ermittlungssache XXX hat die 9. große Strafkammer auf die Beschwerde der Beschuldigten vom 16.01.2003 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 05.12.2002, (23 Gs 3428/02) durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Richter sowie die Richter am Landgericht Dr. Fahl und Hartmann am 5. Februar 2003 beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten der Beschuldigten verworfen.

Gründe:
Mit Beschluss vom 05.12.2002 hat das Amtsgericht Münster die Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma ...... die eine Diskothek in ...... betreibt und deren Geschäftsführerin die Beschuldigte ist mit der Maßgabe, dass eine regelmäßige Durchsuchung für die Dauer von zwölf Wochen, gerechnet vom 1. Tag der Durchsuchung an, erfolgen kann. Ziel der Durchsuchungsmaßnahme soll das Auffinden von Unterlagen zur Höhe der Tagesumsätze der Diskothek sein, wie z.B. Verzehrkarten, Abrechnungsbons sowie Tagesendbons. Damit soll der Umsatz der Diskothek sowie auch Umsatzzahlen pro Besucher ermittelt werden, um eine steuerliche Vergleichsberechnung für die Betriebsjahre zuvor zu ermöglichen. In soweit bestehe nach dem Ermittlungsergebnis nämlich der Verdacht, dass mittels ?schwarz? angekaufter Verzehrkarten Umsätze nicht in die steuerlichen Angaben eingestellt worden seien, was zu Steuerkürzungen geführt habe.

Beginnend mit dem 10.01.2003 sind seitens der Steuerfahndung jeweils an den Öffnungstagen der Diskothek, Freitag und Samstag, Durchsuchungsmaßnahmen erfolgt, wobei bei der ersten Durchsuchungsmaßnahme etwa 21 Steuerfahnder zugegen waren, die auch während der Öffnungszeiten der Diskothek Vernehmungen der Mitarbeiter durchführten. Bei den weiteren Durchsuchungsmaßnahmen waren 2-3 Steuerfahnder während der gesamten Öffnungszeit in der Diskothek anwesend und beobachteten auch den Kassenbetrieb, um sicherzustellen, dass alle Einnahmen verbucht werden.

Gegen diese Maßnahme richtet sich die Beschwerde der Beschuldigten.

Sie rügt unter anderem, dass es unter Berücksichtigung der bisher schon erfolgten Durchsuchungsmaßnahmen an einem Anfangsverdacht der Steuerhinterziehung fehle. Beispielsweise sei eine vierte Kasse weder in den Geschäftsräumen noch bei einem der übrigen Beschuldigten aufgefunden worden. Diese existiere auch nicht.

Des weiteren sei die Durchsuchungsmaßnahme schon ungeeignet, da Gegenstand des Ermittlungsverfahrens Steuerverkürzungen bis zum 30.06.2002 seien. Jetzt möglicherweise ermittelte Umsatzzahlen seien mit diesem Zeitraum nicht vergleichbar. Im übrigen sei die Dauer der Durchsuchungsmaßnahme von zwölf Wochen auch unverhältnismäßig.

Die dauernde Präsenz von Beamten der Steuerfahndung während der Öffnungszeiten beeinträchtigte den Geschäftsbetrieb und sei geschäftsschädigend. Die Dauerpräsenz werde im übrigen auch rechtswidrig dazu genutzt, Zeugenbefragungen während der Öffnungszeiten durchzuführen. Zuletzt rügt die Beschuldigte, dass die Beweismittel, zu deren Auffinden die Durchsuchung angeordnet worden ist, nicht hinreichend genau bezeichnet seien.

Die Beschwerde ist, soweit sie sich gegen den Durchsuchungsbeschluss vom 05.12.2002 als solchen richtet, zulässig, aber unbegründet; soweit mit der Beschwerde geltend gemacht worden ist, dass der dauernde Aufenthalt der Ermittlungsbeamten während der Öffnungszeiten und die dabei erfolgte Vernehmung von Mitarbeitern rechtswidrig seien, ist derzeit eine Entscheidung der Kammer nicht veranlasst. Dabei handelt es sich um eine Rüge der Art und Weise der Durchführung der Durchsuchungsmaßnahme. Insoweit ist zunächst ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung entsprechend § 98 Absatz 2 Satz 2 StPO zu stellen, der vom Amtsgericht Münster zu bescheiden ist. Eine solche Entscheidung liegt derzeit nicht vor.

Zutreffend hat das Amtsgericht einen Anfangsverdacht der Steuerhinterzeihung bejaht. Insoweit nimmt die Kammer voll inhaltlich auf die Ausführungen des Amtsgerichts in dem angefochtenen Beschluss Bezug. Dieser Anfangsverdacht ist auch nicht etwa deshalb entfallen, weil bei den bisher erfolgten Durchsuchungsmaßnahmen eine vierte Kasse weder in den Räumlichkeiten der Diskothek noch bei den übrigen Beschuldigten aufgefunden worden ist. Diese Kasse, deren Existenz und Lieferung nach den Unterlagen des Kassenlieferanten sehr wahrscheinlich ist, kann nämlich auch vor diesen Durchsuchungsmaßnahmen beiseite geschafft worden sein, nachdem der Geschäftsführer der Firma Gastroline Computervertriebsgesellschaft mbH, Herr ......, mit Schreiben vom 15.04.2002 auch an die Firma ....... mitgeteilt hatte, dass er wegen von ihm ?schwarz? verkaufter Verzehrkarten Selbstanzeige beim Finanzamt erstattet haben. Danach musste nämlich auch bezüglich der Diskothek ....... mit Ermittlungsmaßnahmen des Finanzamtes gerechnet werden. Die Durchsuchung der Diskothek zum Zwecke der sicheren Feststellung von Tageseinnahmen sowie Einnahmen pro Besucher ist nicht ungeeignet, entsprechende Feststellungen zur Höhe der Steuerverkürzung zu ermöglichen. Neben den aufgrund der Durchsuchungsmaßnahme getroffenen Feststellungen stehen den Finanzbehörden nämlich noch weitere Beweismittel zur Verfügung, etwa Zeugenvernehmungen zur Höhe der Besucherzahlen in den vergangenen Jahren, die gemeinsam mit den durch die Durchsuchungen gewonnenen Erkenntnissen entsprechend sichere Feststellungen ermöglichen können.

Der Anordnungszeitraum von zwölf Wochen, der im Hinblick auf die Öffnungstage der Diskothek etwa 24 Durchsuchungsmaßnahmen ermöglicht, ist auch nicht unverhältnismäßig. Um hinreichend sichere Feststellungen zu den Geschäftszahlen zu ermitteln, ist es notwendig, über einen nicht zu kurzen Zeitraum die Tageseinnahmen zu vergleichen. Insoweit erscheinen auch im Hinblick auf Schwankungen der Besucherzahlen zwölf Wochen als noch verhältnismäßig.

Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist der Beschluss auch hinsichtlich der zu beschlagnahmenden Beweismittel hinreichend bestimmt. Zu beschlagnahmen sind nämlich sämtliche Unterlagen, die der Feststellung der Tageseinnahmen am jeweiligen Tag der Durchsuchung dienen. Insoweit ist auch eine hinreichend genaue zeitliche Bestimmung vorgenommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Absatz 1 StPO

23 Gs 3428/02

Amtsgericht Münster

Beschluss

In der Ermittlungssache gegen ........... wird die Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma .......... nach §§ 102 ff, 162 StPO angeordnet. Diese Anordnung beinhaltet die regelmäßige Durchsuchung für die Dauer von 12 Kalenderwochen ? gerechnet ab dem 1. Tag der Durchsuchung - .

D. Beschuldigte ist verdächtig, sich der eigenen Einkommensteuerverkürzung 1998 ? 2000, der Umsatz- und Gewerbesteuerhinterziehung 1998 ? 2000 sowie der Umsatzsteuerhinterziehung 1/2001 ? 6/2002 zugunsten der ...... insoweit gemeinschaftlich handelnd mit den Gesellschaftern der KG ..... und ...... schuldig gemacht zu haben (Vergehen nach § 370 AO).

Die Kaufleute ....... und ....... sind Gesellschafter der Firma ........
Die Beschuldigte (Besch.) ...... ist Geschäftsführerin dieser Firma. Die GmbH ist Komlementärin der Firma ....., Kommanditisten der KG sind ebenfalls die ..... .
Lt. Gewerbeanmeldung vom 6.5.1998 ist die o.g. KG seit dem 22.4.1998 unternehmerisch tätig.
Die unternehmerische Betätigung beinhaltet den Betrieb einer Diskothek und einer Gartenwirtschaft.

In dem Verfahren der Staatsanwaltschaft Paderborn, JS 1200/01 gegen anderweitig Beschuldigte ist bekannt geworden, dass in den vergangenen Jahren diverse Betreiber von Diskotheken sog. Verzehrkarten für das von ihnen genutzte OPC-Registrierkassensystem ?schwarz? zugekauft (ohne Rechnung) und unter Verwendung dieser Karten sowie entsprechender Software die OPC-Registrierkassen manipuliert haben. Es wird ihnen vorgeworfen, die aufgrund dieser Manipulation in den Kassenstreifen deutlich niedriger ausgewiesenen Umsätze den Steuererklärungen zugrunde gelegt zu haben.

Auch die ...... verwendet das OPC-Registrierkassensystem und die zur Erfassung der Umsätze der Diskothek erforderlichen Verzehrkarten, die der Gast beim Eintritt in das Lokal erhält.

In dem o.g. Verfahren wurde bekannt, dass die KG in den Jahren 1998 ? 2000 pro Jahr ca. 100.000 Verzehrkarten ?schwarz? eingekauft hat.

Die Steuerfahndungsstelle Köln hat Unterlagen aus ähnlich gelagerten Verfahren zur Verfügung gestellt, aus denen Detailkenntnisse bzgl. der Hinterziehungsmethodik in Tanzlokalen, in denen sich die Betreiber der ?OPC-Registrierkassensysteme, bedienen, hervorgehen.

Danach hat der Lieferant der OPC-Kassensysteme neben den Verzehrkarten auch Registrierkassen ohne Rechnung an Discothekenbetreiber verkauft. Diese zusätzlich Kassen dienen der Erstellung beliebiger Tagesendsummenbons, die dann Bestandteil der Buchführung werden. Unter Verwendung schwarz zugekaufter Verzehrkarten und spezieller EDV-Software wurden die manipulierten Kassenausdrucke mit diesen ?zusätzlichen? Kassen angefertigt.

Nach den bisherigen Ermittlungen muss davon ausgegangen werden, dass auch von der KG eine solche Kasse eingesetzt wird.

Die Räumlichkeiten der KG wurden aufgrund des Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Münster vom 30.09.2002, Aktz.: 23 GS 2590/02, bereits am 01.10.02 durchsucht.

Am Tag der Durchsuchung befanden sich im Ausgangsbereich der Diskothek insgesamt drei Kassen, die Buchführung enthält Tagesendsummenbons von zwei Kassen. Aus der Kundenakte des Kassenlieferanten der KG geht hervor, dass von der KG insgesamt vier Kassen genutzt wurden, deren Wartung durch die Fa. Gastroline aus Bochum erfolgte. Eine vierte Kasse wurde weder in den Geschäftsräumen der KG noch in den Wohnungen der Mitbeschuldigten gefunden.

Im Verfahren der Staatsanwaltschaft Paderborn hat der Mitbeschuldigte ....... (Service-Dienstleister für OPC-Registrierkassensysteme) ausgesagt, dass nach seinen Erinnerungen die KG in Jahren 1999 und 2000 jeweils ca. 100.000 Stück Verzehrkarten ohne Rechnung erhalten habe, die Herr ?......? (Mitbeschuldigter) in der Diskothek in ...... bar bezahlt habe.

In der Strafakte befindet sich ein Musterschreiben mit dem, Herr ...... seine Kunden darüber informiert, dass bei der Staatsanwaltschaft Paderborn wegen des oben dargestellten Sachverhalts ein Ermittlungsverfahren geführt wird. Er empfiehlt ihnen, so wie er selber, Selbstanzeige zu erstatten. Dieses Musterschreiben ist adressiert an die ......., z.H. Herrn ....... und datiert vom 15.04.2002.

Aus der bisher durchgeführten Umsatz-Grobkalkulation für das Kalenderjahr 1999 ergibt sich bei den Einnahmen ein Fehlbetrag in Höhe ca. 1.100.000,-- DM. Darüber hinaus ist anhand der fortlaufenden Nummerierung der Bons erkennbar, dass in 1999 regelmäßig Kassenabrechnungen fehlen (für 114 Öffnungstage fehlen insgesamt 15 Bons).

Die Beschuldigte ist verdächtig, als Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH die Manipulationen im eigenen und/oder im Interesse der Gesellschafter Picker, Lammerding und Schuchardt unterstützt zu haben.

Die nochmalige Durchsuchung der Geschäftsräume der KG ist zur Erlangung sicherer Beweiszeichen für eine strafrechtliche Verkürzungsberechnung erforderlich.

Für die Ermittlung der Höhe der hinterzogenen Steuern reichen die ermittelten Kalkulationsdifferenzen nicht aus. Kalkulationsdifferenzen enthalten grundsätzlich Unschärfen die durch eine Vielzahl von Ursachen insbesondere mögliche Sachverhaltsvarianten bedingt sein können. Für die Beweisführung ist es zwingend erforderlich, vor Ort im Wege einer wiederholten Prüfung einen die Tagesumsätze festzuhalten und einen Abgleich der abgerechneten Verzehrkarten mit den Tageseinnahmen im laufenden Geschäftsbetrieb vorzunehmen (Kassenstürze). Anhand der festgestellten Tagesumsätze und des errechenbaren durchschnittlichen Umsatz pro Besucher ist aufgrund des inneren Betriebsvergleichs (Vergleich mit den vergangenen Besteuerungszeiträume) das Hinterziehungsvolumen verifizierbar.

Es ist deshalb erforderlich für die Dauer von 12 Kalenderwochen regelmäßig Durchsuchungen in den Geschäftsräumen .......

Da der Betrieb in der Regel nur Samstags und Freitags geöffnet (114 Öffnungstage in 2001) ist, ist ein Zeitraum von 12. Wochen erforderlich aber auch ausreichend um aussagekräftige Vergleichswerte zu ermitteln. Es ist zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen wird.

Sollten nachstehend aufgeführte Gegenstände vorgefunden werden, so wird bereits hiermit ihre Beschlagnahme nach §§ 94 ff, 162 StPO angeordnet, da sie als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können: abgerechnete Verzehrkarten, Kassen-Tagesendbons und andere Aufzeichnungen oder Datenträger zur Erfassung der Tageseinnahmen sowie sonstige im Zusammenhang mit den Tagesumsätzen oder den Besucherzahlen stehende Aufzeichnungen.

RechtsgebietStrafprozessordnungVorschriften§§ 102 , 162 StPO

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