19.04.2011 · IWW-Abrufnummer 111212
Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 10.11.2010 – 13 Wx 3/10
In Beratungshilfesachen ist die Beschwerde durch § 6 Abs. 2 BerHG nach wie vor ausgeschlossen, da sich für einen Willen des Gesetzgebers, dies abzuändern, keine hinreichenden Anhaltspunkte finden. § 24a Abs. 2 RPflG ist mithin einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Erinnerung in Abweichung von § 11 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz RPflG unbefristet ist (entgegen Landgericht Potsdam, FamRZ 2009, 902).
13 Wx 3/10
Tenor:
Die Beschwerde vom 13. April 2010 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 6. April 2010 - 24 II 241/10 - wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
Beschwerdewert: bis zu 600,00 €.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer, anwaltlich vertreten, beantragte im März 2010 beim Amtsgericht Senftenberg Beratungshilfe. Das Amtsgericht Senftenberg wies diesen Antrag mit Beschluss vom 18. März 2010 - 24 II 241/10 - zurück. Gegen diese Entscheidung legte der Antragsteller mit anwaltlichem Schreiben vom 22. März 2010 Erinnerung ein. Nachdem die Rechtspflegerin dieser nicht abhalf und dem Richter zur Entscheidung vorlegte, wurde die Erinnerung mit Beschluss des Amtsgerichts vom 6. April 2010 zurückgewiesen. Gegen den dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 12. April 2010 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller, anwaltlich vertreten, beim Amtsgericht am 16. April 2010 Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem Landgericht Cottbus vorgelegt. Mit Beschluss vom 15. Juli 2010 hat das Landgericht Cottbus sich nach Anhörung des Beschwerdeführers als unzuständig für die Beschwerde erklärt und die Sache an das Brandenburgische Oberlandesgericht verwiesen.
II. 1. Die sofortige Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen.
Das Brandenburgische Oberlandesgericht ist gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit über Beschwerden gegen Entscheidungen der Amtsgerichte zuständig. Für das Verfahren der Bewilligung von Beratungshilfe gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend (§ 5 BerHG).
Die sofortige Beschwerde ist allerdings unstatthaft. Dies ergibt sich daraus, dass der Antragsteller mit seinem Rechtsmittel die nachträgliche Bewilligung von Beratungshilfe erstrebt. Gegen die Entscheidung des gemäß § 24a Abs. 1 Nr. 1 RPflG zuständigen Rechtspflegers, mit der Beratungshilfe abgelehnt wird, ist nach der Regelung des § 6 Abs. 2 BerHG allerdings nur die unbefristete Erinnerung durch den Rechtssuchenden gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 RPflG statthaft. Hilft der Rechtspfleger der Erinnerung nicht ab, hat er die Erinnerung gemäß § 11 Abs. 2 S. 2 RPflG dem Richter vorzulegen, der über die Erinnerung endgültig entscheidet. Gegen dessen Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Eine Vorlage der Erinnerung an das Rechtsmittelgericht ist ebenso wenig wie eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts möglich (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 08.06.2010 - 2 W 149/10 -; OLG Stuttgart, JurBüro 1984, 124).
Es entspricht gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung, dass § 6 Abs. 2 BerHG nach dem Wortlaut und dem Willen des historischen Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 8/3695, Seite 9) die Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsrichters über eine - ablehnende - Entscheidung des Rechtspflegers in Beratungshilfesachen ausschließt (s. dazu nur OLG Hamm JurBüro 1984, 1746, OLG Stuttgart, RPfleger 2009, 462; OLG Hamm, FamRZ 2010, 1364). Dieser Rechtsprechung folgt die Literatur ganz überwiegend (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rn. 991; Liesner, RPfleger 2007, 448 ff.). Der in Rechtsprechung und Literatur vereinzelt vertretenen Auffassung, dass seit der Änderung des Rechtspflegergesetzes durch das Gesetz vom 6. August 1998 nach allgemeinen Regeln die Beschwerde gegen die Entscheidung des Rechtspflegers gegeben sei (so etwa Landgericht Potsdam, Beschluss vom 12.10.2009 -13 T 74/08 -, veröffentlicht unter FamRZ 2009, 902) schließt sich der Senat aus nachfolgenden Gründen nicht an:
Die Gegenauffassung weist im Kern auf einen systematischen Widerspruch hin, der sich daraus ergibt, dass § 24 a Abs. 2 RPflG n.F. die Anwendung des § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG n.F., also die Regelung über die "Restanwendungsfälle" der Rechtspflegererinnerung seinem Wortlaut nach ausschließt, während § 6 Abs. 2 BerHG in seiner nach wie vor gültigen Fassung die Existenz eines Rechtsbehelfes der Erinnerung voraussetzt. Dagegen gehen die Vertreter der anderen Auffassung davon aus, dass der Widerspruch durch eine reduzierende Auslegung dahingehend aufzulösen ist, dass § 24 a Abs. 2 RPflG sich nur auf die Fristenregelung des § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG bezieht.
Der Senat geht davon aus, dass der systematische Widerspruch, den die Neufassung des Rechtspflegergesetzes im Jahre 1998 zwischen § 6 Abs. 2 BerHG und § 24 a Abs. 2 RPflG geschaffen hat, sich nur dann auflösen lässt, wenn man eine Norm entgegen ihrem Wortlaut ganz oder zum Teil nicht anwendet (so schon OLG Hamm, FamRZ 2010, 1364). Dabei ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des Beratungshilfegesetzes ein möglichst einfaches und kurzes Verfahren schaffen wollte und deswegen die Möglichkeit der Überprüfung der Rechtspflegerentscheidung auf eine Nachprüfung durch den Amtsrichter beschränken wollte (siehe auch OLG Hamm, JurBüro 1984, 1746). Soweit durch die Gegenauffassung in § 6 Abs. 2 BerHG eine Verweisungsnorm gesehen wird, durch die die Regelungen des RPflG in Bezug genommen werden, wird nach hiesiger Auffassung der eigentliche Regelungsweg nicht hinreichend erkannt. Die Statthaftigkeit der Rechtspflegererinnerung im Fall des Ausschlusses der Beschwerde verstand sich auch bei Erlass des BerHG nach den allgemeinen Regeln; dies hat der Gesetzgeber auch so gesehen (siehe BT-Drs. 8/3695, Seite 9). Von daher hätte es also einer Verweisungsnorm an sich nicht zwingend bedurft. Der wesentliche Regelungsgehalt des § 6 Abs. 2 BerHG besteht mithin in dem Ausschluss der Beschwerde gegen die Erinnerungsentscheidung des Amtsrichters. Insoweit liegt § 6 Abs. 2 BerHG auch mit der Neufassung des § 11 RPflG durchaus noch auf einer gedanklichen Linie, nämlich der Unanfechtbarkeit der amtsrichterlichen Entscheidung, so dass die Rechtspflegeerinnerung statthaft bleibt.
Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Beschränkung der Überprüfung auf eine richterliche Entscheidung mit der Reform des Rechtspflegergesetzes aufgeben wollte, ergeben sich aus den Gesetzesmaterialien nicht. Soweit sich der Gesetzesbegründung zu § 24 a RPflG (BT-Drs. 13/1244, Seite 8) nicht ausdrücklich entnehmen lässt, der Gesetzgeber habe im Bereich der Beratungshilfe keine Änderung herbeiführen wollen, ist allerdings auch zu ber ücksichtigen, dass die Begründung des Entwurfes hinsichtlich des Abhilferechts des Rechtspflegers auf § 11 Abs. 2 S. 2 RPflG in der Neufassung abhebt. Dies impliziert, dass im Bereich der Beratungshilfe weiterhin der Rechtsbehelf der Erinnerung einschlägig sein sollte, denn nur dann, wenn man von der Fortgeltung des Ausschlusses der Beschwerde durch § 6 Abs. 2 BerHG und damit von der Statthaftigkeit der Erinnerung gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 erster Halbsatz RPflG n.F. ausgeht, ergibt sich nämlich die Abhilfebefugnis aus § 11 Abs. 2 Satz 2 RPflG. Soweit das Landgericht Potsdam in seiner Entscheidung (aaO.) annimmt, weil dem Gesetzgeber mit dem Erlass BerHG eine systematisch exakte Regelung gelungen sei, müsse dies auch für die Neuregelung des RPflG gelten, weshalb der Wortlaut des § 24 a Abs. 2 RPflG n.F. uneingeschränkt Anwendung finden müsse, ist dieser Ansatz schon deshalb in sich nicht tragfähig, da von dem Gang des einen Gesetzgebungsverfahrens nicht sicher auf den eines anderen geschlossen werden kann.
Nach alledem verbleibt es dabei, dass in Beratungshilfesachen die Beschwerde durch § 6 Abs. 2 BerHG nach wie vor ausgeschlossen ist, da sich für einen Willen des Gesetzgebers, dies abzuändern, keine hinreichenden Anhaltspunkte finden. § 24 a Abs. 2 RPflG ist mithin einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Erinnerung in Abweichung von § 11 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz RPflG unbefristet ist.
2. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 FamFG nicht vorliegen.
Hinsichtlich der hier zu entscheidenden Rechtsfrage besteht bereits eine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung, die durch das Bundesverfassungsgericht in verfassungsrechtlicher Hinsicht überprüft und bestätigt worden ist (vgl. BVerfG NJW-RR 2007, 1369 [BVerfG 12.06.2007 - 1 BvR 1014/07]). Danach ist die Beschränkung des Rechtsweges auf die Erinnerung nach § 6 Abs. 2 BerHG von Verfassungswegen nicht zu beanstanden. Vielmehr ist es Aufgabe des Gesetzgebers zu entscheiden, ob es bei einer Instanz bleiben soll, oder ob mehrere Instanzen bereitgestellt werden. Ein Instanzenzug ist von Verfassungswegen nicht garantiert (vgl. BVerfGE 107, 395 [BVerfG 30.04.2003 - 1 PBvU 1/02]). Den Justizgewährleistungsanspruch ist zudem durch die Möglichkeit der Anhörungsrüge zum Judex a quo nach § 29 a FGG i.V.m. § 5 BerHG genügt (vgl. BVerfGE 107, 395 [BVerfG 30.04.2003 - 1 PBvU 1/02]).
Bei dieser Sachlage kann nicht von einer noch klärungsbedürftigen Rechtsfrage ausgegangen werden.