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11.02.2011 · IWW-Abrufnummer 110494

Oberlandesgericht Koblenz: Beschluss vom 18.10.2010 – 5 W 450/10

1. Nimmt der Patient zunächst nur den mit der Erstversorgung befassten Notarzt auf Schadensersatz in Anspruch und stellt sich stattdessen ein Fehlverhalten des in einem anderen Landgerichtsbezirk gelegenen Krankenhauses heraus, in das der Kläger verlegt wurde, kann das Krankenhaus nicht durch eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO in das Verfahren gegen den Notarzt hineingezogen werden.


2.
Tritt das schädliche Ergebnis einer in mehreren Schritten und an verschiedenen Orten erfolgten Heilbehandlung erst nach der Krankenhausentlassung am Wohnort des Patienten zutage, kann dort für alle Anspruchsgegner der Gerichtsstand des § 32 ZPO begründet sein.


In dem Rechtsstreit
...
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz
durch
den Richter am Oberlandesgericht Weller als Einzelrichter
am 18. August 2010
beschlossen:

Tenor:
1.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den ablehnenden PKH - Beschluss des Landgerichts Bad Kreuznach vom 5. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
2.
Die Beschwerdeentscheidung ergeht gerichtsgebührenpflichtig; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Der Kläger, dessen Wohnsitz bei Prozessbeginn im Bezirk des Landgerichts Koblenz lag, nimmt den Beklagten mit der seit Oktober 2008 bei dem Landgericht Bad Kreuznach anhängigen Klage unter anderem auf Zahlung materiellen und immateriellen Schadensersatzes in Anspruch. Eine vom beklagten Arzt am 1. Januar 2008 vorgenommene Medikamentenapplikation im Bereich der Lendenwirbelsäule soll zu dauerhaften multiplen Ausfällen und Beschwerden des Patienten geführt haben. Noch am selben Tag wurde der Kläger in das Krankenhaus in Z. aufgenommen, dessen Trägerin eine gemeinnützige GmbH mit Sitz in D. (Landgerichtsbezirk Koblenz) ist.

Der gerichtliche Sachverständige gelangte zu der Auffassung, dem beklagten Arzt sei kein vorwerfbares Fehlverhalten anzulasten. Der heutige Befund beruhe nicht auf der Intervention des Beklagten, sondern auf einem thrombotischen Verschluss einer Rückenmarksarterie, was möglicherweise bei einer MRT - Untersuchung im Krankenhaus hätte erkannt werden können.

Der Kläger beabsichtigt daher, mit einer Klageerweiterung die Trägerin des Krankenhauses in Z. gesamtschuldnerisch neben dem Erstbeklagten in Anspruch zu nehmen. Hierfür hat er um Prozesskostenhilfe nachgesucht. Dem ist die Krankenhausträgerin unter anderem mit der Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des Landgerichts Bad Kreuznach entgegen getreten.

Das Landgericht hat den PKH - Antrag für die Klageerweiterung mit der Begründung abgelehnt, der Anspruchsteller beabsichtige, einen neuen Streitgegenstand in das Verfahren einzuführen, für den das Landgericht Bad Kreuznach aber örtlich nicht zuständig sei.

Das bekämpft die zulässige sofortige Beschwerde ohne Erfolg.

Der Beschwerdeführer meint, das Landgericht hätte seiner "Anregung" folgen und die Sache "von Amts wegen" dem Oberlandesgericht zur gerichtlichen Bestimmung der Zuständigkeit vorlegen müssen.

Damit kann der Antragsteller im vorliegenden PKH - Beschwerdeverfahren nicht durchdringen. Eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann nicht von Amts wegen auf Vorlage des mit der Sache befassten Gerichts ergehen, sondern setzt einen Antrag des Klägers voraus ( vgl. BGH NJW - RR 1991, 767 m.w.N. ). Daran fehlt es hier. Nur in den Fällen des negativen Kompetenzkonflikts ( § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ) ist ein Bestimmungsverfahren auch ohne Antrag für zulässig erachtet worden ( vgl. BGH NJW 1979, 1048 m.w.N. ). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die durch den negativen Kompetenzkonflikt herbeigeführte Hemmung des Verfahrens möglichst ohne Verzögerung durch Bestimmung des zuständigen Gerichts beendet werden soll. Diese Rechtsprechung darf jedoch nicht auf die Fälle des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO übertragen werden, da es dort an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt. Die ZPO gibt dem Kläger die Möglichkeit, mehrere Beklagte nicht als Streitgenossen, sondern getrennt vor verschiedenen Gerichten zu verklagen, sofern entsprechende Gerichtsstände gegeben sind. Für ein solches Vorgehen kann der Kläger die verschiedensten anerkennenswerten Gründe haben, die durchaus auch prozesswirtschaftlicher Natur sein können ( z.B. die Nähe von Beweismitteln, die nicht für jede seiner Klagen von Bedeutung sind ). Das Interesse des Beklagten, zusammen mit anderen Streitgenossen verklagt zu werden, wird von der Prozessordnung nicht geschützt ( vgl. BGH NJW 1987, 439 [BGH 09.10.1986 - I ARZ 487/86] und NJW 1990, 2751, 2752 ). Mit dieser von der ZPO gewollten Entscheidungsfreiheit des Klägers, vor welches der zuständigen Gerichte er seine Klage bringen will, stünde es in Widerspruch, wenn es zugelassen würde, dass ein Gericht, bei dem eine von mehreren danach zulässigen Klagen anhängig gemacht worden ist, statt dem Verfahren Fortgang zu geben, auch ohne Antrag des Klägers - gegebenenfalls sogar gegen seinen Willen - durch Aktenvorlage eine Gerichtsstandsbestimmung herbeiführen könnte. Aber auch dann, wenn der Kläger - wie hier - vor einem bestimmten Gericht Klage zunächst nur gegen einen von mehreren Beklagten als Streitgenossen eingereicht hat, besteht kein Anlass, dem angerufenen Gericht die Befugnis einzuräumen, von Amts wegen eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Nr. 3 ZPO herbeizuführen. Ist das Gericht der Ansicht, nicht hinsichtlich aller Beklagten für die Klage zuständig zu sein, kann es den Kläger darauf hinweisen und ihm Gelegenheit geben, einen Antrag auf Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands für alle Klagen zu stellen. Dieser Hinweispflicht ist die Einzelrichterin des Landgerichts Bad Kreuznach nachgekommen.

Ein Kläger, der die so verlautbarte Rechtsansicht des Gerichts nicht teilt, hat lediglich Anspruch darauf, dass das angerufene Gericht über seine Zuständigkeit eine Entscheidung trifft, die er gegebenenfalls mit Hilfe eines Rechtsmittels angreifen kann. Dieser Anspruch darf ihm nicht durch eine von Amts wegen veranlasste Gerichtsstandsbestimmung genommen werden ( vgl. BGH NJW-RR 1991, 767 ).

Dementsprechend ist der Senat auch nicht befugt, das vorliegende PKH - Beschwerdeverfahren auszusetzen und die Sache dem zur Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts berufenen 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz vorzulegen. Auch muss nicht entschieden werden, welche Rechtsfolgen es hat, dass der Antragsteller sein Wahlrecht nach § 35 ZPO mit der Klageerhebung bei dem Landgericht Bad Kreuznach mit Blickrichtung auf den beklagten Arzt bereits verbraucht hat. Für ihn ist das Landgericht Bad Kreuznach gemäß §§ 12, 13 ZPO zweifelsfrei zuständig. Das Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist darauf gerichtet, gegebenenfalls eine zusätzliche Zuständigkeit zu begründen. Es soll aber nicht ein zuständiges Gericht zu einem unzuständigen machen. Daher spricht vieles dafür, dass eine anderweitige Zuständigkeitsbestimmung nicht mehr in Betracht kommt, wenn die Klage bereits bei einem Gericht rechtshängig gemacht worden ist, das für mindestens einen Streitgenossen zuständig ist. Ein Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann unter Umständen aber auch daran scheitern, dass hier für den bei Prozessbeginn im Bezirk des Landgerichts Koblenz wohnhaften Kläger wegen der Folgen der behaupteten Behandlungsfehler und -versäumnisse möglicherweise von Anfang an der besondere Gerichtsstand des § 32 ZPO und damit die Zuständigkeit des Landgerichts Koblenz eröffnet war (Ort des Eintritts des schädlichen Erfolgs). Demzufolge könnte § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (am Ende) einschlägig sein.

Auf all das weist der Senat vorsorglich hin, um den Kläger nicht zu einem möglicherweise ebenfalls aussichtslosen Antrag auf Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts zu verleiten.

Dass das Landgericht Bad Kreuznach für die beabsichtigte Klage gegen die Trägerin des Krankenhauses in Z. örtlich nicht zuständig ist, wird von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen.

Das Rechtsmittel war daher mit der Kostenentscheidung aus Nr. 1812 KV und § 127 Abs. 4 ZPO zurückzuweisen.

Vorschriften§ 12 ZPO § 32 ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO

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