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05.05.2011

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 26.08.2010 – 2 Sa 220/10


Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 07.04.2010 - 1 Ca 607/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Kosten der Nebenintervention trägt die Nebenintervenientin selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses und um eine Schadensersatzverpflichtung der Klägerin.

Diese war seit 25.11.2008 zur Aushilfe als Kassiererin bei einem monatlichen Bruttoverdienst von ca. 400,00 EUR netto in der von der Beklagten betriebenen Ü-Tankstelle in W. beschäftigt. In den Tankstellenräumen befindet sich im Gang vom Ladenlokal zum Lagerraum ein Schubladentresor, welcher nur mit zwei Schlüsseln geöffnet werden kann. Hierbei ist ein Schlüssel im Besitzt der Firma C. Werttransporte, die die Aufgabe des Transportes der in den Tresor eingelegten Geldbeutel, sog. Safe-Bags, übernimmt.

In dem am Gang anschließenden Lagerraum ist in dessen Eingangsbereich hinter der Tür ein ca. 15 x 15 cm großes Loch zum Büro der Tankstelle in die Wand eingebrochen. Hinter diesem Loch steht ein stählerner Tresor, welcher bei Durchgriff durch das Loch von oben mit kleineren Gegenständen befüllt werden kann, wie Vignetteneinnahmen in Form von Münzrollen. Die Safe-Bags sind zu groß, um von oben in den hinter der Wand befindlichen Tresor eingeworfen werden zu können.

Am 28.03.2009 und am 03.04.2009 arbeitete die Klägerin jeweils allein in der Spätschicht. Sie füllte am Ende weisungsgemäß den Kassenbericht aus, wobei sie für den 28.03.2009 1.088,00 EUR Ist-Einnahmen und für den 03.04.2009 1.660,70 EUR Ist-Einnahmen eintrug. Der Schubladentresor wurde jeweils am 31.03.2009 und am 07.04.2009 geleert. Die von der Klägerin gekennzeichneten Safe-Bags waren dabei nicht vorhanden, bei der zweiten Leerung bestätigte die Klägerin selbst den Bestand.

Bei einem späteren Abgleich der Buchhaltung mit den im Geldinstitut eingegangenen Zahlungen wurde das Fehlen der Safe-Bags festgestellt. Zu diesen fehlenden Safe-Bags wurde die Klägerin am 09.04.2009 angehört. Sie erklärte zunächst, sie könne sich das Verschwinden aus dem Tresor nicht erklären.

Die Beklagte erstattete Strafanzeige gegen die Klägerin wegen des Verdachts der Unterschlagung der fehlenden Einnahmen. Auch kündigte sie mit Schreiben vom 21.04.2009 das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise zum nächsten rechtlich möglichen Zeitpunkt.

Hiergegen hat die Klägerin Kündigungsschutzklage erhoben, wobei sie nur den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31.05.2009 geltend macht.

Sie hat vorgetragen, aufgrund der Kassendifferenzen zwischen der Kassenvorgabe und den von ihr selbst ermittelten Geldbeträgen habe ihr die stellvertretende Tankstellenleiterin Frau A. schon zu Beginn ihres Arbeitsverhältnisses erlaubt, bei Auftreten von Kassendifferenzen möge sie die Safe-Bags durch das Wandloch hinter dem Teppich werfen, damit man anschließend, also im Regelfall am nächsten Tag, gemeinsam der Kassendifferenz nachgehen könne. Dies habe sie auch am 28.03.2009 und am 03.04.2009 so gemacht. Unstreitig waren an diesem Tag, wenn auch geringfügige, Kassendifferenzen zum Teil mit Überbeständen, vorhanden.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 21.04.2009 mit sofortiger Wirkung aufgelöst wurde, sondern bis zum 31.05.2009 fortbestand.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat widerklagend beantragt,

die Klägerin zu verurteilen, an sie 2.748,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.05.2009 zu zahlen.

Sie hat vorgetragen, der Tankstellenleiter B. habe alle Kassiererinnen und Kassierer angewiesen, den Safe-Bag in den Schubladentresor zu werfen. Eine Erlaubnis, die Safe-Bags in das Loch hinter dem Teppich zu verbringen, sei nicht erteilt worden.

Die Klägerin beantragt unter Bezug auf ihren bisherigen Sachvortrag,

die Widerklage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 07.04.2010 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage entsprochen und die Widerklage abgewiesen.

Im Wesentlichen hat es hierzu ausgeführt, die Beklagte, welche eine Verdachtskündigung ausgesprochen habe, habe die Tatsachen eines dringenden Tatverdachtes nicht darlegen können. Allein der Umstand, dass die Klägerin beide Male allein Spätschicht hatte und die Safe-Bags nicht im Schubladentresor waren, reiche für einen dringenden Tatverdacht einer Unterschlagung nicht aus. Unstreitig gebe es noch das hinter einem Wandteppich liegende Wandloch zum Büro, in dem ein weiterer Tresor stand. Diese Öffnung sei ebenfalls zum Geldeinwurf genutzt worden, jedenfalls für alle Vignetteneinnahmen in Form von Münzrollen. Ferner stehe fest, dass die durch dieses Loch geworfenen Münzrollen häufig nicht im Tresor, sondern darauf oder daneben im Büro lagen. Schließlich sei aufgrund der Größe der Öffnung in der Wand es auch unproblematisch möglich, hineingeworfenes wieder auf dem selben Wege durch die Öffnung wieder herauszuholen. Dies sei auch Lieferanten möglich, die allein und unbeaufsichtigt in den Lagerbereich geschickt wurden. Schließlich habe die Klägerin seit Beginn des Arbeitsverhältnisses regelmäßig die Safe-Bags durch diese Wandöffnung verbracht, anstatt sie in den Schubladentresor zu werfen. Es folge damit keine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Klägerin die Einnahmen an sich genommen habe. Es sei nicht weniger wahrscheinlich, dass die Klägerin entsprechend ihrer Einlassung und entsprechend ihrer häufigen vorherigen Praxis auch diese beiden Male die Safe-Bags in das Loch getan und jemand Drittes, sei es irgend ein anderer Arbeitnehmer oder ein Lieferant, diese sodann unbemerkt an sich genommen habe. Die Beklagte habe auch nicht dargelegt, ob und falls ja, wer am 29.03.2009 und am 04.04.2009 unmittelbar nach Frühschichtbeginn das Büro betreten habe, ohne die Safe-Bags dort vorgefunden zu haben. Mangels dringenden Tatverdachtes sei die fristlose Verdachtskündigung unwirksam.

Die Widerklage sei unbegründet. Der Anspruch folge weder positiver Vertragsverletzung noch unerlaubter Handlung. Insoweit sei zwar zwischen den Parteien streitig, ob die Klägerin die ausdrückliche Erlaubnis der stellvertretenden Tankstellenleiterin A. hatte, die Einnahmen anstelle in den Schubladentresor auch hinter das Wandloch zu legen, um etwaige Kassendifferenzen prüfen und klären zu können. Bei dieser Erlaubnis läge bereits keine Pflichtverletzung der Klägerin vor. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstelle, dass eine solche ausdrückliche Erlaubnis nicht vorläge, sei ein Schadenersatzanspruch zu verneinen. Es sei lediglich von einem fahrlässigen Fehlverhalten der Klägerin auszugehen. Der Umstand, dass die Klägerin auch vor dem 28.03.2009 bereits meistens die Tageseinnahmen in das Wandloch am Büro warf, belege, dass die Klägerin darauf vertraute, das Geld sei auch dort sicher. Die Klägerin habe zwar dann unbewusst die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, da auch für sie erkennbar sein musste, dass aufgrund der Größe des Loches und der Gegebenheiten die Gefahr bestand, dass hinter diesem Loch verwahrte Gelder nicht sicher seien.

Ein Anspruch sei jedoch wegen überwiegenden Mitverschuldens der Beklagten ausgeschlossen. Die Beklagte selbst habe durch das Loch zum Büro hinter dem Wandteppich die weitere Verwahrmöglichkeit für Geldeinnahmen eröffnet, obwohl diese schon aufgrund der Größe der Wandöffnung unsicher sei. Zudem habe sie den Arbeitnehmern aufgetragen, dort die Vignetteneinnahmen hineinzuwerfen, obwohl nicht sicher gestellt war, dass diese Gelder in Form von Münzrollen überhaupt in dem hinter dem Loch aufgestellten Tresor landeten. Dass ein Arbeitnehmer sodann auch unabhängig von einer ausdrücklichen Weisung auf die Idee kommen konnte, auch die Tageseinnahmen durch dieses Loch zu legen, zumal dies eine Kontrolle etwaiger Kassendifferenzen durch das auffindende Büropersonal ermöglichte, sei nicht von der Hand zu weisen. Die Beklagte habe das Vorgehen der Klägerin in der Vergangenheit wenn nicht ausdrücklich erlaubt so doch zumindest geduldet. Die Klägerin habe fast immer die Tageseinnahmen in gerollten Safe-Bags durch das Loch in das Büro geworfen, ohne jemals hierfür unter Hinweis auf einen alleinig zulässigen Einwurf in den Schubladentresor abgemahnt worden zu sein. Dies wäre jedoch nötig gewesen, da mittels der Beschriftung der Safe-Bags klar erkennbar war, dass es sich um solche aus Schichten der Klägerin handelte. Schwerwiegender als der Umstand, dass die Beklagte eine unsichere Verwaltungsmöglichkeit für Gelder eröffnete, wiege daher der Umstand, dass die Beklagte zumindest die Behandlung der Safe-Bags widerspruchslos duldete. Beides ergebe ein zumindest überwiegendes Verschulden der Beklagten hinsichtlich des Abhandenkommens von Einnahmen, da die Beklagte selbst es unterlassen habe, sicherzustellen, dass auch alle Tageseinnahmen der Klägerin in den Schubladentresor gelangten. Da die Beklagte des Weiteren nicht darlegen konnte, dass die Klägerin die Einnahmen unterschlagen habe, scheide eine Haftung aus unerlaubter Handlung aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen.

Das Urteil wurde der Beklagten am 12.04.2010 zugestellt. Die Beklagte hat gegen das Urteil am 03.05.2010 Berufung eingelegt und ihre Berufung, nachdem die Frist zur Begründung bis 12.072010 verlängert worden war, mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte greift das Urteil aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen an. Nach der gegebenen Sachlage sei eine alleinige Verantwortung der Klägerin für das Fehlen des Bargeldumsatzes am 28.03.2009 und am 03.04.2009 zu sehen, weil sie als einzige Person zum streitigen Zeitpunkt Zugriff auf die Geldbeutel hatte. Sie sei einzige Mitarbeiterin während der Spätschicht gewesen. Sie sei verpflichtet gewesen, die Einnahmen vom 28.03.2009 in Höhe von 1.088,00 EUR und am 03.04.2009 in Höhe von 1.660,70 EUR in den für die Einnahme der Safe-Bags vorgesehenen Schubladentresor der Beklagten einzuwerfen. Ausweislich der Entnahmeprotokolle seien beide Safe-Bags nicht aufgefunden worden. Sie seien auch nicht an anderer Stelle aufgefunden worden. Die Beklagte weist darauf hin, dass sie bereits erstinstanzlich vorgetragen habe, dass sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Zugang zu dem Büro haben, nicht die Geldsäcke gefunden oder an sich genommen hätten. Die bloße theoretische Möglichkeit, dass evtl. unbefugte Dritte die Safe-Bags entwendet haben könnten sei nicht ausreichend, um den dringenden Verdacht einer Straftat zu entkräften. Darüber hinaus begründe das erst von der Klägerin zur Rechtfertigung vorgebrachte Verhalten, die Safe-Bags anstatt in den Schubladentresor in die zweite, lediglich durch ein Teppichstück verdeckte Öffnung in den Lagerraum der Tankstelle zu werfen, einen vorsätzlichen, zumindest aber grob fahrlässigen Pflichtenverstoß. Sämtliche Mitarbeiter seien während der Einarbeitungszeit ausdrücklich darauf hingewiesen worden, das eingenommene Geld durchzuzählen und das entsprechende Geld zusammen mit einem Bareinzahlungsschein in einen Safe-Bag einzupacken. Dieser sei sodann stets in den verschlossenen und von außen nicht zu öffnenden Schubladentresor zu deponieren. Eine anderweitige Praxis im Betrieb gebe es nicht. Hierbei verweist die Beklagte auf die Aussagen diverser Zeugen im gegen die Klägerin (zuletzt eingestellten) Strafermittlungsverfahren. Es gebe keine Anweisung, irgendwelches Geld der Tankstelle in die lediglich durch Teppichstück verdeckte Öffnung in den Lagerräumen ins Büro einzuwerfen. Eine solche Anweisung sei auch nicht durch die stellvertretende Leiterin A. erfolgt. Sie habe der Beklagten ausdrücklich erklärt, der Klägerin weder am 28.03.2009 noch am 03.04.2009 erlaubt zu haben, die Einnahmen dort einzuwerfen. Dieser Vortrag sei durch das Arbeitsgericht gänzlich außer Acht gelassen worden. Eine Vernehmung der Frau A. sei dringend geboten gewesen.

Der Schadensersatzanspruch sei begründet. Die Klägerin habe ausschließlich die Beträge kassiert. Sie habe die streitgegenständlichen Einnahmen getätigt und nach ihrer eigenen Einlassung in Safe-Bags verschlossen. Beide Abrechnungen tragen die Unterschrift der Klägerin. Die Pflichtverletzung ergebe sich schon daraus, dass durch das Verhalten der Klägerin ein Schaden entstanden sei. Sie habe die Anweisung missachtet, dass sie die vollständige Verantwortung für die Schichttageskasse trage, dies habe sie unter dem 25.11.2008 ausdrücklich durch Unterschrift bestätigt. Die Behauptung, sie habe die Safe-Bags in das Loch, welches mit einem Teppich verhangen war, geworfen, sei reine Schutzbehauptung. Entgegen der Annahme des Erstgerichts habe die Beklagte zu keinem Zeitpunkt Kenntnis davon, dass die Klägerin entgegen der ausdrücklichen Anweisung den eigens hierfür vorgesehenen Schubladentresor nicht nutze.

Die Beklagte hat der Frau A. den Streit verkündet mit der Begründung, falls diese der Klägerin erlaubt haben sollte, die Geldeinnahmen durch ein Loch in der Wand zu werfen, ein entsprechender Schaden verursacht sei.

Die Streitverkündungsempfängerin ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten. Sie hatte ausdrücklich bestritten der Klägerin gestattet zu haben, die Tageseinnahmen nicht in den dafür vorgesehenen Schubladentresor zu werfen, sondern durch ein Loch in der Wand in einem Nebenraum. In der ersten schriftsätzlichen Stellungnahme hat sie erklärt, lediglich ein einziges Mal sei dies der Fall gewesen, als nämlich die Klägerin kurz nach Arbeitsantritt nach Schichtende sie zu Hause angerufen habe, und mitgeteilt habe, sie habe Probleme mit der Abrechnung und könne den Fehler nicht finden. Da sie sehr aufgeregt schien und einen hilflosen Eindruck machte, habe sie dann die Klägerin gebeten, die Tageseinnahmen nicht in den Schubladentresor zu werfen, sondern in das mit einem Teppichstück verhängte Loch in der Wand zu dem dahinterliegenden abgeschlossenen Büro. Am nächsten Tag habe sie dann zusammen mit der Klägerin die fehlerhafte Abrechnung überprüft und den Fehler gefunden, die Tageseinnahmen dann ordnungsgemäß in den Schubladentresor eingeworfen. An beiden hier streitentscheidenden Zeitpunkten sei sie zum Zeitpunkt der Abrechnung der Tageseinnahmen überhaupt nicht im Betrieb gewesen. Sie sei auch von der Klägerin nicht über angebliche Unstimmigkeiten der Tageseinnahmen in Kenntnis gesetzt worden, darüber hinaus habe sie am 03.04.2009 bereits ihren Urlaub angetreten, als die Klägerin noch Schicht hatte und daher eine Abrechnung noch nicht erfolgt sei.

In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Streitverkündungsempfängerin erklärt, sie habe einmal die ausdrückliche Erlaubnis erteilt, den Geldsack in den Tresor hinter das Loch zu werfen, anschließend seien noch mehrere Fälle vorgekommen, in denen die Klägerin die Geldsäcke nicht in den Schubladentresor, sondern in das Loch eingeworfen habe. In diesen Fällen sei dann am nächsten Morgen entsprechend der ersten geschilderten Angelegenheit verfahren worden, d. h. nach Überprüfung seien die Geldsäcke in den ordnungsgemäßen Schubladentresor eingelegt worden. Sie schätze, dies sei zehnmal der Fall gewesen. Eine weitere ausdrückliche Erlaubnis für dieses Vorgehen habe sie allerdings nicht erteilt und den Tankstellenleiter Herrn B. oder Herrn W. hierüber nicht unterrichtet.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 07.04.2010 - 1 Ca 607/09 -, berichtigt gemäß Beschluss vom 19.04.2010, wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 2.748,70 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie wiederholt ihren erstinstanzlichen Tatsachenvortrag, sie habe entsprechend der Anweisung und Erlaubnis der Zeugin A. die beiden Safe-Bags durch die Wandöffnung hinter dem Teppich ins Büro gelegt. Ein Verschulden könne ihr daher nicht angelastet werden, geschweige denn eine unerlaubte Handlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 26.08.2010.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO).

Das Rechtsmittel der Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

II. Im Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch außerordentliche Kündigung beendet wurde, sondern bis Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortbestanden hat. Es hat ebenso mit zutreffender Begründung die Widerklage der Beklagten abgewiesen.

Im Berufungsverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte aufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen könnten. Die Berufungskammer nimmt daher gem. § 69 Abs. 2 ArbGG voll umfänglich Bezug auf die Begründung des angefochtenen Urteils.

Lediglich wegen der Angriffe im Berufungsverfahren sei kurz auf folgende Gesichtspunkte hinzuweisen:

Die Feststellung, dass die außerordentliche Verdachtskündigung mangels hinreichend dringenden Tatverdachtes und die Widerklageforderung unbegründet ist, steht und fällt mit der Frage, ob es der Klägerin gestattet war, entgegen der üblichen Gepflogenheit, die Safe-Bags in den Schubladentresor einzulegen, die Geldsäcke auch alternativ in das durch ein Teppichstück verdeckte Loch in der Wand in das Büro auf oder neben den hinter der Wand befindlichen Tresor einzuwerfen. Die Klägerin hat sich auf eine entsprechende Üblichkeit und Duldung bzw. Erlaubnis durch die stellvertretende Filialleiterin A. berufen. Demgegenüber hat die Beklagte lediglich ausgeführt, die Zeugin A. habe der Klägerin weder am 28.03.2009 noch am 03.04.2009 erlaubt, die Einnahmen andernorts zu deponieren. Dass die entsprechende Erlaubnis an den beiden Tagen und explizit für diese beiden Tage erteilt worden war, hat die Klägerin selbst nicht behauptet, sie hat vielmehr von Anfang an ihre Prozessführung darin verfolgt, sie habe in Absprache mit der stellvertretenden Filialleiterin A. diese Vorgehensweise gewählt, wenn bei aufgetretenen Differenzen zwischen dem Kassensollbestand und dem tatsächlich gezählten Geldbetrag eine Überprüfung am nächsten Tag erforderlich gewesen sei.

Während Frau A. zunächst behauptet hat, sie habe der Klägerin lediglich einmal die diesbezügliche Erlaubnis erteilt, hat sie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, dass entsprechend dieser einmal getätigten Verhaltensweise die Vorgehensweise noch ca. zehnmal gewählt wurde, dass also die Klägerin unabhängig von einer bestehenden ausdrücklichen Anweisung, die Safe-Bags in den Schubladentresor zu tun, in Fällen der Kassendifferenzen die Safe-Bags in das Loch hinter dem Teppich geworfen hat und am nächsten Tag eine Überprüfung der Geldbeträge stattgefunden hat. Zwar hat sie auch bestätigt, dass sie diese Vorgehensweise ihren Vorgesetzten selbst nicht mitgeteilt hat, so dass auch die Behauptung der Beklagten, ihr sei hiervon nichts bekannt gewesen, durchaus zutreffend erscheint.

Die Streitverkündete A. hat sich mit der Aussage in der Kammerverhandlung selbst einer möglichen Inanspruchnahme durch die Klägerin verschärft ausgesetzt. Es besteht für die Kammer keine Veranlassung daran zu zweifeln, dass die diesbezügliche Einlassung der Streithelferin zutreffend ist. Die Beklagte hat auch nach dieser Aussage ernstlich nicht mehr ihren Vortrag weiter verfolgt, eine derartige Verhaltensweise sei zwischen der Klägerin und ihrer Vorgesetzten, der stellvertretenden Filialleiterin, nicht abgesprochen gewesen.

Durch die zumindest nach Aussagen der Frau A. feststehenden Häufigkeit der abweichenden Geldbehandlung zum Zwecke der Klärung von Bestandsdifferenzen ist zumindest für die Klägerin der Eindruck entstanden, die Vorgehensweise werde geduldet.

Die Beklagte muss sich das Verhalten ihrer stellvertretenden Filialleiterin zurechnen lassen.

Da die Beklagte weiter widerlegen muss, dass eine entsprechende Erlaubnis oder Duldung nicht erteilt wurde, für die Darlegung der Kündigungsgründe ist sie vollumfänglich darlegungs- und beweisbelastet, kann die Kammer nicht davon ausgehen, dass der dringende Tatverdacht besteht, die Klägerin habe die beiden Geldbeträge unterschlagen.

Es kann auch nicht der dringende Tatverdacht einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Gefährdung der Vermögensinteressen der Beklagten angenommen werden, der darin liegen könnte, dass die Klägerin den durchaus unsicheren Weg einer Geldverwahrung gewährt hat. Wenn und soweit sie durch die hierfür Vorgesetzte ermächtigt war bzw. diese das vorliegende, durchaus gefährliche Verhalten geduldet hat, konnte und durfte die Klägerin berechtigterweise davon ausgehen, eine Vertragsverletzung nicht zu begehen.

Die Widerklage ist aus den vorgenannten Gründen ebenfalls nicht begründet. Auch hier ist von der Tatsache auszugehen, dass die Klägerin zumindest mit Wissen und Duldung der Vorgesetzten die gefährliche Verwahrweise des Geldbetrages gewählt hat. Damit steht, wie vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellt, zumindest ein überwiegendes Mitverschulden der Beklagten fest, welche nach den Grundsätzen der Haftungsprivilegierung bei Arbeitnehmertätigkeit eine Mithaftung der Klägerin ausschließt. Die Beklagte kann den Anspruch auch nicht darauf stützen, dass die Klägerin den alleinigen Zugang zu dem Geldbetrag hatte. Durch die der Beklagten zuzurechnende mangelhafte Organisation, in Form der Duldung durch die stellvertretende Filialleiterin, kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin alleinigen Zugang zu dem Kassenbestand hatte und sich aus diesem Grunde selbst entlasten müsste, in dem sie den Beweis führte, eine dritte Person habe Zugriff gehabt. Es ist Sache des darlegenden Gläubigers zunächst Umstände zu schildern, dass die Klägerin von Anfang bis Ende des Geldeinnahmevorgangs alleinigen Zugang zu dem Geldbestand hatte.

Da nach den Feststellungen des Gerichts dies nicht der Fall war (allein der Hinweis der Beklagten auf die behauptete fehlende ausdrückliche Erlaubnis am 28.03. 2009 und 03.04.2009 reicht hierzu nicht aus) scheidet eine Haftung der Klägerin wegen übernommener Verwahrpflichten aufgrund alleinigen Zugangs zum Geldbetrag aus.

III. Nach allem war die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung in Bezug auf die Nebenintervenientin folgt § 101 Abs. 1 letzter Halbsatz ZPO.

Für eine Zulassung der Revision bestanden angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

VorschriftenBGB § 249 Abs. 1

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