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03.01.2011 · IWW-Abrufnummer 110447

Finanzgericht Niedersachsen: Beschluss vom 26.11.2010 – 5 V 366/10

- Umsätze eines Berufsbetreuers sind nicht nach § 4 Nr. 18 UStG umsatzsteuerfrei. Ein Berufsbetreuer zählt weder zu den amtlich anerkannten Verbänden der freien Wohlfahrtspflege noch zu den der freien Wohlfahrtspflege dienenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind.
- Umsätze eines Berufsbetreuers sind auch nicht gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL von der USt befreit.


Tatbestand
Die Antragstellerin begehrt in der Hauptsache die Befreiung ihrer Umsätze aus Betreuungsleistungen von der Umsatzsteuer gemäß § 4 Nr. 18 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL).
Die Antragstellerin ist als berufsmäßige Betreuerin einzelunternehmerisch tätig.
In ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate Januar, Februar und März 2010 behandelte die Antragstellerin die Vergütungen für die Betreuungsleistungen als steuerfreie Umsätze. Für die Monate Mai und Juni 2010 reichte die Antragstellerin zunächst keine Umsatzsteuervoranmeldungen ein.
Der Antragsgegner qualifizierte die Vergütungen der Antragstellerin für Betreuungsleistungen als umsatzsteuerpflichtig und unterwarf diese mit Umsatzsteuer-vorauszahlungsbescheiden für Januar, Februar und März 2010 vom 09.06.2010 der Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz von 19 v.H.:

Beträge in EUR Bemessungsgrundlage – BMG – Steuer
     
Januar 2010    
Steuerpflichtige Umsätze zu 19 v.H. 5.503 1.045,57
abziehbare Vorsteuerbeträge   273,75
Umsatzsteuer-Vorauszahlung   771,82
     
Februar 2010    
Steuerpflichtige Umsätze zu 19 v.H. 6.254 1.188,26
abziehbare Vorsteuerbeträge   0,00
Umsatzsteuer-Vorauszahlung   1.188,26
     
März 2010    
Steuerpflichtige Umsätze zu 19 v.H. 4.926 935,94
abziehbare Vorsteuerbeträge   0,00
Umsatzsteuer-Vorauszahlung   935,94
Mit Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid vom 12.08.2010 für die Monate Mai und Juni 2010 ermittelte der Antragsgegner die Umsätze zunächst im Schätzungswege.
Gegen die Vorauszahlungsbescheide für Januar, Februar und März 2010 legte die Antragstellerin am 23.06.2010 (Eingang beim Antragsgegner) Einsprüche ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung dieser Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide.
Gegen die Vorauszahlungsbescheide Mai und Juni 2010 legte die Antragstellerin am 24.08.2010 Einsprüche ein unter Beifügung der Erklärungen zu den Umsatzsteuer-Vorauszahlungen Mai und Juni 2010 und beantragte ebenfalls die Aussetzung der Vollziehung.
Zur Einspruchsbegründung trägt die Antragstellerin jeweils vor, die von ihr erzielten Umsätze seien nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL von der Umsatzsteuer zu befreien.
Am 14.09.2010 erließ der Antragsgegner einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) -unter Einbeziehung der erklärten Angaben- geänderten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für Mai 2010 und am 24.08.2010 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für Juni 2010 und unterwarf die Betreuungsleistungen der Antragstellerin der Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz:
Beträge in EUR Bemessungsgrundlage – BMG – Steuer
     
Mai 2010    
Steuerpflichtige Umsätze zu 19 v.H. 3.335 633,65
abziehbare Vorsteuerbeträge   0,00
Umsatzsteuer-Vorauszahlung   633,65
     
Juni 2010    
Steuerpflichtige Umsätze zu 19 v.H. 3.842 729,98
abziehbare Vorsteuerbeträge   0,00
Umsatzsteuer-Vorauszahlung   729,98
Über die Einsprüche der Antragstellerin hinsichtlich der Frage der Umsatzsteuerfreiheit der Betreuungsleistungen hat der Antragsgegner noch nicht entschieden.
Mit Bescheid vom 07.07.2010 lehnte der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide Januar, Februar und März 2010 und mit Bescheid vom 15.09.2010 die Aussetzung der Vollziehung der Vorauszahlungsbescheide für Mai und Juni 2010 ab.
Gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide Januar, Februar und März 2010 legte die Antragstellerin am 15.07.2010 Einspruch ein. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 17.02.2009 – XI R 67/06 seien Betreuungsvereine mit ihren aus der Betreuungstätigkeit erzielten Einnahmen von der Umsatzsteuer befreit. Diese Steuerbefreiung sei auch auf die Umsätze selbständig tätiger Berufsbetreuer anzuwenden. Aus diesem Grund bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide.
Am 14.09.2010 erhielt die Antragstellerin die Ankündigung der Zwangsvollstreckung aus den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheiden Januar bis März 2010.
Mit Schriftsatz vom 27.09.2010 beantragte die Antragstellerin die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide Januar bis März, Mai und Juni 2010.
Mit Einspruchsentscheidung vom 07.10.2010 wies der Antragsgegner die Einsprüche gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide Januar, Februar und März 2010 als unbegründet zurück. Als Einzelunternehmerin könne die Antragstellerin die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 18 UStG nicht in Anspruch nehmen, da sie nicht zum begünstigten Personenkreis zähle. Die Umsatzsteuerbefreiung ließe sich auch nicht aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL herleiten, da das Einzelunternehmen der Antragstellerin nicht als Einrichtung mit im Wesentlichen sozialen Charakter anerkannt worden ist. Aufgrund der fehlenden Anerkennung könne dahingestellt bleiben, ob das Unternehmen der Antragstellerin überhaupt eine Einrichtung mit im Wesentlichen sozialen Charakter darstelle. Die Umsätze der Antragstellerin unterlägen daher der Umsatzsteuer zum Regelsteuersatz.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, die Umsatzsteuerfreiheit der Umsätze aus der Tätigkeit als Berufsbetreuerin folge aus der unmittelbaren Anwendung des Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe g der MwStSystRL. Diese Richtlinie sei bislang nicht in nationales Recht umgesetzt worden. Daher dürfe sich ein Einzelner direkt auf die Richtlinienbestimmung berufen. Die Eigenschaft einer „Einrichtung mit sozialem Charakter” i.S.d. Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe g der MwStSystRL leite sich – anknüpfend an die Rechtsprechung des BFH, Urteil vom 22.04.2004, V R 1/98, BStBl II 2004, 849 – aus der Kostenübernahme durch andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit ab, da der Fiskus in über 90 v.H. der Betreuungsfälle die Kosten trage.
Die Antragstellerin beantragt,
die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für Januar, Februar und März 2010 vom 09.06.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.10.2010 und den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für Mai 2010 vom 14.09.2010 und für Juni 2010 vom 24.08.2010 von der Vollziehung auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er verweist auf seine bereits im Einspruchsverfahren vertretene Rechtsauffassung.
Gründe
Der Antrag ist unbegründet.
1. Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz der Finanzgerichtsordnung (FGO) erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 10.02.1984, III B 40/83, BStBl II 1984, 454 und vom 30.12.1996, I B 61/96, BStBl II 1997, 466). Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage sind die Umsatzsteuer-vorauszahlungsbescheide für Januar, Februar und März 2010 vom 09.06.2010 sowie der Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für Mai 2010 vom 14.09.2010 und für Juni 2010 vom 24.08.2010 nicht rechtswidrig und verletzen die Antragstellerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Die steuerbaren Umsätze der Antragstellerin aus ihrer Tätigkeit als Berufsbetreuerin sind nicht von der Umsatzsteuer befreit.
(1) Die Leistungen der Antragstellerin sind nicht nach § 4 Nr. 18 UStG umsatzsteuerfrei.
Gemäß § 4 Nr. 18 UStG sind die Leistungen der amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege und der der freien Wohlfahrtspflege dienenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind umsatzsteuerfrei, wenn
a) diese Unternehmer ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen,
b) die Leistungen unmittelbar dem nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung begünstigenden Personenkreis zugute kommen und
c) die Entgelte für die in Betracht kommenden Leistungen hinsichtlich der durchschnittlich für gleichartige Leistungen von Erwerbsunternehmen verlangten Entgelte zurückbleiben.
Die Antragstellerin zählt als Berufsbetreuerin nicht zu den amtlich anerkannten Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und zu den der freien Wohlfahrtspflege dienenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einem Wohlfahrtsverband (vgl. § 23 der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung – UStDV –) als Mitglied angeschlossen sind. Die Vorschrift ist auf andere Steuerpflichtige nicht anwendbar (vgl. BFH-Urteil vom 22.04.2004, V R 1/98, BStBl II 2004, 849 m.w.N.; zu § 4 Nr. 18 UStG 1980: BFH-Urteil vom 15.10.1997, II R 94/94, BFH/NV 1998, 150 m.w.N.).
(2) Die Betreuungsleistungen der Antragstellerin sind auch nicht gemäß Artikel 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL von der Umsatzsteuer befreit.
Gemäß Artikel 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten von der Umsatzsteuer die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von den betreffenden Mitgliedsstaaten als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden.
Eine dem Artikel 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL entsprechende, umfassende nationale Befreiungsvorschrift findet sich im UStG nicht. Die Richtlinienbestimmung ist nicht fristgemäß umfassend in das UStG umgesetzt worden (vgl. BFH-Urteil vom 18.08.2005, V R 71/03, BStBl II 2006, 143). Diese Richtlinienbestimmung findet sich u.a. in dem bereits bei In-Kraft-Treten der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) vorhandenen, in der gegenwärtigen Fassung bereits seit dem 01.01.1968 existierenden § 4 Nr. 18 UStG wieder (Hölzer in Rau/Dürrwächter, Kommentar zum UStG, § 4 Nr. 18 Rn. 7).
Ein Einzelner kann sich in Ermangelung fristgemäß erlassener Umsetzungsmaßnahmen auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, gegenüber allen nicht richtlinienkonformen innerstaatlichen Vorschriften berufen (vgl. ständige Rechtsprechung des EuGH, z.B. EuGH-Urteil vom 10.09.2002, Rs. C-141/00, Kügler, UR 2002, 513 Rn. 51). Er kann sich auf diese Bestimmungen berufen, soweit sie so geartet sind, dass sie Rechte festlegen, die der Einzelne dem Staat gegenüber geltend machen kann. Ein Mitgliedstaat kann einem Steuerpflichtigen, der beweisen kann, dass er steuerrechtlich unter einen Befreiungstatbestand der Richtlinie fällt, nicht entgegenhalten, dass er die Vorschriften, die die Anwendung eben dieser Steuerbefreiung erleichtern sollen, nicht erlassen hat (EuGH-Urteil vom 10.09.2002, Rs. C- 141/00, Kügler, UR 2002, 513 Rn. 52).
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG (heute: Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe g der MwStSystRL) zählt die steuerfreien Tätigkeiten hinreichend genau und unbedingt auf (EuGH-Urteil vom 10.09.2002, Rs. C-141/00, Kügler, UR 2002, 513 Rn. 53).
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH stellen die in Artikel 132 Abs. 1 der MwStSystRL vorgesehenen Steuerbefreiungen eigenständige Begriffe des Gemeinschaftsrechts dar und erfordern daher eine gemeinschaftsrechtliche Definition (zuletzt zu Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG: EuGH-Urteil vom 26.05.2005, Rs. C-498/03, Kingscrest Associates Ltd. und Montecello Ltd., UR 2005, 453 Rn. 22 m.w.N.). Dies gilt auch für die spezifischen Bedingungen, von denen die Gewährung dieser Befreiungen abhängig gemacht werden, und insbesondere für diejenigen, die die Eigenschaft oder die Identität des Wirtschaftsteilnehmers betreffen, der die von der Befreiung erfassten Leistungen erbringt (EuGH- Urteil vom 26.05.2005, Rs. C-498/03, Kingscrest Associates Ltd. und Montecello Ltd., UR 2005, 453 Rn. 23; EuGH-Urteil vom 11.08.1995, Rs. C-453/93, Bulthuis-Griffioen, Slg. 1995, I-2341 Rn. 18).
Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung unter direkter Anwendung des Art. 132 Abs. 1 Buchstabe g der MwStSystRL genügt, dass ein Unternehmer, der weder zu dem begünstigten Personenkreis gem. § 4 Nr. 18 UStG i.V.m. § 23 UStDV zählt, noch nach anderen nationalen Befreiungsvorschriften umsatzsteuerbefreit ist,
- Leistungen erbringt, die eng mit der sozialen Fürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sind, und
- diese Leistungen als Einrichtung des öffentlichen Rechts oder als andere Einrichtung, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt worden ist, erbringt (BFH-Urteil vom 18.08.2005, V R 71/03, BStBl II 2006, 143 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
Die von der Antragstellerin erbrachten Leistungen sind nicht eng mit der sozialen Fürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden. Eng mit der sozialen Fürsorge verbunden sind alle in den Sozialgesetzbüchern nach Art und Umfang beschriebenen Leistungen (BFH-Urteil vom 18.08.2005, V R 71/03, BStBl II 2006,143). Bei den Betreuungsleistungen der Antragstellerin handelt es sich nicht um Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) und die Betreuervergütung wird grundsätzlich nicht von einem Sozialversicherungsträger übernommen.
Nach den Regelungen der §§ 1836 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) i.V.m. dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz – VBVG –) ist es vielmehr Sache des Betreuten, die Betreuer-vergütung aus eigenen privaten Mitteln zu finanzieren. Lediglich im Falle der Mittellosigkeit des Betreuten übernimmt zunächst die Staatskasse die Zahlung der Betreuungsleistungen. Später kann die Staatskasse hierfür den Betreuten gemäß § 1836e BGB in Regress nehmen.
Das Unternehmen der Antragstellerin ist zudem nicht als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt. Es ist weder von der Antragstellerin vorgetragen noch sonst aus den Akten ersichtlich, dass eine entsprechende Anerkennung durch staatliche Genehmigung oder behördliche Bescheinigung vorliegt.
Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL räumt den Mitgliedsstaaten ein Ermessen in der Frage ein, ob sie eine Einrichtung als Einrichtung mit sozialen Charakter anerkennen. Die Anerkennung einer Einrichtung als solche mit sozialem Charakter wird nicht schon dadurch erlangt, dass sich der betreffende Unternehmer auf die Bestimmung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL beruft. Vielmehr ist es Sache der nationalen Behörden, nach dem Gemeinschaftsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte, insbesondere unter Berücksichtigung der Praxis der zuständigen Verwaltung in ähnlichen Fällen zu bestimmen, welche Einrichtungen als Einrichtungen mit sozialem Charakter i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL anzuerkennen sind (EuGH-Urteil vom 26.05.2005, Rs. C-498/03, Kingscrest Associates Ltd. und Montecello Ltd., UR 2005, 453 Rn. 53 ff.; EuGH-Urteil vom 10.09.2002, Rs. C-141/00, Kügler, UR 2002, 513 Rn. 54, 55 und 57; BFH-Urteil vom 22.04.2004, V R 1/98, BStBl II 2004, 849). Dabei sind spezifische nationale oder regionale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 22.04.2004, V R 1/98, BStBl II 2004, 849).
Eine entsprechende Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter durch staatliche Genehmigung oder behördliche Bescheinigung liegt nicht vor. Die Antragstellerin erlangt die Eigenschaft einer Einrichtung mit sozialem Charakter nicht bereits dadurch, dass sie sich auf die Richtlinienbestimmung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL beruft.
Der BFH hat bereits entschieden, dass die Anerkennung eines Unternehmers als eine Einrichtung mit sozialem Charakter auch aus der Übernahme der Kosten für seine Leistungen durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit abgeleitet werden kann, zu denen die privaten Wirtschaftteilnehmer vertragliche Beziehungen unterhalten (EuGH-Urteil vom 10.09.2002, Rs. C-141/00, Kügler, UR 2002, 513 Rn. 58). Maßgebend ist insoweit, dass es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, für die die Kosten von den Sozialversicherungsträgern übernehmbar waren (BFH-Urteil vom 22.04.2004, V R 1/98, BStBl II 2004, 849 m.w.N.). Von diesen Grundsätzen ist auch für andere mit der Fürsorge oder der sozialen Sicherheit zusammenhängende Leistungen auszugehen.
Nach summarischer Prüfung können keine entsprechenden vertraglichen Beziehungen der Antragstellerin zu Einrichtungen der sozialen Sicherheit festgestellt werden. Entsprechende vertragliche Beziehungen sind auch nicht vorgetragen worden.
Unterstellt, der Vortrag der Antragstellerin, der Fiskus trage in über 90 v.H. der Betreuungsfälle die Kosten für ihre Betreuungstätigkeiten, träfe zu, können die Betreuungsleistungen der Antragstellerin dennoch nicht als von anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit (wie den Sozialversicherungsträgern) übernommen angesehen werden. Eine Zuordnung dieser Leistungen zu den mit der Fürsorge oder der sozialen Sicherheit zusammenhängende Leistungen ist nach Ansicht des Senates bereits aufgrund der Wesensverschiedenheit der Leistungen nicht möglich.
Bei den Betreuungsleistungen der Antragstellerin handelt es sich nicht um Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) und die Betreuervergütung wird nicht von einem Sozialversicherungsträger übernommen.
Nach den Regelungen der §§ 1836 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) i.V.m. dem VBVG ist es grundsätzlich Sache des Betreuten, die Betreuervergütung aus eigenen privaten Mitteln zu finanzieren. Der Betreuer hat aufgrund eines Bewilligungsbeschlusses des Vormundschaftsgerichts einen Vergütungsanspruch gegen den Betreuten. Ferner sieht § 1836 c BGB für den an den Betreuer zu leistenden Aufwendungsersatz sowie für die Vergütung den Einsatz des Einkommens und Vermögens des Betreuten vor, ehe die Staatskasse in Anspruch genommen werden kann. Lediglich im Falle der Mittellosigkeit des Betreuten i.S.d. § 1836 d BGB übernimmt zunächst die Staatskasse die Zahlung der Betreuungsleistungen, vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG. Der Vergütungsanspruch des Betreuers geht im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs auf die Staatskasse über. Diese kann den Betreuten hierfür gemäß § 1836e BGB in Regress nehmen.
Bereits die rechtliche Ausgangsposition der Betreuungsleistungen einerseits und der Leistungen nach SGB bzw. der von einem Sozialversicherungsträger übernommen Leistungen ist grundlegend verschieden.
Selbst wenn der Vortrag der Antragstellerin zuträfe, dass die Staatskasse in über 90 v.H. der Betreuungsfälle wegen Mittellosigkeit der Betreuten die Kosten der Betreuung zu tragen habe, kann eine Gleichstellung von Leistungen nach den SGB bzw. von einem Sozialversicherungsträger übernommenen Leistungen und von der Staatskasse gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG übernommenen Betreuungsleistungen (mit Regressmöglichkeit) allein vor dem Hintergrund, dass beide Leistungen im Ergebnis aus Steuergeldern finanziert werden, nicht vorgenommen werden.
Aus der Kostenübernahme durch die Staatskasse (in Fällen der Mittellosigkeit der Betreuten) kann nach summarischer Prüfung die Anerkennung des Unternehmens der Antragstellerin als eine Einrichtung mit sozialem Charakter nicht hergeleitet werden.
b) Ebenso wenig ist die Aussetzung geboten, weil die Vollziehung der angefochtenen Bescheide für die Antragstellerin eine unbillige Härte zur Folge hätte. Die Vollziehung eines – noch nicht bestandskräftigen – Steuerbescheides ist für den Steuerpflichtigen unbillig hart, wenn ihm dadurch wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur sehr schwer wiedergutzumachen wären, oder wenn sogar die wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre (vgl. Beschluss des BFH vom 24.03.1994, IV S 1/94, BStBl II 1994, 398).
Solche Gründe sind weder aus den Akten ersichtlich, noch hat sie die Antragstellerin substantiiert vorgetragen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

VorschriftenUStG § 4 Nr. 18

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