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16.03.2011

Landesarbeitsgericht Köln: Beschluss vom 15.12.2010 – 7 Ta 411/09

1. Die Zustellung an einen Anwalt gemäß § 174 Abs. 1 ZPO gilt zwar grundsätzlich nicht schon dann als vollzogen, wenn das zuzustellende Schriftstück in der Kanzlei des Empfängers eingeht, sondern erst zu dem Zeitpunkt, zu dem es der Zustellungsadressat mit Empfangswillen als zugestellt entgegennimmt. Dies bedeutet aber nicht, dass es dem anwaltlichen Zustellungsadressaten freigestellt wäre, durch beliebiges "Liegen lassen" der in der Kanzlei eingegangenen Sendung den Beginn des Laufs einer Rechtsmittelfrist zu manipulieren.

2. Einzelfall zu Einwendungen gegen eine vereinfachte Vergütungsfestsetzung i. S. v. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG.


Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Rechtsanwälte Kreuzer und Partner vom 08.10.2009 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 23.08.2009 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 23.11.2009 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe

I. In dem Arbeitsgerichtsverfahren Arbeitsgericht Aachen 3 Ca 4261/08 h ließ sich der in 06193 P ansässige Kläger durch Rechtsanwalt R B aus 06780 Z als Prozessbevollmächtigten vertreten. Nachdem das Arbeitsgericht Aachen für den 06.11.2008 einen Gütetermin anberaumt hatte, bestellten sich die Rechtsanwälte K und P aus J am 30.10.2008 zu Unterbevollmächtigten des Klägers und kündigten an, den Gütetermin für den Kläger wahrzunehmen.

Am 04.11.2008 teilte der Hauptbevollmächtigte des Klägers, Rechtanwalt B aus Z , dem Arbeitsgericht mit, dass es zwischen dem Kläger und den Unterbevollmächtigten, den Rechtsanwälten K und P , zu einem "unlösbaren Problem" gekommen sei und der Kläger eine Wahrnehmung des Termins durch die Rechtsanwälte K und P nicht mehr wünsche. Wegen eigener Terminschwierigkeiten des Hauptbevollmächtigten wurde der Gütetermin vom 06.11.2008 zunächst aufgehoben. Am 02.01.2009 wurde der Rechtsstreit in der Hauptsache durch einen Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO rechtskräftig beigelegt. Durch Beschluss vom 2.2.2009 wurde dem Kläger antragsgemäß unter Beiordnung von Rechtsanwalt B Prozesskostenhilfe bewilligt.

Mit Schriftsatz vom 03.06.2009 beantragten die Rechtsanwälte K und P beim Arbeitsgericht Aachen eine Vergütungsfestsetzung gegen den Kläger gemäß § 11 RVG. Auf den Inhalt des Vergütungsfestsetzungsantrags (Bl. 48 f. d. A.) wird Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 18.06.2009 widersprach der Hauptbevollmächtigte Rechtsanwalt B für den Kläger dem Vergütungsfestsetzungsantrag der Rechtsanwälte K und P . Er nahm dabei insbesondere Bezug auf ein internes Schreiben der Rechtsanwälte K und P an Rechtsanwalt B vom 31.10.2008 (Bl. 52 d. A.), welches als rückwirkende Ablehnung der Mandatsübernahme zu werten sei. Auf den Inhalt dieses Schreibens vom 31.10.2008 und eines weiteren außergerichtlichen Schreibens der Rechtsanwälte K und P an Rechtsanwalt B vom 30.10.2008 (Bl. 61 d. A.) wird ebenfalls Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 23.07.2009 lehnte das Arbeitsgericht Aachen den Vergütungsfestsetzungsantrag ab, da der Kläger gegen den zur Festsetzung angemeldeten Vergütungsanspruch Einwendungen erhebe, die nicht im Gebührenrecht begründet seien. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 23.07.2009 wurde von diesem am 27.07.2009 an die Rechtsanwälte K und P zur Zustellung gegen Empfangsbekenntnis gemäß § 174 ZPO abgesandt. Unter dem 22.09.2009 erinnerte das Arbeitsgericht Aachen an die bis dahin nicht erfolgte Rücksendung des Empfangsbekenntnisses. Am 08.10.2009 legten die Rechtsanwälte K und P gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 23.07.2009 Rechtsmittel ein. Auf die Begründung (Bl. 58 - 60 d. A.) wird Bezug genommen. Am 12.10.2009 erreichte das Arbeitsgericht ein auf den 08.10.2009 datiertes Empfangsbekenntnis der Rechtsanwälte K und P .

Mit Beschluss vom 23.11.2009 verweigerte das Arbeitsgericht Aachen der sofortigen Beschwerde die Abhilfe.

II. 1.a. Das von den Rechtsanwälten K und P am 08.10.2009 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 23.07.2009 eingelegte Rechtsmittel ist von diesen selbst wie auch vom Arbeitsgericht zutreffend als sofortige Beschwerde angesehen worden. Die sofortige Beschwerde ist das statthafte Rechtsmittel gegen den arbeitsgerichtlichen Beschluss vom 23.07.2009.

b. Zugunsten der Beschwerdeführer mag auch unter Hintanstellung erheblicher Bedenken unterstellt werden, dass die sofortige Beschwerde fristgerecht eingelegt wurde.

Warum die Zustellung des ausweislich des Ab-Vermerks der Kanzlei des Arbeitsgerichts am 27.07.2009 an die Beschwerdeführer abgesandten Beschlusses gemäß § 174 Abs. 1 ZPO erst am 08.10.2009 vollzogen werden konnte, wird von den Beschwerdeführern nicht nachvollziehbar erklärt. Es trifft zwar zu, dass es für den Zeitpunkt des Vollzuges einer Zustellung nach § 174 ZPO nicht auf den Zeitpunkt ankommt, in welchem das zuzustellende Schriftstück in der Kanzlei des anwaltlichen Adressaten eingeht. Maßgeblich ist vielmehr der Zeitpunkt, zu welchem der Zustellungsempfänger, also der Anwalt, das Schriftstück mit Empfangswillen als zugestellt entgegennimmt. Dies bedeutet aber nicht, dass es dem anwaltlichen Zustellungsadressaten freigestellt wäre, durch beliebiges "Liegenlassen" der in der Kanzlei eingegangenen Sendung den Beginn des Laufs einer Rechtsmittelfrist zu manipulieren (LAG Nürnberg vom 26.06.2007, 2 Sa 163/07; vgl. ferner z.B. LSG Hessen vom 10.8.2009, L 6 AS 235/09 B Rdnr.16 am Ende). Deshalb hätte es einer näheren Erklärung bedurft, warum zwischen dem Zeitpunkt der Absendung des Beschlusses beim Arbeitsgericht und dem nach § 174 Abs. 4 ZPO bescheinigten Zeitpunkt des vollzogenen Empfangs ein Zeitraum von weit mehr als 2 Monaten liegt. Eine solche Erklärung haben die Beschwerdeführer nicht abgegeben.

2. Indessen kann diese Frage dahingestellt bleiben, da die sofortige Beschwerde vom 08.10.2009 in der Sache ersichtlich unbegründet ist.

a. Das Arbeitsgericht hat die vereinfachte Vergütungsfestsetzung zu Recht mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger gegen den Vergütungsanspruch der Beschwerdeführer Einwendungen erhebt, die nicht im Gebührenrecht selbst ihren Ursprung haben, § 11 Abs.5 S.1 RVG. Der Einwand geht vielmehr dahin, dass zwischen dem Kläger und den Beschwerdeführern ein vergütungspflichtiges Mandatsverhältnis letztlich nicht bestanden hat. Das vereinfachte Vergütungsfestsetzungsverfahren des § 11 RVG ist nicht der Ort zu beurteilen, ob nach den telefonischen Absprachen und der sich anschließenden außergerichtlichen Korrespondenz zwischen den Beschwerdeführern und dem anwaltlichen Hauptbevollmächtigten ein vergütungspflichtiges Untermandatsverhältnis zustande gekommen ist oder ob dies nicht der Fall war, bzw. ob ein zunächst verabredetes Mandatsverhältnis rückwirkend wieder aufgehoben wurde, bzw. rückwirkend von einer Bedingung abhängig gemacht wurde, die nicht eingetreten ist.

b. Der Ausnahmefall, dass die nicht auf das Gebührenrecht abstellenden Einwände des Anspruchsgegners als willkürlich, rechtsmissbräuchlich oder offensichtlich unbegründet zu werten wären, liegt hier nicht vor.

c. Die Beschwerdeführer sind vielmehr wegen ihrer vermeintlichen Vergütungsansprüche auf den Klageweg zu verweisen.

3. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 23.07.2009 war daher zurückzuweisen.

4. Gegen diesen Beschluss ist ein weiteres Rechtsmittel nicht zugelassen.

Dr. Czinczoll

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