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03.08.2012

Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 23.11.2011 – 3 K 465/10

1. Eine Abzweigung des Kindergelds an den Sozialleistungsträger, der für ein behindertes Kind Sozialleistungen erbringt, setzt voraus, dass der Kindergeldberechtigte zivilrechtlich zum Unterhalt verpflichtet ist, aber keinen Unterhalt leisten will, keinen Unterhalt leisten kann oder als Unterhalt nur einen geringeren Betrag als das Kindergeld zu leisten braucht.

2. Entstehen dem Kindergeldberechtigten Aufwendungen für das volljährige behinderte Kind mindestens in Höhe des Kindergeldes, kommt eine Abzweigung an den Sozialleistungsträger nicht in Betracht. Bei der im Rahmen des Abzweigungsverfahrens zu treffenden Ermessensentscheidung der Familienkasse sind grundsätzlich sämtliche Unterhaltsaufwendungen der Eltern zur Deckung des Lebensbedarfes des Kindes im Sinne von § 1610 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen. Als Grenze für eine Berücksichtigung von Aufwendungen des Kindergeldberechtigten im Rahmen der Abzweigungsentscheidung kann daher nicht auf das sozialhilferechtliche Existenzminimum abgestellt werden, sondern auf den an den Lebensverhältnissen der Eltern orientierten unterhaltsrechtlichen Lebensbedarf des Kindes i. S. d. § 1610 Abs. 2 BGB (Anschluss an FG Münster v. 25.03.2011, 12 K 1891/10 Kg).

3. Leben volljährige behinderte Kinder mit den Eltern in einem gemeinsamen Haushalt, sind die kindergeldanspruchsberechtigten Eltern nicht verpflichtet, zur Vermeidung einer Abzweigung ihre Unterhaltsaufwendungen nachzuweisen, etwa indem sie akribisch eine Art „Haushaltsbuch” führen oder in ähnlicher Weise nachvollziehbar glaubhaft machen, ob und ggf. in welcher Höhe sie aus welchen Einkünften Aufwendungen für den Unterhalt der Kinder tätigen. Auch eine unter Umständen rechtlich nicht leicht zutreffende Zuordnung der Aufwendungen nach den einzelnen sozialhilferechtlichen Rubriken ist nicht erforderlich (Anschluss an FG Sachsen-Anhalt v. 10.11.2011, 5 K 454/11; gegen Urteil des FG Münster v. 25.03.2011, 12 K 1891/10).

4. Sind volljährige behinderte Kinder in den Haushalt ihrer Eltern aufgenommen und sind sie außerstande, sich selbst zu unterhalten, so ist grundsätzlich ohne Einzelnachweis typisierend davon auszugehen, dass die Eltern finanziell mindestens in Höhe des Kindergeldes mit Unterhaltsleistungen belastet sind. Auch das Finanzgericht ist nicht gehalten, im Rahmen seiner Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhaltes von Amts wegen zur Beurteilung eines Abzweigungsantrags eine umfassende, aufwändige und tief in die Privatsphäre der Kindergeldberechtigten reichende Ausforschung der im Einzelfall tatsächlich erbrachten finanziellen Unterhaltsleistungen für das volljährige Kind vorzunehmen.


Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

hat der III. Senat des Thüringer Finanzgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2011 für Recht erkannt:

1. Der Abzweigungsbescheid vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … wird für den Zeitraum bis einschließlich März 2010 und ab Juli 2010 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage im Hauptantrag abgewiesen.

2. Auf den Hilfsantrag wird festgestellt, dass der Abzweigungsbescheid vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … für den Zeitraum ab April 2010 bis einschließlich Juni 2010 rechtswidrig gewesen ist und die Zahlungen der Beklagten an den Beigeladenen für diesen Zeitraum zu Unrecht erfolgt sind.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Aufwendungen des Beigeladenen werden nicht erstattet.

4. Das Urteil ist für den Kläger wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Abzweigung des Kindergeldes an den Sozialhilfeträger, der für das behinderte Kind des Klägers Sozialleistungen erbringt.

Der Kläger ist der leibliche Vater des am 09.07.1977 geborenen Sohnes S. S. ist das ältere von zwei Kindern des Klägers. Er ist zu 100 v. H. behindert, sein Schwerbehindertenausweis enthält die Merkzeichen „G” und „H” (KG-Akte Bl. 80). S. lebte in den Streitjahren zusammen mit seinen beiden Eltern im Haushalt des Klägers in einem abbezahlten Eigenheim.

Der Beigeladene zahlte für S. im Jahre 2009 monatliche Grundsicherungsleistungen in Höhe von 217,18 Euro sowie im Jahre 2010 monatlich 214,39 Euro. Der Kläger beteiligte sich mit einem Betrag von monatlich 31,06 Euro. Daneben erhielt S. in den Streitjahren eine monatliche Rentenzahlung von 214,66 Euro. Der Kläger hatte im Streitzeitraum ein monatliches Nettogehalt von 815,76 Euro zur Verfügung und seine Ehefrau eine Berufsunfähigkeitsrente von monatlich 1.022,58 Euro. Die Einnahmen flossen in einen gemeinsamen Topf, aus dem die gesamten Ausgaben der Familie bestritten wurden.

Für S. war seit 1991 Kindergeld in gesetzlicher Höhe festgesetzt, welches zunächst an den Kläger ausgezahlt wurde. Am 03.09.2009 beantragte der Beigeladene die Abzweigung des Kindergeldes (KG-Akte, Bl. 84). Die Beklagte wies diesen Antrag am 16.09.2009 zurück (KG-Akte, Bl. 85), wogegen der Beigeladene am 25.09.2009 Einspruch einlegte (KG-Akte Bl. 87). Mit Schreiben vom 15.02.2010 befragte die Beklagte den Kläger zunächst ohne förmliche Hinzuziehung zu seinen Aufwendungen für S. und erklärte ihm, dass bis zu einer Klärung die Zahlung des Kindergeldes an ihn eingestellt werden müsse (KG-Akte Bl. 90, 91). In seiner Antwort vom 07.03.2010 benannte der Kläger einige Aufwendungen, ohne Belege vorzulegen (KG-Akte Bl. 93). Am 12.03.2010 zog die Beklagte den Kläger förmlich zum Einspruchsverfahren hinzu und wies ihn darauf hin, dass Zahlungen an das Kind von ihm nachgewiesen werden müssten und das Kindergeld ab Oktober 2009 an den Sozialleistungsträger abzuzweigen wäre, wenn der Beklagten bis zum 01.04.2010 keine Nachweise vorliegen würden (KG-Akte Bl. 94, 95). Mit Schreiben vom 31.03.2010 wehrte sich der Kläger gegen die Abzweigung und benannte einige Aufwendungen, ohne Belege vorzulegen (KG-Akte Bl. 98). Mit Bescheid vom 15.04.2010 half die Beklagte dem Einspruch des Beigeladenen ab, hob den Bescheid vom 16.09.2009 auf und entsprach seinem Abzweigungsantrag (KG-Akte, Bl. 99, 100). Zugleich erließ die Beklagte den Abzweigungsbescheid gegenüber dem Kläger (KG-Akte Bl. 101). Darüber hinaus erließ die Beklagte die Einspruchsentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen im Einspruchsverfahren am 20.04.2010 gegenüber dem Kläger (Kindergeld-Akte Bl. 106). Mit Schreiben vom 22.04.2010 bezog sich der Kläger auf das Schreiben der Beklagten vom 12.03.2010 und beantragte, den Einspruch des Beigeladenen als unbegründet abzuweisen und das Kindergeld weiterhin an ihn auszuzahlen (KG-Akte Bl. 109). Mit Schreiben vom 29.04.2010 wies die Beklagte darauf hin, dass das Einspruchsverfahren abgeschlossen sei (KG-Akte Bl. 112). Am 26.04.2010 legte der Kläger gegen den Abzweigungsbescheid vom 15.04.2010 Einspruch ein, welchen die Beklagte mit Entscheidung vom 21.05.2010 als unzulässig verwarf (KG-Akte, Bl. 117).

Das Kindergeld zahlte die Beklagte bis einschließlich März 2010 an den Kläger. Im April 2010 stellte sie die Zahlung an den Kläger ein und zahlte das Kindergeld für den Zeitraum Oktober 2009 bis März 2010 an den Beigeladenen nach. Von April 2010 bis einschließlich Juni 2010 zahlte die Beklagte nur an den Beigeladenen. Am 21.05.2010 ging die Klage bei Gericht ein. Im Juli 2010 nahm die Beklagte die Zahlung an den Kläger wieder auf und stellte die Abzweigung an den Beigeladenen ein.

Der Kläger trägt vor, die Entscheidung über die Abzweigung des für S. festgesetzten Kindergeldes sei aufzuheben. Die Unterhaltsleistungen der Eltern für S. würden monatlich das Kindergeld deutlich übersteigen. Dem Kläger entstünden monatlich nachweisbare durchschnittliche Unterhaltsaufwendungen für S. i.H.v. 617,10 Euro, zu denen der Anteil des Klägers an den Grundsicherungsleistungen von 31,06 Euro hinzuzusetzen sei. Wegen der Darstellung des Klägers wird insofern auf die Schriftsätze vom 17.11.2010 (Bl. 54, 55 der Akte) und 21.01.2010 (Bl. 66, 67 der Akte) und 21.11.2011 (übergeben in der mündlichen Verhandlung) Bezug genommen. Die bezifferten Aufwendungen seien ein Teil der für die gesamte Familie anfallenden Aufwendungen und entsprächen der allgemeinen Lebenserfahrung. Tatsächlich trage der Kläger weitere Aufwendungen für den Unterhalt seines Sohnes, die nicht einzeln beziffert werden könnten. Da S. in seinen 34 Jahren nie für Ämter Quittungen für Lebensmittel, Kleidung, Unternehmungen oder sonstiges benötigt habe, hätte der Kläger diese auch nicht aufbewahrt.

Kindergeld, welches bereits an einen Elternteil ausgezahlt wurde, könne nicht an den Sozialleistungsträger abgezweigt werden, selbst wenn der Abzweigungsantrag noch vor der Zahlung gestellt wurde. Somit sei der Abzweigungsbescheid allein schon aus diesem Grunde aufzuheben.

Die Klage richte sich gegen die Einspruchsentscheidung vom 20.04.2010, hilfsweise auch gegen den Änderungsbescheid vom 15.04.2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 21.05.2010.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 15.04.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.04.2010 aufzuheben,

hilfsweise den Bescheid vom 15.04.2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 21.05.2010 aufzuheben;

Die Familienkasse zu verurteilen, Kindergeld an den Kläger für den Zeitraum April 2010 bis einschließlich Juni 2010 zu zahlen;

hilfsweise festzustellen, dass die Zahlungen an den Beigeladenen zu Unrecht erfolgt sind;

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Der Beklagte und der Beigeladene tragen vor:

Aus der Auflistung des Klägers sei nicht zu erkennen, ob es sich um zusätzliche – über die vom Sozialleistungsträger gewährte Grundsicherung hinaus gehende – Aufwendungen handele. Es sei fraglich, wie der Kläger die monatlichen Unterhaltsaufwendungen für seinen Sohn in der angegebenen Höhe erbringen könne, wenn er selbst nur über das angegebene geringe Einkommen verfüge. Die vorgetragenen Unterhaltsaufwendungen bezögen sich teilweise auf solche Aufwendungen, die dem gleichen Zwecke dienten wie die Grundsicherung. Der Kläger habe nicht erklärt, wie die von ihm angegebenen Beträge zustande kämen. Es sei nicht der Nachweis geführt, dass ihm die Aufwendungen tatsächlich entstünden. Lediglich Aufwendungen, die über die Einkünfte des Sohnes durch die Grundsicherungsleistung und die Rentenzahlung hinausgingen, könnten unter Umständen Berücksichtigung finden.

Der Senat hat mündlich verhandelt. Wegen des Inhaltes der mündlichen Verhandlung wird auf die gerichtliche Niederschrift vom 22.11.2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe

1.

Die Klage gegen den Abzweigungsbescheid vom 15.04.2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20.04.2010 ist zulässig. Einer Entscheidung über die hilfsweise gegen den Abzweigungsbescheid vom 15.04.2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 21.05.2010 erhobene Klage bedarf es deswegen nicht. Der Kläger wurde zu dem Verfahren über den Einspruch des Beigeladenen hinzugezogen und gehört. Weder die Hinzuziehung als solche noch die unterbliebene Hinzuziehung begründen zwar für sich betrachtet die Klagebefugnis des Hinzugezogenen, aber eine Rechtsverletzung des Hinzugezogenen i.S.d. § 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ist zu bejahen, wenn eine materiell-rechtliche Beschwer auf Grund der Bindungswirkung der Entscheidung zu seinen Lasten und eine formelle Beschwer wegen zurückgewiesener eigener Anträge im Einspruchsverfahren vorliegen. Der Kläger hat sich mit seinem Schreiben vom 31.03.2010 gegen die Abzweigung des Kindergeldes gewendet und damit zugleich konkludent beantragt, den Einspruch des Beigeladenen zurückzuweisen. Er ist formell und materiell beschwert, da die Familienkasse gleichwohl dem Einspruch des Beigeladenen abgeholfen hat.

2.

Die Klage ist für den Zeitraum bis einschließlich März 2010 und ab Juli 2010 schon deswegen begründet, weil die Beklagte in diesem Zeitraum das Kindergeld dem Kläger ausgezahlt hat, ohne dies unter eine Bedingung zu stellen. Aus demselben Grunde ist der Hauptantrag für den Zeitraum April 2010 bis einschließlich Juni 2010, in dem die Auszahlung an den Beigeladenen erfolgte, unbegründet.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) scheidet eine Abzweigung des Kindergeldes an den Sozialleistungsträger nach § 74 des Einkommensteuergesetz (EStG) aus, wenn der Anspruch auf dessen Auszahlung bereits erfüllt worden ist (BFH, Urteil vom 26.08.2010, III R 21/08, BFH/NV 2011, 474, m.w.N.). Dies soll nach Ansicht des BFH selbst dann gelten, wenn der Abzweigungsantrag noch vor der Zahlung gestellt worden ist. Die Auszahlung des Kindergeldes an einen Dritten gehört nicht zum Festsetzungs-, sondern zum Auszahlungsverfahren, das dem Erhebungsverfahren entspricht. Sie betrifft nicht die Anspruchs-, sondern die Empfangsberechtigung. Dementsprechend kann Kindergeld, das bereits an einen Elternteil ausgezahlt worden ist, nicht mehr an den Sozialleistungsträger abgezweigt werden. Die Erfüllung eines erloschenen Anspruchs ist nicht möglich. Durch die Auszahlung an den Kläger bis März 2010 und ab Juli 2010 erlosch also ein möglicher Abzweigungsanspruch des Beigeladenen.

Umgekehrt kann das Kindergeld auch nicht mehr an den Kindergeldberechtigten ausgezahlt werden, wenn die Auszahlung an den Abzweigungsempfänger bereits erfolgte.

3.

Der Kläger hat für den Fall, dass sein Kindergeldzahlungsanspruch für den Zeitraum April 2010 bis einschließlich Juni 2010 wegen der Zahlung an den Beigeladenen erloschen sein sollte, hilfsweise beantragt, festzustellen, dass die Zahlungen an den Beigeladenen zu Unrecht erfolgt sind.

Darin liegt eine zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage, § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO.

Die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage erfordert ein berechtigtes Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung, wofür jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art genügt. Die Feststellung muss geeignet sein, in einem dieser Bereiche zu einer Positionsverbesserung des Klägers zu führen (BFH, Urteil vom 27.01.2004, VII R 54/02, BFH/NV 2004, 797). Es genügt unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie, dass der Beklagte die Auffassung des Gerichtes bei künftigen Verfahren respektiert (Gräber/von Groll, § 100 FGO, Rz 60). Insbesondere indiziert eine Wiederholungsgefahr ein Feststellungsinteresse. So liegt der Fall hier. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ermöglicht zum einen die Klärung der Abzweigungsberechtigung, was für die zukünftige Erfüllung des Anspruches auf Auszahlung des Kindergeldes entscheidend ist. Da der Kindergeldanspruch monatlich entsteht und die Beklagte die Empfangsberechtigung des Klägers bestreitet, liegt zudem eine Wiederholungsgefahr für zukünftige Zeiträume vor.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet.

Nach § 74 Abs. 1 EStG kann das für ein Kind festgesetzte Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Dies gilt auch, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrages zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld. In diesem Falle kann die Auszahlung auch an die Stelle erfolgen, die dem Kind Unterhalt gewährt, § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG.

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abzweigung nach § 74 Abs. 1 EStG sind dem Grunde nach erfüllt, sei es nach § 74 Abs. 1 Satz 1 oder nach § 74 Abs. 1 Satz 3 EStG. Eine Abzweigung setzt demnach voraus, dass der Kindergeldberechtigte zivilrechtlich zum Unterhalt verpflichtet ist, aber keinen Unterhalt leisten will, keinen Unterhalt leisten kann oder als Unterhalt nur einen geringeren Betrag als das Kindergeld zu leisten braucht (BFH, Urt. v. 17.12.2008, III R 6/07, BStBl II 2009, 926).

Der Tatbestand setzt das Bestehen einer Unterhaltspflicht voraus. Ob eine solche besteht, richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes (BFH, Urt. v. 16.04.2002, VIII R 50/01, BStBl. II 2002, 575). Der Kläger ist nach §§ 1601 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) seinem Sohn grundsätzlich zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet, da sich dieser nicht selbst unterhalten kann. Nach § 1602 BGB umfasst der Unterhaltsanspruch den gesamten Lebensbedarf des Kindes, wozu der Grundbedarf und der krankheitsbedingte Mehrbedarf eines behinderten und pflegebedürftigen Kindes gehören. Die Verpflichtung zur Unterhaltsgewährung bleibt auch insoweit bestehen, als der Unterhaltsanspruch eines volljährigen behinderten Kindes nach § 94 Abs. 2 SGB XII nur in Höhe eines bestimmten Unterhaltsbeitrages auf den Sozialleistungsträger übergeht. Denn diese Regelung hat nur zur Folge, dass der gesetzliche Übergang des Unterhaltsanspruches auf den Sozialleistungsträger ausgeschlossen ist, soweit er den Beitrag überschreitet, setzt damit aber voraus, dass überhaupt ein Unterhaltsanspruch besteht (BFH, Urt. v. 09.02.2009, III R 37/07, aaO).

Da der Lebensbedarf des Kindes S. zumindest teilweise durch die Leistungen des Beigeladenen befriedigt werden muss, ist der Tatbestand des § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG erfüllt. Sofern die Grundsicherungsleistungen wie hier bei einem jährlichen Gesamteinkommen des Unterhaltsverpflichteten von unter 100.000 Euro nicht nachrangig sind, mindern sie den unterhaltsrechtlichen Bedarf. Dies lässt die Unterhaltspflicht der Eltern in diesem Umfang erlöschen. Da die Grundsicherungsleistungen das Existenzminimum S. sicherten, brauchte der Kläger S. in diesem Umfang keinen Unterhalt zu zahlen. Gleichwohl blieb er dem Grunde nach zum Unterhalt gegenüber S. verpflichtet und sind seine Leistungen, soweit er tatsächlich Unterhalt leistet, auf die Grundsicherung anzurechnen (Bundesfinanzhof – BFH – Urteil vom 17.12.2008, III R 6/07, aaO).

Der Kläger ist seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht vollständig nachgekommen, da er die von dem Beigeladenen getragenen Kosten des Lebensbedarfes – mit Ausnahme seines Kostenbeitrages – nicht übernommen hat (BFH, Urt. v. 09.02.2009, III R 20/07, nicht amtlich veröffentlicht; BFH, Urteil vom 09.02.2009, III R 37/07, aaO). Der Unterhaltspflicht nicht nachkommen bedeutet, dass der Kindergeldberechtigte objektiv und dauerhaft für den wesentlichen Unterhalt des Kindes nicht aufkommt. Eine Abzweigung setzt nicht voraus, dass der Kindergeldberechtigte seine Unterhaltspflicht schuldhaft nicht erfüllt oder gar den Straftatbestand der Unterhaltspflichtve rletzung verwirklicht. Auf die Gründe für die Nichterfüllung der Unterhaltspflicht kommt es im Rahmen des § 74 EStG nicht an (BFH, Urteil vom 23.02.2006, III R 65/04, aaO).

§ 74 Abs. 1 Satz 3 EStG ermöglicht die Abzweigung darüber hinaus auch, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in einer Höhe zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld. Damit soll sichergestellt werden, dass auch ohne eine Verletzung der Unterhaltspflicht durch den Kindergeldberechtigten, wie sie in § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG gefordert wird, das Kindergeld nicht dem Unterhalt der Eltern dient, sondern dem Kind zugute kommt (BFH, Urt. v. 16.04.2002, VIII R 50/01, BStBl II 2002, 575 aaO).

b) Die Entscheidung über eine Abzweigung ist, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 74 Abs. 1 EStG vorliegen, dem Grunde und der Höhe nach eine Ermessensentscheidung der Familienkasse (BFH, Urteil vom 23.02.2006, III R 65/04, aaO). Ermessensentscheidungen der Familienkasse darf das Finanzgericht nur auf Ermessensfehler überprüfen (§ 102 FGO). Stellt es einen Ermessensfehler fest, kann es deshalb nicht selbst Ermessen ausüben, sondern ist darauf beschränkt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Lediglich dann, wenn nur eine Entscheidung ermessensgerecht erscheint (so genannte Ermessensreduzierung auf Null), ist das Finanzgericht befugt, seine Entscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Familienkasse zu setzen (BFH, Urteil vom 10.10.2001, XI R 52/00, BStBl II 2002, 201).

Bei der Ausübung des Ermessens ist der Zweck des Kindergeldes zu berücksichtigen (§ 5 AO). Das Kindergeld dient der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums eines Kindes und, soweit es dafür nicht erforderlich ist, der Förderung der Familie (§ 31 Sätze 1 u. 2 EStG). Kein Kindergeld wird deshalb gewährt, wenn die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes den – am steuerlich zu belassenden Existenzminimum eines Erwachsenen orientierten – Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG übersteigen. In einem solchen Fall sind die Eltern in der Regel wirtschaftlich nicht mehr in einer Weise belastet, die eine Entlastung im Wege des Familienleistungsausgleichs erfordert. Bei Einkünften und Bezügen des Kindes bis zur Höhe des Jahresgrenzbetrages wird dagegen typisierend eine Belastung der Eltern mit Unterhaltsaufwendungen unterstellt und daher unter den weiteren Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG Kindergeld gewährt.

Hiervon abweichend hängt der Anspruch auf Kindergeld für ein volljähriges behindertes Kind davon ab, dass das Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG). Es wird typisierend davon ausgegangen, dass den Eltern Unterhaltsaufwendungen für das Kind entstehen, wenn dessen eigene finanzielle Mittel nicht seinen gesamten Lebensbedarf abdecken. Der Lebensbedarf eines behinderten Kindes besteht aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) in Höhe des Existenzminimums eines Erwachsenen, zu dem z. B. auch Kontakt zur Familie, Teilnahme am kulturellen Leben und Erholung gehören, und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf, der auch ergänzende persönliche Betreuungsleistungen der Eltern und Fahrtkosten umfasst. Da das Kindergeld die finanzielle Belastung der Eltern durch den Unterhalt für das Kind ausgleichen soll, hängt die Entscheidung über die Abzweigung davon ab, ob und in welcher Höhe ihnen – den Grund- und den behinderungsbedingten Mehrbedarf betreffende – Aufwendungen für das Kind entstanden sind. Dabei sind auch im Verhältnis zu den Kosten des Sozialleistungsträgers geringe Aufwendungen für das Kind mit einzubeziehen (BFH, Urteil vom 09.02.2009, III R 20/07).

Entstehen dem Kindergeldberechtigten Aufwendungen für das volljährige behinderte Kind mindestens in Höhe des Kindergeldes, kommt eine Abzweigung an den Sozial-leistungsträger nicht in Betracht (so grundlegend der BFH in den Urteilen vom 09.02.2009, III R 20/07 und III R 37/07, aaO). Liegt keine Ermessensreduktion auf Null vor, so liegt die Entscheidung über die Abzweigung des Kindergeldes dem Grunde nach und die Entscheidung über die Höhe des abzuzweigenden Kindergeldes im pflichtgemäßen Ermessen der Familienkasse (BFH, Urteil vom 23.02.2006, III R 65/04, aaO). Es kommt daher auch eine teilweise Abzweigung von Kindergeld in Betracht. Im Falle der Abzweigung hat diese im Monat der Antragstellung, spätestens im Folgemonat zu erfolgen (so auch: FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.07.2009, 10 K 10327/07, EFG 2011, 159).

Aufwendungen des Klägers sind nicht nur dann zu berücksichtigen, wenn sie die Höhe des durch den Regelsatz gedeckten Bedarfes überschreiten. Soweit der Kläger die Aufwendungen seinem eigenen Vermögen entnimmt, leistet er Unterhalt an S.. Nach Auffassung des Senates sind insbesondere nicht nur „angemessene” Mittelverwendungen zu berücksichtigen. § 74 Abs. 1 EStG stellt tatbestandlich auf die Verletzung oder das Nichtbestehen einer Unterhaltspflicht ab. Insoweit sind für das Abzweigungsverfahren die zivilrechtlichen Maßstäbe des Unterhaltsrechtes (§ 1601 ff BGB) anzulegen, wonach der Unterhaltsanspruch dem Grunde nach den gesamten Lebensbedarf (Grundbedarf und behinderungsbedingten Mehrbedarf) im Sinne von § 1610 Abs. 2 BGB umfasst und sich der Höhe nach eben nicht am sozialhilferechtlichen Existenzminimum orientiert, sondern durch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten (§ 1603 BGB) sowie in Einzelfällen durch die so genannte Sättigungsgrenze begrenzt wird. Es ist daher nicht danach zu differenzieren, ob Unterhaltsaufwendungen dem Grundbedarf des Kindes oder dem behinderungsbedingten Mehrbedarf zuzurechnen sind (FG Münster, Urteil vom 25.03.2011, 12 K 1891/10 Kg, EFG 2011, 1727). Bei der im Rahmen des Abzweigungsverfahrens zu treffenden Ermessensentscheidung der Familienkasse sind grundsätzlich sämtliche Unterhaltsaufwendungen der Eltern zur Deckung des Lebensbedarfes des Kindes im Sinne von § 1610 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen. Die Bemessung des Lebensbedarfes eines Kindes im Sinne dieser Vorschrift orientiert sich an den Lebensverhältnissen der Eltern. Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten hat auf die Bestimmung des objektiv bestehenden Unterhaltsbedarfes des Kindes keine Auswirkung. Unterhaltsrechtlich sind in einem ersten Schritt die objektive Bedürfnislage des Unterhaltsberechtigten zu prüfen und erst in einem zweiten Schritt die wirtschaftliche Lage der Unterhaltsverpflichteten, dessen Leistungsfähigkeit nach § 1603 BGB. Als Grenze für eine Berücksichtigung von Aufwendungen des Kindergeldberechtigten im Rahmen der Abzweigungsentscheidung kann daher nicht auf das sozialhilferechtliche Existenzminimum abgestellt werden, sondern auf den an den Lebensverhältnissen der Eltern orientierten unterhaltsrechtlichen Lebensbedarf des Kindes im Sinne von § 1610 Abs. 2 BGB (FG Münster, Urteil vom 25.03.2011, 12 K 1891/10 Kg, aaO). Hierfür spricht auch, dass nach § 31 Satz 1, 2 EStG der Zweck des Kindergeldes nicht nur in der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums liegt, sondern, soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, in der Förderung der Familie. So wird auch, soweit eigene Einkünfte und Bezüge des Kindes den in § 32 Abs. 4 EStG festgelegten Jahresgrenzbetrag nicht überschreiten, typisierend davon ausgegangen, dass den Eltern Unterhaltsaufwendungen für das Kind entstehen (BFH, Urteil vom 09.02.2009, III R 37/07, aaO). Die Entscheidung über die Abzweigung hängt somit nicht davon ab, ob die Aufwendungen nach sozialhilferechtlichen Maßstäben angemessen sind, sondern ob und in welcher Höhe Aufwendungen für das Kind entstanden sind, die dessen allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) und dessen individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf betreffen. Die Abgrenzung hat somit nicht nach der Angemessenheit, sondern nach der Zweckbestimmung der Aufwendungen zu erfolgen.

Soweit teilweise argumentiert wird, die Abzweigung hätte schon zur Gleichstellung mit minderjährigen Leistungsempfängern zu erfolgen, greift dies nicht. § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII enthält eine normative Einkommenszuordnung. Ohne diese Regelung würde das Kindergeld dem Einkommen der Kindergeldberechtigten zugeordnet und den Bedarf der Bedarfsgemeinschaft mindern. Bei der Berechnung des Bedarfes eines volljährigen Kindes wird auf dessen Einkommen abgestellt. Das Kindergeld wird dem volljährigen Kind mangels einer Zuordnungsnorm nicht zugerechnet, wenn das Kindergeld nicht innerhalb eines Monats an das Kind weitergeleitet wird und die Voraussetzungen der Abzweigung vorliegen. Die unterschiedliche Behandlung ist aber begründet. Vom Zeitpunkt der Volljährigkeit an hat ein Kind grundsätzlich selbst für seinen Unterhalt zu sorgen (§ 1602 Abs. 1 BGB). Damit verändert sich die Bedeutung des in diesen Fällen noch zu zahlenden Kindergeldes zum einen in Richtung auf Ausbildungsförderung an Stelle von Betreuung und Erziehung, zum anderen in Richtung auf Familienförderung. Entscheidend kommt hier zum Tragen, dass bei behinderten Kindern mit Eintritt der Volljährigkeit der Rechtsanspruch auf Grundsicherungsleistungen erwächst. Der Unterhaltsbedarf eines voll erwerbsgeminderten volljährigen Kindes wird vorrangig durch die Grundsicherung gedeckt, die als Einkommen im Sinne des Unterhaltsrechts gilt und daher in diesem Umfang die Unterhaltspflicht der Eltern zum Erlöschen bringt. Die Nichtberücksichtigung von Unterhaltsansprüchen gegen die Eltern stärkt im Interesse der Versorgung der dauerhaft Erwerbsgeminderten die Einheit der Familie, den familiären Zusammenhalt. Zugrunde liegt die rechtspolitische Wertung, für den Lebensunterhalt dieses Personenkreises habe in der Regel vorrangig die staatliche Gemeinschaft einzustehen (so das Bundessozialgericht – BSG –, Urteil vom 08.02.2007, B 9b SO 5/06 R, NJW 2008, 395). Dieser Vorrang der Grundsicherung würde durch die Regelabzweigung des Kindergeldes ohne Rücksicht auf Aufwendungen, die aus dem Kindergeld geleistet werden, konterkariert.

c) Der Kläger hat monatliche Aufwendungen glaubhaft gemacht, die das Kindergeld übersteigen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes sind nur die den Eltern im Zusammenhang mit der Betreuung und dem Umgang mit dem Kind tatsächlich entstandenen und glaubhaft gemachten Aufwendungen zu berücksichtigen und keine „fiktiven” Kosten für die Betreuung des Kindes in die Abwägung einzubeziehen (BFH, Urteil vom 09.02.2009, III R 37/07, aaO). Die Zeit der Betreuung und Pflege ist daher nicht zu berücksichtigen. Da der Anspruch auf Auszahlung des Kindergeldes für jeden Monat neu entsteht, und die Anspruchsberechtigung durch die Abzweigung nicht berührt wird, ist für die zeitliche Zurechnung glaubhaft gemachter Aufwendungen im Ausgangspunkt nach dem Monatsprinzip zu verfahren. Bei konsequenter Verfolgung dieses Prinzips wären die Unterhaltsaufwendungen – nur – im Monat ihrer Entstehung zu berücksichtigen. Dies würde aber nicht dem Charakter von Aufwendungen entsprechen, die dazu dienen, den Lebensbedarf eines Kindes nicht nur punktuell – im Moment der Aufwendung – sondern über einen längeren oder sich wiederholenden Bedarfszeitraum hinweg zu befriedigen. So hat der Bundesfinanzhof bereits entschieden, dass bei der Prüfung, ob ein behindertes Kind zum Selbstunterhalt imstande ist, ein nicht monatlich anfallender notwendiger behinderungsbedingter Mehrbedarf, der bei einer vorausschauenden Bedarfsplanung vorhersehbar ist, auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen und mit einer monatlichen Durchschnittsbelastung anzusetzen ist (BFH, Urt. v. 24.08.2004, VIII R 59/01, BFHE 207, 237). Dieser Gedanke ist auf die Prüfung glaubhaft gemachter Unterhaltsaufwendungen der Eltern zu übertragen (vgl. FG Münster, Urteil vom 25.03.2011, 12 K 1891/10 Kg, aaO). § 74 EStG hält aber keine Maßstäbe bereit, welcher Verteilungszeitraum angemessen wäre. Da es um die tatsächliche Deckung des Lebensbedarfes eines Kindes geht, welcher sich nicht nach den Maßstäben beurteilen lässt, die der Gesetzgeber für die Absetzung für Abnutzung vorgeschrieben hat, können AfA-Grundsätze allenfalls als Anhaltspunkt herangezogen werden. Es bleibt daher eine Frage der konkreten Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls, auf welchen Zeitraum solche wiederkehrenden Aufwendungen zu verteilen sind (so auch FG Münster, aaO).

Der Kläger hat schon vorgerichtlich gegenüber der Beklagten und auf Aufforderung des Gerichts auch im Gerichtsverfahren Ausführungen zu den von ihm getragenen Aufwendungen gemacht, aber nur wenige Belege vorgelegt.

Selbst die wenigen Belege machen bereits monatliche Aufwendungen des Klägers für seinen Sohn glaubhaft, die das Kindergeld übersteigen. Da S. im Haushalt des Klägers lebt, ist es ohne weiteres nachvollziehbar, dass anteilige Kosten auf dessen Wohnungsbedarf entfallen. Die Aufwendungen für die Familienwohnung im Jahre 2010 hat der Kläger durch Vorlage von Abrechnungen für die Versorgung mit Strom, Gas, Wasser, für die Abfallentsorgung und für die Grundsteuer belegt. Die Umrechnung der Jahresrechnungsbeträge auf 12 Monate und die Berechnung für 3 Kopfteile ergeben monatlich anteilige Aufwendungen für den Wohnbedarf S.s in Höhe von 157,22 Euro. Da der Kläger des Weiteren an den Beigeladenen einen Kostenanteil von 31,06 Euro monatlich zahlt, übersteigen seine monatlichen Aufwendungen schon damit das Kindergeld. Für die weiteren Aufwendungen hat der Kläger hingegen keinerlei Belege vorgelegt.

d) Dem Aufwand stehen allerdings monatlich eigene Einkünfte und Bezüge S.s von rund 432 Euro gegenüber.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes erbringt der Kläger, soweit er die Aufwendungen aus den Einkünften und Bezügen S.s – und damit auch aus den von dem Beigeladenen zur Verfügung gestellten Beträgen – leistet, keinen eigenen Unterhalt. Bei volljährigen behinderten Kindern, die im Haushalt des Kindergeldberechtigten leben, ist – soweit nichts anderes nachgewiesen ist – von einem „Wirtschaften aus einem Topf” auszugehen. Dies bedeutet, dass die finanziellen Mittel des Kindes in eine gemeinsame Kasse mit den Eltern fließen, aus der der Lebensbedarf des Kindes (und der Eltern) gedeckt wird (BFH, Urteil vom 17.12.2008, III R 6/07, aaO).

Allerdings ist es offenkundig, dass die Berechnung der Aufwendungen des Klägers nach den vorgelegten und konkret zuzuordnenden Belegen lückenhaft bleibt. Der Kläger hat weitere Aufwendungen in einem erheblichen Umfang behauptet, und es ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass für die Ernährung und Kleidung, für die Körper- und Gesundheitspflege einschließlich der Arztkosten, für Hausrat, für Freizeit und Kultur und für einen gemeinsamen Urlaub weitere Aufwendungen anfallen. Deswegen hat der Kläger nachvollziehbar geltend gemacht, dass er für viele Aufwendungen keine Belege habe und darauf hingewiesen, dass die Sammlung von Belegen in der Vergangenheit nicht erforderlich war. Die Feststellung der Aufwendungen anhand der zur Glaubhaftmachung geeigneten Unterlagen des Klägers bleibt daher erkennbar lückenhaft. Dies ist nach der Erfahrung des Senates mit dem Vortrag der Beteiligten in Abzweigungsfällen auch nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Die Entscheidung auf Grund regelmäßig lückenhafter Nachweise führt aber notwendigerweise zu zufälligen Ergebnissen.

Es ist auch nicht allein Sache des Kindergeldberechtigten, den für das Kind erbrachten Unterhalt „nachzuweisen”, um so eine Abzweigung abzuwenden, da das Bestehen eines Anspruches auf Kindergeld nicht Streitgegenstand ist. Streitgegenstand ist vielmehr der Anspruch auf Abzweigung eines Teilbetrages des Kindergeldes aus dem Anspruch des Kindergeldberechtigten. Der Nachweis, dass die Voraussetzungen für eine Abzweigung erfüllt sind, obliegt daher vorrangig dem Anspruchssteller, hier dem Beigeladenen. Daher gibt Ziffer 74.1.1 Abs. 3 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleiches nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG 2009) der Verwaltung für das Verfahren vor, der Antragsteller müsse im Einzelnen darlegen, dass die Voraussetzungen für eine Abzweigung gegeben sind. Der Kläger ist zwar als Verfahrensbeteiligter gehalten, an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken. § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG, der die Kindergeldberechtigten verpflichtet, Änderungen in den für die Leistung des Kindergeldes erheblichen Verhältnissen mitzuteilen, verpflichtet jedoch nicht zu einer Nachweispflicht über die Verwendung des Kindergeldes. Die Mitteilungspflichten beziehen sich nur auf diejenigen Umstände, die den Anspruch auf Kindergeld begründen oder entfallen lassen. Die Abzweigung betrifft jedoch nicht die Existenz des Kindergeldanspruches des Kindergeldberechtigten, sondern setzt diesen Anspruch voraus. Selbst wenn man wegen der Sach- und Beweisnähe der Kindergeldberechtigten eine grundsätzliche Pflicht postulieren wollte, die Mittelverwendung darzulegen, so muss sich diese an dem das ganze öffentliche Recht durchziehenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz messen lassen. Der Senat hält es zumindest für unverhältnismäßig und deshalb unzulässig, dem Kindergeldberechtigten eine derartige – für den Kindergeldberechtigten im Detail extrem aufwändige – Aufzeichnungs- oder Nachweispflicht aufzuerlegen. Denn dieser müsste insbesondere die Aufwendungen für langlebige Wirtschaftsgüter (z. B. Möbel, Elektroartikel), die sich über Jahre als Aufwand auswirken, konsequenterweise auch für folgende Streitzeiträume aufzeichnen, d.h. er müsste für viele Wirtschaftsgüter eine Art Anlageverzeichnis führen. Dies erscheint dem Senat angesichts der ohnehin schon hohen zeitlichen Belastung der Eltern behinderter Kinder für deren Pflege abwegig. Der Kindergeldberechtigte darf im Verfahren nach § 74 EStG also nicht verpflichtet werden, akribisch eine Art „Haushaltsbuch” zu führen oder in ähnlicher Weise nachvollziehbar glaubhaft zu machen, ob und ggf. in welcher Höhe er aus welchen Einkünften Aufwendungen für den Unterhalt seines Kindes tätigt. Auch die unter Umständen rechtlich nicht leicht zu treffende Zuordnung der Aufwendungen nach den einzelnen sozialhilferechtlichen Bedarfsrubriken ist nicht erforderlich.

Hinzu kommt, dass der Kindergeldberechtigte und das in seinem Haushalt lebende behinderte Kind – im Regelfall – „aus einem Topf” wirtschaften, so dass eine eindeutige Trennung zwischen dem Aufwand für den Unterhalt des Kindes und dem Lebensbedarf des Kindergeldberechtigten allenfalls in Teilbereichen – z.B. bei der Anschaffung von Kleidung, Gesundheitspflege, Freizeit, Bildung – möglich ist. In anderen Bereichen – insbesondere bei den großen finanziellen Posten wie Verpflegungsaufwendungen und Kosten des Wohnraums – ist eine solche Differenzierung hingegen kaum praktikabel.

Auch ist eine Beweisführung kaum möglich, denn insbesondere beim Verpflegungsaufwand kommt eine Abgrenzung der Kosten für das behinderte Kind zu den Kosten der übrigen Familienmitglieder nicht ernsthaft in Betracht. Dies führt im Ergebnis dazu, dass die Entscheidung über die Abzweigung von Kindergeld an den Träger der Sozialhilfe, der dem Kind Grundsicherungsleistungen gewährt, stets auf der Grundlage eines nur unvollständig aufgeklärten Sachverhaltes ergehen muss (zutreffend FG Sachsen-Anhalt, 5. Senat, Urt. v. 10.11.2011, 5 K 454/11).

Ein Rückgriff auf § 162 Abgabenordnung (AO), der eine Schätzung ermöglichen könnte, erscheint dabei sachlich nicht gerechtfertigt, denn es ist angesichts der Vielfältigkeit der behinderungsbedingten Aufwendungen äußerst problematisch, einen angemessenen Maßstab für die Schätzung zu finden. Auf die sozialhilferechtlichen Regelsätze abzustellen würde zu einem Wertungswiderspruch zu kindergeldrechtlichen Regelungen und zu der darauf aufbauenden finanzgerichtlichen Rechtsprechung führen. Denn nach § 31 Satz 1, 2 EStG liegt der Zweck des Kindergeldes nicht nur in der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums, sondern, soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, in der Förderung der Familie. So wird auch, soweit eigene Einkünfte und Bezüge des Kindes den in § 32 Abs. 4 EStG festgelegten Jahresgrenzbetrag nicht überschreiten, typisierend davon ausgegangen, dass den Eltern Unterhaltsaufwendungen für das Kind entstehen (BFH, Urteil vom 09.02.2009, III R 37/07, aaO). Zur Ermittlung des Grundbedarfes kann typisierend auf den in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG festgesetzten Jahresgrenzbetrag als Existenzminimum eines Erwachsenen zurückgegriffen werden (BFH, Urteil vom 15.10.1999, VI R 40/98, BStBl II 2000, 75). Soweit ein individueller behinderungsbedingter Mehrbedarf nicht einzeln nachgewiesen ist, kann auf die Wertung des § 33b EStG zurückgegriffen werden (BFH, a.a.O.). Da bei S. das Merkmal „H”, also hilflos, vorliegt, kann somit ein Betrag von 3.700 Euro für den behinderungsbedingten Mehrbedarf angenommen werden. Hinzu kommt der Jahresgrenzbetrag für 2009 von 7.680 Euro und für 2010 von 8.004 Euro. Den typisierten Gesamtbedarf von 11.380 Euro für 2009 bzw. 11.704 Euro für 2010 erreichen die Regelsätze aber nicht. Ebenso wenig überzeugt es, zur Lückenfüllung auf statistische Werte abzustellen, die durch die Untersuchungen der zuständigen Landesämter erstellt werden. Diese Werte bieten nämlich keinerlei Gewähr, sich den tatsächlichen Verhältnissen des Kindergeldberechtigten im Einzelfall auch nur angemessen anzunähern. Eine Quotelung der festgestellten gemeinschaftlichen Haushaltsausgaben nach der Zahl der haushaltsgehörigen Personen – wie sie insbesondere auch bei der Methode, die „Deckungslücke” zu ermitteln, erfolgt (vgl. FG Münster, Urteile vom 25. März 2011 – 12 K 1891/10 Kg – EFG 2011, S. 1727 und 12 K 2051/10 Kg – EFG 2011, S. 1327) – erscheint nicht unproblematisch, da nicht ausgeschlossen ist, dass die Eltern auf die Behinderung ihres Kindes in besonderem Maße Rücksicht nehmen. So ist etwa denkbar, dass bei der Ernährung die Bedürfnisse des Kindes in gesteigertem Maße berücksichtigt werden und dadurch Mehrkosten entstehen, ohne dass sich hieraus bereits ein sozialhilferechtlich beachtlicher „behinderungsbedingter Mehrbedarf” ergäbe (vgl. FG Sachsen-Anhalt, aaO). Ebenso verhält es sich mit den Wohnraumkosten, denn ein körperbehindertes Kind wie z.B. ein Rollstuhlfahrer hat einen erhöhten Platzbedarf, der nicht ohne weiteres allein dem Kind zu Gute kommen mag. Sogar behinderungsbedingt erforderliche Umbaukosten können nicht immer allein als behinderungsbedingter Aufwand qualifiziert werden, denn diese mögen in vielen Fällen auch den übrigen Familienmitgliedern einen Nutzen bringen. Da der Gesetzgeber typisierend davon ausgeht, dass den Kindergeldberechtigten Aufwendungen für ihr Kind entstehen, § 74 Abs. 1 EStG den Vorrang der elterlichen Sorge nicht in Frage stellt und der Nachweis der Abzweigungsvoraussetzungen dem Anspruchssteller obliegt, muss bei der Schätzung der Unterhaltsaufwendungen des Kindergeldberechtigten ausgeschlossen werden, dass die schätzungsbedingten Unwägbarkeiten zu seinen Lasten gehen. Es könnte daher allenfalls eine umfassende und äußerst detaillierte Erfassung der Ausgaben des Kindergeldberechtigten die Zufälligkeit der Ergebnisse ausschließen. Dies rechtfertigt aber keine Beschränkung der Prüfung auf die zweifelsfrei ermittelbaren Bedarfsrubriken oder auf den behinderungsbedingten (Mehr-) Bedarf, gerade weil § 74 EStG erkennbar nicht in die Entscheidungsfreiheit des Kindergeldberechtigten eingreifen oder diese auch nur mittelbar – durch Außerachtlassung bestimmter Aufwendungen bei der Abwägung – beeinflussen will und darf. Eine detaillierte Erfassung und Zuordnung der Ausgaben des Kindergeldberechtigten auf Basis der Regelsatzinhalte (Bedarfsrubriken) ist also ungeeignet, um zu einer sachgerechten Anwendung des § 74 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG zu gelangen. Der Senat schließt sich daher den Ausführungen des FG Sachsen-Anhalt, 5. Senat im Urteil vom 10.11.2011 (5 K 454/11) an. Die Auffassung des Finanzgerichtes Münster (FG Münster, Urteil vom 25.03.2011, 12 K 1891/10, EFG 2011, 1727) stellt nach Auffassung des Senates zu hohe Anforderungen an die Nachweispflichten der Kindergeldberechtigten.

Der Senat ist der Auffassung, dass eine tatsächliche, anhand konkreter Feststellungen im Einzelfall widerlegliche, Vermutung dafür spricht, dass die Unterhaltsleistungen der Kindergeldberechtigten für ihr behindertes Kind den Kindergeldbetrag übersteigen. Diese Vermutung greift dann nicht, wenn die Kindergeldberechtigten selbst von Sozialhilfeleistungen leben (vgl. BFH, Urteil vom 17.12.2008, III R 6/07, aaO). Da dem im vorliegenden Streitfall keine Feststellungen entgegenstehen, ist davon auszugehen, dass der Kläger die Aufwendungen aus seinen eigenen Einkünften und Bezügen bzw. denen seiner Ehefrau finanziert hat. Es verbleibt nämlich trotz der eigenen Einkünfte und Bezüge S.s schon nach der typisierten Berechnung (s. o.) eine Bedarfslücke, da dem typisierten Gesamtbedarf von 11.380 Euro für 2009 (bzw. 11.704 Euro für 2010) eigene jährliche Mittel S.s von – maximal – 5.182,08 Euro gegenüberstehen. Trotz der geringen Höhe der Einkünfte des Klägers ist unter Einbezug des Kindergeldes nachvollziehbar, dass er die glaubhaft gemachten Aufwendungen selbst trug.

Der Senat hält es daher für konsequent und angemessen – wie in Ziffer 74.1.2 Abs. 2 DA-FamEStG vorgesehen – grundsätzlich davon auszugehen, dass der Kindergeldberechtigte regelmäßig Unterhaltsleistungen erbringt, die den Betrag des anteiligen Kindergeldes übersteigen, wenn das Kind in den Haushalt des Berechtigten aufgenommen worden ist.

Das Finanzgericht ist nach Allem nicht gehalten, im Rahmen seiner Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhaltes von Amts wegen (§ 76 FGO, § 88 AO) eine umfassende, aufwändige und tief in die Privatsphäre der Kindergeldberechtigten reichende Ausforschung des Sachverhaltes vorzunehmen. Der Annahme einer solchen weitgehenden Verpflichtung steht auch entgegen, dass nach § 20 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) zwar auch für das sozialhilferechtliche Verfahren grundsätzlich der Untersuchungsgrundsatz gilt, die Festsetzung der Grundsicherungsleistungen aber dennoch aus den bereits genannten Gründen ohne Prüfung der Einkommensverhältnisse der kindergeldberechtigten Eltern erfolgt, § 43 Abs. 2 SGB XII). Der Gesetzgeber hat zudem für die Grundsicherung den Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe ausdrücklich außer Kraft gesetzt. Ist aber damit – trotz an sich bestehender Verpflichtung zur Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen – einer Prüfung der Unterhaltsleistungen der kindergeldberechtigten Eltern sozialhilferechtlich die Grundlage entzogen, muss diese gesetzliche Vorgabe zur „Intensität und Gründlichkeit” der Ermittlung des Sachverhaltes auch bei der Anwendung des § 74 Abs. 1 EStG beachtet werden (zutreffend FG Sachsen-Anhalt, aaO).

Bei nicht behinderten Kindern wird – auch nur bis Ende des Jahres 2011 – geprüft, ob die schädliche sogenannte „Einkünfte- und Bezügegrenze” überschritten ist. Ist dies nicht der Fall, geht der Gesetzgeber von einer finanziellen Belastung der Eltern aus ohne im Einzelnen zu hinterfragen, ob und welchen kindbedingten Aufwand sie überhaupt hatten. Bei behinderten Kindern ist dies im Ergebnis ebenso zu handhaben. Sind sie außerstande, sich selbst zu unterhalten, reichen also ihre finanziellen Mittel nicht zur Deckung des Grund- und behinderungsbedingten Mehrbedarfs aus, ist bei nur teilstationärer Unterbringung typisierend davon auszugehen, dass die Eltern finanziell mindestens in Höhe des Kindergeldes belastet sind.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, Abs. 3 FGO, 139 Abs. 4 FGO. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte auch insoweit zu tragen, als der Hauptantrag des Klägers infolge der zwischenzeitlichen Zahlung an den Beigeladenen unbegründet war, da auf den Hilfsantrag des Klägers festzustellen war, dass die Beklagte insoweit rechtswidrig handelte.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen hat der Senat nicht der unterliegenden Beklagten auferlegt. Hat der Beigeladene keinen eigenen Sachantrag gestellt, wird eine Kostenerstattung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, z. B. dann, wenn der Beigeladene das Verfahren durch seinen Sachvortrag oder durch Rechtsausführungen wesentlich gefördert hat (Gräber-Stapperfend, FGO, § 139 FGO, Rz 138), was hier nicht der Fall ist.

5. Die Revision ist zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO.

Die Entscheidung wirft grundsätzliche Fragen der Anwendung des § 74 EStG auf, die der Senat mit dem 5. Senat des Finanzgerichts Sachsen-Anhalt abweichend vom Finanzgericht Münster gelöst hat. Nach Kenntnis des Senats sind zudem bereits Hunderte von Abzweigungsanträgen der Sozialleistungsträger anhängig, so dass die obergerichtliche Beantwortung der aufgeworfenen Fragen weitreichende Bedeutung über den entschiedenen Einzelfall hinaus hat.

VorschriftenEStG § 74 Abs. 1 S. 1, EStG § 74 Abs. 1 S. 3, EStG § 74 Abs. 1 S. 4, EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3, EStG § 32 Abs. 4 S. 2, BGB § 1601, BGB § 1602, BGB § 1603, BGB § 1610 Abs. 2, SGB XII § 94 Abs. 2, SGB XII § 82 Abs. 1 S. 2, AO § 5, FGO § 102

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