01.06.2011 · IWW-Abrufnummer 111843
Landgericht Bonn: Urteil vom 08.12.2010 – 31 T 652/10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LG Bonn
8.12.2010
31 T 652/10
Tenor:
Die sofortige Beschwerde vom 20.04.2010 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von 2.500,00 EUR wegen Nichteinreichung der Jahresabschlussunterlagen 2007/2008 bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers. Das Bundesamt für Justiz hat der Beschwerdeführerin die Verhängung des Ordnungsgeldes mit Verfügung vom 15.12.20##, zugestellt am 21.12.20##, angedroht.
Dagegen hat die Beschwerdeführerin unter dem 25.01.2010 (Eingang) Einspruch eingelegt. Sie hat darauf hingewiesen, dass sie als Tochtergesellschaft nach § 264b HGB von der Offenlegung befreit sei.
Das Bundesamt für Justiz hat durch die angefochtene Entscheidung vom 09.04.2010 das bezeichnete Ordnungsgeld unter Verwerfung des Einspruchs festgesetzt. Der Konzernabschluss sei nicht im elektronischen Bundesanzeiger offengelegt worden, die Befreiungsvoraussetzungen des § 264b HGB lägen daher nicht vor.
Gegen die ihr am 13.04.2010 zugestellte Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 23.04.2010 (Eingang) sofortige Beschwerde eingelegt. Sie meint, dass sie den Konzernabschluss nicht im elektronischen Bundesanzeiger offenlegen müsse, da er bereits in den O - am Sitz der Muttergesellschaft - offengelegt worden sei.
II.
Die gemäß §§ 335 Abs. 4, Abs. 5 S. 1 und 4 HGB statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Das Bundesamt für Justiz hat das Ordnungsgeld zu Recht festgesetzt, denn die Beschwerdeführerin hat innerhalb der ihr gesetzten Frist von sechs Wochen weder die Rechnungslegungsunterlagen für das Geschäftsjahr 2007/2008 (endend am 30.09.2008) bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers eingereicht noch die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Offenlegungspflicht gemäß § 264b HGB erfüllt.
Unstreitig hat sie den Konzernabschluss, in den sie einbezogen worden ist, nicht bei dem elektronischen Bundesanzeiger eingereicht. Sie meint, dass die Einreichung nicht erforderlich sei, weil die in B ansässige Muttergesellschaft ihren Jahresabschluss bei dem für sie zuständigen Register in den O eingereicht habe. Die Muttergesellschaft unterfalle nicht dem Anwendungsbereich des § 325 HGB. Dies überzeugt jedoch nicht.
Schon der Wortlaut des § 264b Nr. 3 Buchstabe a HGB spricht dafür, dass der Konzernabschluss (auch) bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers einzureichen ist, denn dort heißt es, dass die Befreiung "im Anhang des vom Mutterunternehmen aufgestellten und nach § 325 durch Einreichung beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers offen gelegten Konzernabschlusses" anzugeben sei. Das Gesetz geht somit davon aus, dass der Konzernabschluss bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers offen gelegt werde. Eine Ausnahme für Mutterunternehmen, die ihren Sitz im Ausland haben, ist dort nicht vorgesehen, und zwar in Kenntnis dessen, dass § 264b HGB eine Befreiung auch in solchen Fällen vorsieht, in denen das Mutterunternehmen seinen Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat (§ 264b Nr. 1 HGB).
Die Gesetzgebungsgeschichte gibt keine unmittelbaren Anhaltspunkte für den Willen des Gesetzgebers. In der Begründung der Bundesregierung zu dem Gesetzentwurf vom 15.03.2006 (BT-Drs. 16/960, Seite 48) heißt es zu der Neufassung des § 264b HGB nur: "Es handelt sich um eine Folgeänderung, die in ihrer Ausgestaltung den zu § 264 vorzunehmenden Änderungen entspricht (vgl. vorstehende Begründung)". Die in Bezug genommene Begründung zu der Neufassung des § 264 Abs. 3 HGB verweist lediglich darauf, dass das Offenlegungssystem gewechselt habe. Es werde dem Umstand Rechnung getragen, dass § 264 Abs. 3 HGB auf Art. 57 der Vierten gesellschaftsrechtlichen EU-Richtlinie beruhe. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages empfahl im Hinblick auf die §§ 264, 264b HGB keine Änderungen des Gesetzentwurfs, demgemäß enthält die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 27.09.2006 (BT-Drs. 16/2781) insoweit auch keine weitergehende Begründung.
Der Hinweis auf das Gemeinschaftsrecht ist jedoch insofern von Interesse, als Art. 57 der Richtlinie 78/660/EWG in der Fassung, die er durch Art. 43 der Richtlinie 83/349/EWG erhalten hat, Folgendes vorschreibt:
"Unbeschadet der Richtlinien 68/151/EWG und 77/91/EWG brauchen die Mitgliedstaaten die Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie über den Inhalt, die Prüfung und die Offenlegung des Jahresabschlusses nicht auf Gesellschaften anzuwenden, die ihrem Recht unterliegen und Tochterunternehmen im Sinne der Richtlinie 83/349/EWG sind, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
a)
das Mutterunternehmen unterliegt dem Recht eines Mitgliedstaats;
b)
[betrifft den Befreiungsbeschluss];
c)
[betrifft die Einstandserklärung];
d)
[betrifft die Offenlegung von b) und c)];
e)
das Tochterunternehmen ist in den von dem Mutterunternehmen nach der Richtlinie 83/349/EWG aufgestellten konsolidierten Jahresabschluß einbezogen;
f)
die bezeichnete Befreiung wird im Anhang des von dem Mutterunternehmen aufgestellten konsolidierten Abschlusses angegeben;
g)
der unter Buchstabe
e)
bezeichnete konsolidierte Abschluß, der konsolidierte Lagebericht sowie der Bericht der mit der Prüfung beauftragten Person werden für das Tochterunternehmen nach den in den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten vorgesehenen Verfahren gemäß Artikel 3 der Richtlinie 68/151/EWG offengelegt." [Hervorhebung nicht im Original]
Damit geht schon das Gemeinschaftsrecht, auf dem § 264 Abs. 3 und § 264b HGB erklärtermaßen beruhen, davon aus, dass der konsolidierte Abschluss (= Konzernabschluss) für das Tochterunternehmen nach dem Recht der einzelnen Mitgliedstaaten offengelegt wird. Diese Formulierung wäre überflüssig, wenn es lediglich um die Offenlegung des Konzernabschlusses für die Konzernmutter selbst ginge. Die Auslegung des § 264b Nr. 3 Buchstabe b HGB durch das Bundesamt wird somit von der Regelung des Gemeinschaftsrechts gedeckt, wenn nicht sogar gefordert.
Dies wird bestätigt durch eine Betrachtung der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung des § 264b HGB. Danach gab es anstelle der heutigen Ziffer 3 die Ziffern 3 und 4. Diese setzten für eine Befreiung u.a. voraus, dass "das den Konzernabschluss aufstellende Unternehmen die offen zu legenden Unterlagen in deutscher Sprache auch zum Handelsregister des Sitzes der Personenhandelsgesellschaft eingereicht hat". Dies war eindeutig: die Muttergesellschaft musste ihren Konzernabschluss auch bei dem inländischen Registergericht einreichen, das für die Tochtergesellschaft zuständig war, und zwar in deutscher Sprache. Die Klausel "in deutscher Sprache" ist zwar mit der Gesetzesänderung ebenso entfallen wie das Erfordernis einer Einreichung zum Handelsregister. Der Grund hierfür war jedoch ausweislich der Gesetzesbegründung lediglich, dass die Offenlegung von den Registergerichten auf den elektronischen Bundesanzeiger umgestellt wurde. Darüber hinausgehende inhaltliche Änderungen sollten nicht erfolgen.
Auch der Zweck des § 264b HGB spricht dagegen, die Offenlegung des Konzernabschlusses in den O genügen zu lassen. Wie das Bundesamt zu Recht ausführt, dient die Offenlegung der Schaffung von Publizität. Wenn eine Befreiung für den Fall vorgesehen wird, dass der Jahresabschluss in den Konzernabschluss einbezogen ist, soll das nicht bedeuten, dass die substanziellen Angaben zu dem Unternehmen überhaupt nicht oder nur erschwert zugänglich sind. Der Informationssuchende könnte zwar in dem anderen Mitgliedstaat, hier in den O, die Unterlagen einsehen. Aber aufgrund der praktischen Unterschiede bei der Handhabung der Offenlegung sowie wegen der fremden Sprache (je nach dem Sitz des Mutterunternehmens könnte das jede Gemeinschaftssprache sein) hätte er letztlich nur erschwert Einblick in die wesentlichen Daten des Unternehmens, obwohl dieses seinen Sitz im Inland hat, hier geschäftlich tätig ist und in den Kreis der offenlegungspflichtigen Gesellschaften fällt. Das wäre mit dem - auch gemeinschaftsrechtlich - verfolgten Zweck der Offenlegung nicht vereinbar.
Nach allem war die Einreichung des Konzernabschlusses auch bei dem Betreiber des elektronischen Handelsregisters erforderlich. Da dies bis zum Fristablauf nicht geschah (entgegen der offengelegten Befreiungsmitteilung der Beschwerdeführerin, in der es unzutreffend heißt "Der Konzernabschluss der F $$ zum 30. September 2008 wird im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht"), lagen nicht alle Befreiungsvoraussetzungen vor, sodass das Ordnungsgeld festzusetzen war.
Die Höhe des Ordnungsgeldes ist nicht zu beanstanden. Das Ordnungsgeld beträgt nach § 335 Abs. 1 HGB mindestens 2.500,00 Euro und höchstens 25.000,00 Euro. Hier hat sich das Bundesamt darauf beschränkt, den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestbetrag von 2.500,00 Euro festzusetzen. Eine weitere Herabsetzung des Ordnungsgeldes ist - abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall des § 335 Abs. 3 Satz 5 HGB - nicht zulässig.
Nach allem konnte das Rechtsmittel keinen Erfolg haben.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 335 Abs. 5 S. 7 HGB).
Eine weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss ist nicht zulässig (§ 335 Abs. 5 S. 6 HGB).
Wert des Beschwerdegegenstandes: 2.500,00 EUR.