21.03.2013 · IWW-Abrufnummer 131551
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 21.12.2012 – 6 K 33/11
1. Wenn die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG wegen unzutreffender Rechnungsangaben nicht vorliegen, kann im Billigkeitsverfahren ausnahmsweise nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Vertrauensschutzes ein Vorsteuerabzug nach den Grundsätzen des EuGH in den Urteilen Teleos (vom 27.09.2007 C-409/04) und Netto-Supermarkt (vom 21.02.2008 C-271/06) in Betracht kommen (BFH-Urteile vom 30.04.2009 V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744 und XI R 48/07 vom 12.08.2009, BFH/NV 2010, 388).
Voraussetzung hierfür ist, dass der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer gutgläubig war und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sich von der Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu überzeugen, und seine Beteiligung an einem Betrug ausgeschlossen ist. Soweit gemeinschaftsrechtliche Regelungen eine Billigkeitsmaßnahme erfordern, ist das in § 163 AO bzw. § 227 AO eingeräumte Ermessen auf Null reduziert.
Es entspricht den Vorgaben des europäischen Rechts, dass dem Unternehmer grundsätzlich der Vorsteuerabzug zu gewähren ist und ihm dieser nur in Ausnahmefällen verweigert werden kann. Auch entspricht es der Rechtsprechung des EuGH, dass für das Vorliegen einer solchen Ausnahme das Finanzamt darlegungs- und beweislastpflichtig ist.
2. Es entspricht ebenfalls der Rechtsprechung des EuGH, dass die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein Ziel ist, das von der Richtlinie 2006/112 anerkannt und gefördert wird. Der Rechtsbürger kann sich deshalb nicht auf die Bestimmungen des Unionsrechts berufen, wenn er dies in betrügerischer oder missbräuchlicher Absicht tut. Ein Unternehmer, der Bargeschäfte für hochwertige Kfz im Freihafen tätigt und Umsatzsteuer entrichtet, obwohl er selbst im Freihafen keine Umsatzsteuer ausgewiesen hat, ist im besonderen Maße verpflichtet, die Angaben des Rechnungsausstellers zu überprüfen. Werden dem Steuerpflichtigen dieselben Kfz von unterschiedlichen Unternehmern angeboten und soll er sich bei Rückfragen nicht an seinen Vertragspartner, sondern einen Dritten richten, ist der Steuerpflichtige grundsätzlich nicht mehr als gutgläubig anzusehen. Dies gilt insbesondere, wenn sich bei einer späteren Überprüfung der Rechnungsangaben ergibt, dass weder die Telefonnummer noch die Adresse des Unternehmers richtig sein kann.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Voraussetzungen für eine abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen gem. § 163 Abgabenordnung (AO) bzw. für einen Erlass gem. § 227 AO vorliegen und die Klägerin deshalb einen Anspruch auf Vorsteuererstattung hat.
Die Klägerin wurde 1985 errichtet und firmiert seit 1986 unter A-Handelsgesellschaft mbH. Gegenstand ihres Unternehmens war der Handel mit Kraftfahrzeugen, Karosserien, deren Teilen und ... sowie die Herstellung von Karosserien, deren Teilen und ... (durch berechtigte Betriebe). Die Geschäftsanteile der Klägerin wurden Anfang 1986 von Herrn B erworben. Herr B ist Diplom-Kaufmann und war bis ... als Assistent der Geschäftsführung in einem mittelständischen Umschlagsunternehmen tätig gewesen. Anschließend wechselte er zu einer Firma, die ...-Fahrzeuge nach Kundenwünschen umarbeitete. Etwa zwei Jahre später fiel das Unternehmen in Konkurs, Herr B erwarb die Gesellschaftsanteile der Klägerin und wurde deren alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer bis zum ... 2003. Anschließend wurde Herr C als alleiniger Geschäftsführer der Klägerin bestellt und ins Handelsregister eingetragen.
Am ... 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet (Amtsgericht Hamburg ...).
Die Klägerin betrieb in den Jahren 1993 und 1994 eine Werkstatt zur „Veredelung” von Luxusautos, erzielte jedoch den Hauptteil ihres Umsatzes mit dem Export von hochpreisigen Kraftfahrzeugen der Marke Mercedes-Benz nach Japan.
Die Fahrzeuge waren von der Herstellerin, der N AG, durch ihren Spediteur E für den Verkauf an drei Firmen mit Sitz im Sultanat Oman, im Jemen bzw. in der Republik Sudan in den Hamburger Freihafen verbracht worden und wurden dort zunächst auf dem Gelände der F GmbH (F) gelagert. Bis zum Zahlungseingang und der darauf von der N AG zu erklärenden Freigabe blieben die Fahrzeuge im Gewahrsam der Herstellerin, die auch die Kosten der Lagerung übernahm.
Die Fahrzeuge wurden den eigentlich vorgesehenen Abnehmern durch eine „G” abgekauft, die diese weiterverkaufte an die drei Firmen „H Handels- und Vertriebsgesellschaft” (H), „J ... Gesellschaft mbH” (J) und „K GmbH” (K).
Die Fahrzeuge wurden der Klägerin angeboten und nach Kauf in Rechnung gestellt durch Herrn L. Die Rechnungen enthielten keinen Hinweis auf den Lieferort; sie enthielten offen ausgewiesene Umsatzsteuer von 15 % und einen Quittungsvermerk „Betrag dankend erhalten”. Die Bezahlung erfolgte im Büro der Klägerin weit überwiegend durch Barscheck.
Nachdem das Geld bei der Herstellerin eingegangen war, erfolgte die Freigabe der Fahrzeuge bei der F zur Auslieferung an die nunmehr Verfügungsberechtigten (H, J und K) bzw. die von ihnen beauftragten Speditionen M. Soweit H und J die Spedition M mit dem Transport zum Verschiffungskai (Burchardkai) beauftragt hatten, erhielt diese Spedition die konkrete schriftliche Anweisung, sie möge die bezeichneten Fahrzeuge am Burchardkai für die Klägerin anliefern.
Die Klägerin ließ die Fahrzeuge dort untersuchen und schließlich an ihre Abnehmer in Japan verschiffen.
Die Klägerin erklärte diese Ausgangsumsätze als steuerfreie Ausfuhrlieferungen und zog die von Herrn L ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer ab. Den Umsatzsteuer-Voranmeldungen fügte die Klägerin etliche der von Herrn L erteilten Rechnungen als Nachweis des Vorsteuerabzugs bei. Zu jeder Rechnung ließ sich die Klägerin eine Bestätigung von Herrn L über die Berechtigung zum gesonderten Umsatzsteuerausweis geben und darüber, dass die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in voller Höhe an das Finanzamt Hamburg-1 zur dortigen Steuernummer abgeführt werde. Den Personalausweis von Herrn L und dessen Gewerbeanmeldung hatte die Klägerin bereits kopiert. Herr L führte die Umsatzsteuer jedoch nicht ab, sondern machte in fast gleicher Höhe einen Vorsteuerabzug geltend, den er aus Rechnungen eines nicht existenten „O” an ihn herleitete.
In den Jahren 1993 und 1994 erwarb die Klägerin u. a. 139 Mercedes-Benz-Fahrzeuge von Herrn L. Dieser berechnete der Klägerin für die Fahrzeuge insgesamt ca. 20 Mio. DM. Die von ihm erstellten Rechnungen wiesen Umsatzsteuern in Höhe von 434.760 DM (1993) und 2.276.730 DM (1994) offen aus.
Die Klägerin machte in ihren Umsatzsteuererklärungen für 1993 und 1994 vom 19.07.1994 (1993) und 23.02.1996 (1994) die ihr von Herrn L in Rechnung gestellten Umsatzsteuern als Vorsteuern geltend. Dem folgte der Beklagte zunächst mit Vorbehaltsfestsetzungen nach § 168 AO vom 13.10.1994 (für 1993) und 31.05.1996 (für 1994).
Das Landgericht Hamburg verurteilte Herrn L mit Urteil vom ... 1995 (...) wegen Steuerhinterziehung und unerlaubten Waffenbesitzes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten. Herr L hatte nach den Urteilsfeststellungen seine für die Zeiträume I/93 bis 10/94 erklärten Umsatzsteuern mit unberechtigten Vorsteuerbeträgen aus von ihm selbst erstellten Scheinrechnungen in seinen Umsatzsteueranmeldungen verrechnet und dadurch Umsatzsteuern --einschließlich der der Klägerin in Rechnung gestellten-- in Höhe von insgesamt ca. 8,5 Mio. DM verkürzt.
Die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Hamburg-2 leitete am 08.11.1995 ein Ermittlungsverfahren betreffend die steuerlichen Verhältnisse der Klägerin ein. Gegenstand der Ermittlungen waren die umsatzsteuerlichen Leistungsverhältnisse mit Herrn L. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Bericht der Steuerfahndungsstelle vom 02.03.2001 verwiesen. Aufgrund der Ermittlungsergebnisse der Steuerfahndungsstelle wurde am 07.03.2001 wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen den Geschäftsführer Herrn B Anklage vor dem Landgericht Hamburg erhoben. Das Landgericht Hamburg verurteilte Herrn B mit Urteil vom ... 2002 (...) wegen Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 4 Monaten. Die dagegen eingelegte Revision wies der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom ... 2002 (...) nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zurück. Das Landgericht traf in seinem Urteil u. a. folgende tatsächliche Feststellungen (Urteil vom ... 2002 ..., Seiten 10, 11, 12, 15 - 22, 42):
„L, ein gelernter Textilkaufmann, war erst im Frühjahr 1990 nach Verbüßung eines Teils einer 6-jährigen Freiheitsstrafe, verhängt von einem französischen Gericht wegen Verstoßes gegen die dortigen Betäubungsmittelbestimmungen, nach Hamburg zurückgekehrt. ... Im Dezember 1992 hatte L beim Bezirksamt Hamburg-1 ein Gewerbe mit der Tätigkeit „Kfz-Innenreinigung, Einzelhandel mit Kfz-Ersatzteilen und Zubehör” angemeldet. Bei der angegebenen Anschrift der angeblichen Betriebsstätte in X-Straße, Hamburg ..., und der Telefonnummer ... handelte es sich um sein Elternhaus und deren fernmündliche Erreichbarkeit. L hatte seinerzeit überhaupt keine Betriebsstätte und wohnte bei seiner Freundin in der Y-Straße, Hamburg. ... Um nach außen den Schein der Seriosität zu vermitteln, nahm L sich auch einen Steuerberater, der ihm bereits im April 1993 bescheinigte, dass er beauftragt sei, seine steuerlichen Angelegenheiten wahrzunehmen; dazu gehörte auch die Erstellung der laufenden Buchhaltung mit den dazugehörigen Umsatzsteuervoranmeldungen. In Wirklichkeit sammelte L in der Folgezeit - überwiegend - nur Scheinrechnungen und sein Steuerberater holte erst Ende September 1993 eine Steuernummer beim Finanzamt Hamburg-1 für ihn ein. Weitere Buchführungsunterlagen gab es nicht. In dem eingereichten Fragebogen zur steuerlichen Erfassung eines Gewerbebetriebes gab L nunmehr als angebliche Betriebsstätte die Straße Z-Straße, ... Hamburg, die Telefonnummer ... und als Bankverbindung ein Konto bei der Bank-1 an. Auch das entsprach nicht den Tatsachen. In der Straße Z-Straße gab es überhaupt keinen Betrieb, die Telefonnummer gehörte zu der Firma P, H-Straße, Hamburg, wo der Zeuge L Aushilfstätigkeiten verrichtete und mit gebrauchten Pkw in geringem Umfange handelte. Das ...-Konto hatte seine Freundin eröffnet; eine Vollmacht für dieses Konto hatte L nicht. ... Um Ls Rolle als Rechnungsschreiber abzudecken und zur weiteren Verschleierung erdachten Burchardt Q, L und ihre Hinterleute die Firma „U, R-Straße, ... Hamburg”, als angeblichen (Vor)Lieferanten der von L weiter zu schreibenden Autos. In deren Rechnungen lag der Schein-Nettopreis immer DM 300,-- niedriger als in den sich anschließenden L-Rechnungen, um nach außen einen Rest von wirtschaftlichem Handeln zu suggerieren. Tatsächlich handelte es sich hierbei um eine Scheinfirma. Die in ihren Rechnungen genannte Anschrift lag in einem Kleingartengelände. Telefon- und Telefaxnummern waren anderen Fernsprechteilnehmern zugewiesen. Die Firma wurde bei keiner Stelle geführt. ... In der Zeit von Anfang 1993 bis Ende 1994 schrieb L eine Vielzahl von Rechnungen über angebliche Kfz-Verkäufe in Höhe von insgesamt etwa DM 50.000.000,-- jeweils mit gesondert ausgewiesener Mehrwertsteuer. Mehr als 400 Scheinrechnungen der Scheinfirma U dienten ihm als angebliche Einkaufsbelege. ... Den Kontakt zu dem Angeklagten knüpfte L ab spätestens Herbst 1993. Ohne sich und seine Firma im Einzelnen vorzustellen, trug er dem Angeklagten die Lieferungsmöglichkeiten von verschiedenen Mercedes-Benz-Fahrzeugen der Oberklasse - mit der für Japan üblichen Standardausrüstung - vor. Da B für seine dortigen Kunden dringend derartige Fahrzeuge auf dem grauen Markt oder von anderen Lieferanten suchte, zeigte er Interesse. L teilte B mit, er werde ihm zukünftig schriftlich, mündlich oder per Fax entsprechende Pkw mit den jeweiligen Ausstattungsmerkmalen anbieten. Diese Fahrzeuge stünden alle im Hamburger Freihafen, entweder bei der Firma F, am Eurokai oder am Burchardkai. Der verlangte Kaufpreis - zuzüglich der gesondert ausgewiesenen Mehrwertsteuer von 15 % - sei nicht verhandelbar. Nur nach Rücksprache mit anderen Personen könne - möglicherweise - im Einzelfall eine Änderung erörtert werden. Dieser Brutto-Kaufpreis sei bei Aushändigung der quittierten Rechnung in bar oder per Barscheck im Voraus fällig und ihm zu übergeben. Anschließend werde er - so trug L weiter vor - die Freigabe des Fahrzeuges für die A GmbH veranlassen. B war mit diesem Vorgehen einverstanden. ... Auch L ging davon aus, dass B keine Nachforschungen der vorgenannten Art betreiben würde. Deshalb gab er auf seinen Rechnungen anfangs noch das Bank-1 Konto seiner Freundin als Geschäftskonto an und eröffnete erst Ende November 1993 ein eigenes Konto bei der Bank-2. Auch gab er weiterhin „Z-Straße” und „X-Straße”, jeweils ”... Hamburg”, als angebliche Anschrift seiner Betriebsstätte an und nannte im Briefkopf die Telefonnummer seiner Eltern bzw. der Firma P als angebliche Fernmeldeverbindung. ... Jede Rechnung wies - wie abgesprochen - einen gesonderten Betrag von 15 % des Nettopreises als Mehrwertsteuer aus und wurde von L mit einem Stempelaufdruck „Betrag dankend erhalten”, einem Firmen-Anschriften-Stempel - sowie der Unterschrift des L - versehen. Einige der Stempelaufdrucke (hier: „Z-Straße”) stimmten nicht einmal mit der Anschrift im Rechnungs-Briefkopf (hier: „X-Straße”) überein. ... Sämtliche Rechnungen tippte die Mutter des L in ihrem Reihenhaus. ... Im Januar 1994 erschien Q persönlich bei B, um die Beträge aus den beiden Scheinrechnungen des L vom 04. Januar 1994 für zwei Fahrzeuge über insgesamt DM 305.325,-- (unten Tabelle, laufende Nummer 25 und 26) zu kassieren und zu quittieren. B und Q kannten sich ebenfalls bereits aus vorangegangenen Geschäften. Zwischen Juni und September 1993 hatte Q an B bereits fünf Fahrzeuge für knapp DM 1.000.000,-- inklusive Mehrwertsteuer verkauft. Ab Mai 1994 sollte der direkte Handel zwischen den beiden - wie nachfolgend festgestellt wird - noch erheblich ansteigen. Mitte Mai 1994 erschien Q erneut bei B, um vier Beträge aus den Scheinrechnungen des L vom 16. Mai 1994 (unten Tabelle, laufende Nummer 35, 36, 42, 43) über insgesamt DM 593.400,-- entgegenzunehmen. Gleichzeitig kassierte er die Beträge aus drei Rechnungen einer Firma T für anderweitige Kfz-Lieferungen. B stellte einen Scheck über insgesamt DM 998.200,-- aus und Q quittierte mit Datum vom 18. Mai 1994 den Geldempfang. Die Beträge aus weiteren vier Schein-Rechnungen des L vom 16. Mai 1994 (unten Tabelle, laufende Nummer 34, 37, 38, 40) für die Lieferung von vier Pkw zum Preis von insgesamt DM 529.000,-- wurden ebenfalls nicht von L, sondern nunmehr von einer unbekannt gebliebenen Person kassiert. Zunächst wurde von B ein Scheck über DM 653.200,-- ausgestellt und von einem Büromitarbeiter zur Kapitalbeschaffung eingelöst. Es erschien jedoch abermals nicht L, sondern jemand, der gleichzeitig einen weiteren Rechnungsbetrag der Firma T über DM 125.350,-- kassieren wollte. Die Buchhalterin W stellte deshalb eine Quittung über insgesamt (DM 529.000,-- + DM 125.350,-- =) DM 654.350,-- aus und ließ den Empfänger der Gelder unterschreiben. ... Weitere Beträge aus fünf Scheinrechnungen des L vom 30. September 1994 (unten Tabelle, laufende Nummer 108 - 112) für die Lieferung von fünf Pkw zu einem rechnerischen Gesamtpreis von (DM 140.300,-- x 5 =) DM 701.500,-- wurden in Wirklichkeit für Lieferungen und auf Rechnungen der Firma H vom 21.September 1994 in Höhe von quittierten DM 690.000,-- an L ausgehändigt. Q, der Inhaber der Firma H, hatte dem Angeklagten nämlich dieselben Fahrzeuge bereits 9 Tage früher unter seiner eigenen Firma verkauft und insgesamt DM 11.500,-- weniger berechnet. Die Rechnungen verwahrte Q in seinen Unterlagen. B zeichnete einen Scheck über DM 690.000,--, den L noch am selben Tage einlöste. Nur dieser Betrag wurde in dem Konto-Buch der A GmbH über die Belastungen des Bank-2-Kontos unter dem Datum vom 30. September 1994 mit der Bezeichnung „L” als Empfänger eingetragen. In dem Personenkonto, Kreditoren, Konto-Nr. L: ..., wurden jedoch die Rechnungsbeträge aus den L-Rechnungen über 5 x DM 140.300,-- im Haben gebucht. Im Soll waren per 30. September 1994 aber nur DM 690.000,-- verbucht, denn L hatte nur diesen Betrag bekommen. Gleichwohl quittierte er auf seinen fünf Rechnungen vom 30. September 1994 insgesamt eine Summe von DM 701.500,--. Um die Buchhaltung auch im Soll glattzustellen, es fehlten noch DM 11.500,--, hob man am 12. Oktober 1994 weitere 15.000,-- von dem Geschäftskonto bei der Bank-2 ab. Diesen Betrag trug man am selben Tag in das Kassenbuch als Einnahme ein und die Zeugin V fertigte einen Ausgangs-Eigenbeleg über DM 11.500,--. Dann veranlasste man im Personenkonto L, Konto-Nr. ..., eine restliche Soll-Buchung über diese DM 11.500,--, so dass auch dieses Konto ausgeglichen war. Wer dieses Geld erhalten hat, war weder von B noch den Zeugen zu erfahren. Die Rechnungen der Firma H waren jedenfalls in der Buchhaltung der Firma A GmbH nicht auffindbar. Dort wurden lediglich die Rechnungen des L abgelegt. Der Geldbetrag von DM 690.000,-- wurde wenige Tage später in zwei Teilbeträgen auf das Konto eines X überwiesen, der die Interessen der Firma G in Deutschland vertrat. ... Für L wurde keines der Fahrzeuge, die er der Firma A GmbH in Rechnung stellte, von N oder deren Beauftragten freigegeben. Er war auch an der Umfuhr dieser Fahrzeuge und deren Übergabe an die Firma A GmbH nicht beteiligt. L wusste nicht einmal, wo die Fahrzeuge im Einzelfall standen. In der Firma A GmbH war die Zeugin V mit der Verschiffung/Versendung der Fahrzeuge nach Übersee betraut. Sie erfuhr deren Standort von ihren Spediteuren, Verfrachtern, Lagerhaltern oder Lieferanten. Regelmäßig schickte man einen Mitarbeiter, der diese Fahrzeuge auf sichtbare äu ßere Beschädigungen überprüfen sollte. Auch das Vorhandensein der kompletten Schlüssel, der Radio-Code-Karte und der erforderlichen Papiere wurde geprüft. Etwaige Beanstandungen richteten sich niemals an L, obwohl er rechnungsmäßig das Fahrzeug „geliefert” und den Kaufpreis kassiert hatte. Als bei einer der Besichtigungen drei Fahrzeuge (unten Tabelle, laufende Nummer 22 - 24) Auffälligkeiten zeigten, wollte sich der damit Beauftragte mit Q in Verbindung setzen. Er erreichte ihn jedoch nicht und vermerkte das auf einem Zettel, der in der Buchhaltung der Firma A GmbH abgelegt wurde. ... Der Zeuge L wurde am 20. März 1995 aufgrund eines Haftbefehls wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung festgenommen. Die Firma A GmbH kaufte daraufhin ab Ende Mai 1995 direkt bei Firma G Mercedes-Kraftfahrzeuge. ... Da auch diese Fahrzeuge im Freihafen geliefert wurden, erfolgte der Verkauf an die A GmbH nunmehr ohne Mehrwertsteuerausweisung. Diese Fahrzeuge wurden auch nicht mehr in bar, sondern per Bankscheck der Bank-2 direkt an die Firma Z - dem offiziellen Auslandsimporteur der N-AG - bezahlt. Auch ein anderer Lieferant verkaufte Mercedes-Fahrzeuge, die bereits im Freihafen standen, nur gegen Netto-Rechnungen an die Firma A GmbH. In einer Rechnung der Firma Y GmbH vom 08. März 1995 heißt es dazu erläuternd: „Der Verkauf des vorgenannten Fahrzeuges ist mehrwertsteuerfrei, da die Übergabe im Hamburger Freihafengebiet erfolgt.” Die Bezahlung erfolgte per Verrechnungsscheck, so dass der Verbleib des Geldes urkundlich nachvollziehbar blieb. ...”
Herr B ließ sich in dem landgerichtlichen Verfahren u. a. wie folgt ein
(Urteil vom ... 2002 ..., Seite 46):
„Er räume ein, sich keine Gedanken über Ls Seriosität/Bonität gemacht zu haben, auch nicht darüber, auf welche Weise L an die Kraftfahrzeuge gekommen sei und wer dessen Vorlieferant sei. Spätestens nachdem man eine Vielzahl von Angebots-Faxen gelesen habe, denke man darüber nicht mehr nach. L habe immerhin mit seinem alten ... einen bescheidenen Eindruck gemacht, so dass er nicht argwöhnisch geworden sei. Andere Lieferanten seien mit teuren Kfz und Rolex-Uhren aufgetreten. Das habe ihn auch nicht beeindruckt. In einem Markt, in dem der Lieferant sich das von ihm zu liefernde Fahrzeug erst noch beschaffen muss, müsse der Geldfluss genauso schnell erfolgen, wie die Lieferung über den Vorlieferanten an den Lieferanten. Richtig sei auch, dass er sich den Geschäftssitz des L nicht angesehen habe. Er habe mit L verhandelt über die Preise, den Lieferzeitpunkt und den Lieferort. Die von L angebotenen Fahrzeuge seien mit der Bezahlung gekommen, so dass er auch im Nachhinein nicht vorsichtiger geworden sei. ...”
Aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndung änderte der Beklagte mit Bescheiden vom 10.08.2001 für 1993 und vom 24.07.2001 für 1994 die Umsatzsteuerfestsetzungen gemäß § 164 Abs. 2 AO. Der Beklagte versagte der Klägerin nunmehr den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Herrn L und forderte die Beträge in Höhe von 434.760 DM (1993) und 2.276.730 DM (1994) zurück.
Gegen die Änderungsbescheide legte die Klägerin am 10.09.2001 für 1993 und am 26.07.2001 für 1994 Einspruch ein.
Während der Einspruchsverfahren wurde am 14.08.2003 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet. Der Beklagte meldete die Umsatzsteuerforderungen für 1993 und 1994 gemäß § 174 InsO zur Insolvenztabelle an. Der Insolvenzverwalter widersprach den angemeldeten Ansprüchen am 12.11.2003 und nahm die durch die Insolvenzeröffnung unterbrochenen Einspruchsverfahren am 14.01.2008 wieder auf. Der Beklagte wies die Einsprüche und den Widerspruch des Insolvenzverwalters mit Einspruchsentscheidung vom 11.02.2008 zurück und hob den Vorbehalt der Nachprüfung in den Umsatzsteuerfestsetzungen für 1993 und 1994 gemäß § 164 Abs. 3 AO auf.
Der Insolvenzverwalter erhob am 10.03.2008 Klage (6 K 42/08) und erteilte der Prozessbevollmächtigten Prozessvollmacht. In dem Verfahren 6 K 42/08 (dem später als 6 K 263/09 fortgesetzten Verfahren) stritten die Beteiligten über die Vorsteuerberechtigung der Klägerin und in diesem Zusammenhang insbesondere um die Frage, ob der damalige Geschäftsführer der Klägerin, Herr B, wusste oder hätte wissen müssen, dass an die Klägerin in den Streitjahren 1993 und 1994 vorgenommene Lieferungen in eine Umsatzsteuerhinterziehung des Verkäufers einbezogen waren, sodass der Klägerin der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Verkäufers zu versagen war.
Durch Urteil vom 30.03.2009 wies das Finanzgericht Hamburg die Klage 6 K 42/08 ab. Dieses Urteil wurde durch den Bundesfinanzhof (BFH) durch Beschluss vom 04.11.2009 aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen und dort unter dem Aktenzeichen 6 K 263/09 fortgeführt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten des Verfahrens 6 K 42/08 bzw. 6 K 263/09 verwiesen.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom ... 2008 (...) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin wegen Masseunzulänglichkeit eingestellt. Die Klägerin blieb aufgelöst und setzte das Verfahren 6 K 263/09, vertreten durch ihren Liquidator, fort.
Der Senat führte in dem Verfahren 6 K 263/09 Beweiserhebungen durch, indem er den früheren Geschäftsführer der Klägerin Herrn B, die frühere Buchhalterin der Klägerin Frau W, Herrn S (war u. a. als Bote für Herrn Q z. B. für die H Handels- und Vertriebsgesellschaft) und Herrn L (Kfz-Händler und Geschäftspartner der Klägerin) als Zeugen vernahm. Auf das entsprechende Protokoll der Beweisaufnahme vom 27.04.2010 wird verwiesen.
Durch Urteil vom 27.04.2010 wies der Senat die Klage als unbegründet ab. Dabei ging der Senat davon aus, dass der Zeuge Herr B zumindest hätte wissen können, dass er sich mit den Erwerben von Herrn L an Umsätzen beteiligte, die in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen waren. Der Klägerin sei es nicht gelungen, die von dem Beklagten unter Bezugnahme auf den Bericht der Steuerfahndungsstelle vom 02.03.2001 und das Urteil des Landgerichts Hamburg vom ... 2002 (...) substantiiert gegen einen guten Glauben des Zeugen Herrn B in Bezug auf den Zeugen Herrn L vorgetragenen Tatsachen und Umstände zu widerlegen. Hierzu führte der Senat im Einzelnen aus:
a. Die Überzeugung des Senats, dass es dem Zeugen B nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen möglich und zu zumuten war, den Umsatzsteuerbetrug des Kfz-L zu erkennen und aufzuklären, stützt sich im Wesentlichen auf die im Tatbestand zitierten tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts Hamburg (Urteil vom ... 2002 ...). Diese Feststellungen sind durch das Gesamtergebnis des Verfahrens bestätigt worden.
aa. Danach stellte der dem Zeugen B bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung unbekannte und ohne Referenzen auftretende Kfz-L Lieferkonditionen, die für den überwiegend im Hamburger Freihafen vollzogenen Parallel-/Graumarkthandel ungewöhnlich waren. Das gilt vornehmlich für den gesonderten Umsatzsteuerausweis und die verlangten Bar- und Barscheckzahlungen statt der für die Klägerin üblichen bzw. überwiegend getätigten Netto-Lieferungen gegen Verrechnungsscheck oder Bankanweisung. Dass Netto-Lieferungen gegen Verrechnungsscheck oder Bankanweisung im Parallel-/Graumarkthandel im Hamburger Freihafen üblich waren, wird insbesondere durch die Geschäftsbeziehungen der Klägerin mit den Firmen G Mercedes-Fahrzeuge und Y GmbH und durch die eigene Abrechnungspraxis der Klägerin (vgl. die von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 27.04.2010 überreichten Kopien von Netto-Rechnungen der Klägerin vom 09. und 14.06.1994) verdeutlicht. Und dass zudem der Kfz-L die Fahrzeuge wenn nicht ausschließlich, so doch ganz überwiegend im Hamburger Freihafen an die Klägerin geliefert hat, ergibt sich für den Senat aus den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Hamburg-2 (vgl. Bericht vom 02.03.2001 - Anlagen 2.1 - 2.139). Diese Feststellungen sind nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht widerlegt worden. Zwar meinte sich die Zeugin W zu erinnern, dass der Kfz-L die von ihm gelieferten Fahrzeuge „meistens” auf dem Hof der Klägerin übergeben habe; diese Aussage wird jedoch durch die Aussagen des Kfz-L und des Zeugen B nicht bestätigt. Der Kfz-L hat ausgesagt, dass die von ihm an die Klägerin gelieferten Fahrzeuge regelmäßig im Freihafen gestanden hätten und dass er --der Kfz-L-- nur im Ausnahmefall auch mal direkt an die Klägerin geliefert habe; und der Zeuge B gab an, dass der Kfz-L die Fahrzeuge sowohl bei der Klägerin als auch im Freihafen angeliefert habe, er --der Zeuge B-- aber nicht mehr angeben könne, wie oft das eine oder das andere erfolgt sei. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Erinnerung der Zeugin W für den Senat als unzutreffend dar. Der erkennende Senat vermag auch nicht der Aussage des Zeugen B zu folgen, wonach Bar- oder Barscheckzahlungen im Parallel-/ Graumarkthandel üblich gewesen seien. Für diese Aussage finden sich in den Akten keine belastbaren Anhaltspunkte; die Aussage wird vielmehr durch die bereits angesprochenen Abrechnungspapiere mit den Firmen G Mercedes-Fahrzeuge und Y GmbH urkundlich widerlegt.
Der Zeuge B hätte also allen Grund gehabt, den Kfz-L danach zu fragen, weshalb dieser für die von ihm getätigten Freihafen-Umsätze Umsatzsteuern ausgewiesen hat, obwohl der Umsatzsteuerausweis weder üblich noch rechtlich einwandfrei war, und warum die Zahlungen in bar oder mit Barscheck erfolgen sollten, sodass der Verbleib des Geldes urkundlich nicht nachvollzogen werden
konnte.
Des weiteren hätten auch die Zahlungsvorgänge im Zusammenhang mit den Rechnungen des Kfz-L vom 04.01.1994 über DM 305.325,--, vom 16.05.1994 über DM 593.400,--, und DM 529.000,-- und vom 30.09.1994 über DM 690.000,-- bzw. DM 701.500,-- es dem Zeugen B nahe legen müssen, dass der Kfz-L nicht der wirtschaftliche Empfänger der von ihm in Rechnung gestellten Beträge und damit auch nicht der wirtschaftlich Verpflichtete der Kfz-Lieferungen war. Vor allem die Zahlungen auf die o. a. Rechnungen an den dem B bekannten Parallel-/Graumarkthändler Q und der Umstand, dass auch Fahrzeug-Beanstandungen an eben diesen Q gerichtet worden sind, hätten den Zeugen B darauf hindeuten müssen, dass Q zumindest in den genannten Fällen auch wirtschaftlich hinter den vorgeblichen Lieferungen des Kfz-L stand und dass der Kfz-L aus den Umsätzen wirtschaftlich weder berechtigt noch verpflichtet wurde.
Aufgrund dieser nach Auffassung des Senats deutlichen Anzeichen wäre zu besorgen gewesen, dass der Kfz-L die in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge an das Finanzamt weder abführen wollte noch konnte. Der Zeuge B hätte sich deshalb nicht auf Formalprüfungen durch die Anforderung von Eigenbelegen des Kfz-L und Bescheinigungen seines Steuerberaters beschränken dürfen, sondern hätte die Geschäftsbeziehung zu dem Kfz-L als angeblichen Vorlieferanten entweder durch ohne weiteres zumutbare Einholung von Marktinformationen über den Kfz-L und dessen Handelswege, durch eingehende Überprüfung der Rechnungsangaben des Kfz-L (Telefonnummer, Bankverbindung, Firmensitz) und durch die Einforderung einer Bankauskunft des Kfz-L näher untersuchen oder aber abbrechen müssen.
Aber selbst die von dem Zeugen B eingeholten Bescheinigungen der Kfz-L und dessen Steuerberater enthielten zudem unzutreffende und widersprüchliche Angaben. So war der Kfz-L gemäß Bescheinigung seines Steuerberaters vom 09.12.1993 sowie der Gewerbeanmeldung vom ... 1992 in der X-Straße in ... Hamburg ans ässig; nach den von dem Kfz-L der Klägerin bis zum 01.12.1993 ausgestellten Rechnungen war dieser indes gemäß Rechnungskopf in Z-Straße in ...7 ... Hamburg und gemäß Stempelaufdruck „Betrag dankend erhalten” in Z-Straße in ...9 ... Hamburg ansässig. Zudem war die unter der Firmenanschrift Z-Straße angegebene Telefonnummer 040-... dem Anschluss X-Straße (Elternhaus des Kfz-L) und die nachfolgend unter der Firmenanschrift X-Straße angegebene Telefonnummer 040-... einer Firma P in der H-Stra ße zugewiesen. Darüber hinaus enthielten die unter der Firmenanschrift X-Straße erstellten Rechnungen immer noch den Stempelaufdruck „Betrag dankend erhalten” mit der Firmenanschrift Z-Straße; gleiches gilt für die der Klägerin von dem Kfz-L unter dem 04.01.1994 überreichte „Bestätigung über Berechtigung zum gesonderten Umsatzsteuerausweis”.
Die unkritische Hinnahme dieser Belege kann somit nicht als Nachweis einer sorgfältigen Überprüfung des Kfz-L durch den Zeugen B herhalten; die widersprüchlichen Angaben hätten im Gegenteil Anlass für weitere Nachfragen durch den Zeugen B zu den geschäftlichen Verhältnissen des Kfz-L sein müssen.
bb. Schließlich hätte der Zeuge B nach dem unfreiwilligen Abbruch der Geschäftsbeziehung zu dem Kfz-L nach dessen Verhaftung im März 1995 Aufklärungen zu dessen Verbleib vornehmen müssen. Durch Einholung möglicher und zumutbarer Informationen bei den Finanzämtern und bei Q und anderen Personen des Parallel-/Graumarkthandels wäre zum einen eine zeitnahe Berichtigung der Umsatzsteuererklärung für 1993 nach § 153 AO vorzunehmen und zum anderen die Umsatzsteuererklärung für 1994 vom 03.06.1996 ohne die zum Erklärungszeitpunkt bereits nachweislich betrügerischen Umsätze des Kfz-L (Urteil des Landgerichts Hamburg vom ... 1995 ...) zu erstellen gewesen. Dadurch, dass der Zeuge B diesen Obliegenheiten nicht nachgekommen ist, ist es zu einem erheblichen Umsatzsteuerausfall gekommen, wofür die Klägerin als mit- verursachendes Glied in der Kette einzustehen hat. Aufgrund dieser Umstände ist der Klägerin der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Kfz-L nach den vorangestellten Grundsätzen (vgl. b.) zu versagen.
d. Die Versagung des Vorsteuerabzugs bei der Klägerin stellt keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar. Denn das von der Mehrwertsteuersystemrichtlinie anerkannte und geförderte Ziel, eine ordnungsgemäße Erhebung der Mehrwertsteuer zu sichern und Steuerhinterziehungen zu bekämpfen, stellt hohe Anforderungen an die Überprüfung von Geschäftsbeziehungen (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 01. Oktober 2007 12 K 160/04, EFG 2008, 574, DStRE 2008, 449 zur 6. EG-Richtlinie). Da das Umsatzsteuergesetz für das Vorsteuerabzugsrecht auf den guten Glauben des Unternehmers abstellt (vgl. a.), ist die Mitwisserschaft anderer Personen --einschließlich der Finanzverwaltung-- von einem Tatplan eines Vor- oder Nachlieferanten des Unternehmers irrelevant. Umgekehrt kann sich ein bösgläubiger Unternehmer auch nicht durch die Bösgläubigkeit anderer Personen --einschließlich der Finanzverwaltung-- entlasten; ist das negative Tatbestandsmerkmal der Bösgläubigkeit des Unternehmers erfüllt, so ist der Vorsteuerabzug zu versagen. Auf das von der Klägerin behauptete „Versagen” der Finanzverwaltung musste der erkennende Senat daher nicht weiter eingehen.
Weitere Beweisaufnahmen, die die Klägerin angeregt hatte, hielt der Senat nicht für erforderlich.
Der BFH wies die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde am ... 2010 als unbegründet zurück (...). Insbesondere waren nach Ansicht des BFH die von der Klägerin gestellten Beweisanträge nicht entscheidungserheblich.
Bereits am 19.08.2009 hatte die jetzige Prozessbevollmächtigte für die Klägerin die abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen gem. § 163 AO bzw. den Erlass gem. § 227 AO inklusive etwaiger Säumnis- und Verspätungszuschläge beantragt. Der Beklagte lehnte den Antrag auf abweichende Festsetzung der Umsatzsteuer 1993 und 1994 gem. § 163 AO bzw. den Erlassantrag gem. § 227 AO als unbegründet am 27.07.2010 ab. Im selben Schreiben lehnte er den Antrag auf abweichende Festsetzung der Verspätungszuschläge gem. § 163 AO bzw. den diesbezüglichen Erlassantrag gem. § 227 AO ebenso wie den Antrag gem. § 163 AO bezüglich der Säumniszuschläge als unbegründet ab. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass die Säumniszuschläge kraft Gesetzes gem. § 240 AO entstünden, so dass eine abweichende Festsetzung gem. § 163 AO nicht möglich sei. Bezüglich des noch offenen Antrags gem. § 227 AO, die Säumniszuschläge zu erlassen, bat der Beklagte, den Antrag entsprechend zu beziffern und mit einschlägigen Billigkeitsregelungen zu begründen.
Hiergegen legte die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, am 20.08.2010 Einspruch ein und erhob am 30.08.2010 Sprungklage beim Finanzgericht (6 K 182/10). Der Beklagte stimmte der zunächst erhobenen Sprungklage nicht zu.
Am 23.02.2011 hat die Klägerin im vorliegenden Verfahren Untätigkeitsklage erhoben. Das Gericht hat das Verfahren durch Beschluss vom 27.06.2011 bis zum 31.08.2011 zunächst ausgesetzt.
Durch Einspruchsentscheidung vom 24.08.2011 hat der Beklagte den Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid zum Erlassantrag als unbegründet zurückgewiesen.
Zur Begründung ihrer als Verpflichtungsklage fortgesetzten Klage trägt die Klägerin vor, die Voraussetzungen für eine abweichende Steuerfestsetzung gem. § 163 AO lägen vor.
Zwar schütze § 15 UStG nach der Rechtsprechung des BFH nicht den guten Glauben an die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug. Nach der Rechtsprechung des EuGH müsse Vertrauensschutz jedoch dann gewährt werden, wenn der Wirtschaftsteilnehmer alle Maßnahmen getroffen habe, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden könnten, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Betrug einbezogen seien. Der BFH beziehe diese europarechtlichen Vorgaben über die Vorschriften der §§ 163 und 227 AO in das deutsche Steuerrecht ein. Danach seien bei dem Steuerpflichtigen im Wege des Erlasses die Vorsteuern dann zu berücksichtigen, wenn zwar nicht die Voraussetzungen des § 15 UStG vorlägen, der Steuerpflichtige aber gutgläubig gewesen sei. In diesem Fall sei ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen erforderlich. Das Ermessen des Finanzamts sei dann auf Null reduziert.
Der EuGH habe in seiner Entscheidung vom 21.06.2012 (C 80/11, BFH/NV 2012, 1404) ausdrücklich festgestellt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug ein fundamentaler Grundsatz des durch das Unionsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems sei und dieser Anspruch grundsätzlich nicht eingeschränkt werden könne. Da die Verweigerung des Vorsteuerabzugsrechts eine Ausnahme vom Grundprinzip sei, obliege es der Steuerbehörde, die objektiven Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der zur Begründung dieses Rechts geltend gemachte Umsatz in eine vom Liefernden bzw. vom Leistenden oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war, rechtlich hinreichend nachzuweisen. Es sei nämlich grundsätzlich Sache der Steuerbehörden, bei den Steuerpflichtigen die erforderlichen Kontrollen durchzuführen, um Unregelmäßigkeiten und Mehrwertsteuerhinterziehung aufzudecken und gegen den Steuerpflichtigen, der diese Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung begangen habe, Sanktionen zu verhängen.
Aus diesem Grund sei im Streitfall der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug nicht vorlägen, denn die Versagung des Vorsteuerabzugs sei die Ausnahme, wenn eine ordnungsgemäße Rechnung eines Unternehmers vorgelegt werden könne, die Umsatzsteuer ausweise. Dies ergebe sich zwingend aus den neuesten Entscheidungen des EuGH vom 21.06.2012 (C-80/11 und C-142/11, BFH/NV 2012, 1404). Dies gelte insbesondere, weil das Finanzamt durch sein Verhalten das Verfahren massiv verschleppt habe, so dass wichtige Zeugen bereits verstorben seien. Dieser Umstand könne in keinem Fall der Klägerin angelastet werden.
Der Geschäftsführer der Klägerin sei gutgläubig gewesen. Zwar sei dieser rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden. Das zuständige Landgericht habe jedoch noch nach alter Rechtslage entschieden, da zu dem Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts die Entscheidungen des EuGH in Sachen Teleos (vom 27.09.2007 C-409/04) und Netto-Supermarkt (vom 21.02.2008 C-271/06) noch nicht ergangen waren, sodass sich das Strafurteil auf nicht mehr geltendes Recht beziehe. Darüber hinaus enthalte das Strafurteil auch ganz erhebliche Fehler, die zwar keine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigten, welche aber dazu führten, dass dieses Urteil in diesem Prozess nicht als Argumentationsgrundlage genutzt werden könne. Insbesondere sei die hier vorgenommene umsatzsteuerliche Würdigung bedenklich. Hiervon müsse mittlerweile auch der Beklagte ausgehen. Denn anders könne die Aufhebung des zunächst gegenüber dem Geschäftsführer ergangenen Haftungsbescheides nicht erklärt werden. Auch seien die streitigen Rechnungen ertragsteuerlich weiter berücksichtigt worden. Durch die im Verfahren 6 K 263/09 durchgeführte Beweisaufnahme sei zudem auch festgestellt worden, dass der vom Landgericht festgestellte Sachverhalt nicht richtig gewesen sei.
Insbesondere spreche für die Gutgläubigkeit des Geschäftsführers der Klägerin, dass er sich eine Kopie des Personalausweises von Herrn L habe aushändigen und dabei das Aussehen von Herrn L verifiziert habe. Auch die Unterschrift und die Meldeadresse von Herrn L habe er überprüft. Zusätzlich habe er sich eine Bestätigung des steuerlichen Beraters von Herrn L geben lassen, dass dieser steuerlich geführt sei und insbesondere Umsatzsteuererklärungen abgebe. Auch habe er Markterkundigungen eingeholt und dabei festgestellt, dass keine größeren Diebstähle bezüglich fabrikneuer Fahrzeuge von Benz vorlägen. Er habe Herrn L auch gewarnt, dass er alle Rechnungen beim Finanzamt einreichen werde. Hiermit sei Herr L einverstanden gewesen, auch habe er auf jeder Rechnung den Geldeingang bestätigt. Der Geschäftsführer habe damit bezüglich der Geldflüsse alle Beweisvorsorgemaßnahmen ergriffen. Schließlich seien alle Rechnungen auch dem Finanzamt zur Überprüfung eingereicht worden. Da das Finanzamt sich daraufhin nicht bei der Klägerin gemeldet und die Vorsteuern erstattet habe, sei man davon ausgegangen, dass alles in Ordnung sei. Ihr, der Klägerin, könne auch nicht vorgehalten werden, dass in den Rechnungen von Herrn L falsche Adressen enthalten gewesen seien, denn nach den Feststellungen des Landgerichts hätten zumindest an beiden möglichen Orten Schreibtische gestanden. Dies sei ausreichend für einen Geschäftsraum. Auch sei der vereinbarte Kaufpreis nicht auffällig günstig gewesen. Damit stehe fest, dass sie, die Klägerin, alle Maßnahmen ergriffen habe, welche vernünftigerweise von ihr verlangt werden könnten, um sich von der Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu überzeugen. Dies gelte insbesondere, weil selbst nach den Regelungen des aktuellen Geldwäschegesetzes keine höheren Anforderungen gestellt würden.
Der Beklagte habe diese Sorgfalt indessen nicht an den Tag gelegt. Insbesondere sei dem Beklagten bekannt gewesen bzw. hätte ihm bekannt sein müssen, dass gegen Herrn L bereits Maßnahmen der Steuerfahndung begonnen hatten. Spätestens nach Kenntnis dieser Ermittlungen hätte der Beklagte den Vorsteuerabzug versagen müssen. Dieses Verhalten müsse ggf. auch als strafbare Teilnahme des Beklagten an einer Steuerhinterziehung gewertet und in die Gesamtbeurteilung des Falles einbezogen werden. Denn für den Beklagten gelte der Amtsermittlungsgrundsatz. Einige Mitarbeiter des Beklagten hätten gegen ihre Amtsermittlungsverpflichtung verstoßen und somit die Klägerin in ihrem guten Glauben bestätigt. Dieses ergebe sich bestimmt auch aus den Akten des Beklagten. Es müsse in diesem Zusammenhang ebenfalls einbezogen werden, dass auch der Beklagte nach Jahren der Ermittlungen nicht mit Sicherheit wisse, wie der Sachverhalt tatsächlich abgelaufen sei. Dies könne somit erst recht nicht von ihr, der Klägerin, erwartet werden. Sie, die Klägerin, gehe aber immer noch davon aus, dass Herr L tatsächlich mit den Kfz habe handeln dürfen und auch gehandelt habe. Auch der Umsatzsteuerausweis im Freihafen könne nicht als Indiz gewertet werden, denn dieser sei nicht unüblich gewesen. Die Barzahlungen, auch bei größeren Beträgen, seien in den 90er Jahren durchaus üblich gewesen. Es könne auch nicht gegen die Klägerin gewertet werden, dass sie in anderen Fällen keine Barzahlungen vorgenommen habe, denn beide Zahlungsmöglichkeiten seien zulässig.
Das Ermessen des Beklagten sei damit auf Null reduziert, so dass die Klägerin einen Anspruch darauf habe, dass die erklärungsgemäße Veranlagung gem. § 163 AO durchgeführt werde. Nur so sei es möglich, dass über die AO Korrekturen der Umsatzsteuerergebnisse vorgenommen würden, welche nicht europakonform seien. Diese europarechtlich zwingend vorgeschriebene Korrektur könne nur in diesem gerichtlichen Verfahren erfolgen. Dadurch entstehe auch kein Widerspruch zum Urteil in der Sache 6 K 263/09. Nur in dem Erlassverfahren könne die Lastenverteilung zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt angemessen berücksichtigt werden. In der Entscheidung des Senats in der Sache 6 K 263/09 habe die Feststellung einer leichten Fahrlässigkeit beim Geschäftsführer der Klägerin genügt. Eine solche schließe aber gerade nicht den Anspruch auf abweichende Steuerfestsetzung gem. § 163 AO aus. Einen Ausschluss könnte allenfalls eine vorsätzliche Handlung bewirken. In diesem Zusammenhang müsse auch das erhebliche Mitverschulden des Beklagten einbezogen werden.
Sie, die Klägerin, begehre in diesem Verfahren die Akteneinsicht in die Haftungsakte des Geschäftsführers der Klägerin. Nur über diese Akteneinsicht könne sie beurteilen, ob auch der Beklagte seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen sei. Bisher gehe sie, die Klägerin, davon aus, dass der Beklagte bereits im April, Mai 1994 die steuerliche Unzuverlässigkeit des Herrn L gekannt habe und ab November 1993 hätte kennen müssen. Auch dürfe sich der Beklagte nicht widersprüchlich verhalten. Dies mache er aber, wenn er den Haftungsbescheid gegenüber dem Geschäftsführer der Klägerin widerspruchlos aufhebe, den begehrten Erlass jedoch nicht gewähre.
Insgesamt sei festzustellen, dass der Geschäftsführer der Klägerin weder vorsätzlich, noch fahrlässig gehandelt habe, sondern seinen Kontrollpflichten fast mustergültig nachgekommen sei. Im Gegensatz dazu habe der Beklagte seine Pflichten gem. § 88 AO grob fehlerhaft, an der Grenze zur Beihilfe zu den Steuerstraftaten des Herrn L, ausgeübt. Zum Beweis dieser Tatsachen stelle sie, die Klägerin, folgende Beweisanträge:
- die Haftungsakte für Herrn B beizuziehen, um festzustellen, warum der Haftungsbescheid aufgehoben worden ist, insbesondere, ob der Beklagte den Vorsatz weiter angenommen hat;
- die seinerzeitigen Sachbearbeiter und Sachgebietsleiter der Finanzämter für Körperschaften Hamburg-3, -4 und -1, die für die Veranlagung der Klägerin und Herrn L zuständig gewesen sind, und den Umsatzsteuerhauptsachgebietsleiter als Zeugen zu der Frage zu vernehmen, warum das Finanzamt nicht bereits vorher tätig geworden ist;
- den seinerzeit zuständigen Insolvenzverwalter der Klägerin Herrn Dr. D als Zeugen darüber zu vernehmen, warum er nicht versucht hat, den Geschäftsführer in Haftung zu nehmen;
- den seinerzeit zuständigen Insolvenzrichter der Klägerin, wahrscheinlich Herrn Dr. AR, als Zeugen darüber zu vernehmen, warum er nicht beim Insolvenzverwalter angeregt habe, dass der Geschäftsführer in Haftung genommen wird.
Auch werde die Akteneinsicht in die Verfahrensakten der „T” beantragt, da diese in der Einspruchsentscheidung zur Begründung einbezogen werden.
Zumindest sei der Beklagte verpflichtet, in Höhe der von der Klägerin erzwungenen Zahlungen in Höhe von insgesamt 513.500 € zuzüglich der Verzinsung nach den Regeln des EuGH die Rückzahlung im Billigkeitswege zu gewähren.
Außerdem werde der Erlass der bereits entstandenen Säumniszuschläge begehrt. Zwar sei diesbezüglich noch keine Einspruchsentscheidung ergangen. Eine solche sei aber auch nicht erforderlich, weil die Klägerin eine Untätigkeitsklage erhoben habe.
Sofern das Gericht im Streitfall nicht den Rechtsgedanken der Entscheidungen des EuGH in Sachen Netto-Supermarkt und Mahageben/David anwende, werde beantragt, den Fall dem EuGH vorzulegen.
Wegen des weiteren Vortrags wird auf die Klagebegründung der Klägerin vom 21.02.2011 und die Schriftsätze der Klägerin vom 10.04.2011, 14.04.2011, 06.05.2011, 18.05.2011, 28.05.2011, 28.05.2011, 22.06.2011, 23.09.2011, 06.10.2011, 25.10.2011, 26.10.2011, 02.11.2011, 06.11.2011, 08.11.2011, 23.12.2011, 21.05.2012, 06.06.2012, 19.06.2012, 17.06.2012 (eingegangen am 18.07.2012), 06.09.2012, 14.09.2012, 09.10.2012 (zwei), 22.10.2012, 09.11.2012, 14.11.2012, 21.11.2012, 06.12.2012, 18.12.2012 und vom 20.12.2012 verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 27.07.2010 und die Einspruchsentscheidung vom 24.08.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Umsatzsteuerbescheide für 1993 und 1994 gem. § 163 AO dahingehend zu ändern, dass die Vorsteuerüberschüsse für 1993 auf 3.126.150,90 DM und für 1994 auf 7.555.842 DM festgesetzt werden;
hilfsweise,
die Umsatzsteuer für 1993 in Höhe von 434.760 DM und für 1994 in Höhe von 2.276.030 DM zu erlassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung vom 24.08.2011. Ergänzend trägt er vor, dass die Klägerin ihre Rechnungen nicht bei ihm, dem Beklagten, eingereicht habe, damit dieser die Rechnungen überprüfen könne, sondern als Substantiierung ihrer Umsatzsteuervoranmeldungen, damit eine zügige Vorsteuererstattung habe sichergestellt werden können.
Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin tatsächlich umsatzsteuerbare Umsätze durchgeführt habe. Zwar stehe der Sachverhalt nicht für alle Fahrzeuglieferungen endgültig fest, denn die Klägerin habe durch unterschiedlichste Aussagen zur Verwirrung und zur Nichtaufklärbarkeit des Sachverhalts beigetragen. Insbesondere habe Herr B alles getan, damit der Beklagte nicht habe feststellen können, dass es sich um Lieferungen im Freihafen gehandelt habe. Das Strafgericht habe jedoch festgestellt, dass die Klägerin falsche Umsatzsteuererklärungen eingereicht habe, weil sie Vorsteuern aus den Scheinrechnungen, die Herr L erstellt hatte, geltend gemacht habe. Es sei nicht ersichtlich, warum der Beklagte von dieser Wertung abrücken sollte. Auch gehe er, der Beklagte, immer noch davon aus, dass es sich nur um Scheinlieferungen gehandelt habe, denn Herr L habe ausgesagt, dass er weder Eigentümer der Fahrzeuge gewesen sei, noch dass er Verfügungsmacht über diese Autos gehabt habe. Gestützt werde diese Annahme insbesondere durch die als Anlage vorgelegten Rechnungen, die bewiesen, dass die Klägerin dieselben Fahrzeuge auch von anderen Händlern angeboten bekommen habe. Diese Angebote seien alle Nettoangebote gewesen.
Selbst wenn davon ausgegangen werden könnte, dass tatsächlich eine Lieferung vorgelegen hätte, wäre diese nichtsteuerbar. Ein Vorsteuerausweis wäre daher nicht zulässig gewesen. Dies habe auch die Klägerin gewusst, da sie selbst in allen ihren Rechnungen die Kfz-Lieferungen „frei Hamburg-Freihafen” ausgewiesen habe. Bruttorechnungen für Lieferungen im Freihafen seien nur im Rahmen von Umsatzsteuerkarussellen ausgestellt worden. Die Klägerin könne nicht über den Billigkeitsweg erreichen, dass ihr mehr zuerkannt werde, als sie bekommen hätte, wenn tatsächlich eine Lieferung durchgeführt worden wäre. Denn der Fiskus werde auch nicht durch die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des EuGH verpflichtet, im Billigkeitswege Vorsteuern auszukehren, die weder gesetzlich geschuldet noch durch den Rechnungsaussteller jemals abgeführt worden seien.
Auch aus den Urteilen des EuGH vom 21.06.2012 ergäben sich keine neuen Erkenntnisse, denn die von der Klägerin zitierten Erwägungen des EuGH gälten nur dann, wenn der Steuerpflichtige über keine Anhaltspunkte verfügt habe, die Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung in der Sphäre des Rechnungsausstellers vermuten ließen. Genau dieses sei aber, wie das Gericht bereits festgestellt habe, der Fall gewesen.
Die von der Klägerin zitierten Urteile des EuGH könnten nicht auf den Streitfall übertragen werden, da die Sachverhalte nicht vergleichbar seien. Es müsse einbezogen werden, dass Herr B nicht nur hätte erkennen können, dass es einen Umsatzsteuerbetrug bei Herrn L gegeben habe, sondern zusätzlich habe Herr B eine Umsatzsteuerhinterziehung dadurch begangen, dass er unzutreffende Steueranmeldungen abgegeben habe, um Steuererstattungen zu erlangen.
Die Beweisanträge der Klägerin seien nicht entscheidungserheblich.
Die Haftungsakte B könne nicht vorgelegt werden, da Herr B nicht Verfahrensbeteiligter sei und deshalb § 30 AO zu berücksichtigen sei. Zudem sei der Prozessbevollmächtigte selbst in das Haftungsverfahren involviert gewesen, so dass er über alle erforderlichen Erkenntnisse verfüge. Auch sei der Vorgang Haftung B seit langem abgeschlossen, so dass selbst der Betroffene B keinen Anspruch auf Akteneinsicht hätte.
Außerdem trage die Klägerin keine Tatsachen vor, welche durch die von ihr angeregten Beweiserhebungen gestützt werden könnten, sondern sie stelle schlichte Behauptungen auf oder werte den Sachverhalt abweichend. Auch sei kein Zusammenhang mit den Ermessenerwägungen im Rahmen der Billigkeitsentscheidung ersichtlich.
Eine Zeugenvernehmung der ehemaligen Mitarbeiter des zuständigen Finanzamts sei nicht geeignet, das eigentliche Beweisthema zu erhellen. Fest stehe, dass Mitarbeiter des Finanzamts für Körperschaften Hamburg-3 Kontrollmitteilungen geschrieben hätten, welche der Anlass gewesen seien, dass das Finanzamt-1 eine Umsatzsteuersonderprüfung durchgeführt habe, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch keine konkreten Verdachtsmomente vorgelegen hätten, denn anderenfalls wäre die Steuerfahndung eingeschaltet worden. Insofern könne nur von einem umsichtigen Verhalten der zuständigen Sachbearbeiter ausgegangen werden. Die daran anschließende Tätigkeit der Steuerfahndung sei durch falsche Auskünfte und einen verwirrenden Sachverhalt erschwert worden. Insbesondere habe Herr B immer wieder behauptet, dass die Lieferung der Fahrzeuge nicht im Freihafen erfolgt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 04.04.2011, 02.05.2011, 17.05.2011, 17.10.2011, 28.10.2011, 08.12.2011, 08.06.2012, 24.09.2012, 16.10.2012, 01.11.2012, 04.12.2012 und vom 14.12.2012 verwiesen.
Dem Gericht haben die beigezogenen Gerichtsakten zu 6 K 42/08, zu 6 K 263/09 und zu 6 K 182/10, sechs Bände Umsatzsteuerakten und eine Sonderakte mit dem Steuerfahndungsbericht zu der Steuernummer .../.../... vorgelegen. Auf die Sitzungsprotokolle des Erörterungstermins vom 14.08.2012 und der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2012 wird verwiesen.
Gründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Die Klägerin ist prozessführungsbefugt.
Zwar geht nach § 80 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Befugnis des Schuldners, sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Mit dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht erhält der Insolvenzverwalter die Befugnis, die Insolvenzmasse betreffende Prozesse zu führen. Im Prozess hat der Insolvenzverwalter kraft gesetzlicher Prozessstandschaft die uneingeschränkte Prozessführungsbefugnis unter Ausschluss des Schuldners. Der Schuldner ist nicht prozessführungsbefugt (vgl. BFH - Beschluss vom 26.07.2004 X R 30/04, BFH/NV 2004, 1547; Urteile vom 06.07.2011 II R 34/10, BFH/NV 2012, 10; vom 25.07.2012 I R 74/11, juris).
Im Streitfall wurde das Insolvenzverfahren jedoch durch rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom ... 2008 wegen Masseunzulänglichkeit eingestellt (§ 211 der Insolvenzordnung - InsO -). Der Schuldner - hier: die Klägerin - erhält damit das Recht zurück, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen (§ 215 Abs. 2 InsO). Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters über das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen (§ 80 InsO) und damit die Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Schuldners (§ 34 Abs. 3 i. V. m. Abs.1 der Abgabenordnung - AO -) sind somit erloschen. Die Klägerin ist deshalb seit der Einstellung des Insolvenzverfahrens am 26.11.2008 wieder prozessführungsbefugt.
Die Kl ägerin befindet sich im Abwicklungsverfahren, denn aufgelöste Gesellschaften sind im Wege der Liquidation abzuwickeln. Bis zur Beendigung der Liquidation besteht sie fort. Gem. § 66 Abs. 1 GmbHG erfolgt die Liquidation durch die Geschäftsführer, wenn nicht dieselbe durch den Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluss der Gesellschafter anderen Personen übertragen wird. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine abweichende Regelung im Streitfall, so dass der seit dem ... 2003 eingetragene alleinige Geschäftsführer der Klägerin, Herr C, vertretungsberechtigter Liquidator der Klägerin ist.
Dieser hat der Prozessbevollmächtigten, der AP GmbH, eine umfassende Vollmacht erteilt, welche sowohl das Stellen von Anträgen als auch die Erhebung der Klage umfasst. Das Gericht hat nach Einreichen der Vollmacht am 19.05.2011 keinen Zweifel mehr an dieser Bevollmächtigung (vgl. § 62 Abs. 4 FGO).
b) Die als Untätigkeitsklage gem. § 46 FGO erhobene Verpflichtungsklage gegen die Versagung der abweichenden Festsetzung der Umsatzsteuer für 1993 und 1994 aus Billigkeitsgründen ist nach Ergehen der Einspruchsentscheidung fortgesetzt worden.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
Nach § 101 Satz 1 FGO spricht das Gericht, soweit die Ablehnung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen. Andernfalls spricht das Gericht die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden (§ 101 Satz 2 FGO). Das Gericht kann den im Streitfall angefochtenen Ablehnungsbescheid vom 27.07.2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.08.2011 jedoch nicht als rechtswidrig beanstanden.
Der Beklagte hat zu Recht den Antrag der Klägerin auf abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen gem. § 163 AO für die Umsatzsteuern für 1993 und 1994 und den Erlass der Umsatzsteuern für 1993 und 1994 gem. § 227 AO abgelehnt. Weder in der Ablehnung des Erlasses (§ 227 AO) noch in der Ablehnung einer niedrigeren Steuerfestsetzung (§ 163 AO) lässt sich ein Ermessensfehler des Beklagten feststellen.
a) Gem. 163 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.
b) § 163 AO ist eine Ermessensvorschrift. Gem. § 102 FGO ist die gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Dem Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung ist genügt, wenn die Behörde im Rahmen einer Interessenabwägung die Belange des Antragstellenden und der Behörde gegeneinander abgewogen hat (BFH-Beschluss vom 28.05.2003, VII B 119/01, DStRE 2004, 112). Maßgeblicher Zeitpunkt für diese Überprüfung ist, anders als bei gebundenen Entscheidungen, der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Beim Erlass handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der Inhalt und Grenzen des Ermessens durch den Begriff der Unbilligkeit bestimmt werden (vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19.10.1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603).
Regelmäßig prüft das Gericht nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens (§ 5 AO) überschritten sind (Ermessensüberschreitung), ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (Ermessensfehlgebrauch) oder ob gar keine Ermessenserwägungen angestellt worden sind (Ermessensnichtgebrauch). Dabei ist es dem Gericht grundsätzlich verwehrt, seine eigene Ermessensentscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Finanzbehörden zu setzen (vgl. BFH-Urteil vom 24.09.1976 I R 41/75, BStBl II 1977, 127, 128). Gleichwohl kann das Gericht ausnahmsweise eine Verpflichtung zum Erlass aussprechen (§ 101 Satz 1 FGO), wenn der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeengt ist, dass nur eine einzige Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt (sog. Ermessensreduzierung auf Null; vgl. etwa BFH-Urteile vom 21.01.1992 VIII R 51/88, BStBl II 1993, 3 und vom 26.10.1994 X R 104/92, BStBl. II 1995, 297). Entsprechendes gilt, soweit eine Billigkeitsmaßnahme im Sinne von § 227 AO begehrt wird.
Im Streitfall können keine Ermessensfehler des Beklagten festgestellt werden. Der Beklagte hat erkannt, dass ihm im Rahmen seiner Entscheidung über die Anträge gem. § 227 AO und § 163 AO Ermessen eröffnet ist. Bei der Ausübung seines Ermessens hat er keine sachfremden Erwägungen einbezogen. Auch liegt kein Fall der Ermessensunterschreitung oder -überschreitung vor. Der Sachverhalt wurde fehlerfrei und umfangreich ermittelt und der Ermessensentscheidung zu Grunde gelegt. Eine Ermessenreduzierung auf Null dahingehend, dass die Klägerin einen Anspruch auf abweichende Steuerfestsetzung in der Weise hat, dass ihr die erklärten und im Festsetzungsverfahren nicht berücksichtigten Vorsteuern zuerkennen wären, liegt nicht vor.
c) Entgegen der Ansicht der Klägerin liegen im Streitfall keine sachlichen Billigkeitsgründe vor.
Sachliche Billigkeitsgründe sind regelmäßig dann gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte, oder wenn angenommen werden kann, dass die Einziehung den Wertungen des Gesetzgebers widerspricht (vgl. BFH-Urteile vom 26.05.1994 IV R 51/93, BFHE 174, 482, BStBl II 1994, 833; vom 26.10.1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297; vom 21.08.2012 IX R 39/10, juris).
Nach dem BFH-Urteil vom 30.04.2009 (V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744 und XI R 48/07 vom 12.08.2009, BFH7NV 2010, 388) kann - wenn die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG wegen unzutreffender Rechnungsangaben nicht vorliegen - im Billigkeitsverfahren ausnahmsweise nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Vertrauensschutzes ein Vorsteuerabzug nach den Grundsätzen des EuGH in den Urteilen Teleos (vom 27.09.2007 C-409/04, Slg. 2007, I-7797, BFH/NV 2008, Beilage 1, 25) und Netto-Supermarkt (vom 21.02.2008 C-271/06, Slg 2008, I-771, BFH/NV 2008, Beilage 3, 199) in Betracht kommen, wenn der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer gutgläubig war und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sich von der Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu überzeugen, und seine Beteiligung an einem Betrug ausgeschlossen ist. Soweit gemeinschaftsrechtliche Regelungen eine Billigkeitsmaßnahme erfordern, ist das in § 163 AO bzw. § 227 AO eingeräumte Ermessen auf Null reduziert.
d) Diese Voraussetzungen für einen Erlass liegen im Streitfall nicht vor, denn der Beklagte ist jedenfalls zu Recht davon ausgegangen, dass im Streitfall bereits deshalb kein Vorsteuerabzug unter Vertrauensschutzgesichtspunkten zu gewähren ist, weil die Klägerin nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihr verlangt werden konnten, um sich von der Richtigkeit der Angaben in den Eingangsrechnungen zu überzeugen. Denn nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, sind an die Sorgfalts- und Nachweispflichten des den Vorsteuerabzug begehrenden Unternehmers bei einem Barkauf hochwertiger Pkw - wie vorliegend - hohe Anforderungen zu stellen (BFH-Urteil vom 15.07.2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, unter II.2.b; BFH-Beschlüsse vom 12.07.2006 V B 213/05, BFH/NV 2006, 2139, jeweils zur steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung; vom 03.08.2007 V B 73/07, BFH/NV 2007, 2368).
e) Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auf die Entscheidungen des EuGH vom 21.06.2012 (C-80/11 - Mahagében - und C-142/11 - Péter David -, BFH/NV 2012, 1404). Zwar entspricht es den Vorgaben des europäischen Rechts, dass dem Unternehmer grundsätzlich der Vorsteuerabzug zu gewähren ist und ihm dieser nur in Ausnahmefällen verweigert werden kann. Auch entspricht es der Rechtsprechung des EuGH, dass für das Vorliegen einer solchen Ausnahme das Finanzamt darlegungs- und beweislastpflichtig ist. Allerdings hat der EuGH gerade auch in diesen Entscheidungen festgestellt, dass die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein Ziel ist, das von der Richtlinie 2006/112 anerkannt und gefördert wird. Hierzu hat der EuGH bereits entschieden, dass sich die Rechtsbürger nicht auf die Bestimmungen des Unionsrechts berufen können, wenn sie dies in betrügerischer oder missbr äuchlicher Absicht tun. In diesem Zusammenhang hat der EuGH auch festgestellt, dass ein Steuerpflichtiger, der wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist, für die Zwecke der Richtlinie 2006/112 als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen ist, und zwar unabhängig davon, ob er im Rahmen seiner besteuerten Ausgangsumsätze aus dem Weiterverkauf der Gegenstände oder der Verwendung der Dienstleistungen einen Gewinn erzielt. Außerdem hat der EuGH in diesem Zusammenhang entschieden, dass ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer nach den Umständen des konkreten Falls verpflichtet sein kann, über einen anderen Wirtschaftsteilnehmer, von dem er Gegenstände oder Dienstleistungen zu erwerben beabsichtigt, Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen, wenn Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung vorliegen.
Davon aber, dass die Klägerin wusste oder hätte wissen müssen, dass sie sich mit dem Erwerb der Fahrzeuge von Herrn L an einem Umsatz beteiligt, der in eine Umsatzsteuerhinterziehung einbezogen ist, ist der Senat überzeugt. Dabei geht das Gericht von den Tatsachenfeststellungen in seinem Urteil vom 27.04.2010 aus. Zwar ist das Gericht weder an die Feststellungen des Strafgerichts, noch an seine Entscheidung vom 27.04.2010 gebunden. Es ist jedoch nicht gehindert, sich die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts oder des Finanzgerichts, zumal es sich um denselben Senat handelt, zu Eigen zu machen, wenn nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) diese Feststellungen zutreffend sind und wenn keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen im Urteil erhoben worden sind (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 02.12.2003 VII R 17/03, BFH/NV 2004, 597). Zur Übernahme der vom Finanzgericht für zutreffend erachteten Feststellungen und Beweiswürdigungen des Strafgerichts besteht besonders dann Anlass, wenn die strafgerichtliche Entscheidung oder die finanzgerichtliche Entscheidung im Festsetzungsbereich bereits rechtskräftig geworden sind, wie es hier der Fall ist.
Zwar hat die Klägerin diverse Einwendungen gegen das strafrechtliche Urteil geltend gemacht, auch hat sie die Beweiswürdigung, die der Senat in seiner Entscheidung vom 27.04.2010 vorgenommen hat, kritisiert. Sie hat jedoch keine neuen Tatsachen vorgetragen oder unter Beweis gestellt, sondern sie hat lediglich eine andere rechtliche Beurteilung vorgenommen.
Der Senat ist nach der in der Sache 6 K 263/09 durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der als Zeuge vernommene ehemalige Geschäftsführer Herr B zumindest hätte wissen müssen und nicht nur hätte wissen können, dass er sich mit dem Erwerb der Fahrzeuge von Herrn L an Umsätzen beteiligte, die in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen waren. Der Klägerin ist es nicht gelungen, die von dem Beklagten unter Bezugnahme auf den Bericht der Steuerfahndungsstelle vom 02.03.2001 und das Urteil des Landgerichts Hamburg vom ... 2002 (...) substantiiert gegen einen guten Glauben von Herrn B in Bezug auf Herrn L vorgetragenen Tatsachen und Umstände über den Fahrzeugerwerb von Herrn L zu widerlegen. Die Kenntnismöglichkeit und die damit einhergehende nicht nachgewiesene Gutgläubigkeit des Herrn B sind der Klägerin gemäß § 166 Abs. 1 BGB, § 35 Abs.1 GmbHG zuzurechnen. Der Senat ist davon überzeugt, dass sich dem Geschäftsführer Herrn B wegen der Besonderheiten der Geschäftskonditionen mit Herrn L, insbesondere wegen der unüblichen Barzahlung und der ausgewiesenen Umsatzsteuer (trotz Lieferungen im Freihafen) und weil dieselben Fahrzeuge auch von anderen Unternehmen ohne Umsatzsteuer angeboten worden sind, Verdachtsmomente aufdrängen mussten und er deshalb verpflichtet gewesen wäre, den Sachverhalt aufzuklären. Dabei hätten ihm die fehlerhaften Adressen und Telefonnummern auffallen müssen. Auch muss Herr B selbst davon ausgegangen sein, dass Herr L niemals wirtschaftlicher Eigentümer der verkauften Pkw gewesen ist, denn er hat sich bei Rückfragen zu den Fahrzeugen nicht an Herrn L als den formellen Verkäufer gewandt. Damit hat der Geschäftsführer der Klägerin Herr B gerade nicht alles getan, was notwendig gewesen ist. Er wäre auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalles zu einer eingehenden Überprüfung der Verhältnisse in Bezug auf Herrn L verpflichtet gewesen, so dass er auch nach der Rechtsprechung des EuGH nicht als gutgläubig angesehen werden kann.
Wegen der weiteren Begründung wird auf die im Tatbestand zitierten Auszüge des Urteils vom 27.04.2010 (6 K 263/09) verwiesen.
f) Da das Umsatzsteuergesetz für das Vorsteuerabzugsrecht auf den guten Glauben des Unternehmers abstellt, ist die Mitwisserschaft anderer Personen -einschließlich der Finanzverwaltung - von einem Tatplan eines Lieferanten des Unternehmers irrelevant. Es widerspräche nur dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (wie z. B. in EuGH vom 27.09.2007 C-409/04), einem Steuerpflichtigen anzulasten, dass durch betrügerische Machenschaften Dritter, auf die er keinen Einfluss hat, Steuereinnahmen entgehen, wenn er gutgläubig war. Dagegen verstößt es gerade nicht gegen das Gemeinschaftsrecht, wenn von dem Steuerpflichtigen gefordert wird, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Dass der Steuerpflichtige gutgläubig war, dass er alle ihm zu Gebote stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat und dass seine Beteiligung an einem Betrug ausgeschlossen ist, sind auch vom EuGH anerkannte Kriterien (vgl. EuGH vom 21.02.2008 C-271/06 a. a. O.).
Auf das von der Klägerin behauptete „Versagen” der Finanzverwaltung musste der erkennende Senat daher nicht weiter eingehen. Aus den in der Entscheidung vom 27.10.2010 ausführten Gründen muss der Senat auch jetzt nicht den von der Klägerin gestellten Beweisanträgen nachkommen, denn die von der Klägerin benannten Zeugen, die Herren Dr. Rüter AR und Dr. Weiland D sowie die seinerzeitigen Sachbearbeiter, Sachgebietsleiter und Vorsteher der Hamburger Finanzämter für Körperschaften-3, -4 und -1, könnten ggf. dazu aussagen, weshalb der damalige Geschäftsführer der Klägerin Herr B in dem Insolvenzverfahren der Klägerin nicht in Haftung genommen worden ist und wie die für die Klägerin und Herrn L seinerzeit zuständigen Veranlagungsdienststellen mit Kontrollmitteilungen umgegangen sind. Auch aus der Haftungsakte B, die beim Beklagten geführt worden ist, sind keine Erkenntnisse möglich. Denn es gibt auch persönliche Gründe beim Haftungsschuldner, die zur Aufhebung des Haftungsbescheides geführt haben können, die nicht mit der Gutgläubigkeit im Zusammenhang stehen. Es kann auch nicht von einer Ermessensbindung beim Beklagten wegen der Aufhebung des Haftungsbescheides ausgegangen werden. Die von der Klägerin gestellten Beweisanträge dienen damit weder der Aufklärung der Frage der Kenntnismöglichkeit des Herrn B von einem Tatplan des Herrn L, noch sind sie geeignet, Erkenntnisse über die Ermessensentscheidung des Beklagten im Rahmen der Billigkeitsentscheidungen zu gewinnen, und sind daher für die zu treffende Entscheidung unerheblich.
Der Vortrag der Klägerin im Erlassverfahren bringt gerade keine neuen Erkenntnisse, sondern stützt sich auf dieselben Argumente und Beweisanträge, wie sie bereits im Festsetzungsverfahren vorgetragen worden waren. Insbesondere hat die Klägerin nicht dargelegt, wie durch die angeregten Beweisaufnahmen widerlegt werden könnte, dass der Geschäftsführer der Klägerin nicht gutgläubig gewesen ist. Der Senat hat sich bereits in seiner Entscheidung vom 27.04.2010 umfangreich mit allen auch hier streitigen Aspekten auseinander gesetzt. Das hier zu entscheidende Erlassverfahren kann nicht dazu dienen, alle bereits durchgeführten Beweisaufnahmen zu wiederholen.
Es kommt damit auch nicht auf die von der Klägerin zitierten Entscheidungen (z. B. EuGH vom 06.09.2012 C 324/11, BFH/NV 2012, 1757 oder FG Rheinland-Pfalz vom 14.12.2011,2 K 1427/11, juris) an, wonach sich eine Beweislastverteilung zu Lasten des Beklagten ergibt. Denn der Senat entscheidet hier nicht nach den Kriterien der Beweislast, sondern nach seiner gewonnenen Erkenntnis darüber, dass Herr B nicht gutgläubig gewesen ist. In diesem Zusammenhang kann sich die Klägerin auch nicht auf den Grundsatz in dubio pro reo berufen.
g) Die zum Zeitpunkt der letzten Entscheidung des Senats (27.04.2010) geltende Rechtslage ist auch nicht durch neue Entscheidungen des EuGH oder BFH überholt worden. Insbesondere findet eine Erweiterung der EuGH-Rechtsprechung dahingehend, dass dem Steuerpflichtigen nur noch eine vorsätzliche Tatbeteiligung entgegengehalten werden soll, wie sie die Klägerin aus den Entscheidungen herauslesen will, keine Stütze in den von ihr zitierten Entscheidungen, denn der EuGH hat explizit auch in seiner kürzlich ergangenen Entscheidung vom 21.06.2012 (C 80/11) darauf abgestellt, ob der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist. Diese Rechtsprechung hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 06.12.2012 (C-285/11 - Bonik EOOD -) gerade wieder bestätigt. Es ist deshalb auch keine Vorlage an den EuGH geboten.
h) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen gelangt der erkennende Senat im Streitfall zu dem Ergebnis, dass der Beklagte den Antrag des Klägers auf abweichende Steuerfestsetzung gem. § 163 AO in seinem Ablehnungsbescheid vom 24.08.2011 und seiner Einspruchsentscheidung vom 27.07.2010 ohne einen nach § 102 Satz 1 FGO beachtlichen Ermessensfehler abgelehnt hat.
Aus den bereits dargelegten Gründen ergibt sich auch kein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der bisher geleisteten Zahlungen im Billigkeitswege.
j) Der Billigkeitserlass scheitert zudem noch aus einem anderen Grund. Denn die Klägerin kann grundsätzlich über eine abweichende Festsetzung gem. § 163 AO oder einen Erlass gem. § 227 AO nicht erreichen, dass sie Vorsteuern erstattet bekommt, die sie gesetzlich nicht geschuldet hat. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sie grundsätzlich überhaupt verpflichtet gewesen ist, die in den Rechnungen ausgewiesene Vorsteuer an Herrn L zu entrichten.
Nach dem Wortlaut von Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 setzt das Recht auf Vorsteuerabzug voraus, dass der Betreffende Steuerpflichtiger im Sinne dieser Richtlinie ist und dass die zur Begründung dieses Rechts angeführten Gegenstände oder Dienstleistungen vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden und diese Gegenstände oder Dienstleistungen auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht worden sind (vgl. EuGH vom 06.12.2012 C-285).
Die Klägerin hat weder überzeugend dargelegt noch hat sie bewiesen, dass es überhaupt einen Leistungsaustausch mit Herrn L gegeben hat. Das Gericht teilt die vom Beklagten vorgetragenen Bedenken daran, dass überhaupt Fahrzeuglieferungen von Herrn L an die Klägerin erfolgt sind, denn es ergibt sich aus den vom Beklagten vorgelegten Rechnungen, dass dieselben Fahrzeuge, die Herr L mit Umsatzsteuer an die Klägerin veräußert hat, von anderen Unternehmen der Klägerin ohne Umsatzsteuer angeboten worden sind. Auch hat die Klägerin nicht den Vortrag von Herrn L widerlegt, dass dieser weder Eigentümer der Fahrzeuge war, noch die Verfügungsmacht über die Fahrzeuge hatte.
Außerdem hat die Klägerin das Gericht nicht davon überzeugen können, dass ein solcher Leistungsaustausch, falls er denn stattgefunden haben sollte, überhaupt zum Vorsteuerabzug berechtigt hätte, denn das Gericht geht davon aus, dass alle relevanten Autolieferungen im Freihafen durchgeführt worden sind, so dass diese Lieferungen auch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt haben. Dies war auch dem Geschäftsführer der Klägerin bewusst, denn die eigenen Rechnungen sind dementsprechend ohne Umsatzsteuerausweis erstellt worden. Allein aus dem Umsatzsteuerausweis in einer Rechnung folgt keine Vorsteuerabzugsberechtigung.
j) Eine abweichende Steuerfestsetzung aus persönlichen Billigkeitsgründen hat die Klägerin nicht begehrt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass persönliche Billigkeitsgründe vorliegen, so dass der Beklagte dazu auch keine Erwägungen anstellen musste.
k) Auch die Voraussetzungen des § 227 AO für einen Erlass der Umsatzsteuern für 1993 und 1994 liegen aus den bereits oben dargelegten Gründen nicht vor, da hierfür die gleichen Voraussetzungen gelten wie bei der abweichenden Steuerfestsetzung gem. § 163 AO. Beide Erlassvorschriften unterscheiden sich im Wesentlichen nur in der Rechtsfolgeanordnung, nicht aber in den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen (BFH vom 26.10.1994 X R 104/92, BStBl 1995 II, 297).
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.