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23.02.2011

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 16.06.2010 – 8 Sa 554/09

Der Wortlaut des § 17 Abs. 9 Satz 1 TVÜ-Länder, wonach die "bisherigen Regelungen" fortgelten, spricht gegen die Annahme, dass anstelle der in § 3 Abs. 1 TV Lohngruppen-TdL genannten Lohngruppen nunmehr Entgeltgruppen als Berechnungsgrundlage für die Vorarbeiterzulage heranzuziehen sind. Ein diesbezüglicher Wille der Tarifvertragsparteien findet in § 17 Abs. 9 TVÜ-Länder keinerlei Niederschlag. Auch die Berücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs führt zu keinem anderen Ergebnis.


Tenor:

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 6.8.2009 - 3 Ca 3248/08 - wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, die dem Kläger zustehende Vorarbeiterzulage zu erhöhen.

Der am 26.09.1969 geborene Kläger ist seit dem 01.01.2001 bei dem beklagten Land als Straßenwärter beschäftigt. Für seine Tätigkeit erhält er neben der Grundvergütung eine Vorarbeiterzulage gemäß § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 des Tarifvertrages über das Lohngruppenverzeichnis der Länder zum MTArb (TV Lohngruppen-TdL) in Höhe von zuletzt 229,19 Euro brutto.

Gemäß § 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages finden auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.

Durch den zwischen der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder und der Dienstleistungsgewerkschaft W am 08.06.2008 geschlossenen "Tarifvertrag über Einmalzahlungen für die Jahre 2006 und 2007" wurden die Tabellenentgelte (u.a. auch für die unter den Geltungsbereich des MTArb fallenden Arbeitnehmer) im Tarifgebiet West mit Wirkung ab dem 01.01.2008 um 2,9 % erhöht.

Der Kläger ist der Ansicht, aufgrund dieses Tarifvertrages erhöhe sich auch die ihm zustehende Vorarbeiterzulage um 2,9 %. Mit seiner am 23.12.2008 eingereichten und am 4.6.2009 erweiterten Klage begehrt er die Zahlung der entsprechenden Erhöhungsbeträge für die Monate Januar 2008 bis einschließlich Mai 2009. Bereits mit Schreiben vom 23.04.2008 hat er gegenüber dem beklagten Land die Erhöhung seiner Vorarbeiterzulage rückwirkend ab dem 01.01.2008 geltend gemacht.

Von einer weitergehenden (wiederholenden) Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 06.08.2009 (Bl. 59 - 62 d.A.).

Der Kläger hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 73,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 39,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 06.08.2009 stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 - 11 dieses Urteils (= Bl. 63 - 68 d.A.) verwiesen.

Gegen das ihm am 20.08.2009 zugestellte Urteil hat das beklagte Land am 10.09.2009 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 14.09.2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 12.11.2009 begründet.

Das beklagte Land macht im Wesentlichen geltend, die in § 17 Abs. 9 TVÜ-Länder normierte Fortgeltung der Regelungen für Vorarbeiterinnen und Vorarbeiter habe zwar zur Folge, dass diejenigen Arbeitnehmer, die während der Geltung des MTArb eine Vorarbeiterzulage erhalten hätten, diese auch unter der Geltung des TV-L beanspruchen könnten. Die betreffende Besitzstandsregelung sei aber statischer Natur, da sich die Berechnungsgrundlage für die Zulage betragsmäßig nicht mehr ändere. Dies folge aus dem Umstand, dass die Monatstabellenlöhne nach dem Lohngruppenverzeichnis nicht mehr fortgeschrieben, d.h. erhöht würden. Die zum 01.01.2008 in Kraft getretene Tariferhöhung habe daher keine Auswirkungen auf die dem Kläger nach § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 TV Lohngruppen-TdL zustehende Zulage von 12 % der Lohngruppe 4, Lohnstufe 4 TV Lohngruppen-TdL.

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens des beklagten Landes im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 10.11.2009 (Bl. 87 - 90 d.A.) sowie auf den Schriftsatz des beklagten Landes vom 11.05.2010 (Bl. 118 - 120 d.A.) Bezug genommen.

Das beklagte Land beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Schriftsätze vom 11.01.2010 (Bl. 103 - 105 d.A.) und vom 02.06.2010 (Bl. 131 f. d.A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

Die vom Arbeitsgericht im erstinstanzlichen Urteil zugelassene Berufung ist gemäß §§ 64 Abs. 2 a ArbGG statthaft. Sie ist auch sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

II. Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Erhöhung der Vorarbeiterzulage ab dem 01.01.2008.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden sowohl aufgrund (unstreitiger) beiderseitiger Organisationszugehörigkeit als auch infolge der in § 2 des Arbeitsvertrages enthaltenen Bezugnahmeklausel die Vorschriften des TV-L und des TVÜ-Länder Anwendung. Nach § 17 Abs. 9 TVÜ-Länder gelten "die bisherigen Regelungen für Vorarbeiterinnen und Vorarbeiter" im bisherigen Geltungsbereich fort. Aufgrund dieser tariflichen Fortgeltungsklausel finden die Vorschriften des § 3 TV Lohngruppen-TdL weiterhin Anwendung.

Der Kläger erfüllt - wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 16.06.2010 übereinstimmend erklärt haben - die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 TV Lohngruppen-TdL, d.h. er ist zum Vorarbeiter von Arbeitern mindestens der Lohngruppe 4 bestellt worden. Er hat daher Anspruch auf Zahlung einer Zulage von 12 % des Monatstabellenlohnes der Lohnstufe 4 der Lohngruppe 4.

Die in § 3 des Tarifvertrages über Einmalzahlungen für die Jahre 2006 und 2007 normierte Erhöhung der Beträge der ab 01.01.2006 maßgebenden Entgelttabelle um 2,9 % wirkt sich nicht erhöhend auf die Vorarbeiterzulage aus. Diese bemisst sich nämlich nicht nach einer bestimmten Entgeltgruppe des TV-L sondern weiterhin, da § 17 Abs. 9 TVÜ-Länder die Weitergeltung der vor dem Inkrafttreten des TV-L maßgeblichen Regelungen vorschreibt, nach den in § 3 TV Lohngruppen-TdL genannten Prozentsätzen bestimmter Lohngruppen und Lohnstufen des MTArb. Zwar wurden die betreffenden Lohngruppen gemäß § 4 Abs. 1 TVÜ-Länder bestimmten Entgeltgruppen zugeordnet. Die bezüglich dieser Entgeltgruppen maßgebenden Tabellenentgelte wurden zum 01.01.2008 erhöht. Die tariflichen Monatstabellenlöhne der den Entgeltgruppen zugeordneten Lohngruppen, die ihrerseits Bestandteile der "bisherigen Regelungen" im Sinne von § 17 Abs. 9 TVÜ-Länder bilden, haben indessen durch die betreffende Tariferhöhung keine Änderung mehr erfahren. Die vor Inkrafttreten des TV-L maßgeblichen Lohngruppen bzw. Monatstabellenlöhne werden insoweit nicht mehr "fortgeführt".

Die Auslegung des § 17 Abs. 9 Satz 1 TVÜ-Länder führt nicht zu dem Ergebnis, dass für die Berechnung der Vorarbeiterzulage anstelle der in § 3 Abs. 1 TV Lohngruppen-TdL genannten Lohngruppen nunmehr bestimmte Entgeltgruppen als Berechnungsgrundlage maßgeblich sein sollen.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages erfolgt entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung, d.h. es ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Dabei ist jedoch über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung, ergänzend herangezogen werden. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG v. 12.09.1984 - 4 AZR 336/82 - AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).

Der Wortlaut des § 17 Abs. 9 Satz 1 TVÜ-Länder, wonach die "bisherigen Regelungen" fortgelten, spricht gegen die Annahme, dass anstelle der in § 3 Abs. 1 TV Lohngruppen-TdL genannten Lohngruppen nunmehr Entgeltgruppen als Berechnungsgrundlage für die Vorarbeiterzulage heranzuziehen sind. Ein diesbezüglicher Wille der Tarifvertragsparteien findet in § 17 Abs. 9 TVÜ-Länder keinerlei Niederschlag. Auch die Berücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs führt zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit vermag auch nicht die Regelung des § 2 Abs. 6 TVÜ-Länder die Heranziehung von Entgeltgruppen anstelle der früheren Lohngruppen bei der Bemessung der Vorarbeiterzulage zu begründen. Nach dieser Vorschrift gelten, soweit in nicht ersetzten Tarifverträgen und Tarifvertragsregelungen auf Vorschriften verwiesen wird, die aufgehoben oder ersetzt worden sind, an deren Stelle bis zu einer redaktionellen Anpassung die Regelungen des TV-L bzw. des TVÜ-Länder entsprechend. Zwar wurde auch der Monatslohntarifvertrag Nr. 5 zum MTArb vom 31.01.2003 zum 01.11.2006 durch den TV-L und den TVÜ-Länder ersetzt (§ 2 TVÜ-Länder i.V.m. Anlage 1 TVÜ-Länder Teil B). Einer entsprechenden Anwendung der Entgeltgruppen bzw. der diesbezüglichen Entgelttabellen steht vorliegend jedoch der Umstand entgegen, dass die in § 3 Abs. 1 TV Lohngruppen-TdL genannten Lohngruppen 1 und 4 nicht jeweils einer bestimmten Entgeltgruppe zugeordnet wurden. Vielmehr wurde gemäß Anlage 2 TVÜ-Länder Teil A die in § 3 Abs. 1 Unterabs. 1 TV Lohngruppen-TdL genannte Lohngruppe 1 - je nach ausstehendem Aufstieg - sowohl der Entgeltgruppe 2 als auch der Entgeltgruppe 2 Ü, die Lohngruppe 4 (§ 3 Abs. 1 Unterabs. 2 TV Lohngruppen-TdL) - je nach ausstehendem Aufstieg - den Entgeltgruppen 4 und 5 zugeordnet. Es ist daher nicht feststellbar, welche konkrete Entgeltgruppe als Bemessungsgrundlage für die Vorarbeiterzulage überhaupt herangezogen werden könnte. Dies war auch für die Tarifvertragsparteien bei Abschluss des TV-L und des TVÜ-Länder erkennbar, so dass davon auszugehen ist, dass ein etwaiger Wille, nunmehr bestehende Entgeltgruppen als Bemessungsgrundlage für die Vorarbeiterzulage zu bestimmen, in einer diesbezüglich klaren und praktikablen Regelung ihren Niederschlag gefunden hätte.

Die Höhe der Vorarbeiterzulage bleibt daher - auch nach dem 1.11.2006 - unverändert und wird von der zum 1.01.2008 in Kraft getretenen Tariferhöhung nicht berührt (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen, TV-L, § 17 TVÜ-Länder Rz. 22.1). Dies wird auch durch den Umstand bestätigt, dass § 17 Abs. 9 TVÜ-Bund eine bezüglich der Vorarbeiterzulage insoweit wortgleiche Regelung wie § 17 Abs. 9 S. 1 TVÜ-Länder enthält und diese Zulage durch die Änderung der Protokollerklärung zu Absatz 9 mit dem 3. Änderungstarifvertrag zum TVÜ-Bund vom 27.02.2010 dahingehend dynamisiert wurde, dass sie sich bei allgemeinen Entgelterhöhungen nach dem 31.12.2009 um den für die jeweilige Entgeltgruppe festgelegten Prozentsatz erhöht. Für diese, im Geltungsbereich des TVöD getroffene Dynamisierungsregelung hätte keinerlei Anlass bestanden, wenn - entsprechend der Rechtsansicht des Klägers - schon allein die tariflich normierte Weitergeltung der bisherigen Regelungen für Vorarbeiter eine Dynamisierung der betreffenden Zulage zur Folge hätte.

III. Nach alledem war die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

VorschriftenTVÜ-Länder § 17 Abs. 9 S. 1

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