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27.03.2003 · IWW-Abrufnummer 030699

Bundesgerichtshof: Urteil vom 12.02.2003 – VIII ZR 284/01

Zur Unwirksamkeit einer vertraglichen Regelung, durch die die Verjährungsfrist des § 88 HGB einseitig zu Lasten des Handelsvertreters abgekürzt wird, und der sich hieraus ergebenden Rechtsfolge.


BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

VIII ZR 284/01

Verkündet am:
12. Februar 2003

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Februar 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Ball, Wiechers, Dr. Wolst und Dr. Frellesen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 17. September 2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Am 11. März 1996 schlossen der Kläger und die frühere Beklagte zu 1 einen Handelsvertretervertrag. In § 13 Abs. 2 des Vertrages vereinbarten die Parteien ein zweijähriges nachvertragliches Wettbewerbsverbot für den Kläger. In § 14 ist die Verjährung wie folgt geregelt:

"(1) Alle Ansprüche des Handelsvertreters aus dem Vertragsverhältnis verjähren in 12 Monaten nach Fälligkeit.

(2) Die Ansprüche der Gesellschaft auf Rückzahlung von Provisionen und Provisionsvorschüssen verjähren in 12 Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Gesellschaft von den die Rückzahlung rechtfertigenden Umständen Kenntnis erlangt hat."

Durch notariellen Vertrag vom 9. August 1996 übertrug die Beklagte zu 1 im Wege der Spaltung unter gleichzeitiger Auflösung ohne Abwicklung ihr Vermögen auf die neu gegründeten Beklagten zu 2 und 3. Die Beklagte zu 1 unterrichtete ihre Mitarbeiter über die Spaltung durch ein Rundschreiben vom 12. August 1996. Ob auch der Kläger dieses Schreiben erhielt, ist streitig. Mit Schreiben vom 28. November 1996 kündigte die Beklagte zu 1 den Vertrag mit dem Kläger zum 31. Dezember 1996. Am 3. Dezember 1996 wurde die Spaltung der Beklagten zu 1 in die Beklagte zu 2 und 3 im Handelsregister eingetragen.

Nach vergeblichem Schriftwechsel hat der Kläger mit der am 8. Dezember 1997 erhobenen Klage die Beklagte zu 1 auf Zahlung einer angemessenen Karenzentschädigung von zunächst 100.000 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen. Im Mai 2000 hat er die Klage gegen die Beklagten zu 2 und 3 erweitert. Das Landgericht hat der Klage gegen die Beklagten zu 2 und 3 stattgegeben; im übrigen hat es sie abgewiesen. Mit ihrer Berufung haben die Beklagten zu 2 und 3 die Einrede der Verjährung erhoben. Ferner haben sie die Höhe der dem Kläger zuerkannten Karenzentschädigung beanstandet. Das Oberlandesgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat, soweit in der Revisionsinstanz von Interesse, ausgeführt:

Der Anspruch des Klägers auf Karenzentschädigung nach § 90a HGB gegen die nach §§ 131, 133 UmwG passiv legitimierten Beklagten zu 2 und 3 sei verjährt. Gemäß § 14 Abs. 1 des Handelsvertretervertrages vom 11. März 1996 verjähre der Anspruch auf Karenzentschädigung wie alle anderen Ansprüche des Handelsvertreters aus dem Vertragsverhältnis in 12 Monaten nach Fälligkeit. Diese vertragliche Verjährungsverkürzung sei - abweichend von § 88 HGB - jedenfalls in einem Individualvertrag nach § 225 Satz 2 BGB zulässig. Der Anspruch auf Karenzentschädigung sei mit Wirksamwerden der Kündigung am 1. Januar 1997 fällig geworden. Damit sei er am 31. Dezember 1997 verjährt. Die vorherige Klageerhebung gegen die ehemalige Beklagte zu 1 habe die Verjährung gegenüber den Beklagten zu 2 und 3 nicht unterbrochen. Die Klageerweiterung auf die Beklagten zu 2 und 3 im Jahr 2000 habe die Verjährung nicht mehr unterbrechen können, da diese bereits vorher am 31. Dezember 1997 eingetreten sei. § 242 BGB stehe der Einrede der Verjährung seitens der Beklagten zu 2 und 3 nicht entgegen. Diese seien nicht verpflichtet gewesen, den Kläger über die Spaltung der Beklagten zu 1 zu unterrichten. Es komme daher nicht darauf an, ob der Kläger das Mitarbeiterrundschreiben erhalten habe oder nicht.

II.

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, daß der Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung aus § 90a Abs. 1 Satz 3 HGB in Verbindung mit § 13 Abs. 2 des Handelsvertretervertrages vom 11. März 1996, den der Kläger mit seiner erweiterten Klage gegen die nach §§ 131, 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG für die Verbindlichkeiten der früheren Beklagten zu 1 als Gesamtschuldner haftenden Beklagten zu 2 und 3 geltend macht, gemäß § 14 Abs. 1 des vorbezeichneten Vertrages verjährt sei.

1. § 14 Abs. 1 des Handelsvertretervertrages vom 11. März 1996 ist, wie die Revision zutreffend beanstandet, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts unwirksam. Das gilt selbst dann, wenn es sich bei dem genannten Vertrag entgegen der Darstellung der Beklagten nicht um einen Formularvertrag, sondern um einen Individualvertrag handelt, wie das Berufungsgericht - von der Revision unangegriffen - ohne Begründung unterstellt hat.

Nach § 88 HGB verjähren die Ansprüche aus dem Handelsvertreterverhältnis in vier Jahren, beginnend mit dem Schluß des Jahres, in dem sie fällig geworden sind. Hiervon abweichend bestimmt § 14 Abs. 1 des Vertrages vom 11. März 1996, daß alle Ansprüche des Handelsvertreters aus dem Vertragsverhältnis - und damit auch der hier streitige Anspruch des Klägers aus § 90a Abs. 1 Satz 3 HGB auf Karenzentschädigung - in 12 Monaten nach Fälligkeit verjähren. Diese Regelung verkürzt die Verjährungsfrist des § 88 HGB einseitig zu Lasten des Handelsvertreters. Denn die Ansprüche der Gesellschaft auf Rückzahlung von Provisionen und Provisionsvorschüssen verjähren gemäß § 14 Abs. 2 des Vertrages erst in 12 Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Gesellschaft von den die Rückzahlung rechtfertigenden Umständen Kenntnis erlangt hat. Für alle anderen Ansprüche des Unternehmers, wie z.B. Schadensersatzansprüche gegen den Handelsvertreter, verbleibt es mangels anderweitiger Regelung sogar bei der vierjährigen Verjährungsfrist des § 88 HGB. Die den Handelsvertreter einseitig belastende Vorschrift des § 14 Abs. 1 ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unwirksam, weil sie dem in § 88 HGB für die Verjährung festgelegten Grundsatz der Gleichbehandlung der Ansprüche des Handelsvertreters und des Unternehmers widerspricht; dies gilt auch dann, wenn es sich nicht um eine formularmäßige Bestimmung handelt. Durch die 1953 neu in das Gesetz eingefügte Vorschrift sollten gerade zur Stärkung der Stellung des Handelsvertreters die bis dahin unterschiedlichen Verjährungsfristen für die Ansprüche des Handelsvertreters und des Unternehmers beseitigt und die Rechtslage insoweit vereinheitlicht werden (vgl. BGHZ 75, 218, 219 f.; Urteil vom 10. Mai 1990 - I ZR 175/88, WM 1990, 2085 unter I 1 und 2; Senatsurteil vom 3. April 1996 - VIII ZR 3/95, WM 1996, 1550 unter III 2 b).

2. Die Unwirksamkeit des § 14 Abs. 1 des Vertrages vom 11. März 1996 hat zur Folge, daß die vierjährige Verjährungsfrist des § 88 HGB gilt (vgl. BGHZ aaO, 221). Das ist entgegen der Annahme der Revisionserwiderung auch dann der Fall, wenn, was hier keiner Entscheidung bedarf, mit einer im Schrifttum teilweise vertretenen Auffassung (Hopt, Handelsvertreterrecht, 2. Aufl., § 88 HGB Rn. 9; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, 2. Aufl., § 88 Rn. 8) § 89 Abs. 2 Satz 2 HGB entsprechend anzuwenden wäre. Nach dieser Vorschrift gilt bei Vereinbarung einer kürzeren Kündigungsfrist für den Unternehmer als für den Handelsvertreter die für diesen vereinbarte - längere - Frist. Dem Handelsvertreter soll damit die für ihn günstigere Regelung zugute kommen. Die entsprechende Anwendung auf den vorliegenden Fall der Vereinbarung einer längeren Verjährungsfrist für die Ansprüche des Unternehmers als für die des Handelsvertreters würde demgemäß bedeuten, daß auf die Ansprüche des Handelsvertreters ebenfalls die für ihn günstigere längere Verjährungsfrist für die Ansprüche des Unternehmers Anwendung finden müßte (vgl. Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer aaO). Das wäre hier nicht die kurze Verjährungsfrist des § 14 Abs. 2 des Vertrages vom 11. März 1996, sondern die vierjährige Verjährungsfrist des § 88 HGB. Denn nach der vertraglichen Bestimmung des § 14 Abs. 2 verjähren, wie bereits oben erwähnt, nur die Ansprüche des Unternehmers auf Rückzahlung von Provisionen und Provisionsvorschüssen in 12 Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem der Unternehmer von den die Rückzahlung rechtfertigenden Umständen Kenntnis erlangt hat. Im übrigen verbleibt es dagegen mangels abweichender Regelung bei der vierjährigen Verjährungsfrist des § 88 HGB.

3. Gilt mithin für den streitigen Anspruch des Klägers auf Karenzentschädigung die vierjährige Verjährungsfrist des § 88 HGB, war der Anspruch, der mit dem Wirksamwerden der Kündigung am 1. Januar 1997 fällig geworden ist, zum Zeitpunkt der Erweiterung der Klage gegen die Beklagten zu 2 und 3 im Mai 2000 noch nicht verjährt. Angesichts dessen bedarf keiner Entscheidung, ob es den Beklagten zu 2 und 3 dann, wenn der Kläger nicht über die Spaltung der ehemaligen Beklagten zu 1 unterrichtet worden sein sollte, nach Treu und Glauben, § 242 BGB, verwehrt wäre, sich gegebenenfalls auf den Eintritt der Verjährung des Anspruchs zu berufen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 12. Juni 2002 - VIII ZR 187/01, WM 2002, 1842 unter II 2).

III.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen zur streitigen Höhe des Anspruches bedarf. Daher sind das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

RechtsgebietHGBVorschriftenHGB § 88

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