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16.02.2011

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Beschluss vom 19.02.2009 – 1 TaBV 1871/08


In Sachen
...
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 1. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2008
durch
die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts A.-D. als Vorsitzende sowie
die ehrenamtlichen Richter Herr R.-R. und C.
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 06. August 2008 - 17 BV 8384/08 - abgeändert:

I.

Es wird festgestellt, dass der Teilspruch der für den Betrieb Region Berlin 2 & Brandenburg gebildeten Einigungsstelle vom 30. April 2008 unwirksam ist.

II.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

A

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Teilspruchs zu Regelungen zur Unterweisung der Arbeitnehmer nach § 12 ArbSchG, der am 30. April 2008 nach acht vorangegangenen Sitzungen der durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Juni 2007 (18 TaBV 569/07) eingesetzten Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand "Umsetzung der Anforderungen des Arbeitsschutzes" mit der Stimme des Vorsitzenden beschlossen worden ist.

Wegen des Inhalt des Teilspruchs und dessen Begründung wird auf die mit der Antragsschrift in Kopie eingereichten Unterlagen verwiesen (Bl. 26 - 38 d.A.).

Die Antragstellerin und Beteiligte zu 1) ist ein Unternehmen, das sich mit der Herstellung, dem Vertrieb und der Installation und Wartung von Aufzügen, Fahrtreppen und anderen Transportsystemen in bundesweit 44 Betriebsstätten beschäftigt, in denen der überwiegende Anteil der Mitarbeiter als Service- und Neubaumonteure im Bereich der Montage und Wartung jeweils nach Lage der Gebäude den Betriebsstätten zugeordnete Anlagen im Außendienst bei den einzelnen Kunden tätig sind.

Der Beteiligte zu 2) ist der für den Betrieb Region Berlin 2/Brandenburg gewählte örtliche Betriebsrat.

Der Beteiligte zu 3) ist der im Unternehmen gebildete Gesamtbetriebsrat.

Zwischen der Antragstellerin, dem Gesamtbetriebsrat und 41 örtlichen Betriebsräten, unter anderem dem hiesigen Beteiligten zu 2), war beim Arbeitsgericht Berlin/Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ein Beschlussverfahren rechtshängig, in dem durch Beschluss des Arbeitsgerichts vom 05.12.2007 der Antrag der Antragstellerin, festzustellen, dass der Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 BetrVG für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zu Regelungen der Gefährdungsbeurteilungen nach § 5 ArbSchG i.V.m. § 3 Bildschirmarbeitsstättenverordnung, der Unterweisung nach § 12 ArbSchG sowie der erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen nach § 3 Abs. 2 ArbSchG zuständig ist, zurückgewiesen worden ist (ArbG Berlin/LAG Berlin-Brandenburg - 9 BV 12609/07 - 12 TaBV 134/08). Die von der Antragstellerin hiergegen eingereichte Nichtzulassungsbeschwerde ist zwischenzeitlich zurückgewiesen worden (BAG - 1 ABN 38/08).

Die Antragstellerin hat den ihr am 7. Mai 2008 zugestellten Teilspruch der Einigungsstelle vom 30. April 2008 mit einem am 21. Mai 2008 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Antrag mit der Begründung angefochten, dieser sei aus mehreren Gründen unwirksam. Für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sei vorliegend nicht der örtliche Betriebsrat zuständig, vielmehr sei wegen des zwingenden Erfordernisses für eine betriebsübergreifende Regelung eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 BetrVG gegeben. Außerdem sei verkannt worden, dass eine Regelung zur Unterweisung nach § 12 ArbSchG erst getroffen werden könne, wenn zuvor eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt worden sei. Schließlich enthalte der Teilspruch mehrere Bestimmungen, die als unzulässige und unzureichende Rahmenregelungen keine Ausübung des Mitbestimmungsrechts darstellten; der Streit der Beteiligten werde durch den Teilspruch insofern nicht beigelegt.

Das Arbeitsgericht Berlin hat den Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Teilspruchs vom 30. April 2008 durch Beschluss vom 6. August 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung hat des im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag sei zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats sei nicht gegeben, da nach dem Vortrag der Antragstellerin nicht erkennbar sei, dass die Unterweisung nach § 12 ArbSchG zwingend einer betriebsübergreifenden Regelung bedürfe. Es hat sich insoweit auch die Begründung des LAG Berlin-Brandenburg im Verfahren 12 TaBV 134/08 zu eigen gemacht. Eine Regelung zur Unterweisung im Sinne von § 12 ArbSchG könne auch ungeachtet des Vorliegens von Gefährdungsbeurteilungen, nämlich bezüglich der Ziele, des Teilnehmerkreises, der Art und Weise der Unterweisung, der Fristen und der wesentlichen Inhalte und Schwerpunkte einer solchen Unterweisung erfolgen. Die Inhalte der Grundunterweisung seien ohnehin unabhängig von der konkreten Gefährdungsbeurteilung. Im Fall der aufgabenbezogenen Unterweisung sei der Inhalt zwar abhängig von den jeweiligen arbeitsplatz- und aufgabenbezogenen Anforderungen und Belastungen. Wie die Gefährdungsbeurteilungen im Einzelnen aussähen, sei aber für die Unterweisung unerheblich, so lange bestimmt sei, dass sich die Unterweisung an den Gefährdungsbeurteilungen ausrichte. Dies und die Tatsache, dass die konkrete Umsetzung der Regelungen zur Unterweisung dann auf einem noch zu erarbeitenden Schulungskonzept basieren, welches mit dem Betriebsrat noch abzustimmen sei, berücksichtige der angefochtene Teilspruch. Der Teilspruch enthalte auch keine unzulässigen Rahmenregelungen, da der Arbeitgeberin an keiner Stelle das alleinige Gestaltungsrecht über einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand eröffnet worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe unter B des angefochtenen Beschlusses verwiesen (Bl. 110 - 119 d.A.).

Gegen diesen, der Antragstellerin am 13. August 2008 zugestellten Beschluss richtet sich ihre am 9. September 2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Beschwerde, die sie mit einem am 13. Oktober 2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Zur Begründung trägt die Antragstellerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen vor:

Regelungen zur Unterweisung nach § 12 ArbSchG setzten zwingend eine vorherige Gefährdungsbeurteilung voraus. Dies gelte sowohl für die Grundunterweisung als erst recht für die aufgabenbezogene Unterweisung, weil ohne genaue Kenntnis der Gefahren der einzelnen Arbeitsplätze eine belastbare, dem Sinn und Zweck des Arbeitsschutzgesetzes dienende Schulung nicht möglich sei, sondern sich letztlich als eine, zumal kostenintensive Information "ins Blaue hinein" erweise.

Insbesondere in Ziffern 3.3 und 3.4 enthalte der Teilspruch unzulässige Rahmenregelungen, da die Einigungsstelle selber hier keine konkrete Regelung getroffen habe, sondern nur unbestimmte und unklare Vorgaben gemacht habe. Schließlich vertritt die Antragstellerin weiterhin die Auffassung, für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sei hier nicht der örtliche, sondern der Gesamtbetriebsrat zuständig.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Berlin vom 6. August 2008 - 17 BV 8384/08 - festzustellen, dass der Teilspruch der für den Betrieb Region 2/Brandenburg gebildete Einigungsstelle vom 30. April 2008 unwirksam ist.

Die Beteiligten zu 2) und 3) beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen den erstinstanzlichen Beschluss unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Das Arbeitsgericht habe zu Recht die Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats bejaht. Es sei keinesfalls zwingend, dass vor der Unterweisung eine Gefährdungsanalyse durchgeführt worden sei. Jedenfalls habe die Einigungsstelle, was die Dringlichkeit der Unterweisung angehe, der Annahme sein dürfen, dass dem betrieblichen Arbeitsschutz am besten dergestalt Rechnung getragen würde, dass die Unterweisung auch ohne Gefährdungsanalyse vorgezogen wird. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sei dem Arbeitsgericht auch darin zu folgen, dass der Teilspruch keine unzulässigen Rahmenregelungen enthalte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Darstellung im angefochtenen Beschluss unter A und die in der Beschwerdeinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

B

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 1, 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 89 Abs. 2, 89 Abs. 1, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Der Antrag ist nämlich zulässig (1) und begründet (2).

1.

Der Antrag ist zulässig.

1.1

Für den Antrag besteht das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 296 Abs. 1 ZPO.

Der Antrag ist auf das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses gerichtet. Die Antragstellerin möchte festgestellt wissen, dass für sie Rechtspflichten nach Maßgabe des Teilspruchs der Einigungsstelle nicht wirksam begründet worden sind. Hierfür ist das Feststellungsbegehren die richtige Antragsart. Eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle hat feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung. Deshalb ist die Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs und nicht dessen Aufhebung zu beantragen (vgl. BAG v. 26.08.2008 - 1 ABR 16/07 - NZA 2008, 1187 ff.; BAG v. 22.11.2005 - 1 ABR 50/04 - AP Nr. 22 zu § 76 BetrVG 1972 Einigungsstelle; BAG v. 08.06.2004 - 1 ABR 4/03 - AP Nr. 20 zu § 76 BetrVG 1972 Einigungsstelle).

1.2

Am Verfahren war neben der Antragstellerin und dem örtlichen Betriebsrat, dem Beteiligten zu 2), auch der Gesamtbetriebsrat zu beteiligen. Beteiligter in Angelegenheit des Betriebsverfassungsgesetzes ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtstellung unmittelbar betroffen ist (vgl. BAG v. 16.05.2007 - 7 ABR 63/06 - AP Nr. 3 zu § 96 a ArbGG 1979; BAG v. 10.02.2002 - 1 ABR 27/01 - AP Nr. 42 zu § 95 BetrVG 1972). Die von der Antragstellerin begehrte Entscheidung betrifft auch die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des Gesamtbetriebsrats. Die Antragstellerin beruft sich auf die fehlende Regelungskompetenz des örtlichen Betriebsrats. Wird diese im vorliegenden Verfahren dagegen bejaht, steht damit zugleich fest, dass ein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 BetrVG zu diesem Regelungskomplex nicht besteht (vgl. BAG v. 28.03.2006 - 1 ABR 59/04 - AP Nr. 128 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG v. 08.06.2004 - 1 ABR 4/03 - a.a.O.; BAG v. 10.12.2008 - 1 ABR 27/01 - a.a.O.).

2.

Der Antrag ist begründet.

Der angefochtene Teilspruch der Einigungsstelle vom 30. April 2008 ist teilweise unwirksam. Diese Teilunwirksamkeit hat die Unwirksamkeit des gesamten Teilspruchs zur Folge.

2.1

Für die Entscheidung dahingestellt bleiben konnte, ob die Rüge der Antragstellerin durchgreift, der Teilspruch sei bereits deswegen unwirksam, weil für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG vorliegend nicht der örtliche Betriebsrat, sondern nach § 50 Abs. 1 BetrVG der Gesamtbetriebsrat zuständig sei.

Allerdings neigt die Beschwerdekammer der sorgfältig begründeten und der Entscheidung des Landesarbeitgerichts Berlin-Brandenburg vom 29.04.2008 (12 TaBV 134/08) folgenden Auffassung des Arbeitsgerichts zu, nach der zur Regelung der hier strittigen Maßnahmen keine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gegeben ist. Auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts (Bl. 111 - 116 d.A.) wird insoweit verwiesen.

Hierauf kam es jedoch letztlich nicht an, so dass auch nicht näher geprüft werden musste, ob die Antragstellerin sich in Bezug auf diese von ihr erhobene Rüge nicht auch die - zwischenzeitlich rechtskräftig gewordene - Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg (12 TaBV 134/08 = 1 ABN 38/08) entgegenhalten müsste, mit der die Unzuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für diesen Regelungskomplex festgestellt worden ist (vgl. hierzu BAG v. 15.02.2002 - 1 ABR 10/01 - EzA Nr. 19 zu § 50 BetrVG 1972).

2.2

Die Beschwerdekammer brauchte auch nicht näher darauf einzugehen, ob die Rüge der Antragstellerin, der Teilspruch sei unwirksam, weil er unzulässige Verfahrens- und Rahmenregelungen enthalte und in Teilbereichen auch ermessensfehlerhaft sei, begründet sein könnte. Auch hierauf kam es nicht an, da der Teilspruch sich aus deren Gründen als unwirksam erweist.

2.3

Der Teilspruch der Einigungsstelle hält einer gerichtlichen Überprüfung insoweit nicht stand, als er Regelungen zur aufgabenbezogenen Unterweisung enthält, ohne dass zuvor Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt worden sind.

2.3.1

Grundsätzlich bestehen keine Bedenken dagegen, dass die Einigungsstelle durch einen Teilspruch lediglich Regelungen zur Unterweisung nach § 12 ArbSchG getroffen und damit nur einen Teilbereich der Gesamtmaterie geregelt hat, die ihr nach dem Beschluss in dem Einsetzungsverfahren des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Juni 2007 - 18 TaBV 569/07 - zur Regelung zugewiesen worden ist. Denn die Unterweisung nach § 12 ArbSchG stellt einen abgrenzbaren, eigenständigen Komplex im Rahmen der Gesamtmaterie dar, bezüglich dessen Ausgestaltung spezifische Regelungen getroffen werden können.

2.3.2

Die Einigungsstelle hätte Regelungen zur Unterweisung jedoch erst treffen dürfen, nachdem zuvor Gefährdungsbeurteilungen nach § 5 ArbSchG erfolgt sind, was vorliegend nicht der Fall war.

Dies gilt zumindest für die aufgabenbezogenen Unterweisungen.

Für die Grundunterweisung, wie sie in Ziffer 3.2 mit Verweisung auf die Anlage 1 des Teilspruchs vorgesehen ist, ist dies nicht zwingend. Diese Unterweisung bezieht sich ausweislich des in der Anlage 1 aufgestellten Katalogs auf allgemeine Fragen des Arbeitsschutzes. Sie ist geeignet, bei den Beschäftigten Interesse und Verständnis für die Gefährdungssituationen im Betrieb zu wecken, diese auf die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen des Arbeitsschutzes hinzuweisen und sie über die Organisation des Arbeitsschutzes im Betrieb und Unternehmen sowie ihre Rechte und Pflichten nach dem Arbeitsschutzgesetz zu informieren. Einer derartigen Unterweisung bedürfen alle Beschäftigte gleichermaßen, und zwar unabhängig von der Art der von ihnen ausgeübten Tätigkeit bzw. der Ausgestaltung des konkreten Arbeitsplatzes. Sie trägt zur Erfüllung eines vom Arbeitsschutzgesetz verfolgten Leitgedanken, nämlich der stärkeren Einbeziehung der Beschäftigten in den betrieblichen Arbeitsschutz, Rechnung. Dieses kann ohne Vermittlung von Grundwissen nicht erreicht werden.

Für eine aufgabenbezogene Unterweisung ist die vorherige Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen jedoch unabdingbar (vgl. hierzu Koll, Janning, Pinter, ArbSchG, § 12 ArbSchG Rdnr. 3; Kittner, Pieper, ArbSchG, 4. Aufl., § 5 Rdnr. 9). Dies folgt bereits aus § 12 Abs. 1 Satz 2 ArbSchG. Danach muss die Unterweisung Anweisungen und Erläuterungen umfassen, die eigens auf den Arbeitsplatz oder den Aufgabenbereich des Beschäftigten ausgerichtet sind. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bezieht sich deshalb auf die Frage, welchen Inhalt die vorzunehmende Unterweisung für welchen Arbeitsplatz haben soll (vgl. BAG v. 08.06.2004 - 1 ABR 4/03 - a.a.O.). Dies bedingt jedoch, dass zuvor - bezogen auf jeden einzelnen Arbeitsplatz - festgestellt worden ist, worin die möglichen Gefahren und Belastungen bei der Arbeit bestehen, woraus sie sich ergeben und welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich und vom Arbeitgeber getroffen worden sind. Es müssen mithin die Ergebnisse der jeweiligen Gefährdungsbeurteilung bekannt sein. Denn diese sind Grundlage der Unterweisung. Eine Unterweisung, die durchgeführt wird, ohne dass die konkreten Gefährdungen und Belastungen, denen die einzelnen Beschäftigten ausgesetzt sind, und die dagegen getroffenen Schutzmaßnahmen bekannt sind, ist sinnlos, verfehlt ihren Zweck und bürdet dem Arbeitgeber unnötige Kosten auf. Dies hat die Einigungsstelle nicht hinreichend beachtet, wenn sie unter Ziffer 3.4 festlegt, dass die erste aufgabenbezogene Unterweisung spätestens drei Monate nach der Grundunterweisung, die wiederum spätestens drei Monate nach Zustandekommen der Betriebsvereinbarung (also nach Erlass des Spruchs) durchgeführt werden soll, zu erfolgen hat, ohne dass zuvor Regelungen über die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG nach Maßgabe des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG getroffen und entsprechende Beurteilungen auch durchgeführt worden sind. Auch das in Ziffer 3.3 des Teilspruchs vorgesehene Schulungskonzept, welches offenkundig vor Durchführung der Schulung festgelegt sein muss, setzt voraus, dass Gefährdungen, Belastungen und Schutzmaßnahmen bekannt sind, also eine Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Abs. 1 ArbSchG erfolgt ist.

Dem steht nicht entgegen, dass in der Anlage 2 des Teilspruchs unter a) bis d) bezogen jeweils auf bestimmte Beschäftigtengruppen Inhalte, auf die im Rahmen der Schulung einzugehen ist, aufgeführt werden. Denn wie sich aus den Worten "zunächst insbesondere" ergibt, sind hier nur einige, wenngleich möglicherweise auch die nach Auffassung der Einigungsstelle wichtigsten Belastungs- und Entlastungsmöglichkeiten aufgezählt. Zudem erschöpft sich diese Aufzählung auch in einer nur schlagwortartigen Angabe von Belastungs- und Entlastungsfaktoren, d.h. ohne diese konkret zu bezeichnen. Dies ist aber erforderlich, um eine Unterweisung, die den Anforderungen des § 12 Abs. 1 ArbSchG genügt, durchzuführen.

Demgegenüber kann auch nicht eingewandt werden, dass nach § 12 Abs. 1 Satz 4 ArbSchG die Unterweisung an die Gefährdungsentwicklung angepasst sein und ggf. erforderlichenfalls wiederholt werden muss. Hierdurch wird letztlich nur zum Ausdruck gebracht, dass eine Unterweisung nicht nur bei den in Satz 3 genannten Ereignissen erforderlich ist, sondern beispielsweise auch dann, wenn neue Gefährdungsarten bei der Arbeit auftreten oder die Gefährdungsintensität der vorhandenen Arbeitsverfahren, Arbeitsmittel oder Technologien sich ändern. Hieraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass es keiner vorherigen Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung vor der aufgabenbezogenen Unterweisung nach § 12 ArbSchG bedarf.

Auch der Einwand der Beteiligten zu 2) und 3), wegen der Dringlichkeit, nunmehr endlich eine Unterweisung nach § 12 Arbeitsschutzgesetz durchzuführen, weil dies bereits seit Erlass des Gesetzes im Jahre 1997 vorgesehen sei, könne die Unterweisung zunächst einmal ohne vorherige Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung erfolgen, greift nicht durch. Allein die zeitliche Verzögerung in der Umsetzung des Gesetzes kann nicht dazu führen, dass dem Arbeitgeber die Durchführung kostenträchtiger Schulungen auferlegt wird, die letztlich ohne hinreichenden Sinn, weil nicht auf die jeweiligen Arbeitssituationen zugeschnitten, sind.

2.4

Steht damit fest, dass jedenfalls die Regelungen zur aufgabenbezogenen Unterweisung unwirksam sind und damit eine Teilnichtigkeit des Teilspruchs vorliegt, hat dies im Streitfalle die Unwirksamkeit der gesamten Regelung zur Folge.

Zwar führt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Teilunwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung dann nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Betriebsvereinbarung, wenn der verbleibende Teil auch ohne die unwirksamen Bestimmungen eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält. Dies gilt auch für eine Betriebsvereinbarung, die durch Spruch der Einigungsstelle zustande gekommen ist (vgl. BAG v. 8.6.2004 - 1 ABR 4/03 - a.a.O; BAG 20.07.1999 - 1 ABR 66/98 - AP Nr. 103 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, jeweils m.w.N.).

Da vorliegend die Regelungen zur aufgabenbezogenen Unterweisung den wesentlichen Teil einer Unterweisung nach § 12 Arbeitsschutzgesetz ausmachen und eine Grundunterweisung ohne zeitnahe Durchführung einer aufgabenbezogenen Unterweisung keinen Sinn macht, weil beide Formen der Unterweisung in einem engen Zusammenhang stehen, kann ohne wirksame Regelungen zur aufgabenbezogenen Unterweisung die Vereinbarung insgesamt keinen Bestand haben. Sie stellte keine in sich geschlossene Regelung zur Unterweisung nach § 12 Arbeitsschutzgesetz mehr dar.

III.

1.

Nach alledem war die Beschwerde der Antragsstellerin erfolgreich und der erstinstanzliche Beschluss - wie tenoriert - abzuändern.

2.

Einer Kostenentscheidung bedurfte es nicht; das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§§ 2 Abs. 2 GKG, 20 Abs. 1 Ziff. 1 ArbGG).

3.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerden nach § 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

IV.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde, § 92a ArbGG, wird hingewiesen.

Verkündet am 19. Februar 2009

Vorschriften§ 12 ArbGG

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